Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 371/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 85/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch mehrjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung - und einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV – Lärmschwerhörigkeit - sowie um Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV, insbesondere Übergangsleistungen.
Der im Jahr 1961 geborene Kläger war nach seiner im September 1977 begonnenen Ausbildung im Zeitraum zwischen Oktober 1981 bis April 2008 – mit Unterbrechungen – bei einer Reihe verschiedener Arbeitgeber wechselnd als Elektroinstallateur und als Kabelmonteur im Tiefbau beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte teilweise für Unternehmen in der Zuständigkeit der Beklagten, teilweise bei Unternehmen in der Zuständigkeit der Beigeladenen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beschäftigungsverhältnisse:
1. VEB WBK Berlin GmbH Ausbildung 01.09.1977 – 30.04.1980 2. EBG Elektromontage Berlin GmbH Kabelmonteur 01.10.1981 – 31.12.1993 3. M K – Montage Kabelmonteur 01.01.1994 – 31.12.1994 4. Q GmbH Kabelmonteur 10.01.1995 – 31.12.1996 5. Elektro-S Elektroinstallateur 03.02.1998 – 31.03.1998 6. K & G GbR Elektroinstallateur 01.04.1998 – 31.04.2000 7. B & D GmbH Kabelmonteur 02.05.2000 – 31.07.2003 8. Elektroinstallation W L Kabelmonteur 01.08.2003 – 25.01.2004 9. H E Kabelmonteur, Pflasterer 16. - 17.03.2004 10. EUTECH Montagebau Kabelmonteur 05.04. - 22.09.2004 11. Elektroinstallation W L Kabelmonteur 29.03.2005 – 04.07.2006 12. L Elektroanlagen GmbH Kabelmonteur, Pflasterer 06.07.2006 – 15.06.2007 13. SVBE Schaltschrank-, Verteilerbau und Elektroplanung GmbH Elektroinstallateur 25.06. - 13.09.2007 14. A + B Dienstleistungs-Service Kabelmonteur 11.02. - 15.04.2008 15. CCC GmbH Kabelmonteur 05.05. – 07.06.2008 17. E-Personaldienstleistungen Kabelmonteur 23.06. – 04.07.2008 18. ELFA Elektrotechnik GmbH Kabelmonteur 17.11. – 11.12.2008
Bei den Beschäftigungsverhältnissen von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1993 (EBG Elektromontage Berlin GmbH), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G GbR), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D), von April bis September 2004 (EUTECH Montagebau), von März 2005 bis Juli 2006 (Elektroinstallation W L), von Juli 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) und von Juni bis September 2007 (SVBE GmbH) war der Kläger nach den Ermittlungen der Präventionsabteilungen der Beigeladenen und der Beklagten (vgl. Berichte vom 12. Februar 2010 und vom 04. März 2011) einem Tages-Lärm-Expositionspegel von über 85 dB(A) ausgesetzt.
Bei einem anerkannten Arbeitsunfall vom 14. September 2004 – Sturz aus 3 bis 4 m Höhe auf das Gesäß - zog sich der Kläger eine Deckplattenimpressionsfraktur L1 - L4 zu. Im diesbezüglichen Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 25 U 296/05) betreffend einen Verletztenrentenanspruch erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. E am 09. Februar 2006 ein Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme vom 01. Februar 2007, in welchem er feststellte, dass beim Kläger unfallbedingt ein LWS-Syndrom mit belastungsabhängig verstärkten Lumbalgien bei Z. n. Deckenplattenkompressionsfraktur LWK 1 - 4 mit sekundärer geringer Verstärkung der Fehlstatik vorliege. Unfallunabhängig bestehe eine deutliche Fehlstatik der Wirbelsäule (WS) i. S. einer Rotationsskoliose mit einem Beckenschiefstand von – 1 cm rechts mit beginnenden degenerativen Veränderungen. Durch intensive Krankengymnastik habe die Bewegungsfunktion der WS nach dem Unfall wiederhergestellt werden können, die nunmehr geschilderten Beschwerden seien überwiegend muskulär durch die Fehlstatik bedingt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund verbliebener Unfallfolgen betrage 10 v. H. Diese Bewertung entsprach den Feststellungen im Ersten Rentengutachten vom 23. Dezember 2004 durch Prof. Dr. E, der als die WS betreffende Unfallfolgen die vollständig konsolidierten Deckenplattenimpressionsfrakturen LWK 1 - 4 mit geringer Höhenminderung festgestellt und die MdE mit weniger als 10 v. H. eingeschätzt hatte.
Nach Einschätzung des behandelnden Orthopäden DM S im Befundbericht (BB) vom 08. Dezember 2006 bestanden als Unfallfolgen ein Z. n. traumatischer Fraktur LWK 1 - LWK 4 mit ausgeprägter posttraumatischer Deformierung der LWK L1 - L4 und Fehlstatik der WS, eine posttraumatische Skoliose, ein Schmerzsyndrom und ein rezidivierendes Radikulärsyndrom der LWS. Ein CT der LWS vom 16. November 2006 ergab spondylarthrotische Veränderungen in L3/4, L4/5 und L5/S1, teilweise mit leichten Einengungen des lateralen Recessus und einer flachen Bandscheiben-(BS-)Protrusion L5/S1. Ein am 11. Dezember 2006 gefertigtes MRT der BWS ergab keinen Nachweis einer frischen oder älteren BWK-Fraktur, beginnende Osteochondrosen BWK 4 bis 10, diskrete BS-Protrusion BWK 8/9, Höhenminderung von LWK 1 sowie Reste eines abgelaufenen Morbus Scheuermann. Ein am 14. Juli 2008 gefertigtes MRT der LWS ergab bei eingeschränkter Vergleichbarkeit mit der CT-Voruntersuchung von November 2006 eine diskrete Höhenminderung von LWK 1 - 4, zusätzlich Schmorl‘sche Knorpelknötchen in den Deckplatten LWK 1, 2 und 4, Osteochondrose L2/3 und L3/4 mit geringer Protrusion L2/L3 und L3/L4, Spondylarthrose L1 bis S1. Ein am selben Tag gefertigtes MRT der BWS ergab im Vergleich zur Voruntersuchung aus Dezember 2006 keine Befundänderung. Am 16. Juli 2008 stellte sich der Kläger in der C, Zentrum für spezielle Chirurgie des Bewegungsapparates, vor (Diagnosen: chronischer Lumbago mit Spondylarthrose der unteren LWS, Laterolisthesis L3/L4, Osteochondrose L4/5 und L5/S1, konsolidierte Deckenplattenimpressionsfrakturen LWK 1 - 4, Lumbalskoliose).
Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 begehrte der Kläger, der seit dem 01. Januar 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM) bezieht, von der Beklagten unter Anerkennung einer BK Leistungen wegen Erkrankung der WS und Lärmschwerhörigkeit. Er habe seine letzte Tätigkeit wegen Rückenschmerzen nicht mehr ausüben können. Durch seine Tätigkeit als Kabelmonteur im Tiefbau habe er sich eine deformierte und nicht mehr funktionstüchtige WS mit chronischen Schmerzen und eine Schwerhörigkeit mit Tinnitus zugezogen.
Mit Bescheid vom 03. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2009 lehnte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 und von Leistungen nach § 3 BKV ab, da beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS i. S. der Konsensempfehlungen vorliege. Nach den medizinischen Unterlagen, insbesondere des im SG-Verfahren S 25 U 296/05 eingeholten orthopädischen Gutachtens von Dr. E vom 09. Februar 2006, dem orthopädischen BB des DM S vom 08. Dezember 2006, dem Röntgenbefund vom 24. Juli 2006 und den CT-und MRT-Befunden vom 21. November 2006 bestünden nach einem Arbeitsunfall vom 14. September 2004 vollständig konsolidierte Deckplatteneinbrüche der LWK 1 – 4, eine Höhenminderung in allen betroffenen Wirbelkörpern, in den Segmenten L4/L5 eine Impression der Unterkante von L4 in den WK L5 mit Einengung des Spinalkanals. Aufgrund der asymmetrisch dargestellten Höhenminderungen habe sich eine posttraumatische rechtskonvexe lumbalo-thorakale Torsionsskoliose mit Gegenkrümmung der oberen BWS eingestellt. Die BS seien deswegen erheblich keilförmig deformiert, wobei die BS L4/5 im dorsalen Bereich nicht mehr nachweisbar sei. Im MRT zeigten sich nur geringe degenerative Veränderungen im Segment L4/L5 und eine flache BS-Protrusion ohne Beeinträchtigung des Wirbelkanals bei L5/S1. Beim Kläger liege mithin ein Z. n. traumatischer Fraktur der LWK 1 - 4 mit ausgeprägter posttraumatischer Deformierung der LWK’er und eine anlagebedingte Fehlstatik der WS vor, eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne einer BK Nr. 2108 sei nicht gegeben. Da schon die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt seien, könnten die arbeitstechnischen Voraussetzungen ungeprüft bleiben. Maßnahmen nach § 3 BKV zur Verhinderung einer BK Nr. 2108 bzw. zur Verhinderung einer Verschlimmerung kämen aufgrund des untypischen Krankheitsbildes nicht in Betracht.
