L 1 KR 22/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 926/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 22/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine im Jahr 2008 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie befand sich zur Behandlung ihrer Schmerzerkrankung seit 1987 mehrfach in stationärer Behandlung und führte mehrere stationäre Rehabilitationsmaßnahmen durch. Im Januar 2006 wurde sie im Rahmen einer vierwöchigen Rehabilitationsmaßnahme in B. behandelt. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung ihres behandelnden Arztes Dr. F. beantragte sie am 12. November 2007 die Bewilligung einer weiteren stationären Rehabilitationsmaßnahme. Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) kam in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19. Dezember 2007 zu dem Ergebnis, dass eine vorzeitige Maßnahme nicht notwendig sei, da eine wesentliche und nachhaltige Besserung der Beeinträchtigungen dadurch nicht zu erwarten sei. Ausreichend seien vielmehr eine Fortführung der Schmerztherapie sowie Reha-Sport beziehungsweise Funktionstraining. Unter Bezugnahme hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 mit, dass sie beabsichtige, den Antrag abzulehnen. Aufgrund von Einwänden der Klägerin beauftragte die Beklagte den MDK erneut mit der Überprüfung. Dieser führte in seinem Gutachten vom 18. Februar 2008 aus, dass bei der Klägerin wesentliche Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates ausgeschlossen werden könnten, sodass die Schmerztherapie durch einen ausgewiesenen Schmerztherapeuten im Vordergrund stehe. Die von der Klägerin gut vertragenen Wärmeanwendungen könnten ebenso wie Massagen und Krankengymnastik sowie standardisierte Heilmittelkombinationen auch ambulant in H. in Anspruch genommen werden. Außerdem werde ein Bewegungsbad an Warmbadetagen und ein häusliches Training an einem Standfahrrad empfohlen. Die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme sei derzeit nicht erforderlich. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der Vierjahresfrist mit Bescheid vom 4. April 2008 ab. Die Klägerin führte in der Zeit vom 7. bis 26. April 2008 in der Klinik B. eine Rehabilitationsmaßnahme durch. Die hierfür aufgewandten Kosten betrugen EUR 2.356 zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von EUR 102. Ihren gegen die Ablehnungsentscheidung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009 zurück. Mit ihrer dagegen am 10. August 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die beantragte Reha-Maßnahme sei erforderlich gewesen, da ihre Schmerzen trotz konsequenten täglichen Schmerzmanagements mit Übungen, transkutaner Nervenstimulation, Mobilitätstraining im Bewegungsbad und auf einem elektrischen Sesseldreirad sowie umfangreicher ambulanter manualtherapeutischer Behandlung und Schmerzmedikation unerträglich angestiegen seien und angeschwollene Hände zu erheblichen Bewegungseinschränkungen geführt hätten. Die Kraft und Beweglichkeit, die ambulanten Therapieorte aufzusuchen, sei nicht mehr vorhanden gewesen. Das Sozialgericht hat bei den behandelnden Ärzten der Klägerin Befundberichte eingeholt und anschließend eine psychosomatische Begutachtung durch Dr. B1 veranlasst. Dieser ist in seinem Gutachten vom 25. März 2010 nach Auswertung der Vorbefunde und ambulanter Untersuchung der Klägerin zu der Auffassung gelangt, dass die selbstbeschaffte vollstationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht notwendig gewesen sei. Er hat ausgeführt, dass ohne Zweifel die Diagnose einer somatoformen Schmerzerkrankung nach den Kriterien der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) gestellt werden könne (F45.4), die bei der Klägerin auch 2008 schon vorgelegen habe. Hinsichtlich des Leistungsbildes bestehe hingegen keine Klarheit. Vielmehr gebe es umfassende Zweifel an den berichteten Einschränkungen, denn die privat und beruflich erhaltene Vielseitigkeit widerspreche den gemachten Angaben. Insbesondere die Mitarbeit in der Firma ihres Mannes, zum Teil sogar die Mithilfe bei der Montage von Solaranlagen auf Dächern, Arbeit in der Stadtplanung etc. zeigten eine eigene Definition des Leistungsbildes. Hinweise auf einen sekundären Krankheitsgewinn, der in wesentlichen Punkten einer willentlichen Steuerungsfähigkeit unterliege, seien umfassend. Eigene Ressourcen stünden zur Verfügung, die soziale Unterstützung, insbesondere die umfassende Pflege durch den Partner, sei sehr gut und objektive körperliche und psychische Anzeichen für eine über 20 Jahre andauernde schwere Schmerzerkrankung fehlten. Die Prognose sei nach mehrjährigem Verlauf, kontinuierlicher Chronizität, regelmäßiger Therapie, vorausgegangenen Behandlungsversuchen