Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2113/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5206/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011.
Die 1961 geborene Klägerin war als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei versicherungspflichtig vier Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche beschäftigt und deshalb versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers zum 2. April 2010. Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 4. März 2010 wegen einer chronischen peripheren venösen Insuffizienz (I87.2), am 19. März 2010 wegen Nachbehandlung nach einem nicht näher bezeichneten chirurgischen Eingriff (Z48.9) sowie am 6. April 2010 zusätzlich wegen einer generalisierten Angststörung (F41.1) und einer akuten Belastungsreaktion (F43.0).
Am 25. Mai 2010 erlitt die Klägerin als Motorradfahrerin eine distale Unterschenkel-Spiralfraktur rechts, weshalb sie sich bis 13. Juni 2010 in stationärer Behandlung befand. Die Fraktur wurde am 25. Mai 2010 mit einem Expert-Nagel sowie am 4. Juni 2010 durch eine geschlossene Reposition des Fragments und Fixation mittels einer kanülierten Kurzgewindeschraube versorgt (vorläufiger Entlassungsbrief des Prof. Dr. G. vom 13. Juni 2010). Aufgrund einer ambulanten Vorstellung am 17. Juni 2010 diagnostizierte Assistenzärztin Dr. N. den Verdacht auf einen Morbus Sudeck. Vom 4. August bis 1. September 2010 erfolgte eine (von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bewilligte) stationäre Behandlung in einer Rehabilitationsklinik, aus der die Klägerin im Hinblick auf eine anschließende orthopädische Rehabilitation arbeitsunfähig entlassen wurde (Entlassungsbericht des Arztes für Psychosomatik K. vom 7. September 2010). Auf die Verordnung der Dr. R. vom 2. September 2010 bewilligte die Beklagte unter dem 7. September und 30. September 2010 eine ambulante Rehabilitation für insgesamt 20 Therapietage ab 8. September 2010. Es erfolgte mit den Diagnosen Zustand nach Unterschenkel-Spiralfraktur und komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS; synonyme Bezeichnung für Morbus Sudeck) eine individuell abgestimmte krankengymnastische und balneophysikalische Therapie, die zu einer deutlichen Beschwerdebesserung führte. Zum Abschluss der Rehabilitation war die Klägerin ohne Unterarmgehstützen gehfähig, das Gangbild jedoch noch nicht vollständig flüssig. Für die bisher ausgeübte Tätigkeit bestehe unter Berücksichtigung von Einschränkungen (Vermeiden von Klettern und Steigen auf Leitern oder Gerüsten, von Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten, von häufigem Bücken, von Arbeiten in der Hocke sowie von Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft) eine vollschichtige Leistungsfähigkeit. Zur Nachsorge werde weiterhin die Mobilisation, die Fortführung der Gangschulung, der krankengymnastischen und balneo-physikalischen Maßnahmen im ambulanten Bereich sowie die Kräftigung der Knieumkreismuskulatur empfohlen. Die Entlassung erfolge am 5. Oktober 2010 als weiterhin arbeitsunfähig zur weiteren Rekonvaleszenz (Bericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010). Dr. R. bescheinigte mit Krankengeld-Auszahlscheinen Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 19. April bis 1. August 2010 wegen Depression und akuter Belastungsreaktion, später auch wegen Spiralfraktur des rechten Unterschenkels, ab 2. September 2010 "auf weiteres" sowie aufgrund einer Vorstellung am 8. Oktober 2010 "bis auf weiteres" jeweils mit der Diagnose Morbus Sudeck. Die Beklagte zahlte Krankengeld in Höhe von netto kalendertäglich EUR 14,42 vom 3. April bis 3. August 2010 sowie nach der Zahlung von Übergangsgeld vom 4. August bis 1. September 2010 durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erneut vom 2. September bis 1. November 2010.
Dr. H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vertrat in der sozialmedizinischen Fallberatung vom 26. Oktober 2010 die Auffassung, für die Klägerin könne ab 2. November 2010 ein vollschichtiges Leistungsbild für leichte und mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung beschrieben werden. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin unter dem 27. Oktober 2010 (berichtigt unter dem 10. November 2010), die Arbeitsunfähigkeit werde aufgrund des "Gutachtens" des MDK vom 26. Oktober 2010 zum 1. November 2010 beendet und mit diesem Tage ende die Zahlung von Krankengeld. Ebenso unterrichtete sie unter dem 27. Oktober 2010 Dr. R. und wies diese auf die Möglichkeit des Einspruchs und des Antrags eines Zweitgutachtens hin. Weiter bat sie die Klägerin und Dr. R. um Rückgabe eines Auszahlscheins, um noch ausstehendes Krankengeld überweisen zu können. Aufgrund einer Vorstellung am 11. November 2010 bescheinigte Dr. R. in einem Auszahlschein Arbeitsunfähigkeit bis 1. November 2010 wegen Morbus Sudeck.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Orthopäde Dr. Re. teilte der Beklagten mit (Schreiben vom 12. April 2011), er habe von November (2010) bis Februar (2011) die Klägerin mehrmals gesehen. Sie sei in der gesamten Zeit sicherlich arbeitsunfähig gewesen. Die Behandlung des CRPS sei schwierig und langwierig und dauere an. Eine psychosomatische Problematik habe letztendlich auch zur Entwicklung des CRPS beigetragen. Eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei erst nach der postoperativen Phase der für den 25. Mai 2011 vorgesehenen Metallentfernung anzugehen. In der daraufhin von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Fallberatung vom 3. Mai 2011 führte Dr. H. aus, der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung könne die andauernde Arbeitsunfähigkeit entnommen werden. In der stationärer Behandlung vom 25. bis 27. Mai 2011 erfolgte am 25. Mai 2011 die komplikationslos verlaufende Metallentfernung (Berichte des Prof. Dr. Ru. vom 26. Mai und 15. Juni 2011 über die Metallentfernung). Dieser führte unter anderem aus, die Klägerin dürfe das operierte Bein schmerzabhängig voll belasten. Bis zur Sicherstellung der Vollbelastung werde die Fortführung der Thromboseprophylaxe sowie der antiphlogistischen Medikation empfohlen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011). Trotz der vom MDK bestätigten weiteren Arbeitsunfähigkeit bestehe über den 1. November 2010 hinaus kein Anspruch auf Krankengeld. Es fehle an der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ab 2. November 2010. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei eine grundlegende Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld. Auch nach Einstellung der Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse sei der Versicherte gehalten, sofern er von fortbestehender Arbeitsunfähigkeit ausgehe und Krankengeld weiter bewilligt bekommen möchte, die von ihm angenommene Arbeitsunfähigkeit mittels einer nahtlosen Kette von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu dokumentieren. Arbeitsunfähigkeit habe Dr. R. auf dem Krankengeld-Auszahlschein zuletzt am 11. November 2010 bis 1. November 2010 bescheinigt. Für die Zeit ab 2. November 2010 lägen keine weiteren ärztlichen Bescheinigungen vor. Die rückwirkende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit sei maximal für einen Zeitraum von bis zu zwei Tagen zulässig. Deshalb könne das Attest des Dr. Re. vom 12. April 2011 nicht als Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit akzeptiert werden.
