L 12 SF 46/12 EK

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 12 SF 46/12 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der 1959 geborene Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an ihn wegen überlanger Verfahrensdauer im Gerichtsverfahren S 22 SO 88/10 des Sozialgerichts Itzehoe und im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG).

In dem genannten Gerichtsverfahren begehrte der Kläger mit der am 12. Juli 2010 erhobenen Klage die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) über den 31. Mai 2010 hinaus. Diese Leistungen waren ihm durch den dortigen Beklagten, den Kreis Pinneberg als örtlichen Sozialhilfeträger, gestützt auf die Mitwirkungsregelungen gemäß § 60 ff. Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) vorläufig versagt worden. Ferner begehrte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Handlungen des Sozialhilfeträgers im dortigen Verwaltungsverfahren. Während des laufenden Klageverfahrens tauschten die Beteiligten zunächst Schriftsätze aus. Im Hinblick auf das parallel laufende Verwaltungsverfahren erließ der Kreis Pinneberg auch mehrere Bescheide zum Grundsicherungsanspruch des Klägers für den Zeitraum ab 1. Januar 2011. So wurde der Anspruch des Klägers auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII durch Bescheide des Kreises Pinneberg vom 4. Februar 2011, 18. April 2011 und 22. Juni 2011 geregelt. Bereits mit Schriftsatz vom 9. Mai 2011 rügte der Kläger die Verfahrensverschleppung durch das Sozialgericht.

Am 27. Juni 2011 verfügte das Sozialgericht die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 22. August 2011. Mit am 5. Juli 2011 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass er zu dem anberaumten Termin am 22. August 2011 nicht erscheinen werde. Daraufhin hob das Sozialgericht den anberaumten Termin mit Verfügung vom 26. Juli 2011 wieder auf und teilte den Beteiligten mit, dass es erwäge, über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2012 wies das Sozialgericht Itzehoe die Klage ab.

Dagegen richtete sich die beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 29. März 2012 eingegangene Berufungsschrift des Klägers vom 28. März 2012. Gleichzeitig mit Einlegung der Berufung beantragte der Kläger auch die überlange Verfahrensdauer festzustellen. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 19. März 2012 wurde bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 9 SO 24/12 geführt und mit Urteil vom 29. Mai 2013 zurückgewiesen. Zu einer Abtrennung des Verfahrens, insoweit es gegen die Verfahrensdauer des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet war, kam es zunächst nicht. Am 10. Oktober 2012 hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schadenersatz für die überlange Verfahrensdauer in Sachen S 22 SO 88/10 und L 9 SO 24/12 beantragt.

Mit Schriftsatz vom 24. April 2013 hat der Kläger im Rahmen eines Richterablehnungsgesuches klargestellt, dass seines Erachtens eine Klage zu dem eben genannten Prozesskostenhilfeantrag bereits erhoben worden sei. Daraufhin hat der erkennende Senat die Eintragung einer Klage verfügt.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger das Verwaltungshandeln des Kreises Pinneberg, welches zu dem Rechtsstreit S 22 SO 88/10 des Sozialgerichts Itzehoe geführt hat, geschildert und kritisiert. Ferner führt er aus, die Verfahrensdauer sei deshalb überlang, weil er bereits am 25. Mai 2010 Widerspruch erhoben habe und am 8. Juli 2010 die Klage eingelegt habe. Erst im Juni 2011 sei ein Termin zur mündlichen Verhandlung angeordnet worden und dann sei erst am 19. März 2012 ein Urteil gefällt worden, also knapp zwei Jahre nach Klageeinlegung. Das Verfahren hätte aber schon unverzüglich nach Einlegung entschieden werden müssen. Die überlange Verfahrensdauer sei auch schon damit dargelegt, dass das genannte Verfahren nie hätte stattfinden dürfen. Die Richter sowohl des Sozialgerichts als auch des Landessozialgerichts hätten den Bescheid seitens des beklagten Kreises zurückweisen müssen, weil dieser entgegen dem Wortlaut eines 1996 geschlossenen Vergleiches rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger kritisiert die Verfahrensweise des Landessozialgerichts sowohl im Entschädigungsverfahren als auch im Rahmen der der sozialhilferechtlichen Sachklage. Es fehle nicht an der Rüge der Verfahrensverzögerung. Ob und inwieweit diese unverzüglich geschehen sei, könne er nicht beurteilen. Die Rügen seien ordnungsgemäß ergangen, wobei eine Rüge sich nicht nur dadurch auszeichne, indem sie als eindeutige Rügeschrift dargestellt sei. Auch eine Rüge, die in einem Ablehnungsgesuch dargestellt sei oder vorzeitig ergangen sei, müsse anerkannt werden. Bei Bemessung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer müsse berücksichtigt werden, dass die Vorgehensweise insgesamt sittenwidrig sei, so dass eine überlange Verfahrensdauer bereits mit jedem Monat gegeben sei, die dieses Verfahren andauere. Der Kläger verweist auf die Unterschiede zwischen Feststellungsklage und Rügeverfahren. Die Feststellung werde begehrt, wenn z. B. die Rüge der überlangen Verfahrensdauer nicht, wie die Beklagte und das Landessozialgericht dies darlegten, unverzüglich eingereicht worden sei. Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung, wonach Rügen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes vorgenommen worden seien, keine Rügen darstellen sollten. Die Beklagte und das erkennende Gericht sollten mal erklären, weshalb ein Nichtjurist hier mehr an Wissen und Rechtskunde aufweisen solle, als Anwälte, Justizministerium und Richter zusammen. Er gehe davon aus, dass er rechtzeitig die überlange Verfahrensdauer gerügt habe, zumindest aber die erforderliche Feststellungsklage frühzeitig nach dem erstinstanzlichen Urteil erhoben habe.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens S 22 SO 88/10 (Sozialgericht Itzehoe) /L 9 SO 24/12 eine Entschädigung zu gewähren