Nach Auswertung der beigezogenen Tonaudioramme vom 10. März 1979, 11. März 1980, 19. Juni 2002 und 20. Juni 2006 und Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009 die Gewährung einer Entschädigung mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) ab. Die Lärmschwerhörigkeit sei eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzell-Typ. Nach dem ärztlichen Merkblatt zur BK Nr. 2301 überwiege die Hochtonstörung als Ausdruck der Hauptbelastung der Basilarmembran im Bereich von etwa 4000 Hz, hervorgerufen durch die Frequenzzusammensetzung des Industrielärms. Das letzte Tonaudiogramm vom 20. Juni 2006 weise jedoch eine gleichmäßig über alle Frequenzen verteilte Schwerhörigkeit ohne Betonung des Hochtonbereiches (insbesondere "C5-Senke" bei 4000 Hz (4 kHz)) auf. Der maximale Hörverlust bestehe sogar in den mittleren Frequenzen. Ein derartiger Verlauf des Tonschwellenaudiogramms sei untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit.
Mit seinen am 10. Juni 2009 vor dem SG Berlin erhobenen Klagen (S 163 U 371/09 und S 163 U 372/09, verbunden durch Beschluss vom 23. Februar 2012 zum Verfahren S 163 U 371/09) hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung der BK en Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 der BKV weiterverfolgt. Er hat ein Tonschwellenaudiogramm vom 09. Juni 2009 vorgelegt.
Das SG hat BB e des Facharztes für Orthopädie DM S vom 09. November 2009 (Z. n. traumatischer Fraktur, posttraumatische Skoliose und Schmerzsyndrom, rezidivierendes Radikulärsyndrom der LWS) sowie von O MVZ am Wittenbergplatz, vom 02. Dezember 2009 (LWS-Syndrom, Facettensyndrom, Osteochondrose, Spondylarthrose, Protrusio, Z. n. Deckplattenimpressionsfraktur obere LWS) eingeholt.
Die Beklagte und die Beigeladene haben unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und einiger Arbeitgeber zu seinen Arbeitsbelastungen Stellungnahmen der beteiligten Präventionsdienste vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 vorgelegt, wonach unter Berücksichtigung der aktuellen BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 30. Oktober 2007) beim Kläger grundsätzlich eine ausreichende Wirbelsäulenbelastung im Sinne der BK 2108 vorgelegen habe. Die Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) betrage 31,5 MNh. Gefährdende Tätigkeiten habe der Kläger vor allem in den Zeiten von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1990 (VEB Elektromontage), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D) und zuletzt von September 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) ausgeübt; hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 Bezug genommen.
Im Auftrag des SG hat die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. H am 18. Mai 2010 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers am 05. Mai 2010 erstattet, in welchem sie eine Schallempfindungsschwerhörigkeit links mehr als rechts diagnostiziert und ausgeführt hat; der Kläger gebe ein Ohrgeräusch links an. Dieser sei für rund 25 Jahre lärmexponierten Tätigkeiten bei einem Beurteilungspegel von durchschnittlich 85 bis 87 dB(A) und damit dem Risikomaß 3 ausgesetzt gewesen. Die wenigen vorliegenden Tonschwellenaudiogramme, von denen die ersten von 1979 und 1980 datierten, zeigten noch eine völlige Normalhörigkeit beidseits. 2002 habe sich eine stärkere Einschränkung des Hörvermögens als 2006 gezeigt, eventuell sei eine Lärmexpositionspause nicht eingehalten worden oder die Qualität des Tonschwellenaudiogramms sei nicht ausreichend gewesen. Das nach Beendigung der lärmexponierten Tätigkeit am nächsten liegende Tonschwellenaudiogramm sei vom 20. Juni 2006. Aus diesem ergebe sich rechts ein prozentualer Hörverlust von 15 % (25-35-30) und links ein prozentualer Hörverlust von 30 % (35-50-45). Dies entspräche einer MdE von 0 % für die Hörstörung und somit einer Normalhörigkeit. Der vorliegende Hörverlust sei zudem nicht typisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Die Audiogramme zeigten einen untypischen Kurvenverlauf, denn normalerweise finde sich eine Senke bei 4 kHz, die langsam in den Hochtonbereich und später in den Mitteltonbereich übergehe, wogegen beim Kläger sich bereits 2002 eine Betonung der mittleren Frequenzen bei relativem Erhalt der hohen, unverändert bis heute, zeige. Zudem sei der Kurvenverlauf links zu rechts unterschiedlich, es zeige sich eine schlechtere Hörkurve des linken Ohres bei allseits eintretendem Lärm. Des Weiteren lasse sich ein cochleärer Schaden, insbesondere linksseitig, nicht sicher darstellen, was bei Lärmschwerhörigkeit aber zu fordern sei. Weder die überschwelligen Tests (SISI, Lüscher) noch die Hirnstammaudiometrie (BERA) ließen eine retrocochleäre (zentrale) Störung sicher ausschließen. Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit sei daher nicht wahrscheinlich.
Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. S am 02. Dezember 2011 ein Gutachten erstattet (Untersuchung des Klägers am 05. September 2011), in welchem er bezogen auf die WS folgende Gesundheitsstörungen am Bewegungsapparat diagnostiziert hat: Geminderte Trag- und Bewegungsfunktion des Rumpfes auf der Basis einer deutlichen WS-Fehlhaltung und von Unfallfolgen, Verschleißerscheinungen im Bereich der HWS, BWS und LWS ohne Irritationszeichen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als Voraussetzung für die Anerkennung einer BK 2108 sei lediglich insofern nachgewiesen, als BS-Vorwölbungen zwischen dem 2. und 3. sowie 3. und 4. LWK bestünden. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien jedoch nicht auf diese BS-Vorwölbungen zurückzuführen, sondern im Wesentlichen Folge einer anlagebedingten WS-Fehlhaltung im Sinne der großbogigen Seitverbiegung seit dem Kindesalter und einer zusätzlichen Verschlimmerung durch die unfallbedingte Bruchverletzung der WK L1 - L4, die zwar knöchern vollständig konsolidiert sei, jedoch die anlagebedingte Fehlhaltung verstärkt habe. Die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei weder im Sinne der erstmaligen Entstehung noch im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugung bei der Tätigkeit als Kabelmonteur im Tiefbau verursacht oder mitverursacht worden. Begründet werde dies unter Hinweis auf Frank Schröter, Trauma und Berufskrankheit 2002 Pkt. 4, Springer Verlag, Seite 127 bis 137. Hiernach werde für die Anerkennung einer BK 2108 gefordert, dass das Schadensbild der bandscheibenbedingten Erkrankung der WS BS-Schädigungen in allen Bewegungssegmenten voraussetze, wobei insbesondere die meist belasteten Bewegungssegmente L5/S1 und L 4/5 betroffen sein müssten, zudem seien jedenfalls im Anfangsstadium Begleitreaktionen der Knochen im Sinne der vermehrten Kalksalzeinlagerungen nicht nachzuweisen. Beim Kläger seien indes gerade die BS L5/S1 und L4/5 nicht betroffen. Zudem bestünden konkurrierende Ursachen in Form einer anlagebedingten WS-Fehlform (Seitverbiegung) und eine massive Übergewichtigkeit, so dass der Anteil der konkurrierenden Ursachen deutlich überwiege. Daher seien die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht erfüllt. Dem Sachverständigen lagen MRT-Aufnahmen der LWS und BWS vom 15. März 2010 vor.