Die Klägerin erhob am 27. Juni 2011 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) zunächst mit dem Begehren, Krankengeld bis zur gesetzlichen Höchstdauer von 78 Wochen zu erhalten, später begrenzt auf den Zeitraum vom 2. November 2010 bis 1. September 2011. Es sei ihr nicht anzulasten, dass die Nahtlosigkeit der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen habe dokumentiert werden können. Dr. R. und Dr. Re. hätten sie (die Klägerin) weiter für arbeitsunfähig gehalten. Verwiesen werde insbesondere auf das Schreiben des Dr. Re. vom 12. April 2011. Diese beiden Ärzte hätten weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jedoch nicht ausgestellt, Dr. R. mit der Begründung, dies sei Sache des Dr. Re. als Facharzt, Dr. Re. sei der Auffassung gewesen, dies sei Sache der Dr. R. als Hausärztin. Auch sei keiner der beiden Ärzte bereit gewesen, gegen die Entscheidung der Beklagten Einspruch einzulegen und ein Zweitgutachten zu beantragen. Auch postoperativ nach der Metallentfernung am 25. Mai 2011 habe sie unter erheblichen Beschwerden, Schmerzen und Schwellungen im Bereich des rechten Knie- und Fußbereichs gelitten. Die Klägerin legte vor das ärztliche Attest der Dr. R. vom 29. Dezember 2011 mit der Auflistung der Behandlungstage zwischen dem 14. Juni 2010 und 7. Dezember 2011 sowie die Bescheinigung der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. E. und El., in welcher Dr. Re. zuvor tätig war, vom 9. Januar 2012 mit der Auflistung der Behandlungstage zwischen dem 22. Oktober 2010 und 20. Dezember 2011.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen, weil die ärztliche Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ab 2. November 2010 fehle.
Das SG hörte Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. El. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. El. (Auskunft vom 10. April 2012) nannte 15 Behandlungen seit November 2010. Nach den Unterlagen sei die Klägerin aufgrund des Morbus Sudeck vom 25. Februar bis 24. März 2011 arbeitsunfähig gewesen. Er habe die Klägerin erstmals am 14. Februar 2012 behandelt. Während seiner Behandlung habe keine Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit einer Büroangestellten oder einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes bestanden. Dr. R. (Auskunft vom 11. April 2012) gab 37 Behandlungen seit November 2010 an. Eingehende Untersuchungen und die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit seien beim Facharzt erfolgt. Sie verweise auf das Schreiben des Dr. Re. vom 12. April 2011. Sie fügte ihrer Auskunft unter anderem ihr zugegangene Arztbriefe des Dr. Re. und des Dr. El. sowie die Berichte des Prof. Dr. Ru. vom 26. Mai und 15. Juni 2011 bei.
Ferner übersandte auf Anforderung des SG Dr. Re. die von ihm an Dr. R. gefertigten Arztbriefe vom 22. Oktober 2010 sowie 12. Januar, 28. Februar und 22. September 2011. Danach klagte die Klägerin am 22. Oktober 2010 über erhebliche Beschwerden im Sprunggelenksbereich und es bestand ein Belastungsdefizit, eine leichte Schwellneigung und eine endgradige Bewegungseinschränkung, aber keine motorischen und sensiblen Störungen. Im Januar und Februar 2011 empfahl er eine baldige Entfernung des einliegenden Metallimplantats, da möglicherweise dieses Grund für die belastungsabhängigen Beschwerden sei. Im September 2011 bestand bei rückläufigen Beschwerden noch eine mäßiggradige Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich des Kniegelenks und des rechten Sprunggelenks. Auch von Seiten der depressiven Phasen sei eine gute Stabilisierung eingetreten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2013 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld bis 1. September 2011. Gemessen an den der Klägerin rechtlich und gesundheitlich zumutbaren Arbeiten (Tätigkeit als Büroangestellte allgemein oder dieser Tätigkeit gleichgelagerte Tätigkeiten) sei sie vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der ursprünglich zur Arbeitsunfähigkeit führende Zustand nach Venenoperationen und auch die vorübergehend bescheinigte Depression seien jedenfalls im streitigen Zeitraum ab November 2010 nicht mehr ausschlaggebend gewesen, sondern die Folgen des Verkehrsunfalls vom 25. Mai 2010 in den Vordergrund getreten. Trotz des bestehenden Morbus Sudeck sei die Klägerin in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als Büroangestellte im zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich auszuüben. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010 und den Berichten des Dr. Re ... Während der Rehabilitationsmaßnahme vom 8. September bis 5. Oktober 2010 habe eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden können und die Klägerin sei aus orthopädischer Sicht für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit (genannten) Einschränkung vollschichtig leistungsfähig entlassen worden. Auch wenn Dr. Re. und Dr. H. eine zumindest bis zur Metallentfernung andauernde Arbeitsunfähigkeit als gegeben ansähen, erschließe sich dies für die Kammer nicht. Eine Bürotätigkeit, bei welcher gegebenenfalls auch das Bein zeitweise hoch gelegt werden könne, seien der Klägerin bei den vorhandenen Befunden ab November 2010 halbtags wieder möglich gewesen. Zudem stehe dem Begehren der Klägerin entgegen, dass über den 1. November 2010 hinaus keine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vorliege. Die Behauptung der Klägerin, weder Dr. R. noch Dr. Re. hätten ihr eine Bescheinigung ausgestellt, obwohl diese weiterhin von Arbeitsunfähigkeit ausgegangen seien, erscheine zweifelhaft.
