L 12 AS 3764/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 882/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3764/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.08.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.02.2011.

Der 1969 geborene Kläger steht seit Januar 2005 bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Am 28.09.2010 wurde der Beklagte durch einen automatisierten Datenabgleich nach § 51 SGB II darüber informiert, dass der Kläger im Jahr 2009 Kapitalerträge in Höhe von 87,00 EUR erzielt hatte. Mit Schreiben vom 05.10.2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, das Einkommen bzw. Vermögen, das er auf Grund der Meldung habe, lückenlos zu belegen. Darüber hinaus gab der Beklagte dem Kläger auf, Nachweise über Kapitalerträge bei der Bausparkasse AG vorzulegen. Mit Schreiben vom 09.11.2010 wurde der Kläger unter Fristsetzung an die Erledigung der Anfrage vom 05.10.2010 erinnert und darauf hingewiesen, dass die beantragten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung zu versagen wären, wenn er die angefragten Informationen nicht übermittle.

Am 25.11.2010 ging beim Beklagten eine auf den 21.02.1998 datierte und vom Kläger unterzeichnete Bestätigung mit folgendem Wortlaut ein: "Abgabe; ich gebe E. S. meinen Bausparvertrag Nr ...". Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin nochmals auf, die Kontoauszüge der Bausparkasse AG für die Jahre 2008 und 2009 vorlegen und die Übertragung des Bausparvertrags von der Bausparkasse auf E. S. an Hand eines Nachweises zu belegen (Schreiben des Beklagten vom 29.11.2010).

Dem Beklagten wurde daraufhin am 23.12.2010 eine Kopie der an den Kläger gerichteten Kontoauszüge der ... Bausparen für das Jahr 2008 mit einem Kontostand zum 31.12.2008 in Höhe von 9.238,04 EUR (Vertragsnr.: ..., Vertragsbeginn: 1993, Bausparsumme: 25 564,59 EUR) und für das Jahr 2009 mit einem Kontostand zum 31.12.2009 von 9.455,62 EUR übermittelt. Mit Schreiben vom 10.01.2011 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Kopie des Bausparvertrags bei Abschluss sowie alle Kontoauszüge seit Vertragsschluss vorzulegen.

Am 25.01.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesem war ein Schreiben beigefügt, in welchem der Kläger erklärte, dass der Bausparvertrag nicht ihm gehöre und die Beklagte sich bei weiteren Fragen an seinen Vater E. S. wenden müsse. Mit Bescheid vom 28.01.2011 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 25.01.2011 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 9.455,62 EUR; dieses übersteige den Vermögensfreibetrag von 6.900,00 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 03.02.2011 Widerspruch. Zur Begründung wies er nochmals darauf hin, dass nicht er, sondern sein Vater Inhaber des Bausparvertrags sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den vorgelegten Kontoauszügen der A. D. aus den Jahren 2008 und 2009 mit einem Guthabensstand von 9.455,62 EUR zum 31.12.2009 werde der Vermögensfreibetrag des Klägers nach § 12 Abs.1 SGB II in Höhe von 6.900,00 EUR deutlich überschritten; der Kläger sei deshalb nicht hilfebedürftig. Die behauptete Übertragung des Vermögens auf den Vater sei nicht belegt; die vorgelegten Kontoauszüge würden nach wie vor den Kläger und nicht dessen Vater als Inhaber des Vermögens ausweisen.