und hilfsweise

festzustellen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Es fehle an der unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Insoweit könne sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er bereits mit Schriftsätzen vom 8. März 2011 und 9. Mai 2011 die überlange Verfahrensdauer gerügt habe, denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) müsse die Rüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Als Verzögerungsrüge komme daher nur die Berufungsschrift vom 28. März 2012 in Betracht. Es wäre aber erforderlich gewesen, die Rüge binnen drei Monaten nach Inkrafttreten des ÜGRG zu erheben. Diese Frist habe der Kläger verfehlt. Dies führe zur Präkludierung der Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer jedenfalls bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt. Verzögerungen für den Zeitraum danach seien nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht behauptet worden. Der Kläger habe durch sein Prozessverhalten selbst zur Dauer des Verfahrens beigetragen. Dies sei im Rahmen der Beurteilung nach § 198 GVG zu berücksichtigen. Zu nennen seien hier sein Aussetzungsantrag im erstinstanzlichen Verfahren vom Juli 2011 und die Ablehnung des Mediationsvorschlages durch das Landessozialgericht im Februar 2013.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich am 12. und 20. Juni 2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senates ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der in Kopie beigezogenen Gerichtsakten zu Verfahren S 22 SO 88/10 / L 9 SO 24/12 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten zuvor schriftlich ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt haben.

Die Klage ist statthaft und im Hauptantrag zulässig. Die instanzielle und sachliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts ergibt sich aus § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 201 GVG. Zulässig ist aber nur der sinngemäß wiedergegebene Hauptantrag. Eine lediglich auf einen Ausspruch nach § 198 Abs. 4 GVG gerichtete Feststellungsklage, die das SGG in § 55 grundsätzlich kennt, ist schon unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Feststellungsklage nicht statthaft, denn dem Kläger steht zur Erreichung seines Rechtsschutzzieles die allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG offen. Neben oder statt einer auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gerichteten Leistungsklage ist eine Feststellungsklage nicht statthaft (so auch Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 23. Januar 2014 – 3 III ZR 37/13 –, Rdn. 65, zitiert nach juris). Das Begehren des Klägers ist unter Berücksichtigung seines gesamten Vorbringens gemäß § 123 SGG aber durchaus dahingehend zu interpretieren, dass er die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer angemessenen Entschädigung begehrt.