Gegen das ihren früheren Prozessbevollmächtigten am 4. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Sie verweist wiederum auf die Schreiben des Dr. Re. vom 22. Oktober 2010 und 12. April 2011, wonach dieser sie bis nach der postoperativen Phase der am 25. Mai 2011 erfolgten Metallentfernung als arbeitsunfähig erachtet habe und der MDK dieser Einschätzung gefolgt sei. Aus der ambulanten Rehabilitation sei sie arbeitsunfähig zur weiteren Rekonvaleszenz entlassen worden. Auch die (vorgelegten) Berichte der Physiotherapeutin Fl. über die Behandlungszeiträume vom 18. Juni bis 10. November 2010 und 2. August bis 22. Oktober 2012 dokumentierten, dass am 13. Oktober 2010 keine Belastung möglich gewesen sei und sie (die Klägerin) starke dauernde Schmerzen im kompletten Fußbereich angegeben habe sowie auch lange nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die Beschwerden noch fortbestünden. Sie leide noch immer unter erheblichen Schmerzen im Bereich der Verletzung und müsse nach 30 Minuten sitzender Tätigkeit das Bein massieren oder Übungen machen, um die Durchblutung zu gewährleisten und eine weitergehende Schwellung zu verhindern. Sie habe sich intensiv um die Ausstellung weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über den 1. November 2010 hinaus bemüht, diese aus den genannten Gründen aber nicht erhalten, wobei sie sich über das Verhalten der Ärzte auch bei der Beklagten beschwert habe. Vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 habe sie keine Sozialleistungen bezogen. Am 27. September 2011 habe sie eine (leidensgerechte) Beschäftigung im Umfang von 20 Stunden monatlich aufgenommen. Eine Tätigkeit, die hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen stelle wie die zuletzt ausgeübte Beschäftigung in der Anwaltskanzlei, könne sie nach wie vor nicht ausüben. Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin eine Beschreibung ihres Arbeitsplatzes vorgelegt. Sie habe die Akten der Rechtsanwaltskanzlei verwaltet, vom Büro im ersten Obergeschoss in das Archiv im Untergeschoss oder umgekehrt getragen sowie ihre Arbeiten abwechselnd in kniender, gebückter, gestreckter, sitzender oder stehender Haltung verrichtet.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheids vom 10. November 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) Krankengeld vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 20/11 R, in juris) und 12. März 2013 (B 1 KR 7/12 R, in juris) bestehe der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nicht. Das SG habe zutreffend dargelegt, dass Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden habe, so dass es auf eine nachträgliche Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit für den fraglichen Zeitraum nicht ankomme. Für den Zeitraum vom 25. bis 27. Mai 2011 sei bei Annahme von Arbeitsunfähigkeit die Leistungsfortzahlung der Bundesagentur für Arbeit vorrangig.
Der Senat hat Arzt für Orthopädie Dr. He. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12. Oktober 2014 ausgeführt, in der Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 hätten schmerzhafte Funktionsstörungen in der rechten unteren Gliedmaße mit Einschränkungen der Beweglichkeit des Knies und des Sprunggelenks nach Spiralbruch des rechten Unterschenkels mit Beteiligung des oberen Sprunggelenks und nachfolgender Osteosynthese vorgelegen. Nach den vorliegenden Arztberichten sei die biomechanische Belastbarkeit der rechten unteren Gliedmaße vor allen Dingen durch lokale Schmerzen, aber auch durch eine belastungsabhängige Schwellneigung eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei aber nach dem Entlassungsbericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010 schon ab dem 2. November 2010 ohne Gehhilfe mobil gewesen und das rechte Bein habe vollständig mit dem Körpergewicht belastet werden können. Die in diesem Entlassungsbericht genannten Einschränkungen hätten einer Aufnahme der zuletzt ausgeübten Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht entgegengestanden. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz hätte weder zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des bestehenden Körperschadens noch zu einer erhöhten Eigen- oder Fremdgefahr noch zu einer physischen Überforderung geführt. Nach Aktenlage seien keine überzeugenden Hinweise dafür zu finden, dass die Schmerzsymptomatik so massiv gewesen sei, dass die Klägerin aufgrund unzumutbarer Schmerzen während des streitigen Zeitraums arbeitsunfähig gewesen wäre. Nachvollziehbar arbeitsunfähig sei die Klägerin lediglich vom 25. Mai 2011 für die Dauer von zwei Wochen aufgrund der Metallentfernung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Die Klägerin begehrt Krankengeld für weitere 304 Tage. Bei einem kalendertäglichen Nettobetrag von EUR 14,42 ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 4.383,68.