und hinsichtlich einer dauerhaften Besserung gescheiterten Rehabilitationsmaßnahmen schlecht. Die Symptomatik habe die Lebensführung übernommen, es sei zur Festlegung auf störungsspezifische Verhaltensweisen gekommen und eine realitätsverzerrte, einseitige Wahrnehmung sei vorherrschend. Eine drohende Pflegebedürftigkeit lasse sich mit Blick auf das vorhandene Leistungsbild nicht bestätigen. Die Maßnahmen der 2008 durchgeführten vollstationären Rehabilitation seien unter Berücksichtigung aller Befunde nicht notwendig gewesen. Es stelle sich sogar die Frage, inwieweit durch die körperlich orientierte Behandlung ein schmerzerhaltendes Krankheitskonzept unterstützt werde. Dringend geboten erscheine vielmehr eine Auseinandersetzung mit einer selbstkritischen Perspektive zu krankheitserhaltenden Faktoren, wobei offen bleibe, ob die Klägerin dies aushalten könne. Die Klägerin hat dagegen eingewandt, das gesamte Gutachten belege eine skeptisch-ablehnende Haltung des Gutachters gegenüber der jahrzehntelang schmerzerfahrenen und dennoch selbstbewussten und auch selbstbestimmten Klägerin, die aktuell mit ihrem eigenen Schmerzmanagement keine akute Problematik habe. Die Wiedergabe ihres Beschwerdevortrags im Gutachten sei vielfach falsch, missverstanden und vollständig unangemessen bewertend. Es werde bestritten, dass der Gutachter als Arzt für Psychosomatische Medizin die Fragen der Beweisanordnung fundiert beantworten könne. Erforderlich sei vielmehr die Einholung eines Fachgutachtens aus dem Bereich der speziellen Schmerztherapie. Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht sodann ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Die von der Klägerin benannte Sachverständige Dr. D. (Ärztin für Anästhesiologie – Spezielle Schmerztherapie) hat in ihrem Gutachten vom 9. April 2011 auf Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin die Auffassung von Dr. B1 auch aus schmerztherapeutischer Sicht in den wesentlichen Punkten bestätigt. Sie hat ebenfalls beschrieben, dass den von der Klägerin geschilderten Beschwerden erheblichen Ausmaßes nur geringe objektive körperliche Veränderungen gegenüberstünden. Auch indirekte Zeichen für eine starke körperliche Beeinträchtigung (z.B. Abnahme der Muskulatur oder fehlende Gebrauchsspuren an Händen und Füßen) fehlten. Dennoch hätten die behandelnden Ärzte sowohl im ambulanten Bereich als auch in der Rehabilitationsklinik B. immer wieder schwere körperliche Störungen diagnostiziert und eine Vielzahl von medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren in hoher zeitlicher Dichte verordnet. Die Möglichkeit einer psychosomatischen Störung sei von der Mehrzahl der behandelnden Ärzte nicht in Betracht gezogen worden. Unstreitig bestehe bei der Klägerin ein chronifiziertes Schmerzsyndrom. Dabei handele es sich am ehesten um eine somatoforme Schmerzstörung, wobei eventuell zusätzlich histrionische Persönlichkeitsmerkmale vorlägen. Die Durchführung der selbst beschafften Rehabilitationsmaßnahme im April 2008 sei nicht erforderlich gewesen, zielführend wäre vielmehr die stationäre Aufnahme in einer psychosomatischen Klinik mit Schwerpunkt somatoforme Schmerzstörungen. Die Klägerin hat auch hier bemängelt, dass in dem Gutachten eine mangelnde Wertschätzung ihrer Person zum Ausdruck komme, denn ihr würden Umstände wie eine Afrikareise zum 50. Geburtstag und die Bewältigung einer 80 km langen Fahrstrecke mit dem Elektrorad zum Vorwurf gemacht. Sie sei aber als Sportlerin und Naturwissenschaftlerin sehr pragmatisch und neige nicht zur Selbstdramatisierung oder Theatralik. Ihr jahrzehntelang eingeübtes und konsequent betriebenes Schmerzmanagement ermögliche ihr phasenweise eine Teilhabe und ein relativ unauffälliges Verhalten in Untersuchungssituationen. Im Übrigen habe der MDK aufgrund eines neuen Antrages im Jahr 2011 eine Rehabilitationsmaßnahme befürwortet, die auch bewilligt worden sei. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. November 2012 abgewiesen und ausgeführt, der Nachweis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme im April 2008 vorgelegen hätten, sei nicht erbracht. Dies ergebe sich vor allem aus den Sachverständigengutachten von Dr. B1 und Dr. D., die übereinstimmend die medizinische Indikation für die beantragte Maßnahme verneint hätten. Die Einwände der Klägerin rechtfertigten es nicht, von der Beurteilung der Sachverständigen abzuweichen, eine weitere Beweiserhebung sei nicht erforderlich. Dass der Aufenthalt in B. subjektiv zu einer Verbesserung der Symptomatik geführt habe und von der Klägerin als wohltuend empfunden worden sei, genüge nicht, um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine vorzeitige Rehabilitationsmaßnahme zu erfüllen.