Der Kläger hat einen Bericht über ein MRT der LWS vom 15. März 2012 vorgelegt (ältere Deckplatteneinbrüche L1 - 4, aktivierte Osteochondrose L3/4, Osteochondrose L1/2, L2/3 und L5/S1, Spondylarthrose, geringe BS-Protrusionen L2/3, L3/4 und L4/5, geringe mediale Protrusio L5/S1).
Das SG hat mit Urteil vom 27. März 2012, dem Kläger zugestellt am 07. April 2012, die Klagen abgewiesen und ausgeführt, es fehle hinsichtlich beider BK‘en am Vorliegen der jeweiligen medizinischen Voraussetzungen. Betreffend die BK Nr. 2301 sei nach dem Ergebnis der HNO-ärztlichen Begutachtung durch die Sachverständige Dr. H davon auszugehen, dass beim Kläger eine Normalhörigkeit vorliege. Die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H insbesondere zur Hochtonsenke (so genannte C4-Senke) für den Nachweis einer lärmbedingten Schwerhörigkeit und ihre Ausführungen zur Reichweite der Normalhörigkeit würden durch die Gutachterliteratur gestützt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 333 ff., 346). Da somit bereits das spezifische Krankheitsbild der Lärmschwerhörigkeit nicht vorliege, greife auch nicht die Vorschrift des § 9 Abs. 3 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VII) ein. Beim Kläger liege auch keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK Nr. 2108 BKV vor. Der Sachverständige Prof. Dr. S habe aufgrund eigener Untersuchung festgestellt, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS lediglich betreffend die Vorwölbungen in den Segmenten L2/3 bzw. L3/4 vorliege, nicht aber in der von der medizinischen Fachliteratur geforderten Ausdehnung auf die Segmente L5/S1 und L4/5. Zudem weise der Sachverständige zu Recht auf erhebliche konkurrierende Ursachen in Form der anlagebedingten Skoliose und des massiven Übergewichts hin. Auch unter Einbeziehung der Konsenskriterien ergäben sich keine genügenden Anhaltspunkte für eine bandscheibenbedingte Erkrankung, denn insoweit sei mangels festgestellter Chondrosen bzw. BS-Vorfällen im Segment L4/5 bzw. L5/S1 die B-Konstellation nicht einschlägig. Soweit im MRT-Bericht vom 15. März 2010 ein Diskusprolaps bei L5/S1 mit leichter Kompression des Duralsacks festgestellt werde, sei von einer medizinischen Fehleinschätzung auszugehen. Dem Sachverständigen Prof. Dr. S habe die Original-MRT-Aufnahme vorgelegen, er sei jedoch nicht zu einem solchen Befund gekommen. Auch spätere MRT-Berichte, wie etwa der vom 26. November 2010 und der vom Kläger eingereichte aktuelle MRT-Bericht vom März 2012, verhielten sich nur zu BS-Vorwölbungen im Bereich L2/3 und L3/4, schlössen jedoch einen Vorfall aus. Auch der im Parallelverfahren S 163 U 679/09 berufene orthopädische Sachverständige Dr. H habe beim Kläger keinen derartigen Vorfall aufdecken können, vielmehr führe er aus, dass die Ursache der vom Kläger geklagten Schmerzen nicht orthopädischer Natur, sondern Folge einer somatisierten Schmerzstörung sei. Für die Schadensbilder der C-Konstellation fehle es ebenfalls an festgestellten stärkergradigen Chondrosen. Es komme somit lediglich die Konstellation D in Betracht, insoweit sei indes besonders sorgfältig nach konkurrierenden Ursachen abzugrenzen, welche beim Kläger gerade in Form der Skoliose und des Übergewichts sowie des Arbeitsunfalls vom 14. September 2004 vorlägen. Die Klage habe auch insoweit keinen Erfolg, als sie auf die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV gerichtet sei. Beim Kläger habe nicht die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK zum Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit vorgelegen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H habe zunächst ab dem Jahr 2007 keine relevante Lärmbelastung der Ohren mehr bestanden, dies sei vor der Aufgabe der Erwerbstätigkeit im April 2008 gewesen. Im Hinblick auf die Rückenschmerzen habe das Gutachten des Sachverständigen Dr. S ergeben, dass das für die BK Nr. 2108 vorausgesetzte Schadensbild fehle. Es sei von daher nicht ersichtlich, dass im April 2008 die unmittelbare Ausbildung des Schadensbildes der BK Nr. 2108 bevor gestanden hätte. Auch insoweit sei auf die überwiegende Bedeutung der Konkurrenzursachen zu verweisen.
Mit seiner hiergegen am 07. Mai 2012 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Anerkennung der BK’en Nr. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV weiter unter Vorlage diverser Befunde der C, Universitätsmedizin Berlin, Campus B F, vom 10. September 2012 (Mineralgehaltsbestimmung bei Verdacht auf Osteoporose), des Zentrums für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie vom 04. September 2012 (Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei Z. n. Trauma mit Deckplatteneinbrüchen LWK1 - 4, Polyneuropathie der oberen und unteren Extremität, Osteochondrose LWK5/SWK1, Spondylarthrose im lumbosakralen Übergang, depressives Syndrom) sowie des Berichtes über das MRT der LWS vom 05. Februar 2013 (Schmorl´sche Knorpelknötchen ohne Progredienz, spondylosteochondrotische Veränderungen mit Modic 1-Veränderungen im Segment L3/4, im darüber liegendem Segment Modic 2-Veränderungen, dezente BS-Protrusionen bzw. Betonung des hinteren Längsbandes, kein NPP, Neuroforamina frei, keine wesentlichen spondylarthrotischen Veränderungen).
Der Senat hat aktuelle BB von DM S vom 22. August 2013 und Dr. G vom 13. August 2013 (mit diversen Anlagen) angefordert.
Der Sachverständige Prof. Dr. S hat am 26. Juli 2014 eine ergänzende Stellungnahme unter Heranziehung der Konsensempfehlungen abgegeben und ausgeführt, dass er auch jetzt weiterhin nicht von einem Ursachenzusammenhang zwischen der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit und den Beschwerden des Klägers ausgehe. Insbesondere die Tatsache, dass die röntgenoptischen Erscheinungsbilder nicht den geforderten Schadensbildern entsprächen, da weder eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes noch eine Verdichtung der Grund- und Deckplatten bestehe, und BS-Schäden nur in den Bewegungssegmenten L2/3 und L3/4, nicht dagegen in den typischen Segmenten L4/5 und L5/S1, vorlägen, sich ferner altersuntypische Höhenminderungen einer oder mehrerer BS nicht fänden, sei ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftlichen Vorbringen sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 03. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm Berufskrankheiten nach Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV vorliegen,
des Weiteren die Beklagte bzw. die Beigeladene zu verurteilen, ihm wegen der BK Nr. 2108 Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten unter Bezugnahme auf ihre Bescheide und auf das Urteil des SG Berlin vom 27. März 2012 die medizinischen Voraussetzungen der BK‘en nach Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV für nicht gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des SG Berlin (S 163 U 752/10, S 163 U 679/09, S 25 U 296/05), die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 eine Entscheidung treffen, da der Kläger in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung hierauf hingewiesen worden ist (vgl. §§ 110, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und erst nach Verkündung des Urteils bei Gericht erschienen ist.
Die mit der Berufung verfolgte kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG)ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des SG Berlin vom 27. März 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 03. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 sind nicht zu beanstanden.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BK en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV wird die Lärmschwerhörigkeit als BK erfasst. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen (haftungsbegründenden) Voraussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit bzw. ein Tinnitus, vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (s. hierzu Nr. 4.2 der "Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit – Königsteiner Empfehlungen" 5. Aufl. 2012, abgedruckt etwa bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung).
Dass im Falle des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2301 vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und folgt aus den Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition - Lärmschwerhörigkeit BK 2301 - der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen. Hiernach war der Kläger bei den Beschäftigungsverhältnissen von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1993 (EBG Elektromontage Berlin GmbH), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G GbR), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D), von April bis September 2004 (EUTECH Montagebau), von März 2005 bis Juli 2006 (Elektroinstallation W L), von Juli 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) und von Juni bis September 2007 (SVBE GmbH) einem Tages-Lärm-Expositionspegel von über 85 dB(A) ausgesetzt und damit lärmgefährdet tätig. Hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 12. Februar 2010 und vom 04. März 2011 verwiesen.