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheids vom 10. November 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat für die Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 keinen Anspruch auf Krankengeld.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Das bei Entstehung des streitigen Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG, Urteile vom 12. März 2013 - B 1 KR 7/12 R - und 4. März 2014 - B 1 KR 17/13 R -, beide in juris).
a) Die Klägerin war bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 19. März 2010 aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Zwar endete die Beschäftigung wegen der Kündigung des Arbeitgebers zum 2. April 2010 und damit an sich auch die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte (§ 190 Abs. 2 SGB V). Diese versicherungspflichtige Mitgliedschaft blieb aber für die Dauer des Bezugs von Krankengeld aufrechterhalten (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).
b) Die Klägerin war ab 2. November 2010 nicht arbeitsunfähig.
aa) Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübte Beschäftigung. Arbeitsunfähigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welche auch § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) übernahm, vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (z.B. Urteile vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 30/00 R - und 7. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R -, beide in juris). Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bleibt auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebend, wenn der Versicherte bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Bezug von Krankengeld stand (vgl. z.B. BSG Urteil vom 12. März 2013 - B 1 KR 7/12 R -, a.a.O.; allerdings die Frage offen gelassen, ob der Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sich nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ändert). Danach ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die frühere versicherungspflichtige Beschäftigung als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei maßgebend. Zwar beruhte die Arbeitsunfähigkeit ab dem 25. Mai 2010 nicht mehr auf den Erkrankungen (periphere venöse Insuffizienz, generalisierte Angststörung und akute Belastungsreaktion), wegen denen zunächst Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war, sondern auf den Folgen der an diesem Tag bei einem Motorradunfall erlittenen Verletzungen (Spiralbruch des rechten Unterschenkels). Zum damaligen Zeitpunkt bezog die Klägerin Krankengeld, so dass die Mitgliedschaft als versicherungspflichtige Beschäftigte über das Ende des Beschäftigungsverhältnis aufrechterhalten blieb (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).
bb) Hinsichtlich der in dieser Beschäftigung zu verrichtenden Tätigkeiten legt der Senat die von der Klägerin gegebene Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 58 LSG-Akte) zu Grunde. Danach hatte die Klägerin Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise bei der Verwaltung der Akten einer Rechtsanwaltskanzlei anfallen, wie Schriftstücke in Akten einsortieren, Akten den Rechtsanwälten vorlegen und Akten entsprechend den Vorgaben ablegen. Die Tätigkeit erfolgte im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit Anteilen von Bücken, Strecken, Tragen, Heben sowie im Knien. Weil Fristen und Termine einzuhalten waren, bestand auch ein Zeitdruck.
cc) Diese für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten konnte die Klägerin ab dem 2. November 2010 wieder ausüben. Der Senat stützt sich insoweit auf das schlüssige Gutachten des Sachverständigen Dr. He ... Er ging - wie im vom Senat im Gutachtensauftrag vorgegeben - hinsichtlich der maßgebenden Tätigkeit von der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung der Klägerin aus. Er bezeichnete die Tätigkeit der Klägerin für den Senat schlüssig als eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in unterschiedlichen Körperhaltungen. Zutreffend ging er davon aus, dass die zu tragenden Akten ein Gewicht von zwei bis fünf kg hatten, mithin kein Bewegen, Heben und Tragen von schweren Lasten anfiel. Ferner wertete er die vorliegenden ärztlichen Berichte zutreffend aus. Insbesondere war die Klägerin im November 2010 ohne Unterarmgehstützen gehfähig. Dr. Eckardt gab dies in seinem Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2010 ausdrücklich an. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass sich danach die Gehfähigkeit der Klägerin verschlechterte. Weder die Arztbriefe, die nach dem genannten Entlassungsbericht behandelnde Ärzte erstellten, noch die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. El. vom 10. April 2012 und der Dr. R. vom 11. April 2012 beschreiben Gegenteiliges. Den Arztberichten konnte Dr. He. keine Hinweise auf eine bedeutsame Störung des vegetativen Nervensystems als Anhaltspunkt für einen klinisch bedeutsamen Morbus Sudeck entnehmen. Zwar bestanden im November 2010 noch belastungsabhängige Schwellungen im unteren Bereich des Beins. Insoweit legt der Sachverständige für den Senat aber nachvollziehbar dar, dies signalisiere lediglich, dass das rechte Bein nicht überbelastet werden dürfe. Schließlich durfte die Klägerin nach der operativen Metallentfernung am 25. Mai 2011 das rechte Bein schmerzabhängig voll belasten (Bericht des Prof. Dr. Ru. vom 15. Juni 2011), was ebenfalls gegen das Vorliegen erheblicher Einschränkungen spricht.
Dass die Klägerin die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten jedenfalls ab 2. November 2011 wieder ausüben konnte, zeigt auch die Leistungsbeschreibung des Dr. Eckardt in dem genannten Entlassungsbericht. Er beurteilte das Leistungsvermögen der Klägerin dahin, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Haltungen ausführbar seien, wobei das Klettern und Steigen auf Leitern oder Gerüsten, das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, häufiges Bücken sowie Arbeiten in der Hocke und unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft vermieden werden sollten. Der Sachverständige Dr. He. führt zutreffend aus, dass die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei diese genannten Einschränkungen nicht beinhaltete.
Einer ambulanten Untersuchung der Klägerin für das Gutachten durch den Sachverständigen Dr. He. bedurfte es nicht. Denn zu beurteilen waren in der Vergangenheit liegende Umstände und nicht der heutige Gesundheitszustand der Klägerin. Wenn die Klägerin darauf verweist, die - auch vom Sachverständigen genannten, bei einem Morbus Sudeck auftretenden - Beschwerden bestünden bis heute unverändert fort, belegt allein die behauptete Fortdauer der Beschwerden nicht eine Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum.
dd) Ein Anspruch auf Krankengeld entstand auch nicht am 25. Mai 2011. An diesem Tag befand sich die Klägerin zwar in stationärer Behandlung auf Kosten der Beklagten. Sie war aber an diesem Tag nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte endete am 1. November 2010 mit dem letzten Tag des Bezugs von Krankengeld. Für die Zeit ab 2. November 2010 bestand - wie dargelegt - kein Anspruch auf Krankengeld mehr, so dass die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte nicht aufrechterhalten blieb (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Eine andere Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld war am 25. Mai 2011 nicht gegeben. Dies gilt insbesondere für eine Mitgliedschaft als Bezieherin von Arbeitslosengeld (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Denn die Klägerin bezog nach ihrem eigenen Vorbringen nach dem Ende des Bezugs von Krankengeld keine Sozialleistungen, mithin auch kein Arbeitslosengeld.
c) Da bereits keine Arbeitsunfähigkeit bestand, ist es unerheblich, ob ab dem 2. November 2010 Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt war oder nicht sowie ob eine solche Feststellung notwendig war oder nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011.