Die Klägerin hat gegen das ihren Bevollmächtigten am 8. Februar 2013 zugestellte Urteil am 8. März 2013 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, da im medizinischen Rahmen mit Nichtwissen und Ignoranz gearbeitet worden sei. Die Feststellungen der Sachverständigen stützten sich auf bloße Vermutungen und ließen sich nicht mit den objektiven Messungen aus den Arzt- und Laborberichten in Einklang bringen. Es sei aus ex-post-Sicht bewiesen, dass die 2008 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme einen subjektiv wie objektiv messbaren Effekt gehabt habe, denn nachweislich hätten durch Verordnungsänderung längere Zeit Medikamente abgesetzt werden können. Ihre Schmerzerkrankung habe 1986 mit einer Blockierung der Gelenke im Halswirbelsäulenbereich begonnen. Diese Schmerzen hätten sich im Laufe der Jahre immer weiter ausgedehnt und verstärkt. Aus dieser Chronifizierung sei dann die nunmehr vorliegende Schmerzerkrankung entstanden. Sie gehe viermal wöchentlich zur Physiotherapie und erhalte einmal in der Woche – in guten Phasen alle zwei Wochen – eine Infusion mit Lidocain. Die Fahrten würden jeweils auf Kosten der Krankenkasse mit einem Taxi durchgeführt. Sie trage praktisch ständig ihr TENS-Gerät, wodurch es ihr überhaupt nur möglich sei, zu sitzen und unterwegs zu sein. Außerdem habe ihr Mann gelernt, ihr im Bedarfsfall ein Lokalanästhetikum zu spritzen. Nur dies ermögliche es ihr z. B. auf Reisen zu gehen, ohne ärztliche Betreuung dabei zu haben. Bevor ihr Mann dies erlernt habe, sei hierfür der Notarzt gerufen worden. In der Reha-Maßnahme sei es für sie vor allem wichtig, dass sie an sieben Tagen in der Woche und über mehrere Stunden täglich im warmen Wasser schwimmen und ihre Muskeln aufbauen könne, was viel effektiver sei als ambulante Behandlungen. Sie nehme drei Schmerzmedikamente, Tramadol – ein Opiat – zur Behandlung des nozizeptiven Schmerzes, Trancolong bzw. Octhodom für die myofaszialen Schmerzen und Lyrica für die neuropathischen Schmerzen. Nach Informationen, die sie von ihren Fachärzten erhalten habe, wäre bei ihr noch ein sogenanntes Relearning des Rückenmarks möglich, was zu einer Schmerzminderung führen würde. Es werde daher beantragt, Dr. D. und hilfsweise zusätzlich auch Dr. B1 zu einer schriftlichen Ergänzung ihrer Gutachten aufzufordern "betreffend die Frage, warum sie sich nach dem Stand der Wissenschaft in ihren Gutachten 2011 und 2010 nicht mit der neuen Erkenntnis auseinandergesetzt haben, ob und daß bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung nach ICD-10 – F45.41 vorliegt bzw. vorliegen kann (die nach der ICD-Klassifikation ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozeß oder einer körperlichen Störung hat, dabei auch somatische und psychische Faktoren hat, wobei aber im Gegensatz zu der Schmerzstörung F45.4. psychische Faktoren keine ursächliche Rolle für den Beginn der Schmerzen spielen), nachdem diese medizinische Klassifikation weltweit seit 2009 in das ICD-10-System der WHO und der deutschen Medizin aufgenommen war." Des Weiteren werde beantragt, einen Obergutachter, der ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Schmerzmedizin und –diagnostik sein müsse, zu bestellen, der klären solle, "ob bei der Klägerin hochwahrscheinlich ein Einzelfall der chronischen Schmerzstörung nach ICD-10 F45.41 vorliege".