Der Kläger hat am 24.03.2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er habe den Bausparvertrag auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten sowohl mündlich als auch schriftlich an seinen Vater übertragen. Der Kläger hat weitere Unterlagen vorgelegt, u.a. einen Kontoauszug der A. D. Bausparen für das Jahr 2010, der zum 31.12.2010 einen Kontostand von 9.678,05 EUR ausweist. Auf entsprechende Nachfrage des SG hat die W ...Bausparkasse mit Schreiben vom 21.05.2012 mitgeteilt, dass sie für den Kläger unter der Bausparvertragsnr ... einen Bausparvertrag führe, den dieser am 19.01.1993 mit der M ...Bausparkasse unter der damaligen Vertragsnr ...abgeschlossen habe. Der Kläger sei der alleinige Vertragsinhaber. Eine Übertragung sei weder beantragt noch durchgeführt worden. Eine im Jahr 2011 telefonisch erklärte Kündigung sei vom Kläger nicht bestätigt und daher nicht ausgeführt worden. Der Bausparvertrag werde unverändert weitergeführt, es sei keine Auszahlung erfolgt. In den dem Abschlussvertrag beigefügten Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge für Vertragsabschlüsse vom 01.07.1990 bis 28.02.1999 heißt es u.a.:

§ 9 Kündigung des Bausparvertrages (1) Der Bausparer kann den Bausparvertrag jederzeit kündigen.

§ 22 Vertragsübertragung, Abtretung und Verpfändung Die Übertragung aller Rechte und Pflichten aus dem Bausparvertrag auf einen Dritten (Vertragsübertragung) oder die Abtretung oder Verpfändung von Rechten aus dem Bausparvertrag bedürfen der Zustimmung der Bausparkasse, die sie von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen und mit Auflagen verbinden kann. Sie ist schriftlich zu beantragen. Ohne Zustimmung der Bausparkasse abgetreten oder verpfändet werden können das Kündigungsrecht und der Anspruch auf Rückzahlung des Bausparguthabens, sofern keine weiteren Rechte mitabgetreten oder -verpfändet werden.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2012 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, da der Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab 01.02.2011 mit dem angefochtenen Bescheid wegen fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) zu Recht abgelehnt habe. Der Wert des Bausparvertrags überschreite im streitigen Zeitraum die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II und sei oberhalb dieser Grenzen zumutbar verwertbares Vermögen des Klägers zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das Guthaben aus dem Bausparvertrag sei ungeachtet der am 25.11.2010 vorgelegten, auf den 21.02.1998 datierten Erklärung nach wie vor Vermögen des Klägers. Die vom Kläger behauptete Übertragung aller Rechte sei jedenfalls gemäß § 22 Satz 1 der Vertragsbedingungen des Bausparvertrages unwirksam, da es an der Zustimmung der Bausparkasse fehle. Die nach dem Vertrag mögliche Abtretung nur des Kündigungsrechts oder nur des Rückzahlungsanspruchs aus dem Guthaben sei nicht erfolgt. Die Verwertung sei möglich und zumutbar; der Kläger sei nicht in der Verfügung beschränkt. Ob dem Vermögen Verbindlichkeiten gegenüberstünden, sei grundsätzlich unbeachtlich.

Gegen diesen ihm am 07.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit am 29.08.2012 beim SG eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt. Er trägt vor, der Bausparvertrag gehöre seit 1998 E. S., seinem Vater; dieser habe auch noch selbst angespart.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.08.2012 sowie den Bescheid vom 28.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.02.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält seine Bescheide für rechtmäßig und die angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) beachtet. Die Berufung ist aber nicht begründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag des Klägers vom 25.01.2011 ablehnende Bescheid vom 28.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2011. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in subjektiven Rechten. Der Kläger hat für die Zeit ab 01.02.2011 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach den §§ 19 ff. SGB erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen nach diesem Buch (nur) auf Antrag erbracht. Dies gilt nicht für Zeiten vor der Antragstellung; bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt der Antrag allerdings auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs. 2 SGB II).

Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers jedenfalls für die Zeit ab 01.02.2011 nicht erfüllt. Der Kläger ist zumindest seit diesem Zeitpunkt nicht leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, denn er ist nicht hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11 und 12 SGB II.

Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Der Kläger verfügte während der gesamten streitgegenständlichen Zeit über verwertbares Vermögen in Höhe von zumindest 9.678,05 EUR, das den bei ihm in Ansatz zu bringenden Freibetrag (6.900,00 EUR) übersteigt. Deshalb konnte und kann er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht beanspruchen. Zur Weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des mit der Berufung angegriffenen Urteils des SG Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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