L 2 SO 3505/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1673/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3505/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Eingliederungshilfe in der Form ambulanten betreuten Wohnens über den 30. November 2009 hinaus.

Die Klägerin, die 19 geboren wurde, leidet an einer chronischen psychischen Erkrankung. Diagnostiziert wurde eine anhaltende wahnhafte Störung. Sie ist gelernte Bürokauffrau, aber seit vielen Jahren nicht mehr berufstätig, und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende-. Sie lebt in einem Zimmer innerhalb der elterlichen 4-Zimmer-Wohnung in Freiburg; zwei Geschwister sind bereits ausgezogen. Die Klägerin selbst zog vor einigen Jahren ebenfalls aus, um alleine zu wohnen, kehrte aber rasch zurück, nachdem sich ihr Krankheitsbild durch die mit dem Auszug einhergehende Erwartungshaltung und die innerfamiliären Belastungen deutlich verschlimmert hatte (vgl. hierzu den Bericht des Gesundheitsamtes vom 15. Januar 2008; Bl. 19 der Verwaltungsakte - VA -).

Im Dezember 2008 wandte sich die Klägerin erstmals an die Beklagte mit dem Ziel der Gewährung von Leistungen für ambulant betreutes Wohnen. Sie gab in diesem Zusammenhang an, die innerfamiliäre Situation habe sich so verschlechtert, dass ein Auszug notwendig sei, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst mangels Vorliegens einer wesentlichen Behinderung ab (Bescheid vom 24. September 2009, Bl. 45 VA), da lediglich ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden sei. Nach Einholung weiterer Auskünfte, u.a. bei der die Klägerin behandelnden Fachärztin für Psychiatrie, Dr. Sch. (Bl. 55 VA), ging die Beklagte fortan vom Vorliegen einer wesentlichen seelischen Behinderung aus und stimmte das weitere Vorgehen u.a. mit Frau F. (F.), einer der Inhaberinnen der beigeladenen Firma Vita M., die die Klägerin bereits zu dieser Zeit betreute, ab. Der Klägerin wurde zunächst im Juni 2009 Eingliederungshilfe in Form ambulant betreuten Wohnens für drei Monate (bis 31. August 2009) bewilligt, wobei die Betreuungspauschale von 100% auf 40% gekürzt wurde. Ziel der Maßnahme war die Anmietung einer eigenen Wohnung durch die Klägerin. Die Bewilligung erfolgte gemäß eines Schreibens an F. vom 10. Juni 2009 "ausnahmsweise", obwohl die Klägerin noch im elterlichen Haushalt wohnte, um die Anmietung der Wohnung möglich zu machen (Bl. 65 VA).

Mit Bescheid vom 3. September 2009 verlängerte die Beklagte nach Rücksprache mit F. die gewährte Eingliederungshilfe über den 31. August 2009 hinaus bis 30. November 2009 (Bl. 87 VA). Geleistet wurde wie zuvor eine Betreuungspauschale in Höhe von 40% aus der von der Beigeladenen von der Klägerin geforderten Betreuungspauschale. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein und erhob schließlich Klage beim Sozialgericht Freiburg (S 9 SO 1599/10) mit dem Ziel der Bewilligung der vollen Betreuungspauschale. Das Verfahren ruht derzeit im Hinblick auf ein vorgreifliches Verfahren, das beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig ist (L 7 SO 1394/10). In einem weiteren Verfahren erhob die Beigeladene Leistungsklage gegen die Beklagte beim Sozialgericht Freiburg (SG), gerichtet auf Auszahlung der Betreuungspauschale in voller Höhe (S 9 SO 4108/11). Diese Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2012 ab; die Berufung hiergegen ist beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig (L 7 SO 3516/12).

Während des Zeitraums, für den die Beklagte Leistungen bewilligt hatte, erhielt die Klägerin ein Angebot zur Anmietung einer Wohnung. Eine Anmietung erfolgte nicht.

