Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 27 SF 908/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1079/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Lange Schriftsätze belegen allein keinen erheblichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Zu berücksichtigen sind auch erhebliche Synergieeffekte durch wortidentische Schriftsätze wie in anderen Verfahren.
2. Der erhöhte Vorbereitungsaufwand durch zwei Gerichtstermine ist bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschlüsse vom 17.04.2014 - L 6 SF 209/14 B und 5.09.2013 - L 6 SF 406/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.06.2013 - L 8 AS 45/12 B KO).
2. Der erhöhte Vorbereitungsaufwand durch zwei Gerichtstermine ist bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschlüsse vom 17.04.2014 - L 6 SF 209/14 B und 5.09.2013 - L 6 SF 406/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.06.2013 - L 8 AS 45/12 B KO).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2014 abgeändert und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 27 AS 227/11 auf 1.071,13 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (SG) streitig (S 27 AS 227/11). Dort hatten die von dem Be-schwerdegegner vertretenen sieben Kläger eine Verweigerung der Akteneinsicht durch die Beklagte gerügt und höhere Kosten der Unterkunft sowie eine unrichtige Anrechnung von Einkommen geltend gemacht. Im Erörterungstermin am 7. September 2011 erläuterte die Kammervorsitzende detailliert ihre Ansicht zur Höhe der Ansprüche der Kläger (insgesamt 210,00 Euro) und gewährte ihnen mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Raten unter Beiordnung des Beschwerdeführers. In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2012 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Kläger in Höhe von 203,00 Euro an. Der Beschwerdeführer nahm dies für die Kläger an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt und beantragte eine Kostenentscheidung durch das Gericht. Nach dem Beschluss vom 14. März 2012 hat die Beklagte ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
In seinem Antrag vom 24. Mai 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.542,59 Euro:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 272,00 Euro erhöht für sechs weitere Kläger nach Nr. 1008 VV-RVG 489,60 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 300,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 7.09.2011 7,42 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 22.02.2012 17,27 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.296,29 Euro Umsatzsteuer 246,30 Euro Gesamtbetrag 1.542,59 Euro
Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten vom 24. Juli 2012, die die Festsetzung der jeweiligen Mindestgebühren beantragte, setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Beschluss vom 12. September 2012 die Vergütung auf 656,21 Euro fest. Die erhöhte Verfahrensgebühr sei auf 317,33 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil nur ein Anerkenntnis angenommen worden sei.
Mit seiner Erinnerung hat der Beschwerdegegner eine weit überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger und einen zumindest durchschnittlichen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorgetragen sowie angesichts der beiden Termine eine über der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr von 300,00 Euro begehrt. Zudem sei eine Erledigungsgebühr zu erstatten.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2014 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 1.212,74 Euro festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Er habe angesichts einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, einem durchschnittlichen Umfang und einer durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine um ein Viertel erhöhte Mittelgebühr (= 212,50 Euro) verdient, die für fünf weitere Mitglieder um 382,50 Euro zu erhöhen sei. Die Terminsgebühr sei auf 200,00 Euro und die Erledigungsgebühr auf 190,00 Euro festzusetzen. Letztere sei angefallen, weil das Verfahren durch ein angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung des Beschwerdegegners erledigt worden sei. Die Fahrtkosten seien auf 14,11 Euro, die Auslagenpauschale auf 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf 193,63 Euro festzusetzen.
Gegen den am 6. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 2. Juli 2014 bei SG Beschwerde eingelegt und eine fehlende Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt, weil ihm die Akte des Verfahrens S 27 AS 227/11 im Erinnerungsverfahren trotz mehrfacher Anforderung nicht vorgelegt wurde. Der Beschwerdegegner habe nur einen Anspruch auf insgesamt 769,26 Euro. Angemessen seien Zwei Drittel der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG. Dies ergebe sich aus dem unterdurchschnittlichen Umfangs der Tätigkeit (weitgehende Identität der Schriftsätze mit dem Verfahren S 27 AS 9413/10), einer leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger. Die Erledigungsgebühr komme nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr in Betracht, denn der Beschwerdegegner habe keine eigene Berechnung des Leistungsanspruchs vorgenommen sondern diese dem Gericht überlassen. Insofern sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit gering gewesen.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Vergütung des Beschwerdegegners auf 769,26 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf den Beschluss der Vorinstanz. Tatsachlich sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weit überdurchschnittlich gewesen. Er habe bereits in der Klageschrift auf die fehlerhaften Berechnungen hingewiesen. Zu berücksichtigen sei auch die unübersichtliche Bescheidhistorie. Zudem habe er sich auf zwei gerichtliche Termine vorbereiten müssen, was nach der ständigen Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen sei. Eine Reduzierung der Erledigungsgebühr sei nicht angemessen. Bereits im Erörterungstermin habe der Leistungsanspruch der Kläger berechnet und in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung überrechnet und dann das Teilanerkenntnis geprüft werden müssen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 13. November 2014) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig. Der Wert des Be-schwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde ist nicht verfristet. Zwar ist sie erst nach der Zwei-Wochen-Frist der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG beim SG eingegangen. Allerdings war die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 23. Mai 2014 fehlerhaft (Beschwerdefrist ein Monat); dann gilt die Jahresfrist. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Rechtsmittelbelehrung- nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG die Einlegung der Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht die Frist nicht wahrt (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2013 - L 6 SF 840/13 B). Im Übrigen hätte dem Beschwerdeführer selbstverständlich Akteneinsicht gewährt werden müssen.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte den Klägern mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 PKH gewährt; sie waren auch kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auf-traggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurtei-lungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe der Mittelgebühr. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger verweist der Senat auf die Ausführungen der Vorinstanz, die angesichts des Nachzahlungsbetrags von 203,00 Euro zu Recht eine überdurchschnittliche Bedeutung bejaht hat. Dies wird auch vom Beschwerdeführer so gesehen. Nicht geteilt wird die Ansicht des SG, es liege eine durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vor. Tatsächlich gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Beurteilung wie im Verfahren S 27 SF 892/12 E, in dem die 27. Kammer ebenfalls mit Beschluss vom 23. Mai 2014 für das Hauptverfahren S 27 AS 9413/10 bei gleichen Klägern und im Ergebnis weitgehend entsprechender Rechtsproblematik eine leicht unterdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen hat. Diese Entscheidung hat der Senat bestätigt (Beschluss vom 24. November 2014 - L 6 SF 1078/14 B). Der Beschwerdegegner hat im Übrigen in den eingereichten Schriftsätzen die Rechtsprob-leme des Falls nur allgemein angesprochen und die Berechnung des Leistungsanspruchs dem Gericht überlassen. Darauf weist bereits die Vorinstanz hin. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B) durchschnittlich. Anhaltspunkte für den vorgetragenen "weit überdurchschnittlichen" Umfang bestehen nicht. Unabhängig davon, dass lange Schriftsätze allein keinen erheblichen Umfang der Tätigkeit belegen, ist im vorliegenden Fall die weitgehende Wortidentität mit den Schriftsätzen aus anderen Verfahren offensichtlich. Die erheblichen Synergieeffekte sind zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2013 - L 6 SF 654/13 B m.w.N.). Allerdings musste sich der Beschwerdegegner auf zwei Gerichtstermine vorbereiten. Der damit verbundene erhöhte Vorbereitungsaufwand ist (nur) bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2014 - L 6 SF 209/14 B und 5. September 2013 - L 6 SF 406/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.6.2013 - L 8 AS 45/12 B KO, nach juris) und begründet hier einen durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Ein höherer Aufwand ist allerdings nicht anzunehmen, denn das SG hatte die Ansprüche im Erörterungs- und im Verhandlungstermin im Einzelnen berechnet und in die Niederschrift aufgenommen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren deutlich unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Nach Nr. 1008 VV-RVG ist die Verfahrensgebühr für sechs (nicht fünf) weitere Personen zu erhöhen.
Hinsichtlich der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr hat der Beschwerdeführer keine Bedenken geäußert. Sie sind im Ergebnis auch nicht ersichtlich.
Zuzustimmen ist der Vorinstanz, dass sich das Hauptsacheverfahren durch angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung erledigte und damit angesichts der qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG anfällt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. November 2014 - L 5 SF 1078/14 B und 8. Mai 2012 - L 6 SF 466/12 B). Entgegen der Ansicht der UdG handelte es sich nicht um ein volles Anerkenntnis. Dies ergibt sich aus dem Vergleich des ursprünglichen Klageantrags mit dem endgültigen Ergebnis und wird verdeutlicht durch den Beschluss des SG vom 14. März 2012, in dem der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu einem Siebtel auferlegt wurden. Keine Bedenken hat der Senat im Ergebnis auch gegen die Höhe. Hinsichtlich der überdurchschnittlichen Bedeutung für die Auftraggeber, die leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber wird auf obige Ausführungen verwiesen. Es gibt keinen Anhalt für einen unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Dafür spricht auch nicht, dass die Betragsberechnung des klägerischen Anspruchs dem Gericht überlassen wurde. Im Übrigen spricht für die Annahme einer Mittelgebühr die seit 1. August 2013 geltende Neufassung der Nr. 1006 VV-RVG, wonach sie in Höhe der Verfahrensgebühr anfällt.