Beim Kläger liegen jedoch nicht die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr. 2301 vor, denn er leidet nicht an einer Schwerhörigkeit, die lärmbedingt ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) bereits aus dem Gutachten der in der ersten Instanz gehörten Sachverständigen Dr. H vom 18. Mai 2010. Da sich im Laufe des Berufungsverfahrens keinerlei neue medizinische Erkenntnisse ergeben haben, wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Berlin im Urteil vom 27. März 2012 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Von Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl. Urteile des BSG vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – und vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R –, jeweils in juris). Das MDD (vgl. die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a. in ASUmed 1999, 101 ff., 112 ff.) legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von BS-Schäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der WS-Belastung auf das MDD verweist (BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff.) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007und 18. November 2008, a. a. O.). Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die WS belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK Nr. 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 und 18. November 2008, a. a. O.). Das BSG hat daher Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist zumindest bei Männern auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen (vgl. BSG, Urteile vom 18. November 2008, a. a. O.).
Nach den Berechnungen der Präventionsdienste der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011, die eine Gesamtbelastungsdosis von 31,5 MNh ergaben, ist davon auszugehen, dass beim Kläger grundsätzlich eine ausreichende WS-Belastung im Sinne der BK Nr. 2108 vorgelegen hat. Gefährdende Tätigkeiten hat der Kläger vor allem in den Zeiten von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1990 (VEB Elektromontage), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D) und zuletzt von September 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) ausgeübt; hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 Bezug genommen.
Der Feststellungsanspruch scheitert jedoch an den medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK Nr. 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass BS-Schäden und BS-Vorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff.). Ein neuerer, von den Konsensempfehlungen abweichender Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS ist weder von dem Sachverständigen Prof. Dr. S aufgezeigt worden noch dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. Der Senat geht daher weiterhin davon aus, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von BS-Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Da sich im Laufe des Berufungsverfahrens keine neuen medizinischen Erkenntnisse ergeben haben, wird zunächst auf die Ausführungen des SG Berlin hierzu im Urteil vom 27. März 2012 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
In Ergänzung und Vertiefung ist darauf hinzuweisen, dass es in arbeitsmedizinischer Hinsicht insoweit an belastbaren Ergebnissen für die Feststellung einer BK Nr. 2108 fehlt, als die an und für sich notwendige Einholung eines radiologischen Gutachtens mangels Vorlage der bildgebenden Befunde durch den Kläger nicht möglich war. So war auch der vom Gericht bestellte Sachverständige Prof. Dr. S im Gutachten vom 02. Dezember 2011 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2014 bei seiner medizinischen Bewertung auf die vorliegenden Berichte über die Auswertung der bildgebenden Befunde angewiesen. Insgesamt ist dem Sachverständigen zuzustimmen, dass das beim Kläger vorliegende Erkrankungsbild sich keiner der einzelnen Fallgruppen der Konsensempfehlungen, in denen das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen bejaht wird, zuordnen lässt.
Nach den Konsensempfehlungen wird zur Bejahung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für sämtliche von den Experten herausgearbeiteten Befundkonstellationen vorausgesetzt, dass • eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt, • die Exposition ausreichend ist • und eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung besteht (ausreichende Exposition musste Erkrankung vorausgehen, Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab).
Hiernach ist nachvollziehbar, wenn der Sachverständige Prof. Dr. S ausführt, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS lediglich insoweit vorliege, als BS-Vorwölbungen zwischen dem LWK 2/3 und LWK 3/4 nachgewiesen seien. Darüberhinausgehend fänden sich weder eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes noch eine Verdichtung der Grund- und Deckplatten. Die BS-Schäden zeigten sich auch nur in den Bewegungssegmenten L2/3 und L3/4, nicht dagegen in den typischen Segmenten L4/5 und L5/S1. Auch fänden sich keine altersuntypische Höhenminderungen einer oder mehrerer BS. Die vorliegenden BS-Vorwölbungen LWK 2/3 bis LWK 3/4 beträfen jedoch diejenigen LWK, die durch die beim Unfall von September 2004 erlittene Deckplattenkompressionsfraktur beeinträchtigt und mit posttraumatischer Deformierung und geringer Höhenminderung knöchern konsolidiert seien (vgl. auch die Feststellungen im ersten Rentengutachten vom 23. Dezember 2004 durch Prof. Dr. Esowie Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Evom 09. Februar 2006). Damit ist zugleich gesagt, dass eine "B"-Konstellation beim Kläger mithin nicht vorliegt, denn hierfür ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung betreffend die Bewegungssegmente L 5/S1 und/oder L4/5 erforderlich, und zwar in einer Ausprägung im Sinne einer Chondrose Grad II oder höher oder eines BS-Vorfalls, was beides beim Kläger nicht festgestellt worden ist. Hinzu kommen die vom Sachverständigen erwähnten konkurrierenden Faktoren in Form einer anlagebedingten WS-Fehlform (Seitverbiegung), der Verschlimmerung der Skoliose durch den Unfall und die Übergewichtigkeit des Klägers, wogegen die Konstellationen "B" das Fehlen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren beinhalten. Einzig in den Konstellationen "B9" und "B10" wird zusätzlich vom Vorliegen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren ausgegangen, gefordert wird aber zur Begründung eines Ursachenzusammenhanges eine Begleitspondylose ("B9"), d. h. eine Spondylose in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten, die über das Altersmaß hinausgeht und nicht auf konkurrierende Ursachenfaktoren zurückgeht. Eine Begleitspondylose i. S. der Konsensempfehlungen (vgl. Ziff. 1.2 und 1.4. der Konsensempfehlungen) vermochte der Sachverständige Prof. Dr. S nicht festzustellen. Anhaltspunkte hierfür ergaben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. E vom 09. Februar 2006 (S 25 U 296/05).
Beim Kläger lässt sich auch nicht das Vorliegen einer Erkrankung, die die Voraussetzungen der Konstellation "C" erfüllen könnte, feststellen. Diese Konstellation fordert, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung nicht die unteren beiden LWS-Segmente betrifft, was beim Kläger der Fall ist. Des Weiteren wird aber ein ausgeprägter BS-Schaden in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder ein BS-Vorfall verlangt bei gleichzeitigem Fehlen wesentlich konkurrierender Ursachenfaktoren ("C1" und "C2") oder bei gleichzeitigem BS-Schaden an der HWS ("C3" und "C4"), an dem es fehlt. Sämtliche Berichte über durchgeführte Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen weisen lediglich auf geringgradige BS-Protrusionen hin, selbst das neueste MRT vom 05. Februar 2013, welches zugleich den im MRT-Bericht vom 15. März 2010 aufgeführten Prolaps bei L5/S1 entkräftet. Für die nach den Konsensempfehlungen daher allenfalls in Betracht kommende Konstellation nach "D", die die Ausprägung des BS-Schadens in Form einer Protrusion mit engem Spinalkanal und eine radikuläre Symptomatik verlangt, fehlt es aber an einer entsprechenden Feststellung durch eine neurologische und elektrophysiologische Untersuchung. Ausweislich der MRT-Aufnahmen vom 21. November und 12. Dezember 2006 war der Spinalkanal beim Kläger frei und nicht eingeengt. Soweit spätere MRT-Aufnahmen eine Verengung ausweisen (z.B. im MRT vom 15. Juli 2008), fehlt es jedoch nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S an einer klinisch festgestellten radikulären Symptomatik; er schließt nach Untersuchung des Klägers eine Irritation des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln aus.
Nach alledem bleibt es dabei, dass im Fall des Klägers die wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren wie die anlagebedingte relevante Skoliose, das Übergewicht und die durch den Arbeitsunfall von September 2004 erlittenen Schäden die Überhand gewinnen.
Soweit der Kläger die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV begehrt, hat die Berufung ebenso keinen Erfolg. Beim Kläger hat nicht die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK zum Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit vorgelegen. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Berlin in seinem Urteil vom 27. März 2012 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nicht nach § 160 abs. 2 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch mehrjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung - und einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV – Lärmschwerhörigkeit - sowie um Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV, insbesondere Übergangsleistungen.
Der im Jahr 1961 geborene Kläger war nach seiner im September 1977 begonnenen Ausbildung im Zeitraum zwischen Oktober 1981 bis April 2008 – mit Unterbrechungen – bei einer Reihe verschiedener Arbeitgeber wechselnd als Elektroinstallateur und als Kabelmonteur im Tiefbau beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte teilweise für Unternehmen in der Zuständigkeit der Beklagten, teilweise bei Unternehmen in der Zuständigkeit der Beigeladenen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beschäftigungsverhältnisse:
1. VEB WBK Berlin GmbH Ausbildung 01.09.1977 – 30.04.1980 2. EBG Elektromontage Berlin GmbH Kabelmonteur 01.10.1981 – 31.12.1993 3. M K – Montage Kabelmonteur 01.01.1994 – 31.12.1994 4. Q GmbH Kabelmonteur 10.01.1995 – 31.12.1996 5. Elektro-S Elektroinstallateur 03.02.1998 – 31.03.1998 6. K & G GbR Elektroinstallateur 01.04.1998 – 31.04.2000 7. B & D GmbH Kabelmonteur 02.05.2000 – 31.07.2003 8. Elektroinstallation W L Kabelmonteur 01.08.2003 – 25.01.2004 9. H E Kabelmonteur, Pflasterer 16. - 17.03.2004 10. EUTECH Montagebau Kabelmonteur 05.04. - 22.09.2004 11. Elektroinstallation W L Kabelmonteur 29.03.2005 – 04.07.2006 12. L Elektroanlagen GmbH Kabelmonteur, Pflasterer 06.07.2006 – 15.06.2007 13. SVBE Schaltschrank-, Verteilerbau und Elektroplanung GmbH Elektroinstallateur 25.06. - 13.09.2007 14. A + B Dienstleistungs-Service Kabelmonteur 11.02. - 15.04.2008 15. CCC GmbH Kabelmonteur 05.05. – 07.06.2008 17. E-Personaldienstleistungen Kabelmonteur 23.06. – 04.07.2008 18. ELFA Elektrotechnik GmbH Kabelmonteur 17.11. – 11.12.2008
Bei den Beschäftigungsverhältnissen von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1993 (EBG Elektromontage Berlin GmbH), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G GbR), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D), von April bis September 2004 (EUTECH Montagebau), von März 2005 bis Juli 2006 (Elektroinstallation W L), von Juli 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) und von Juni bis September 2007 (SVBE GmbH) war der Kläger nach den Ermittlungen der Präventionsabteilungen der Beigeladenen und der Beklagten (vgl. Berichte vom 12. Februar 2010 und vom 04. März 2011) einem Tages-Lärm-Expositionspegel von über 85 dB(A) ausgesetzt.
Bei einem anerkannten Arbeitsunfall vom 14. September 2004 – Sturz aus 3 bis 4 m Höhe auf das Gesäß - zog sich der Kläger eine Deckplattenimpressionsfraktur L1 - L4 zu. Im diesbezüglichen Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 25 U 296/05) betreffend einen Verletztenrentenanspruch erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. E am 09. Februar 2006 ein Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme vom 01. Februar 2007, in welchem er feststellte, dass beim Kläger unfallbedingt ein LWS-Syndrom mit belastungsabhängig verstärkten Lumbalgien bei Z. n. Deckenplattenkompressionsfraktur LWK 1 - 4 mit sekundärer geringer Verstärkung der Fehlstatik vorliege. Unfallunabhängig bestehe eine deutliche Fehlstatik der Wirbelsäule (WS) i. S. einer Rotationsskoliose mit einem Beckenschiefstand von – 1 cm rechts mit beginnenden degenerativen Veränderungen. Durch intensive Krankengymnastik habe die Bewegungsfunktion der WS nach dem Unfall wiederhergestellt werden können, die nunmehr geschilderten Beschwerden seien überwiegend muskulär durch die Fehlstatik bedingt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund verbliebener Unfallfolgen betrage 10 v. H. Diese Bewertung entsprach den Feststellungen im Ersten Rentengutachten vom 23. Dezember 2004 durch Prof. Dr. E, der als die WS betreffende Unfallfolgen die vollständig konsolidierten Deckenplattenimpressionsfrakturen LWK 1 - 4 mit geringer Höhenminderung festgestellt und die MdE mit weniger als 10 v. H. eingeschätzt hatte.
Nach Einschätzung des behandelnden Orthopäden DM S im Befundbericht (BB) vom 08. Dezember 2006 bestanden als Unfallfolgen ein Z. n. traumatischer Fraktur LWK 1 - LWK 4 mit ausgeprägter posttraumatischer Deformierung der LWK L1 - L4 und Fehlstatik der WS, eine posttraumatische Skoliose, ein Schmerzsyndrom und ein rezidivierendes Radikulärsyndrom der LWS. Ein CT der LWS vom 16. November 2006 ergab spondylarthrotische Veränderungen in L3/4, L4/5 und L5/S1, teilweise mit leichten Einengungen des lateralen Recessus und einer flachen Bandscheiben-(BS-)Protrusion L5/S1. Ein am 11. Dezember 2006 gefertigtes MRT der BWS ergab keinen Nachweis einer frischen oder älteren BWK-Fraktur, beginnende Osteochondrosen BWK 4 bis 10, diskrete BS-Protrusion BWK 8/9, Höhenminderung von LWK 1 sowie Reste eines abgelaufenen Morbus Scheuermann. Ein am 14. Juli 2008 gefertigtes MRT der LWS ergab bei eingeschränkter Vergleichbarkeit mit der CT-Voruntersuchung von November 2006 eine diskrete Höhenminderung von LWK 1 - 4, zusätzlich Schmorl‘sche Knorpelknötchen in den Deckplatten LWK 1, 2 und 4, Osteochondrose L2/3 und L3/4 mit geringer Protrusion L2/L3 und L3/L4, Spondylarthrose L1 bis S1. Ein am selben Tag gefertigtes MRT der BWS ergab im Vergleich zur Voruntersuchung aus Dezember 2006 keine Befundänderung. Am 16. Juli 2008 stellte sich der Kläger in der C, Zentrum für spezielle Chirurgie des Bewegungsapparates, vor (Diagnosen: chronischer Lumbago mit Spondylarthrose der unteren LWS, Laterolisthesis L3/L4, Osteochondrose L4/5 und L5/S1, konsolidierte Deckenplattenimpressionsfrakturen LWK 1 - 4, Lumbalskoliose).
Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 begehrte der Kläger, der seit dem 01. Januar 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM) bezieht, von der Beklagten unter Anerkennung einer BK Leistungen wegen Erkrankung der WS und Lärmschwerhörigkeit. Er habe seine letzte Tätigkeit wegen Rückenschmerzen nicht mehr ausüben können. Durch seine Tätigkeit als Kabelmonteur im Tiefbau habe er sich eine deformierte und nicht mehr funktionstüchtige WS mit chronischen Schmerzen und eine Schwerhörigkeit mit Tinnitus zugezogen.
Mit Bescheid vom 03. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2009 lehnte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 und von Leistungen nach § 3 BKV ab, da beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS i. S. der Konsensempfehlungen vorliege. Nach den medizinischen Unterlagen, insbesondere des im SG-Verfahren S 25 U 296/05 eingeholten orthopädischen Gutachtens von Dr. E vom 09. Februar 2006, dem orthopädischen BB des DM S vom 08. Dezember 2006, dem Röntgenbefund vom 24. Juli 2006 und den CT-und MRT-Befunden vom 21. November 2006 bestünden nach einem Arbeitsunfall vom 14. September 2004 vollständig konsolidierte Deckplatteneinbrüche der LWK 1 – 4, eine Höhenminderung in allen betroffenen Wirbelkörpern, in den Segmenten L4/L5 eine Impression der Unterkante von L4 in den WK L5 mit Einengung des Spinalkanals. Aufgrund der asymmetrisch dargestellten Höhenminderungen habe sich eine posttraumatische rechtskonvexe lumbalo-thorakale Torsionsskoliose mit Gegenkrümmung der oberen BWS eingestellt. Die BS seien deswegen erheblich keilförmig deformiert, wobei die BS L4/5 im dorsalen Bereich nicht mehr nachweisbar sei. Im MRT zeigten sich nur geringe degenerative Veränderungen im Segment L4/L5 und eine flache BS-Protrusion ohne Beeinträchtigung des Wirbelkanals bei L5/S1. Beim Kläger liege mithin ein Z. n. traumatischer Fraktur der LWK 1 - 4 mit ausgeprägter posttraumatischer Deformierung der LWK’er und eine anlagebedingte Fehlstatik der WS vor, eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne einer BK Nr. 2108 sei nicht gegeben. Da schon die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt seien, könnten die arbeitstechnischen Voraussetzungen ungeprüft bleiben. Maßnahmen nach § 3 BKV zur Verhinderung einer BK Nr. 2108 bzw. zur Verhinderung einer Verschlimmerung kämen aufgrund des untypischen Krankheitsbildes nicht in Betracht.