Am 3. Dezember 2009 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Leistungen für ambulant betreutes Wohnen ("das ambulant betreute Wohnen durch "Vita M.", vgl. Bl. 119 VA). Sie machte geltend, sie benötige weiterhin Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie bezüglich ihrer beruflichen Situation und der Bewältigung ihres Alltags. Bei den Eltern zu wohnen sei für sie eine große Belastung, die sich auf ihre Psyche bisweilen sehr negativ auswirke. Dadurch ausgelöste depressive Phasen machten es ihr unmöglich, sich ganz aus eigener Kraft um Wohnungen zu bemühen (Bl. 119 VA).

Mit Bescheid vom 27. Januar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bl. 131 VA) und verwies darauf, betreutes Wohnen im Elternhaus sei grundsätzlich nicht möglich. Ausnahmsweise seien bisher für sechs Monate Leistungen gewährt worden. Das vereinbarte Ziel der Hilfe, der Auszug aus dem Elternhaus, sei aber nicht erreicht worden. Eine Weitergewährung könne nun nicht mehr erfolgen.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 8. Februar 2010 Widerspruch ein (Bl. 175 VA) und machte geltend, sie brauche nicht nur für den Auszug oder die Wohnungssuche Hilfe, sondern auch etwa bei der Arbeitssuche oder beim Umgang mit Behörden. Hierbei sei sie alleine überfordert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 189 VA). Sie stellte nochmals dar, Hilfe in Form von betreutem Wohnen sei nicht möglich, wenn die Person noch im Haushalt der Eltern wohnt. Es habe daher nur ausnahmsweise zielgerichtete Hilfe (zur Wohnungssuche/zum Umzug) gewährt werden können. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden, ohne dass eine Mitteilung darüber gemacht worden wäre, ob sich die Klägerin in dieser Zeit wohnungssuchend gemeldet oder sich in sonstiger Weise um eine Wohnung bemüht hat.

Am 25. März 2010 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und ergänzend ausgeführt, die Beigeladene sei über den Ablauf der erstmaligen Leistungsbewilligung hinaus mit Betreuungsleistungen in Vorleistung getreten, könne dies aber nicht endlos weiter tun. Ihr Bedarf sei der Beklagten bekannt und von dieser zu decken.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, ein Bedarf für die Gewährung von Leistungen für ambulant betreutes Wohnen an die Klägerin bestehe nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, ein Eingliederungshilfebedarf bestehe bei der Klägerin nicht. Soweit die beantragte Leistung dem Zweck dienen solle, Unterstützung bei der Ablösung aus dem Elternhaus, der Wohnungssuche und beim Auszug zu erhalten, könne nicht festgestellt werden, dass die begehrte Leistung zur Deckung dieses Bedarfs überhaupt geeignet sei. Entsprechend der Leistungsbeschreibung der Beigeladenen sei betreutes Wohnen die Verbindung einer selbstständigen Lebensführung in eigenem Wohnraum mit einer Beratung und persönlichen Betreuung durch Fachkräfte. Das von der Klägerin praktizierte, auf Ablösung und Auszug abzielende Wohnen im elterlichen Haushalt sei damit nicht vereinbar. Im Übrigen zeige der zeitliche Verlauf, dass die gewährte Leistung zur Erreichung des eingliederungshilferechtlichen Ziels nicht geeignet sei. Die Klägerin erhalte bereits seit Juni 2009 die begehrten Leistungen in Form von Betreuung durch die Beigeladene; das Eingliederungsziel sei dennoch nicht erreicht worden. Einen Eingliederungshilfebedarf begründe auch die Forderung der Klägerin nicht, wonach sie Unterstützung bei der Arbeitssuche und im Umgang mit Behörden benötige. Insoweit müsse sie sich auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch verweisen lassen. Zur Unterstützung beim Umgang mit Behörden komme die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung in Betracht. Ansprüche könne die Klägerin schließlich auch nicht damit begründen, dass ihr zunächst Leistungen bewilligt wurden. Denn aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin ohne weiteres weiter die Leistungen der Beigeladenen in Anspruch genommen habe, habe sie die Beklagte von der Pflicht entbunden, nach Alternativen zu suchen. Diese habe sich vielmehr auf die Ablehnung der offenbar allein begehrten Leistungen beschränken dürfen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. Juli 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 15. August 2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie verweist darauf, ihr seien Leistungen für ambulant betreutes Wohnen in Form der Betreuung durch die Beigeladene zu gewähren. Beim ambulant betreuten Wohnen würde aufsuchende Hilfe durch sozialpädagogisch ausgebildete Kräfte geleistet. Es mache keinen Unterschied, ob diese Hilfe für Personen geleistet werde, die noch bei ihren Eltern wohnten, oder für solche, die schon ausgezogen seien. Im einen wie im anderen Fall sei die Hilfe geeignet. Auch das Wohnen bei den Eltern stelle eine Wohnform i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) dar. Im Übrigen sei die Entscheidung der Beklagten auch deshalb rechtswidrig, weil diese ihre Pflicht zur Amtsermittlung verletzt habe. Wenn die Beklagte davon ausgegangen sei, Eingliederungshilfe in Form ambulant betreuten Wohnens komme nicht in Betracht, so hätte sie auf sonstige Leistungen der Eingliederungshilfe hinweisen müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 30. November 2009 hinaus Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für ambulant Betreutes Wohnen durch die Beigeladene zu gewähren,