Die 1961 geborene Klägerin war als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei versicherungspflichtig vier Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche beschäftigt und deshalb versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers zum 2. April 2010. Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 4. März 2010 wegen einer chronischen peripheren venösen Insuffizienz (I87.2), am 19. März 2010 wegen Nachbehandlung nach einem nicht näher bezeichneten chirurgischen Eingriff (Z48.9) sowie am 6. April 2010 zusätzlich wegen einer generalisierten Angststörung (F41.1) und einer akuten Belastungsreaktion (F43.0).
Am 25. Mai 2010 erlitt die Klägerin als Motorradfahrerin eine distale Unterschenkel-Spiralfraktur rechts, weshalb sie sich bis 13. Juni 2010 in stationärer Behandlung befand. Die Fraktur wurde am 25. Mai 2010 mit einem Expert-Nagel sowie am 4. Juni 2010 durch eine geschlossene Reposition des Fragments und Fixation mittels einer kanülierten Kurzgewindeschraube versorgt (vorläufiger Entlassungsbrief des Prof. Dr. G. vom 13. Juni 2010). Aufgrund einer ambulanten Vorstellung am 17. Juni 2010 diagnostizierte Assistenzärztin Dr. N. den Verdacht auf einen Morbus Sudeck. Vom 4. August bis 1. September 2010 erfolgte eine (von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bewilligte) stationäre Behandlung in einer Rehabilitationsklinik, aus der die Klägerin im Hinblick auf eine anschließende orthopädische Rehabilitation arbeitsunfähig entlassen wurde (Entlassungsbericht des Arztes für Psychosomatik K. vom 7. September 2010). Auf die Verordnung der Dr. R. vom 2. September 2010 bewilligte die Beklagte unter dem 7. September und 30. September 2010 eine ambulante Rehabilitation für insgesamt 20 Therapietage ab 8. September 2010. Es erfolgte mit den Diagnosen Zustand nach Unterschenkel-Spiralfraktur und komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS; synonyme Bezeichnung für Morbus Sudeck) eine individuell abgestimmte krankengymnastische und balneophysikalische Therapie, die zu einer deutlichen Beschwerdebesserung führte. Zum Abschluss der Rehabilitation war die Klägerin ohne Unterarmgehstützen gehfähig, das Gangbild jedoch noch nicht vollständig flüssig. Für die bisher ausgeübte Tätigkeit bestehe unter Berücksichtigung von Einschränkungen (Vermeiden von Klettern und Steigen auf Leitern oder Gerüsten, von Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten, von häufigem Bücken, von Arbeiten in der Hocke sowie von Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft) eine vollschichtige Leistungsfähigkeit. Zur Nachsorge werde weiterhin die Mobilisation, die Fortführung der Gangschulung, der krankengymnastischen und balneo-physikalischen Maßnahmen im ambulanten Bereich sowie die Kräftigung der Knieumkreismuskulatur empfohlen. Die Entlassung erfolge am 5. Oktober 2010 als weiterhin arbeitsunfähig zur weiteren Rekonvaleszenz (Bericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010). Dr. R. bescheinigte mit Krankengeld-Auszahlscheinen Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 19. April bis 1. August 2010 wegen Depression und akuter Belastungsreaktion, später auch wegen Spiralfraktur des rechten Unterschenkels, ab 2. September 2010 "auf weiteres" sowie aufgrund einer Vorstellung am 8. Oktober 2010 "bis auf weiteres" jeweils mit der Diagnose Morbus Sudeck. Die Beklagte zahlte Krankengeld in Höhe von netto kalendertäglich EUR 14,42 vom 3. April bis 3. August 2010 sowie nach der Zahlung von Übergangsgeld vom 4. August bis 1. September 2010 durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erneut vom 2. September bis 1. November 2010.
Dr. H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vertrat in der sozialmedizinischen Fallberatung vom 26. Oktober 2010 die Auffassung, für die Klägerin könne ab 2. November 2010 ein vollschichtiges Leistungsbild für leichte und mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung beschrieben werden. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin unter dem 27. Oktober 2010 (berichtigt unter dem 10. November 2010), die Arbeitsunfähigkeit werde aufgrund des "Gutachtens" des MDK vom 26. Oktober 2010 zum 1. November 2010 beendet und mit diesem Tage ende die Zahlung von Krankengeld. Ebenso unterrichtete sie unter dem 27. Oktober 2010 Dr. R. und wies diese auf die Möglichkeit des Einspruchs und des Antrags eines Zweitgutachtens hin. Weiter bat sie die Klägerin und Dr. R. um Rückgabe eines Auszahlscheins, um noch ausstehendes Krankengeld überweisen zu können. Aufgrund einer Vorstellung am 11. November 2010 bescheinigte Dr. R. in einem Auszahlschein Arbeitsunfähigkeit bis 1. November 2010 wegen Morbus Sudeck.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Orthopäde Dr. Re. teilte der Beklagten mit (Schreiben vom 12. April 2011), er habe von November (2010) bis Februar (2011) die Klägerin mehrmals gesehen. Sie sei in der gesamten Zeit sicherlich arbeitsunfähig gewesen. Die Behandlung des CRPS sei schwierig und langwierig und dauere an. Eine psychosomatische Problematik habe letztendlich auch zur Entwicklung des CRPS beigetragen. Eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei erst nach der postoperativen Phase der für den 25. Mai 2011 vorgesehenen Metallentfernung anzugehen. In der daraufhin von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Fallberatung vom 3. Mai 2011 führte Dr. H. aus, der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung könne die andauernde Arbeitsunfähigkeit entnommen werden. In der stationärer Behandlung vom 25. bis 27. Mai 2011 erfolgte am 25. Mai 2011 die komplikationslos verlaufende Metallentfernung (Berichte des Prof. Dr. Ru. vom 26. Mai und 15. Juni 2011 über die Metallentfernung). Dieser führte unter anderem aus, die Klägerin dürfe das operierte Bein schmerzabhängig voll belasten. Bis zur Sicherstellung der Vollbelastung werde die Fortführung der Thromboseprophylaxe sowie der antiphlogistischen Medikation empfohlen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011). Trotz der vom MDK bestätigten weiteren Arbeitsunfähigkeit bestehe über den 1. November 2010 hinaus kein Anspruch auf Krankengeld. Es fehle an der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ab 2. November 2010. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei eine grundlegende Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld. Auch nach Einstellung der Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse sei der Versicherte gehalten, sofern er von fortbestehender Arbeitsunfähigkeit ausgehe und Krankengeld weiter bewilligt bekommen möchte, die von ihm angenommene Arbeitsunfähigkeit mittels einer nahtlosen Kette von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu dokumentieren. Arbeitsunfähigkeit habe Dr. R. auf dem Krankengeld-Auszahlschein zuletzt am 11. November 2010 bis 1. November 2010 bescheinigt. Für die Zeit ab 2. November 2010 lägen keine weiteren ärztlichen Bescheinigungen vor. Die rückwirkende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit sei maximal für einen Zeitraum von bis zu zwei Tagen zulässig. Deshalb könne das Attest des Dr. Re. vom 12. April 2011 nicht als Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit akzeptiert werden.