Nach Auswertung der beigezogenen Tonaudioramme vom 10. März 1979, 11. März 1980, 19. Juni 2002 und 20. Juni 2006 und Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009 die Gewährung einer Entschädigung mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) ab. Die Lärmschwerhörigkeit sei eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzell-Typ. Nach dem ärztlichen Merkblatt zur BK Nr. 2301 überwiege die Hochtonstörung als Ausdruck der Hauptbelastung der Basilarmembran im Bereich von etwa 4000 Hz, hervorgerufen durch die Frequenzzusammensetzung des Industrielärms. Das letzte Tonaudiogramm vom 20. Juni 2006 weise jedoch eine gleichmäßig über alle Frequenzen verteilte Schwerhörigkeit ohne Betonung des Hochtonbereiches (insbesondere "C5-Senke" bei 4000 Hz (4 kHz)) auf. Der maximale Hörverlust bestehe sogar in den mittleren Frequenzen. Ein derartiger Verlauf des Tonschwellenaudiogramms sei untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit.
Mit seinen am 10. Juni 2009 vor dem SG Berlin erhobenen Klagen (S 163 U 371/09 und S 163 U 372/09, verbunden durch Beschluss vom 23. Februar 2012 zum Verfahren S 163 U 371/09) hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung der BK en Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 der BKV weiterverfolgt. Er hat ein Tonschwellenaudiogramm vom 09. Juni 2009 vorgelegt.
Das SG hat BB e des Facharztes für Orthopädie DM S vom 09. November 2009 (Z. n. traumatischer Fraktur, posttraumatische Skoliose und Schmerzsyndrom, rezidivierendes Radikulärsyndrom der LWS) sowie von O MVZ am Wittenbergplatz, vom 02. Dezember 2009 (LWS-Syndrom, Facettensyndrom, Osteochondrose, Spondylarthrose, Protrusio, Z. n. Deckplattenimpressionsfraktur obere LWS) eingeholt.
Die Beklagte und die Beigeladene haben unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und einiger Arbeitgeber zu seinen Arbeitsbelastungen Stellungnahmen der beteiligten Präventionsdienste vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 vorgelegt, wonach unter Berücksichtigung der aktuellen BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 30. Oktober 2007) beim Kläger grundsätzlich eine ausreichende Wirbelsäulenbelastung im Sinne der BK 2108 vorgelegen habe. Die Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) betrage 31,5 MNh. Gefährdende Tätigkeiten habe der Kläger vor allem in den Zeiten von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1990 (VEB Elektromontage), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D) und zuletzt von September 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) ausgeübt; hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 Bezug genommen.
Im Auftrag des SG hat die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. H am 18. Mai 2010 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers am 05. Mai 2010 erstattet, in welchem sie eine Schallempfindungsschwerhörigkeit links mehr als rechts diagnostiziert und ausgeführt hat; der Kläger gebe ein Ohrgeräusch links an. Dieser sei für rund 25 Jahre lärmexponierten Tätigkeiten bei einem Beurteilungspegel von durchschnittlich 85 bis 87 dB(A) und damit dem Risikomaß 3 ausgesetzt gewesen. Die wenigen vorliegenden Tonschwellenaudiogramme, von denen die ersten von 1979 und 1980 datierten, zeigten noch eine völlige Normalhörigkeit beidseits. 2002 habe sich eine stärkere Einschränkung des Hörvermögens als 2006 gezeigt, eventuell sei eine Lärmexpositionspause nicht eingehalten worden oder die Qualität des Tonschwellenaudiogramms sei nicht ausreichend gewesen. Das nach Beendigung der lärmexponierten Tätigkeit am nächsten liegende Tonschwellenaudiogramm sei vom 20. Juni 2006. Aus diesem ergebe sich rechts ein prozentualer Hörverlust von 15 % (25-35-30) und links ein prozentualer Hörverlust von 30 % (35-50-45). Dies entspräche einer MdE von 0 % für die Hörstörung und somit einer Normalhörigkeit. Der vorliegende Hörverlust sei zudem nicht typisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Die Audiogramme zeigten einen untypischen Kurvenverlauf, denn normalerweise finde sich eine Senke bei 4 kHz, die langsam in den Hochtonbereich und später in den Mitteltonbereich übergehe, wogegen beim Kläger sich bereits 2002 eine Betonung der mittleren Frequenzen bei relativem Erhalt der hohen, unverändert bis heute, zeige. Zudem sei der Kurvenverlauf links zu rechts unterschiedlich, es zeige sich eine schlechtere Hörkurve des linken Ohres bei allseits eintretendem Lärm. Des Weiteren lasse sich ein cochleärer Schaden, insbesondere linksseitig, nicht sicher darstellen, was bei Lärmschwerhörigkeit aber zu fordern sei. Weder die überschwelligen Tests (SISI, Lüscher) noch die Hirnstammaudiometrie (BERA) ließen eine retrocochleäre (zentrale) Störung sicher ausschließen. Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit sei daher nicht wahrscheinlich.
Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. S am 02. Dezember 2011 ein Gutachten erstattet (Untersuchung des Klägers am 05. September 2011), in welchem er bezogen auf die WS folgende Gesundheitsstörungen am Bewegungsapparat diagnostiziert hat: Geminderte Trag- und Bewegungsfunktion des Rumpfes auf der Basis einer deutlichen WS-Fehlhaltung und von Unfallfolgen, Verschleißerscheinungen im Bereich der HWS, BWS und LWS ohne Irritationszeichen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als Voraussetzung für die Anerkennung einer BK 2108 sei lediglich insofern nachgewiesen, als BS-Vorwölbungen zwischen dem 2. und 3. sowie 3. und 4. LWK bestünden. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien jedoch nicht auf diese BS-Vorwölbungen zurückzuführen, sondern im Wesentlichen Folge einer anlagebedingten WS-Fehlhaltung im Sinne der großbogigen Seitverbiegung seit dem Kindesalter und einer zusätzlichen Verschlimmerung durch die unfallbedingte Bruchverletzung der WK L1 - L4, die zwar knöchern vollständig konsolidiert sei, jedoch die anlagebedingte Fehlhaltung verstärkt habe. Die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei weder im Sinne der erstmaligen Entstehung noch im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugung bei der Tätigkeit als Kabelmonteur im Tiefbau verursacht oder mitverursacht worden. Begründet werde dies unter Hinweis auf Frank Schröter, Trauma und Berufskrankheit 2002 Pkt. 4, Springer Verlag, Seite 127 bis 137. Hiernach werde für die Anerkennung einer BK 2108 gefordert, dass das Schadensbild der bandscheibenbedingten Erkrankung der WS BS-Schädigungen in allen Bewegungssegmenten voraussetze, wobei insbesondere die meist belasteten Bewegungssegmente L5/S1 und L 4/5 betroffen sein müssten, zudem seien jedenfalls im Anfangsstadium Begleitreaktionen der Knochen im Sinne der vermehrten Kalksalzeinlagerungen nicht nachzuweisen. Beim Kläger seien indes gerade die BS L5/S1 und L4/5 nicht betroffen. Zudem bestünden konkurrierende Ursachen in Form einer anlagebedingten WS-Fehlform (Seitverbiegung) und eine massive Übergewichtigkeit, so dass der Anteil der konkurrierenden Ursachen deutlich überwiege. Daher seien die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht erfüllt. Dem Sachverständigen lagen MRT-Aufnahmen der LWS und BWS vom 15. März 2010 vor.
Der Kläger hat einen Bericht über ein MRT der LWS vom 15. März 2012 vorgelegt (ältere Deckplatteneinbrüche L1 - 4, aktivierte Osteochondrose L3/4, Osteochondrose L1/2, L2/3 und L5/S1, Spondylarthrose, geringe BS-Protrusionen L2/3, L3/4 und L4/5, geringe mediale Protrusio L5/S1).
Das SG hat mit Urteil vom 27. März 2012, dem Kläger zugestellt am 07. April 2012, die Klagen abgewiesen und ausgeführt, es fehle hinsichtlich beider BK‘en am Vorliegen der jeweiligen medizinischen Voraussetzungen. Betreffend die BK Nr. 2301 sei nach dem Ergebnis der HNO-ärztlichen Begutachtung durch die Sachverständige Dr. H davon auszugehen, dass beim Kläger eine Normalhörigkeit vorliege. Die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H insbesondere zur Hochtonsenke (so genannte C4-Senke) für den Nachweis einer lärmbedingten Schwerhörigkeit und ihre Ausführungen zur Reichweite der Normalhörigkeit würden durch die Gutachterliteratur gestützt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 333 ff., 346). Da somit bereits das spezifische Krankheitsbild der Lärmschwerhörigkeit nicht vorliege, greife auch nicht die Vorschrift des § 9 Abs. 3 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VII) ein. Beim Kläger liege auch keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK Nr. 2108 BKV vor. Der Sachverständige Prof. Dr. S habe aufgrund eigener Untersuchung festgestellt, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS lediglich betreffend die Vorwölbungen in den Segmenten L2/3 bzw. L3/4 vorliege, nicht aber in der von der medizinischen Fachliteratur geforderten Ausdehnung auf die Segmente L5/S1 und L4/5. Zudem weise der Sachverständige zu Recht auf erhebliche konkurrierende Ursachen in Form der anlagebedingten Skoliose und des massiven Übergewichts hin. Auch unter Einbeziehung der Konsenskriterien ergäben sich keine genügenden Anhaltspunkte für eine bandscheibenbedingte Erkrankung, denn insoweit sei mangels festgestellter Chondrosen bzw. BS-Vorfällen im Segment L4/5 bzw. L5/S1 die B-Konstellation nicht einschlägig. Soweit im MRT-Bericht vom 15. März 2010 ein Diskusprolaps bei L5/S1 mit leichter Kompression des Duralsacks festgestellt werde, sei von einer medizinischen Fehleinschätzung auszugehen. Dem Sachverständigen Prof. Dr. S habe die Original-MRT-Aufnahme vorgelegen, er sei jedoch nicht zu einem solchen Befund gekommen. Auch spätere MRT-Berichte, wie etwa der vom 26. November 2010 und der vom Kläger eingereichte aktuelle MRT-Bericht vom März 2012, verhielten sich nur zu BS-Vorwölbungen im Bereich L2/3 und L3/4, schlössen jedoch einen Vorfall aus. Auch der im Parallelverfahren S 163 U 679/09 berufene orthopädische Sachverständige Dr. H habe beim Kläger keinen derartigen Vorfall aufdecken können, vielmehr führe er aus, dass die Ursache der vom Kläger geklagten Schmerzen nicht orthopädischer Natur, sondern Folge einer somatisierten Schmerzstörung sei. Für die Schadensbilder der C-Konstellation fehle es ebenfalls an festgestellten stärkergradigen Chondrosen. Es komme somit lediglich die Konstellation D in Betracht, insoweit sei indes besonders sorgfältig nach konkurrierenden Ursachen abzugrenzen, welche beim Kläger gerade in Form der Skoliose und des Übergewichts sowie des Arbeitsunfalls vom 14. September 2004 vorlägen. Die Klage habe auch insoweit keinen Erfolg, als sie auf die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV gerichtet sei. Beim Kläger habe nicht die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK zum Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit vorgelegen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H habe zunächst ab dem Jahr 2007 keine relevante Lärmbelastung der Ohren mehr bestanden, dies sei vor der Aufgabe der Erwerbstätigkeit im April 2008 gewesen. Im Hinblick auf die Rückenschmerzen habe das Gutachten des Sachverständigen Dr. S ergeben, dass das für die BK Nr. 2108 vorausgesetzte Schadensbild fehle. Es sei von daher nicht ersichtlich, dass im April 2008 die unmittelbare Ausbildung des Schadensbildes der BK Nr. 2108 bevor gestanden hätte. Auch insoweit sei auf die überwiegende Bedeutung der Konkurrenzursachen zu verweisen.
Mit seiner hiergegen am 07. Mai 2012 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Anerkennung der BK’en Nr. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV weiter unter Vorlage diverser Befunde der C, Universitätsmedizin Berlin, Campus B F, vom 10. September 2012 (Mineralgehaltsbestimmung bei Verdacht auf Osteoporose), des Zentrums für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie vom 04. September 2012 (Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei Z. n. Trauma mit Deckplatteneinbrüchen LWK1 - 4, Polyneuropathie der oberen und unteren Extremität, Osteochondrose LWK5/SWK1, Spondylarthrose im lumbosakralen Übergang, depressives Syndrom) sowie des Berichtes über das MRT der LWS vom 05. Februar 2013 (Schmorl´sche Knorpelknötchen ohne Progredienz, spondylosteochondrotische Veränderungen mit Modic 1-Veränderungen im Segment L3/4, im darüber liegendem Segment Modic 2-Veränderungen, dezente BS-Protrusionen bzw. Betonung des hinteren Längsbandes, kein NPP, Neuroforamina frei, keine wesentlichen spondylarthrotischen Veränderungen).
Der Senat hat aktuelle BB von DM S vom 22. August 2013 und Dr. G vom 13. August 2013 (mit diversen Anlagen) angefordert.
Der Sachverständige Prof. Dr. S hat am 26. Juli 2014 eine ergänzende Stellungnahme unter Heranziehung der Konsensempfehlungen abgegeben und ausgeführt, dass er auch jetzt weiterhin nicht von einem Ursachenzusammenhang zwischen der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit und den Beschwerden des Klägers ausgehe. Insbesondere die Tatsache, dass die röntgenoptischen Erscheinungsbilder nicht den geforderten Schadensbildern entsprächen, da weder eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes noch eine Verdichtung der Grund- und Deckplatten bestehe, und BS-Schäden nur in den Bewegungssegmenten L2/3 und L3/4, nicht dagegen in den typischen Segmenten L4/5 und L5/S1, vorlägen, sich ferner altersuntypische Höhenminderungen einer oder mehrerer BS nicht fänden, sei ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftlichen Vorbringen sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 03. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm Berufskrankheiten nach Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV vorliegen,
des Weiteren die Beklagte bzw. die Beigeladene zu verurteilen, ihm wegen der BK Nr. 2108 Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten unter Bezugnahme auf ihre Bescheide und auf das Urteil des SG Berlin vom 27. März 2012 die medizinischen Voraussetzungen der BK‘en nach Nrn. 2108 und 2301 der Anlage 1 zur BKV für nicht gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des SG Berlin (S 163 U 752/10, S 163 U 679/09, S 25 U 296/05), die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 eine Entscheidung treffen, da der Kläger in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung hierauf hingewiesen worden ist (vgl. §§ 110, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und erst nach Verkündung des Urteils bei Gericht erschienen ist.
Die mit der Berufung verfolgte kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG)ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des SG Berlin vom 27. März 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 03. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 sind nicht zu beanstanden.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BK en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV wird die Lärmschwerhörigkeit als BK erfasst. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen (haftungsbegründenden) Voraussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit bzw. ein Tinnitus, vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (s. hierzu Nr. 4.2 der "Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit – Königsteiner Empfehlungen" 5. Aufl. 2012, abgedruckt etwa bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung).
Dass im Falle des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2301 vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und folgt aus den Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition - Lärmschwerhörigkeit BK 2301 - der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen. Hiernach war der Kläger bei den Beschäftigungsverhältnissen von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1993 (EBG Elektromontage Berlin GmbH), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G GbR), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D), von April bis September 2004 (EUTECH Montagebau), von März 2005 bis Juli 2006 (Elektroinstallation W L), von Juli 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) und von Juni bis September 2007 (SVBE GmbH) einem Tages-Lärm-Expositionspegel von über 85 dB(A) ausgesetzt und damit lärmgefährdet tätig. Hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 12. Februar 2010 und vom 04. März 2011 verwiesen.
Beim Kläger liegen jedoch nicht die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr. 2301 vor, denn er leidet nicht an einer Schwerhörigkeit, die lärmbedingt ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) bereits aus dem Gutachten der in der ersten Instanz gehörten Sachverständigen Dr. H vom 18. Mai 2010. Da sich im Laufe des Berufungsverfahrens keinerlei neue medizinische Erkenntnisse ergeben haben, wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Berlin im Urteil vom 27. März 2012 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Von Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl. Urteile des BSG vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – und vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R –, jeweils in juris). Das MDD (vgl. die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a. in ASUmed 1999, 101 ff., 112 ff.) legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von BS-Schäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der WS-Belastung auf das MDD verweist (BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff.) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007und 18. November 2008, a. a. O.). Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die WS belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK Nr. 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 und 18. November 2008, a. a. O.). Das BSG hat daher Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist zumindest bei Männern auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen (vgl. BSG, Urteile vom 18. November 2008, a. a. O.).
Nach den Berechnungen der Präventionsdienste der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011, die eine Gesamtbelastungsdosis von 31,5 MNh ergaben, ist davon auszugehen, dass beim Kläger grundsätzlich eine ausreichende WS-Belastung im Sinne der BK Nr. 2108 vorgelegen hat. Gefährdende Tätigkeiten hat der Kläger vor allem in den Zeiten von September 1977 bis April 1980 (VEB WBK Berlin), von Oktober 1981 bis Dezember 1990 (VEB Elektromontage), von Januar 1995 bis Dezember 1996 (Q GmbH), von April 1998 bis April 2000 (K & G), von Mai 2000 bis Juli 2003 (B & D) und zuletzt von September 2006 bis Juni 2007 (L Elektronanlagen GmbH) ausgeübt; hinsichtlich der Einzeleinwirkungen wird auf die Stellungnahmen der Präventionsabteilungen der Beklagten und der Beigeladenen vom 01. Dezember 2010, 03. Februar 2011 und 01. März 2011 Bezug genommen.
Der Feststellungsanspruch scheitert jedoch an den medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK Nr. 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass BS-Schäden und BS-Vorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff.). Ein neuerer, von den Konsensempfehlungen abweichender Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS ist weder von dem Sachverständigen Prof. Dr. S aufgezeigt worden noch dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. Der Senat geht daher weiterhin davon aus, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von BS-Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Da sich im Laufe des Berufungsverfahrens keine neuen medizinischen Erkenntnisse ergeben haben, wird zunächst auf die Ausführungen des SG Berlin hierzu im Urteil vom 27. März 2012 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
In Ergänzung und Vertiefung ist darauf hinzuweisen, dass es in arbeitsmedizinischer Hinsicht insoweit an belastbaren Ergebnissen für die Feststellung einer BK Nr. 2108 fehlt, als die an und für sich notwendige Einholung eines radiologischen Gutachtens mangels Vorlage der bildgebenden Befunde durch den Kläger nicht möglich war. So war auch der vom Gericht bestellte Sachverständige Prof. Dr. S im Gutachten vom 02. Dezember 2011 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2014 bei seiner medizinischen Bewertung auf die vorliegenden Berichte über die Auswertung der bildgebenden Befunde angewiesen. Insgesamt ist dem Sachverständigen zuzustimmen, dass das beim Kläger vorliegende Erkrankungsbild sich keiner der einzelnen Fallgruppen der Konsensempfehlungen, in denen das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen bejaht wird, zuordnen lässt.
Nach den Konsensempfehlungen wird zur Bejahung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für sämtliche von den Experten herausgearbeiteten Befundkonstellationen vorausgesetzt, dass • eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt, • die Exposition ausreichend ist • und eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung besteht (ausreichende Exposition musste Erkrankung vorausgehen, Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab).
Hiernach ist nachvollziehbar, wenn der Sachverständige Prof. Dr. S ausführt, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS lediglich insoweit vorliege, als BS-Vorwölbungen zwischen dem LWK 2/3 und LWK 3/4 nachgewiesen seien. Darüberhinausgehend fänden sich weder eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes noch eine Verdichtung der Grund- und Deckplatten. Die BS-Schäden zeigten sich auch nur in den Bewegungssegmenten L2/3 und L3/4, nicht dagegen in den typischen Segmenten L4/5 und L5/S1. Auch fänden sich keine altersuntypische Höhenminderungen einer oder mehrerer BS. Die vorliegenden BS-Vorwölbungen LWK 2/3 bis LWK 3/4 beträfen jedoch diejenigen LWK, die durch die beim Unfall von September 2004 erlittene Deckplattenkompressionsfraktur beeinträchtigt und mit posttraumatischer Deformierung und geringer Höhenminderung knöchern konsolidiert seien (vgl. auch die Feststellungen im ersten Rentengutachten vom 23. Dezember 2004 durch Prof. Dr. Esowie Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Evom 09. Februar 2006). Damit ist zugleich gesagt, dass eine "B"-Konstellation beim Kläger mithin nicht vorliegt, denn hierfür ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung betreffend die Bewegungssegmente L 5/S1 und/oder L4/5 erforderlich, und zwar in einer Ausprägung im Sinne einer Chondrose Grad II oder höher oder eines BS-Vorfalls, was beides beim Kläger nicht festgestellt worden ist. Hinzu kommen die vom Sachverständigen erwähnten konkurrierenden Faktoren in Form einer anlagebedingten WS-Fehlform (Seitverbiegung), der Verschlimmerung der Skoliose durch den Unfall und die Übergewichtigkeit des Klägers, wogegen die Konstellationen "B" das Fehlen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren beinhalten. Einzig in den Konstellationen "B9" und "B10" wird zusätzlich vom Vorliegen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren ausgegangen, gefordert wird aber zur Begründung eines Ursachenzusammenhanges eine Begleitspondylose ("B9"), d. h. eine Spondylose in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten, die über das Altersmaß hinausgeht und nicht auf konkurrierende Ursachenfaktoren zurückgeht. Eine Begleitspondylose i. S. der Konsensempfehlungen (vgl. Ziff. 1.2 und 1.4. der Konsensempfehlungen) vermochte der Sachverständige Prof. Dr. S nicht festzustellen. Anhaltspunkte hierfür ergaben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. E vom 09. Februar 2006 (S 25 U 296/05).
Beim Kläger lässt sich auch nicht das Vorliegen einer Erkrankung, die die Voraussetzungen der Konstellation "C" erfüllen könnte, feststellen. Diese Konstellation fordert, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung nicht die unteren beiden LWS-Segmente betrifft, was beim Kläger der Fall ist. Des Weiteren wird aber ein ausgeprägter BS-Schaden in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder ein BS-Vorfall verlangt bei gleichzeitigem Fehlen wesentlich konkurrierender Ursachenfaktoren ("C1" und "C2") oder bei gleichzeitigem BS-Schaden an der HWS ("C3" und "C4"), an dem es fehlt. Sämtliche Berichte über durchgeführte Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen weisen lediglich auf geringgradige BS-Protrusionen hin, selbst das neueste MRT vom 05. Februar 2013, welches zugleich den im MRT-Bericht vom 15. März 2010 aufgeführten Prolaps bei L5/S1 entkräftet. Für die nach den Konsensempfehlungen daher allenfalls in Betracht kommende Konstellation nach "D", die die Ausprägung des BS-Schadens in Form einer Protrusion mit engem Spinalkanal und eine radikuläre Symptomatik verlangt, fehlt es aber an einer entsprechenden Feststellung durch eine neurologische und elektrophysiologische Untersuchung. Ausweislich der MRT-Aufnahmen vom 21. November und 12. Dezember 2006 war der Spinalkanal beim Kläger frei und nicht eingeengt. Soweit spätere MRT-Aufnahmen eine Verengung ausweisen (z.B. im MRT vom 15. Juli 2008), fehlt es jedoch nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S an einer klinisch festgestellten radikulären Symptomatik; er schließt nach Untersuchung des Klägers eine Irritation des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln aus.
Nach alledem bleibt es dabei, dass im Fall des Klägers die wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren wie die anlagebedingte relevante Skoliose, das Übergewicht und die durch den Arbeitsunfall von September 2004 erlittenen Schäden die Überhand gewinnen.
Soweit der Kläger die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV begehrt, hat die Berufung ebenso keinen Erfolg. Beim Kläger hat nicht die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK zum Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit vorgelegen. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Berlin in seinem Urteil vom 27. März 2012 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nicht nach § 160 abs. 2 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
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