hilfsweise Beweis zu erheben durch ein Sachverständigengutachten gem. dem Beweisantrag im Schriftsatz vom 11.10.2013,

weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf die im Streit stehenden Bescheide sowie auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2012.

Am 25. September 2013 hat die Berichterstatterin mit den Beteiligten sowie F., einer Mitinhaberin der Beigeladenen einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Klägerin ist zu diesem Termin nicht erschienen. F. hat ausgeführt, sie betreue die Klägerin nach wie vor. Aus ihrer Sicht wolle diese nach wie vor ausziehen. Sie (F.) halte dies auch für realistisch. Allerdings könne sie einen zeitlichen Rahmen für die Verwirklichung dieses Projekts nicht benennen, möglicherweise seien zwei Jahre realistisch. Günstig wäre allerdings, wenn die Klägerin zuvor eine Verhaltenstherapie machen würde. Dies sei bislang gescheitert. Ob die Eltern der Klägerin sie bei ihrem Vorhaben unterstützen würden, sei nicht leicht zu beantworten; die Eltern hätten mit eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein Umzug während der Zeit, in der von der Beklagten Leistungen erbracht wurden, sei trotz Wohnungsangebot gescheitert. Die Klägerin habe diesen Schritt damals nicht geschafft.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 25. September 2013 die Firma Vita M., Freiburg, zum Verfahren beigeladen. Diese hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (1 Band) ebenso Bezug genommen wie auf die in der Sache entstandenen Gerichtsakten beider Instanzen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form ambulant betreuten Wohnens. Auch bestand kein Grund, dem Beweisantrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nachzugehen, da die unter Beweis gestellten Tatsachen zum einen Teil von der Beklagten nicht in Frage gestellt und als gegeben unterstellt werden können, zum anderen Teil für die Entscheidung nicht erheblich sind.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2010, mit dem der Beklagte den konkret geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen für ambulant betreutes Wohnen für die Zeit ab 1. Dezember 2009 abgelehnt hatte.

Rechtliche Grundlage der von der Klägerin beanspruchten Leistungen sind §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX -.

Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen hier in Bezug auf die von der Klägerin gewünschte (und in der Vergangenheit bereits erbrachte) Leistung nicht vor. Zwar geht auch der Senat mit den Beteiligten davon aus, dass die Klägerin an sich zum leistungsberechtigten Personenkreis gehört, da sie (seelisch) behindert i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX und wegen Art und Schwere ihrer Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit eingeschränkt ist, an der Gesellschaft teilzuhaben, § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Eingliederungshilfeverordnung. Somit könnte ihr grundsätzlich Eingliederungshilfe gewährt werden. Dennoch hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die von ihr in Anspruch genommene Betreuung durch die Beigeladene, da die weiteren Voraussetzungen des § 53 SGB XII nicht erfüllt sind.

Eingliederungshilfe wird, wie bereits ausgeführt wurde, gewährt, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Welche Aufgaben durch Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt werden sollen, ergibt sich aus § 53 Abs. 3 SGB XII, in dem ausgeführt wird, besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, was in Satz 2 des § 53 Abs. 3 SGB XII weiter ausgeführt wird. Die Frage nach der Eignung der Eingliederungshilfe zur Erreichung des in § 53 Abs. 3 SGB XII verankerten Ziels ist dabei in Fällen, in denen eine konkrete Leistung begehrt bzw. die Übernahme der Kosten für bereits erbrachte Leistungen beantragt wird danach zu beurteilen, ob gerade diese Leistung den dargestellten Anforderungen genügen kann. Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, wie möglicherweise bestehende Verträge zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Leistungserbringer ausgestaltet sind und ob sie eine Leistung wie die gewünschte vorsehen. Denn - darauf weist die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu Recht hin - der Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe erwächst nicht aus Verträgen zwischen Sozialhilfeträgern und Leistungserbringern, sondern richtet sich danach, ob die gesetzlichen, in den §§ 53ff. SGB XII normierten Voraussetzungen erfüllt sind. Vereinbarungen im Verhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe und einem Leistungserbringer kommen erst dann zum Tragen, wenn es im Rahmen der §§ 75 ff. SGB XII um die Frage geht, ob die Vergütung, die ein Eingliederungshilfe gewährender Dienst vom Hilfesuchenden fordert, vom Träger der Sozialhilfe im Wege eines Schuldbeitritts "zu übernehmen" ist. Zunächst spielen Vereinbarungen in diesem Verhältnis aber keine Rolle.

Maßgeblich ist vielmehr im hier zu entscheidenden Fall, ob der eingliederungshilferechtliche Bedarf der Klägerin durch die Leistung der Beigeladenen in der gewährten Form gedeckt werden kann. Dies ist nicht der Fall.

Die Klägerin beansprucht Leistungen der Eingliederungshilfe in der Form von Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Die hier denkbaren Hilfen umfassen ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten wie z.B. Übungen, die dazu beitragen, einen behinderten Menschen möglichst unabhängig von Pflege zu machen oder das Orientierungstraining von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung mit dem Ziel, diesen die Fähigkeit zu vermitteln, sich möglichst selbständig in der Wohnung zu bewegen. Denkbar ist z.B. auch Begleitung in die nähere Umgebung, wenn sie das Ziel verfolgt, den behinderten Menschen so an seine Umgebung zu gewöhnen, dass er sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbständig zurechtfinden kann (vgl. zum Ganzen Lachwitz in: Lachwitz u.a., SGB IX, § 55 Rdnr. 64). All den dargestellten Formen der Hilfe ist immanent, dass sie in "betreuten Wohnformen" i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX geleistet werden. Dabei kann es sich um eine eigene Wohnung des Hilfesuchenden, um Wohngruppen oder Wohngemeinschaften handeln (BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R - juris Rdnr. 16). Entscheidend ist auch nicht, ob die beantragte bzw. gewährte Betreuung mit dem Wohnen institutionell verknüpft ist, denn auch in einer selbst angemieteten Wohnung kann Bedarf an regelmäßigen ambulanten Teilhabeleistungen mit dem Ziel der Führung eines selbstbestimmten Lebens bestehen (BSG, aaO.). Denkbar ist schließlich auch, dass für Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bereits dann ein Bedarf besteht, wenn mit den Leistungen der Umzug in eine "betreute Wohnform" erst erreicht werden und sodann weitere Hilfen zu selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten gewährt werden sollen. Unter diesen Voraussetzungen kommt die Gewährung von Leistungen nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bereits dann in Betracht, wenn ein Hilfesuchender noch im Familienverbund oder in einer stationären Einrichtung lebt, sich aber verselbständigen möchte und dies ohne Hilfeleistung von außen nicht schafft. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte der Klägerin vom 1. Juni 2009 an Leistungen gewährt. Leistungen unter diesen Voraussetzungen, die gewissermaßen im Vorfeld der Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten erbracht werden, können nicht ohne zeitliche Befristung gewährt werden und weiter nur so lange, wie die begründete Aussicht besteht, dass die in § 53 SGB XII normierten Ziele der Eingliederungshilfe erreicht werden können. Im hier zu entscheidenden Fall ist mithin Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung der begehrten Leistungen, dass die begründete Aussicht besteht, dass das Ziel der gewährten Hilfe, die Verselbständigung in einer betreuten Wohnform realistischer Weise in absehbarer Zeit erreicht werden kann. Dies ist nicht der Fall.