Die Klage erfüllt auch die Frist¬anforderungen des § 198 Abs. 5 GVG. Diese Regelung begrenzt den Zeitraum, in dem zulässig Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben werden kann, in beide Richtungen. Eine Klage kann danach frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge und muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erhoben werden. Diese Regelung wird zwar durch Art. 23 Satz 5 ÜGRG modifiziert, wonach § 198 Abs. 5 GVG auf bei Inkrafttreten des ÜGRG bereits schon in einer Instanz abgeschlossene Verfahren nicht anwendbar ist, dies führt allerdings vorliegend nicht zu einer Fristmodifikation, denn bei Inkrafttreten des ÜGRG am 3. Dezember 2011 war das erstinstanzliche Verfahren vor dem Sozialgericht Itzehoe noch nicht abgeschlossen. Als Zeitpunkt der Klageerhebung ist auf den Eingang des Berufungsschriftsatzes am 29. März 2012 abzustellen, denn bereits diesem lässt sich eindeutig entnehmen, dass der Kläger Rechtsschutz gegen die aus seiner Sicht überlange Verfahrensdauer des vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahrens begehrt. Dass die Eintragung einer Entschädigungsklage durch das LSG zunächst unterblieben ist, ist insofern unerheblich. Die so verstandene Klageerhebung vom 29. März 2012 war auch nicht verspätet, denn zu diesem Zeitpunkt war die Rechtskraft der Entscheidung noch gar nicht eingetreten. Der Kläger hat allerdings die sechsmonatige Wartefrist nach Erhebung der Verzögerungsrüge nicht abgewartet, denn diese hat er gleichzeitig mit Klageerhebung am 29. März 2012 erhoben. Die Einhaltung dieser Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung. Eine vorfristig erhobenen Klage wird grundsätzlich auch nicht durch den Ablauf der Frist zulässig (s. Bundessozialgericht [BSG), Urteil v. 3. September 2013, B 10 ÜG 2/14 R, zitiert nach dem Terminbericht Nr.40/14, s. www.bsg.bund.de; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014, III ZR 228/13). In Hinblick auf im Sozialgerichtsprozess bekannte Konstellationen, bei denen eine vorfristig erhobenen Klage später zulässig werden kann, etwa bei Nachholung des Widerspruchsverfahrens nach erfolgter Klageerhebung, und der nicht ganz abwegigen Anwendung dieses Rechtsgedankens auf § 198 Abs. 5 GVG vor Bekanntwerden der oben zitierten Entscheidung des BSG, kann verfrüht erhobenen Klagen ihre Unzulässigkeit nach § 198 Abs.5 GVG aber innerhalb einer bis zum 31.12.2014 währenden Übergangszeit nicht entgegengehalten werden (BSG aaO). Dies trifft auch auf die vorliegende Klage zu.

Die Klage ist hingegen nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer angemessenen Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer des sozialgerichtlichen Verfahrens S 22 SO 88/10 vor dem Sozialgericht Itzehoe und des anschließenden Berufungsverfahrens.

Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 198 GVG in der zum 3. Dezem¬ber 2011 in Kraft getretenen Fassung. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat, wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, gemäß § 198 Abs. 2 GVG vermutet, wobei Entschädigung nur beansprucht werden kann, soweit nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs. 4 nicht ausreichend ist. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Diese kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird.

Vorliegend fehlt es –bezogen auf das erstinstanzliche Verfahren- bereits an einer rechtzeitig erhobenen Verzögerungsrüge. Diese stellt keine bloße Sachurteilsvoraussetzung dar, sondern gehört zu den materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geldentschädigung (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. November 2013, XK 13/12, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014, III ZR 228/13, zitiert nach juris). Eine hier einschlägige Sonderregelung für Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜGRG bereits rechtshängig waren, enthält Art. 23 ÜGRG. Danach gilt dieses Gesetz grundsätzlich auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten, wie auch das streitgegenständliche Verfahren S 22 SO 88/10, bereits anhängig waren mit Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des ÜGRG erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.

In welcher Frist eine Verzögerungsrüge noch unverzüglich erhoben worden ist, ist zunächst unterschiedlich beantwortet worden. Teilweise ist im Hinblick auf die zu § 121 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergangene zivilrechtliche Rechtsprechung eine Zweiwochenfrist vorgeschlagen worden (vgl. etwa Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 4. Juli 2013, 1 SchH 10/12, juris). Teilweise ist in der Rechtsprechung auf eine Monatsfrist abgestellt worden (so etwa Landessozialgericht Berlin-Branden¬burg, Urteil vom 2. August 2013, L 37 SF 252/12 EK AL, zitiert nach juris). Gerichtsbarkeitsübergreifend hat sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber die Ansicht herausgebildet, dass eine Verzögerungsrüge noch unverzüglich im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben ist, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eingegangen ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2014, III ZR 228/13, Rn. 22, zitiert nach juris; Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. November 2013, XK 13/12, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/14 R, zitiert nach dem Terminbericht Nr.40/14 s.www.bsg.bund.de ). Diese Ansicht ist vorzugswürdig und der Senat schließt sich ihr uneingeschränkt an. Sie nimmt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG geforderte klare zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, rechtswahrend Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten des ÜGRG zu erheben, vor, berücksichtigt aber auch die Notwendigkeit einer angemessenen Zeitspanne zur Information und Überlegung für die Betroffenen. Danach ist die erst mit Klageeingang am 29. März 2012 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr unverzüglich im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG und schließt einen Entschädigungsanspruch für das zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene erstinstanzliche Verfahren aus.

Der fehlenden Unverzüglichkeit der Verzögerungsrüge kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Kläger bereits im Frühjahr 2011 vor Inkrafttreten des ÜGRG die Verfahrensdauer vor dem Sozialgericht Itzehoe kritisiert hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss in anhängigen, bereits verzögerten Verfahren die Verzögerungsrüge "unverzüglich nach Inkrafttreten" des Gesetzes erhoben werden. Eine vorherige Beanstandung der Verfahrensdauer macht die Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten des Gesetzes gerade nicht entbehrlich (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 20. Februar 2013, 1 SchH 9/12; Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2014, III ZR 228/13).

Ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer für die Zeit vor Erhebung der Verzögerungsrüge am 19. Juni 2012 ist somit gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG ausgeschlossen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine bloße Feststellung der überlangen Verfahrensdauer nach § 198 Abs.4 GVG. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG sieht als Möglichkeit der Wiedergutmachung auf andere Weise vor, dass das Entschädigungsgericht die Unangemessenheit der Verfahrensdauer feststellen kann. Nach Satz 3 der Vorschrift ist eine solche Feststellung auch möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs.3 GVG fehlen. Das Gericht wird durch diese Regelung lediglich ermächtigt, nicht jedoch verpflichtet, eine Feststellung auszusprechen. Dementsprechend räumt § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG dem Betroffenen auch kein subjektives Recht ein, das er im Klagewege durchsetzen könnte (BGH, Urteile v. 23.Januar 2014, III ZR 37/13 und vom 5. Dezember 2013 III ZR 73/13; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott "Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren" S.281). Die Präklusionswirkung des Art. 23 S.2 ÜGRG bezieht sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs.1 GVG sondern erfasst alle Formen der Wiedergutmachung des § 198 GVG. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird (so auch, BGH, Urteil vom 10. April 2014, III ZR 335/13, juris). Für die Zeit vor Rügeerhebung kann die Unangemessenheit der Verfahrensdauer daher auch nicht mehr nach § 198 Abs.4 GVG festgestellt werden. Für den nach der Verzögerungsrüge vom 29. März 2012 liegenden Zeitraum, also für die Dauer des Berufungsverfahrens bis zum Abschluss durch Urteil vom 29. Mai 2013, besteht ebenfalls kein Anspruch auf Entschädigung. Eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenzen der Angemessenheit der Verfahrensdauer liegt nicht vor. Eine mit einer solchen Überschreitung einhergehende gewisse Schwere der Belastung wird aber in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013, B 1 ÜG 1/12 KL) für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer vorausgesetzt. Eine Abweichung vom Optimum reicht demgegenüber nicht aus. Das BSG hat diese Kriterien ausweislich des Terminberichts vom 3. September 2014 im Verfahren B 10 ÜG 12/13 R im Urteil vom selbigen Tag konkretisiert und ausgeführt, dass zur Bestimmung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer zunächst zwischen aktiven Zeiten der Aktenbearbeitung und so genannten inaktiven Zeiten zu unterscheiden ist. Das Vorhandensein von inaktiven Zeiten führt aber nicht ohne Weiteres zu einer Unangemessenheit der Verfahrensdauer, denn dem Ausgangsgericht sei im Rahmen der Gesamtabwägung auch eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten einzuräumen, so dass insoweit "inaktive Zeiten" unschädlich seien und – wenn sie nicht überschritten werden – nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer beitragen. Vorliegend liegt die Gesamtbearbeitungszeit für das zweitinstanzliche Verfahren etwas länger als 12 Monate. Das Berufungsverfahren dauerte von Berufungseingang bis zur Verkündung des Urteils genau 14 Monate. Allerdings ist nicht der gesamte Zeitraum als inaktive Zeit im oben genannten Sinn zu werten. Zunächst haben die Beteiligten nämlich Schriftsätze ausgetauscht. Insoweit lag eine Bearbeitung durch das Landessozialgericht vor. Eine Replik auf die Berufungserwiderung der Beklagten seitens des Klägers ging noch am 23. April 2012 ein. Das Landessozialgericht hat dem dortigen Beklagten dann noch einen Monat für eine eventuelle Stellungnahme eingeräumt. Diese erfolgte indessen nicht. Nach Wiedervorlage ist das Berufungsverfahren durch das LSG zwar zunächst eine Zeit nicht aktiv bearbeitet worden. Ab Februar 2013 erfolgte dann wieder eine Förderung des Verfahrens durch den 9. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, zunächst durch Anregung einer gerichtsnahen Mediation. Nachdem der Kläger diese abgelehnt hatte, ist unmittelbar danach der Termin am 29. Mai 2013 anberaumt worden. Insgesamt liegen die "inaktiven Zeiten" des Berufungsverfahrens damit unter 12 Monate, so dass eine unangemessene Verfahrensdauer nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 197a Abs. 1, 183 Satz 5 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel. (nur Brief und Postkarte)

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht" in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

1. Rechtsanwälte,

2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss dargelegt werden, dass

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

- die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

- ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form (s.o.) einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln (s.o.).

Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

III. Ergänzende Hinweise

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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