Die Klägerin erhob am 27. Juni 2011 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) zunächst mit dem Begehren, Krankengeld bis zur gesetzlichen Höchstdauer von 78 Wochen zu erhalten, später begrenzt auf den Zeitraum vom 2. November 2010 bis 1. September 2011. Es sei ihr nicht anzulasten, dass die Nahtlosigkeit der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen habe dokumentiert werden können. Dr. R. und Dr. Re. hätten sie (die Klägerin) weiter für arbeitsunfähig gehalten. Verwiesen werde insbesondere auf das Schreiben des Dr. Re. vom 12. April 2011. Diese beiden Ärzte hätten weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jedoch nicht ausgestellt, Dr. R. mit der Begründung, dies sei Sache des Dr. Re. als Facharzt, Dr. Re. sei der Auffassung gewesen, dies sei Sache der Dr. R. als Hausärztin. Auch sei keiner der beiden Ärzte bereit gewesen, gegen die Entscheidung der Beklagten Einspruch einzulegen und ein Zweitgutachten zu beantragen. Auch postoperativ nach der Metallentfernung am 25. Mai 2011 habe sie unter erheblichen Beschwerden, Schmerzen und Schwellungen im Bereich des rechten Knie- und Fußbereichs gelitten. Die Klägerin legte vor das ärztliche Attest der Dr. R. vom 29. Dezember 2011 mit der Auflistung der Behandlungstage zwischen dem 14. Juni 2010 und 7. Dezember 2011 sowie die Bescheinigung der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. E. und El., in welcher Dr. Re. zuvor tätig war, vom 9. Januar 2012 mit der Auflistung der Behandlungstage zwischen dem 22. Oktober 2010 und 20. Dezember 2011.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen, weil die ärztliche Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ab 2. November 2010 fehle.
Das SG hörte Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. El. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. El. (Auskunft vom 10. April 2012) nannte 15 Behandlungen seit November 2010. Nach den Unterlagen sei die Klägerin aufgrund des Morbus Sudeck vom 25. Februar bis 24. März 2011 arbeitsunfähig gewesen. Er habe die Klägerin erstmals am 14. Februar 2012 behandelt. Während seiner Behandlung habe keine Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit einer Büroangestellten oder einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes bestanden. Dr. R. (Auskunft vom 11. April 2012) gab 37 Behandlungen seit November 2010 an. Eingehende Untersuchungen und die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit seien beim Facharzt erfolgt. Sie verweise auf das Schreiben des Dr. Re. vom 12. April 2011. Sie fügte ihrer Auskunft unter anderem ihr zugegangene Arztbriefe des Dr. Re. und des Dr. El. sowie die Berichte des Prof. Dr. Ru. vom 26. Mai und 15. Juni 2011 bei.
Ferner übersandte auf Anforderung des SG Dr. Re. die von ihm an Dr. R. gefertigten Arztbriefe vom 22. Oktober 2010 sowie 12. Januar, 28. Februar und 22. September 2011. Danach klagte die Klägerin am 22. Oktober 2010 über erhebliche Beschwerden im Sprunggelenksbereich und es bestand ein Belastungsdefizit, eine leichte Schwellneigung und eine endgradige Bewegungseinschränkung, aber keine motorischen und sensiblen Störungen. Im Januar und Februar 2011 empfahl er eine baldige Entfernung des einliegenden Metallimplantats, da möglicherweise dieses Grund für die belastungsabhängigen Beschwerden sei. Im September 2011 bestand bei rückläufigen Beschwerden noch eine mäßiggradige Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich des Kniegelenks und des rechten Sprunggelenks. Auch von Seiten der depressiven Phasen sei eine gute Stabilisierung eingetreten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2013 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld bis 1. September 2011. Gemessen an den der Klägerin rechtlich und gesundheitlich zumutbaren Arbeiten (Tätigkeit als Büroangestellte allgemein oder dieser Tätigkeit gleichgelagerte Tätigkeiten) sei sie vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der ursprünglich zur Arbeitsunfähigkeit führende Zustand nach Venenoperationen und auch die vorübergehend bescheinigte Depression seien jedenfalls im streitigen Zeitraum ab November 2010 nicht mehr ausschlaggebend gewesen, sondern die Folgen des Verkehrsunfalls vom 25. Mai 2010 in den Vordergrund getreten. Trotz des bestehenden Morbus Sudeck sei die Klägerin in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als Büroangestellte im zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich auszuüben. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010 und den Berichten des Dr. Re ... Während der Rehabilitationsmaßnahme vom 8. September bis 5. Oktober 2010 habe eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden können und die Klägerin sei aus orthopädischer Sicht für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit (genannten) Einschränkung vollschichtig leistungsfähig entlassen worden. Auch wenn Dr. Re. und Dr. H. eine zumindest bis zur Metallentfernung andauernde Arbeitsunfähigkeit als gegeben ansähen, erschließe sich dies für die Kammer nicht. Eine Bürotätigkeit, bei welcher gegebenenfalls auch das Bein zeitweise hoch gelegt werden könne, seien der Klägerin bei den vorhandenen Befunden ab November 2010 halbtags wieder möglich gewesen. Zudem stehe dem Begehren der Klägerin entgegen, dass über den 1. November 2010 hinaus keine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vorliege. Die Behauptung der Klägerin, weder Dr. R. noch Dr. Re. hätten ihr eine Bescheinigung ausgestellt, obwohl diese weiterhin von Arbeitsunfähigkeit ausgegangen seien, erscheine zweifelhaft.
Gegen das ihren früheren Prozessbevollmächtigten am 4. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Sie verweist wiederum auf die Schreiben des Dr. Re. vom 22. Oktober 2010 und 12. April 2011, wonach dieser sie bis nach der postoperativen Phase der am 25. Mai 2011 erfolgten Metallentfernung als arbeitsunfähig erachtet habe und der MDK dieser Einschätzung gefolgt sei. Aus der ambulanten Rehabilitation sei sie arbeitsunfähig zur weiteren Rekonvaleszenz entlassen worden. Auch die (vorgelegten) Berichte der Physiotherapeutin Fl. über die Behandlungszeiträume vom 18. Juni bis 10. November 2010 und 2. August bis 22. Oktober 2012 dokumentierten, dass am 13. Oktober 2010 keine Belastung möglich gewesen sei und sie (die Klägerin) starke dauernde Schmerzen im kompletten Fußbereich angegeben habe sowie auch lange nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die Beschwerden noch fortbestünden. Sie leide noch immer unter erheblichen Schmerzen im Bereich der Verletzung und müsse nach 30 Minuten sitzender Tätigkeit das Bein massieren oder Übungen machen, um die Durchblutung zu gewährleisten und eine weitergehende Schwellung zu verhindern. Sie habe sich intensiv um die Ausstellung weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über den 1. November 2010 hinaus bemüht, diese aus den genannten Gründen aber nicht erhalten, wobei sie sich über das Verhalten der Ärzte auch bei der Beklagten beschwert habe. Vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 habe sie keine Sozialleistungen bezogen. Am 27. September 2011 habe sie eine (leidensgerechte) Beschäftigung im Umfang von 20 Stunden monatlich aufgenommen. Eine Tätigkeit, die hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen stelle wie die zuletzt ausgeübte Beschäftigung in der Anwaltskanzlei, könne sie nach wie vor nicht ausüben. Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin eine Beschreibung ihres Arbeitsplatzes vorgelegt. Sie habe die Akten der Rechtsanwaltskanzlei verwaltet, vom Büro im ersten Obergeschoss in das Archiv im Untergeschoss oder umgekehrt getragen sowie ihre Arbeiten abwechselnd in kniender, gebückter, gestreckter, sitzender oder stehender Haltung verrichtet.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheids vom 10. November 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) Krankengeld vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 20/11 R, in juris) und 12. März 2013 (B 1 KR 7/12 R, in juris) bestehe der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nicht. Das SG habe zutreffend dargelegt, dass Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden habe, so dass es auf eine nachträgliche Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit für den fraglichen Zeitraum nicht ankomme. Für den Zeitraum vom 25. bis 27. Mai 2011 sei bei Annahme von Arbeitsunfähigkeit die Leistungsfortzahlung der Bundesagentur für Arbeit vorrangig.
Der Senat hat Arzt für Orthopädie Dr. He. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12. Oktober 2014 ausgeführt, in der Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 hätten schmerzhafte Funktionsstörungen in der rechten unteren Gliedmaße mit Einschränkungen der Beweglichkeit des Knies und des Sprunggelenks nach Spiralbruch des rechten Unterschenkels mit Beteiligung des oberen Sprunggelenks und nachfolgender Osteosynthese vorgelegen. Nach den vorliegenden Arztberichten sei die biomechanische Belastbarkeit der rechten unteren Gliedmaße vor allen Dingen durch lokale Schmerzen, aber auch durch eine belastungsabhängige Schwellneigung eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei aber nach dem Entlassungsbericht des Dr. E. vom 12. Oktober 2010 schon ab dem 2. November 2010 ohne Gehhilfe mobil gewesen und das rechte Bein habe vollständig mit dem Körpergewicht belastet werden können. Die in diesem Entlassungsbericht genannten Einschränkungen hätten einer Aufnahme der zuletzt ausgeübten Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht entgegengestanden. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz hätte weder zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des bestehenden Körperschadens noch zu einer erhöhten Eigen- oder Fremdgefahr noch zu einer physischen Überforderung geführt. Nach Aktenlage seien keine überzeugenden Hinweise dafür zu finden, dass die Schmerzsymptomatik so massiv gewesen sei, dass die Klägerin aufgrund unzumutbarer Schmerzen während des streitigen Zeitraums arbeitsunfähig gewesen wäre. Nachvollziehbar arbeitsunfähig sei die Klägerin lediglich vom 25. Mai 2011 für die Dauer von zwei Wochen aufgrund der Metallentfernung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Die Klägerin begehrt Krankengeld für weitere 304 Tage. Bei einem kalendertäglichen Nettobetrag von EUR 14,42 ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 4.383,68.
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheids vom 10. November 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat für die Zeit vom 2. November 2010 bis 1. September 2011 keinen Anspruch auf Krankengeld.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Das bei Entstehung des streitigen Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG, Urteile vom 12. März 2013 - B 1 KR 7/12 R - und 4. März 2014 - B 1 KR 17/13 R -, beide in juris).
a) Die Klägerin war bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 19. März 2010 aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Zwar endete die Beschäftigung wegen der Kündigung des Arbeitgebers zum 2. April 2010 und damit an sich auch die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte (§ 190 Abs. 2 SGB V). Diese versicherungspflichtige Mitgliedschaft blieb aber für die Dauer des Bezugs von Krankengeld aufrechterhalten (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).
b) Die Klägerin war ab 2. November 2010 nicht arbeitsunfähig.
aa) Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübte Beschäftigung. Arbeitsunfähigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welche auch § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) übernahm, vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (z.B. Urteile vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 30/00 R - und 7. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R -, beide in juris). Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bleibt auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebend, wenn der Versicherte bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Bezug von Krankengeld stand (vgl. z.B. BSG Urteil vom 12. März 2013 - B 1 KR 7/12 R -, a.a.O.; allerdings die Frage offen gelassen, ob der Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sich nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ändert). Danach ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die frühere versicherungspflichtige Beschäftigung als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei maßgebend. Zwar beruhte die Arbeitsunfähigkeit ab dem 25. Mai 2010 nicht mehr auf den Erkrankungen (periphere venöse Insuffizienz, generalisierte Angststörung und akute Belastungsreaktion), wegen denen zunächst Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war, sondern auf den Folgen der an diesem Tag bei einem Motorradunfall erlittenen Verletzungen (Spiralbruch des rechten Unterschenkels). Zum damaligen Zeitpunkt bezog die Klägerin Krankengeld, so dass die Mitgliedschaft als versicherungspflichtige Beschäftigte über das Ende des Beschäftigungsverhältnis aufrechterhalten blieb (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).
bb) Hinsichtlich der in dieser Beschäftigung zu verrichtenden Tätigkeiten legt der Senat die von der Klägerin gegebene Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 58 LSG-Akte) zu Grunde. Danach hatte die Klägerin Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise bei der Verwaltung der Akten einer Rechtsanwaltskanzlei anfallen, wie Schriftstücke in Akten einsortieren, Akten den Rechtsanwälten vorlegen und Akten entsprechend den Vorgaben ablegen. Die Tätigkeit erfolgte im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit Anteilen von Bücken, Strecken, Tragen, Heben sowie im Knien. Weil Fristen und Termine einzuhalten waren, bestand auch ein Zeitdruck.
cc) Diese für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten konnte die Klägerin ab dem 2. November 2010 wieder ausüben. Der Senat stützt sich insoweit auf das schlüssige Gutachten des Sachverständigen Dr. He ... Er ging - wie im vom Senat im Gutachtensauftrag vorgegeben - hinsichtlich der maßgebenden Tätigkeit von der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung der Klägerin aus. Er bezeichnete die Tätigkeit der Klägerin für den Senat schlüssig als eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in unterschiedlichen Körperhaltungen. Zutreffend ging er davon aus, dass die zu tragenden Akten ein Gewicht von zwei bis fünf kg hatten, mithin kein Bewegen, Heben und Tragen von schweren Lasten anfiel. Ferner wertete er die vorliegenden ärztlichen Berichte zutreffend aus. Insbesondere war die Klägerin im November 2010 ohne Unterarmgehstützen gehfähig. Dr. Eckardt gab dies in seinem Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2010 ausdrücklich an. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass sich danach die Gehfähigkeit der Klägerin verschlechterte. Weder die Arztbriefe, die nach dem genannten Entlassungsbericht behandelnde Ärzte erstellten, noch die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. El. vom 10. April 2012 und der Dr. R. vom 11. April 2012 beschreiben Gegenteiliges. Den Arztberichten konnte Dr. He. keine Hinweise auf eine bedeutsame Störung des vegetativen Nervensystems als Anhaltspunkt für einen klinisch bedeutsamen Morbus Sudeck entnehmen. Zwar bestanden im November 2010 noch belastungsabhängige Schwellungen im unteren Bereich des Beins. Insoweit legt der Sachverständige für den Senat aber nachvollziehbar dar, dies signalisiere lediglich, dass das rechte Bein nicht überbelastet werden dürfe. Schließlich durfte die Klägerin nach der operativen Metallentfernung am 25. Mai 2011 das rechte Bein schmerzabhängig voll belasten (Bericht des Prof. Dr. Ru. vom 15. Juni 2011), was ebenfalls gegen das Vorliegen erheblicher Einschränkungen spricht.
Dass die Klägerin die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten jedenfalls ab 2. November 2011 wieder ausüben konnte, zeigt auch die Leistungsbeschreibung des Dr. Eckardt in dem genannten Entlassungsbericht. Er beurteilte das Leistungsvermögen der Klägerin dahin, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Haltungen ausführbar seien, wobei das Klettern und Steigen auf Leitern oder Gerüsten, das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, häufiges Bücken sowie Arbeiten in der Hocke und unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft vermieden werden sollten. Der Sachverständige Dr. He. führt zutreffend aus, dass die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Tätigkeiten als Büroangestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei diese genannten Einschränkungen nicht beinhaltete.
Einer ambulanten Untersuchung der Klägerin für das Gutachten durch den Sachverständigen Dr. He. bedurfte es nicht. Denn zu beurteilen waren in der Vergangenheit liegende Umstände und nicht der heutige Gesundheitszustand der Klägerin. Wenn die Klägerin darauf verweist, die - auch vom Sachverständigen genannten, bei einem Morbus Sudeck auftretenden - Beschwerden bestünden bis heute unverändert fort, belegt allein die behauptete Fortdauer der Beschwerden nicht eine Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum.
dd) Ein Anspruch auf Krankengeld entstand auch nicht am 25. Mai 2011. An diesem Tag befand sich die Klägerin zwar in stationärer Behandlung auf Kosten der Beklagten. Sie war aber an diesem Tag nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte endete am 1. November 2010 mit dem letzten Tag des Bezugs von Krankengeld. Für die Zeit ab 2. November 2010 bestand - wie dargelegt - kein Anspruch auf Krankengeld mehr, so dass die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte nicht aufrechterhalten blieb (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Eine andere Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld war am 25. Mai 2011 nicht gegeben. Dies gilt insbesondere für eine Mitgliedschaft als Bezieherin von Arbeitslosengeld (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Denn die Klägerin bezog nach ihrem eigenen Vorbringen nach dem Ende des Bezugs von Krankengeld keine Sozialleistungen, mithin auch kein Arbeitslosengeld.
c) Da bereits keine Arbeitsunfähigkeit bestand, ist es unerheblich, ob ab dem 2. November 2010 Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt war oder nicht sowie ob eine solche Feststellung notwendig war oder nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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