Hiergegen spricht bereits, dass die Klägerin bereits seit Juni 2009, also mittlerweile seit über vier Jahren die begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Betreuung durch die Beigeladene tatsächlich erhält, aber in der gesamten Zeit nicht ausgezogen ist. Gegen die Aussicht, dass die Ziele der Eingliederungshilfe in absehbarer Zeit erreicht werden könnten, spricht weiter, dass die Mitinhaberin der Beigeladenen, die die Klägerin in der gesamten Zeit betreut hat, im Erörterungstermin angegeben hat, sie halte den Auszug nach wie vor für realistisch, könne aber keine belastbare Zeitangabe machen, bis wann mit einem Auszug gerechnet werden könnte. Auf Nachfrage hat sie weiter ausgeführt, eigentlich halte sie einen Auszug nur dann für machbar, wenn die Klägerin zuvor eine Verhaltenstherapie mache, was derzeit aber nicht konkret bevorstehe. Eine Maßnahme dieser Art habe die Klägerin bald nach Beginn abgebrochen, da sie zum behandelnden Therapeuten keinen für sie zufriedenstellenden Kontakt habe aufbauen können. Somit ist es bereits aus der Sicht der die Klägerin betreuenden Person äußerst fraglich, wie sich die Situation der Klägerin weiterentwickeln wird und ob in naher Zukunft der von ihr gewünschte Auszug verwirklicht werden kann. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Klägerin im zweiten Halbjahr 2009, während sie Leistungen von der Beklagten erhielt, ein Wohnungsangebot bekam, die Wohnung aber nicht anmietete. Den Schritt hin zu mehr Selbständigkeit konnte/wollte sie damals nicht gehen. Dass sich dies wesentlich geändert haben sollte, ist nicht ersichtlich. Besteht aber eine so große Ungewissheit, ob eine Erreichung des geforderten Zieles überhaupt möglich erscheint, besteht keine Verpflichtung des Trägers der Sozialhilfe, unbefristet weiter Leistungen zu gewähren. Dies schließt es nicht aus, dass eine Verpflichtung der Beklagten in Zukunft wieder aufleben kann, wenn sich belastbare Indizien finden, die es realistisch erscheinen lassen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit auf eigenen Füßen (im Sinne des Wohnens in einer Wohnform, losgelöst vom Elternhaus) stehen wird.