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. November 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die vom 7. bis 26. April 2008 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von EUR 2.356 zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von EUR 102 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der weiteren in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, festgestellt, dass ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht besteht, da die Beklagte die von ihr beantragte stationäre Maßnahme zur Rehabilitation nach Maßgabe der §§ 27 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 6, 11 Abs. 2 und 40 Abs. 1 und 2 SGB V nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keine Umstände vorgebracht, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten. Soweit sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, kann dem nicht gefolgt werden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass die Beteiligten zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben müssen, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfG, Beschluss vom 15.8.1996 – 2 BvR 2600/95 – Juris). Das Gericht muss den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in seine Erwägungen einbeziehen. Seiner Entscheidung dürfen daher nur solche Tatsachen zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 62 Rn. 2 und 7). Die Klägerin hatte hinreichend Gelegenheit, sich zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden. Sie hat hiervon auch Gebrauch gemacht, indem sie in beiden Rechtszügen umfassende Schriftsätze und Stellungnahmen eingereicht und auch in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens ausführlich ihre Einschätzung der Sach- und Rechtslage dargelegt hat. Insbesondere zu den Gutachten der Sachverständigen Dr. B1 und Dr. D. hat sie sich umfassend geäußert.

Das Gericht vermag der Auffassung der Klägerin, dass die medizinischen Gutachter mit "Nichtwissen und Ignoranz" gearbeitet hätten, nicht zu folgen. Beide Gutachten sind in sich schlüssig und frei von Widersprüchen und setzen sich ausführlich mit den in der Akte befindlichen Unterlagen sowie den eigenen Angaben der Klägerin auseinander. Eine ablehnende Haltung oder eine mangelnde Wertschätzung der Person der Klägerin kann ihnen objektiv nicht entnommen werden. Soweit die Gutachter die von der Klägerin berichteten beruflichen und sozialen Aktivitäten wiedergeben und hieraus Schlüsse im Hinblick auf die jeweiligen Beweisfragen stellen, erfolgt dies wertfrei und gehört zu den Aufgaben eines medizinischen Sachverständigen.

Soweit die Klägerin meint, dass Dr. B1 aufgrund seiner Fachrichtung von vornherein auf eine psychosomatische Sichtweise festgelegt gewesen sei, ist eine derartige Voreingenommenheit dem Gutachten nicht zu entnehmen. Da Schmerzerkrankungen oftmals psychische und somatische Ursachen aufweisen, bestehen an der grundsätzlichen Eignung eines psychosomatischen Gutachters keine Zweifel. Im Übrigen ist die von der Klägerin benannte Sachverständige Dr. D., welche als Ärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie über umfangreiche Erfahrung in der Schmerztherapie verfügt, zu den gleichen Ergebnissen gelangt.

Auch die Schilderungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Ihre Ausführungen zu ihrer langjährigen Krankheitsgeschichte, zu ihrem Tagesablauf und ihren umfangreichen Therapiemaßnahmen werden vom Gericht nicht in Zweifel gezogen. Es wird auch nicht verkannt, dass sie hierdurch einen erheblichen Leidensdruck hat. In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es aber allein um die Frage, ob die im April 2008 in B. durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme medizinisch geeignet und erforderlich war, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 11 Abs. 2 SGB V). Diese Frage hat das Sozialgericht auf der Grundlage der medizinischen Gutachten von Dr. B1 und Dr. D. zutreffend verneint. Dass die Klägerin dies subjektiv anders empfindet, ist nachvollziehbar, vermag aber den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch mangels objektivierbarer Befunde nicht zu begründen.

Das Gericht war auch nicht gehalten, entsprechend dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom 19. November 2014 ergänzende Stellungnahmen von Dr. D. oder Dr. B1 einzuholen. Mit der Frage, inwieweit objektive körperliche Störungen und/oder psychische Ursachen verantwortlich für das im Untersuchungszeitpunkt bestehende Beschwerdebild der Klägerin waren, haben sich beide Gutachter ausführlich und mit nachvollziehbaren Begründungen auseinandergesetzt. Die Frage, ob die bei der Klägerin unstreitig bestehende Schmerzerkrankung mit F45.41 oder einer anderen Ziffer der Kategorie F45.4 nach dem ICD-10 zu kodieren ist und ob sie zu Beginn ihrer Entstehung – nach Angaben der Klägerin im Jahr 1986 – durch physische oder psychische Umstände oder ein Zusammenspiel von beiden Faktoren ausgelöst worden ist, ist für die Sinnhaftigkeit und Erforderlichkeit der im Jahr 2008 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme nicht von Bedeutung. Vielmehr haben die Sachverständigen der Beantwortung dieser Frage zutreffend allein das in diesem Zeitpunkt vorliegende Leistungs- und Beschwerdebild zugrunde gelegt. Auch die Klägerin selbst hat nicht dargelegt, inwiefern es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommen sollte.

Aus dem gleichen Grund war das Gericht war auch nicht veranlasst, ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung nach F45.41 des ICD-10 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, hat die Klägerin schon nicht dargelegt, warum es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommen sollte. Ein grundsätzlicher Anspruch auf ein "Obergutachten" besteht ebenfalls nicht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 103 Rn. 11b). Liegen bereits mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht vielmehr nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche im Bereich der Befunderhebung enthalten und von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG, Beschluss vom 08.12.2009 – B 5 R 148/09 B – Juris). Dies ist nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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