Bedenken hinsichtlich der Fahrtkosten, der Auslagepauschale und der Umsatzsteuer sind nicht ersichtlich.
Die Vergütung des Beschwerdegegners errechnet sich damit wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro erhöht für sechs weitere Kläger nach Nr. 1008 VV-RVG 476,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld 14,11 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 900,11 Euro Umsatzsteuer 171,02 Euro Gesamtbetrag 1.071,13 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (SG) streitig (S 27 AS 227/11). Dort hatten die von dem Be-schwerdegegner vertretenen sieben Kläger eine Verweigerung der Akteneinsicht durch die Beklagte gerügt und höhere Kosten der Unterkunft sowie eine unrichtige Anrechnung von Einkommen geltend gemacht. Im Erörterungstermin am 7. September 2011 erläuterte die Kammervorsitzende detailliert ihre Ansicht zur Höhe der Ansprüche der Kläger (insgesamt 210,00 Euro) und gewährte ihnen mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Raten unter Beiordnung des Beschwerdeführers. In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2012 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Kläger in Höhe von 203,00 Euro an. Der Beschwerdeführer nahm dies für die Kläger an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt und beantragte eine Kostenentscheidung durch das Gericht. Nach dem Beschluss vom 14. März 2012 hat die Beklagte ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
In seinem Antrag vom 24. Mai 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.542,59 Euro:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 272,00 Euro erhöht für sechs weitere Kläger nach Nr. 1008 VV-RVG 489,60 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 300,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 7.09.2011 7,42 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 22.02.2012 17,27 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.296,29 Euro Umsatzsteuer 246,30 Euro Gesamtbetrag 1.542,59 Euro
Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten vom 24. Juli 2012, die die Festsetzung der jeweiligen Mindestgebühren beantragte, setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Beschluss vom 12. September 2012 die Vergütung auf 656,21 Euro fest. Die erhöhte Verfahrensgebühr sei auf 317,33 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil nur ein Anerkenntnis angenommen worden sei.
Mit seiner Erinnerung hat der Beschwerdegegner eine weit überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger und einen zumindest durchschnittlichen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorgetragen sowie angesichts der beiden Termine eine über der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr von 300,00 Euro begehrt. Zudem sei eine Erledigungsgebühr zu erstatten.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2014 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 1.212,74 Euro festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Er habe angesichts einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, einem durchschnittlichen Umfang und einer durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine um ein Viertel erhöhte Mittelgebühr (= 212,50 Euro) verdient, die für fünf weitere Mitglieder um 382,50 Euro zu erhöhen sei. Die Terminsgebühr sei auf 200,00 Euro und die Erledigungsgebühr auf 190,00 Euro festzusetzen. Letztere sei angefallen, weil das Verfahren durch ein angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung des Beschwerdegegners erledigt worden sei. Die Fahrtkosten seien auf 14,11 Euro, die Auslagenpauschale auf 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf 193,63 Euro festzusetzen.
Gegen den am 6. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 2. Juli 2014 bei SG Beschwerde eingelegt und eine fehlende Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt, weil ihm die Akte des Verfahrens S 27 AS 227/11 im Erinnerungsverfahren trotz mehrfacher Anforderung nicht vorgelegt wurde. Der Beschwerdegegner habe nur einen Anspruch auf insgesamt 769,26 Euro. Angemessen seien Zwei Drittel der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG. Dies ergebe sich aus dem unterdurchschnittlichen Umfangs der Tätigkeit (weitgehende Identität der Schriftsätze mit dem Verfahren S 27 AS 9413/10), einer leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger. Die Erledigungsgebühr komme nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr in Betracht, denn der Beschwerdegegner habe keine eigene Berechnung des Leistungsanspruchs vorgenommen sondern diese dem Gericht überlassen. Insofern sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit gering gewesen.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Vergütung des Beschwerdegegners auf 769,26 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf den Beschluss der Vorinstanz. Tatsachlich sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weit überdurchschnittlich gewesen. Er habe bereits in der Klageschrift auf die fehlerhaften Berechnungen hingewiesen. Zu berücksichtigen sei auch die unübersichtliche Bescheidhistorie. Zudem habe er sich auf zwei gerichtliche Termine vorbereiten müssen, was nach der ständigen Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen sei. Eine Reduzierung der Erledigungsgebühr sei nicht angemessen. Bereits im Erörterungstermin habe der Leistungsanspruch der Kläger berechnet und in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung überrechnet und dann das Teilanerkenntnis geprüft werden müssen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 13. November 2014) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig. Der Wert des Be-schwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde ist nicht verfristet. Zwar ist sie erst nach der Zwei-Wochen-Frist der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG beim SG eingegangen. Allerdings war die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 23. Mai 2014 fehlerhaft (Beschwerdefrist ein Monat); dann gilt die Jahresfrist. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Rechtsmittelbelehrung- nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG die Einlegung der Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht die Frist nicht wahrt (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2013 - L 6 SF 840/13 B). Im Übrigen hätte dem Beschwerdeführer selbstverständlich Akteneinsicht gewährt werden müssen.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte den Klägern mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 PKH gewährt; sie waren auch kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auf-traggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurtei-lungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe der Mittelgebühr. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger verweist der Senat auf die Ausführungen der Vorinstanz, die angesichts des Nachzahlungsbetrags von 203,00 Euro zu Recht eine überdurchschnittliche Bedeutung bejaht hat. Dies wird auch vom Beschwerdeführer so gesehen. Nicht geteilt wird die Ansicht des SG, es liege eine durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vor. Tatsächlich gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Beurteilung wie im Verfahren S 27 SF 892/12 E, in dem die 27. Kammer ebenfalls mit Beschluss vom 23. Mai 2014 für das Hauptverfahren S 27 AS 9413/10 bei gleichen Klägern und im Ergebnis weitgehend entsprechender Rechtsproblematik eine leicht unterdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen hat. Diese Entscheidung hat der Senat bestätigt (Beschluss vom 24. November 2014 - L 6 SF 1078/14 B). Der Beschwerdegegner hat im Übrigen in den eingereichten Schriftsätzen die Rechtsprob-leme des Falls nur allgemein angesprochen und die Berechnung des Leistungsanspruchs dem Gericht überlassen. Darauf weist bereits die Vorinstanz hin. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B) durchschnittlich. Anhaltspunkte für den vorgetragenen "weit überdurchschnittlichen" Umfang bestehen nicht. Unabhängig davon, dass lange Schriftsätze allein keinen erheblichen Umfang der Tätigkeit belegen, ist im vorliegenden Fall die weitgehende Wortidentität mit den Schriftsätzen aus anderen Verfahren offensichtlich. Die erheblichen Synergieeffekte sind zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2013 - L 6 SF 654/13 B m.w.N.). Allerdings musste sich der Beschwerdegegner auf zwei Gerichtstermine vorbereiten. Der damit verbundene erhöhte Vorbereitungsaufwand ist (nur) bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2014 - L 6 SF 209/14 B und 5. September 2013 - L 6 SF 406/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.6.2013 - L 8 AS 45/12 B KO, nach juris) und begründet hier einen durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Ein höherer Aufwand ist allerdings nicht anzunehmen, denn das SG hatte die Ansprüche im Erörterungs- und im Verhandlungstermin im Einzelnen berechnet und in die Niederschrift aufgenommen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren deutlich unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Nach Nr. 1008 VV-RVG ist die Verfahrensgebühr für sechs (nicht fünf) weitere Personen zu erhöhen.
Hinsichtlich der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr hat der Beschwerdeführer keine Bedenken geäußert. Sie sind im Ergebnis auch nicht ersichtlich.
Zuzustimmen ist der Vorinstanz, dass sich das Hauptsacheverfahren durch angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung erledigte und damit angesichts der qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG anfällt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. November 2014 - L 5 SF 1078/14 B und 8. Mai 2012 - L 6 SF 466/12 B). Entgegen der Ansicht der UdG handelte es sich nicht um ein volles Anerkenntnis. Dies ergibt sich aus dem Vergleich des ursprünglichen Klageantrags mit dem endgültigen Ergebnis und wird verdeutlicht durch den Beschluss des SG vom 14. März 2012, in dem der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu einem Siebtel auferlegt wurden. Keine Bedenken hat der Senat im Ergebnis auch gegen die Höhe. Hinsichtlich der überdurchschnittlichen Bedeutung für die Auftraggeber, die leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber wird auf obige Ausführungen verwiesen. Es gibt keinen Anhalt für einen unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Dafür spricht auch nicht, dass die Betragsberechnung des klägerischen Anspruchs dem Gericht überlassen wurde. Im Übrigen spricht für die Annahme einer Mittelgebühr die seit 1. August 2013 geltende Neufassung der Nr. 1006 VV-RVG, wonach sie in Höhe der Verfahrensgebühr anfällt.
Bedenken hinsichtlich der Fahrtkosten, der Auslagepauschale und der Umsatzsteuer sind nicht ersichtlich.
Die Vergütung des Beschwerdegegners errechnet sich damit wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro erhöht für sechs weitere Kläger nach Nr. 1008 VV-RVG 476,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld 14,11 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 900,11 Euro Umsatzsteuer 171,02 Euro Gesamtbetrag 1.071,13 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
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