Leistungen für ambulant betreutes Wohnen können, solange die Klägerin noch zu Hause bei den Eltern wohnt, nicht losgelöst von der geschilderten Voraussetzung des konkret möglich erscheinenden Auszugs gewährt werden. Nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX werden "Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" gewährt. Hierzu gehört der Haushalt der Eltern nicht. Dies legt bereits die Formulierung des Gesetzes nahe, die davon spricht, dass die Hilfen zu "selbstbestimmtem Leben" geleistet werden sollen. "Selbstbestimmt" setzt voraus, dass die Möglichkeit besteht, die Wohnung, den Tagesablauf, die Verpflegung, Entscheidungen über die Lebensführung u.ä. im Wesentlichen selbst zu bestimmen bzw. zu treffen, was in einem gemeinsamen Haushalt mit den Eltern nicht im erforderlichen Umfang möglich ist. Das Ziel der Selbstständigkeit, das gerade auch die Ablösung vom Elternhaus beinhaltet, kann in diesem Rahmen nicht erreicht werden. Im Unterschied zum Leben in einer Wohngemeinschaft, bei der zwar davon ausgegangen werden kann, alltäglich anfallende Aufgaben würden aufgeteilt, ist beim Leben innerhalb der Herkunftsfamilie darüber hinaus zu erwarten, dass auch fürsorgliche Leistungen erbracht werden. Dies steht der Entwicklung hin zu einem eigenverantwortlichen Leben auf Dauer regelmäßig entgegen. In ähnlicher Weise argumentiert auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 25. August 2011 (B 8 SO 7/10 R, juris Rdnr. 15), wo ausgeführt wird, Zweck der Hilfe sei "die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich". Ein solcher eigener Wohn- und Lebensbereich besteht nicht, wenn ein Zimmer innerhalb des elterlichen Haushaltes bewohnt wird.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Situation der Klägerin derzeit unbefriedigend gelöst ist, da sie zwar im Elternhaus lebt, dort die für die Ablösung erforderliche Unterstützung aber wohl nur in unzureichender Form erhält, so dass der Wunsch der Klägerin nach einem Auszug nachvollziehbar erscheint. Dies ändert aber nichts daran, dass dies aus heutiger Sicht völlig unrealistisch erscheint. Dies neben den bereits genannten Gründen auch deshalb, weil die Klägerin bereits im Jahr 2009 vorgetragen hat, sie müsse dringend ausziehen, weil die Verhältnisse und Beziehungen in ihrer Familie sie stark belasten würden, dies aber in der Folgezeit trotz eines ihr vorliegenden Wohnungsangebots nicht verwirklicht hat. Dies deutet darauf hin, dass die von der Klägerin zu überschreitende Hemmschwelle doch erheblich größer ist, als sich die Beteiligten eingestehen.

Eine andere Entscheidung ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, über die Verletzung der Amtsermittlungspflicht. Unabhängig davon, ob eine solche Pflicht überhaupt bestand, nachdem die Klägerin Vergütung einer ganz bestimmten Leistung gefordert hat, würde sich an der zu treffenden Entscheidung nichts ändern, da die Gewährung anderer Leistungen als die Übernahme der gegenüber Vita M. geschuldeten Kosten nicht im Streit steht.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 u. 3 SGB XII hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe, so dass ihre Berufung zurückzuweisen war.

Weiterer Ermittlungen in Form eines Nachgehens der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellten Beweisanträge bedurfte es nicht. Die Anträge Nrn. 1 - 4 aus dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 11. Oktober 2013 zielen darauf ab, das Bestehen einer wesentlichen Behinderung festzustellen. Dass eine solche vorliegt, wird indes vom Beklagten nicht bezweifelt. Auch der Senat geht hiervon aus, so dass es insoweit der Erhebung von Beweisen nicht bedurfte. Die Beantwortung der in den Anträgen Nr. 5 und 6 gestellten Fragen sind für das Verfahren nicht erheblich. Im Verfahren geht es, nachdem die Klägerin ihren Antrag auf Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durch Betreuung durch die Fa. Vita M. konkretisiert hat, nur um diese Form ambulant betreuten Wohnens. Daher ist nicht darüber zu entscheiden, ob alternativ andere Leistungen in Betracht kommen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Außergerichtliche Kosten waren der Beigeladenen ebenso wenig zu erstatten wie der Klägerin, nachdem sie ihr Ziel nicht erreicht bzw. bereits keinen Antrag gestellt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved