L 9 U 593/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1580/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 593/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Verletztenrente zu gewähren ist.

Der am 28.04.1950 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger lebt seit 1970 in Deutschland, wo er zuletzt als LKW-Fahrer im Fernverkehr arbeitete. Er erlitt am 30.01.2001 einen Arbeitsunfall. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 02.02.2001 wird ausgeführt, nach Angaben des Klägers habe dieser nach der Beladung des LKW die Plane geschlossen. Hierbei sei die Leiter abgerutscht und er sei hingefallen. Auf Nachfrage der Beklagten gab der (damalige) Arbeitgeber des Klägers unter dem 05.02.2001 an, er habe sich mit dem Kunden, bei dem der Unfall passiert sei, in Verbindung gesetzt. Der dortige Mitarbeiter habe gesagt, dass er dem Kläger sogar noch geholfen habe, die Plane des LKW zu verschließen. Von einem Unfall oder dass der Kläger von der Leiter gefallen sei, habe dieser nichts bemerkt. Der Kläger habe auch den Arbeitgeber hierüber nicht in Kenntnis gesetzt.

Im Durchgangsarztbericht vom 06.02.2002 (gemeint ist 2001) von Dr. K., Facharzt für Chirurgie, F., wird zum Unfallhergang ausgeführt, der Kläger sei beim Beladen seines LKW abgerutscht und habe sich mit der rechten Hand am Wagen festgehalten. Dr. K. diagnostizierte eine Schulterprellung rechts, eine Zerrung des Musculus supraspinatus sowie eine LWS-Prellung. In der Folge entwickelte sich ein chronisches Schmerzsyndrom der rechten Schulter mit Bewegungseinschränkungen. Unter dem 23.03.2001 stellte Dr. K., der den Kläger wegen der geschilderten Schmerzen unter anderem mit intraartikulären Injektionen in die rechte Schulter behandelt hatte, die erweiterte Diagnose Muskelfaserriss im Bereich der Deltamuskulatur mit Hämatombildung (Gelenkempyem), welches chirurgisch versorgt und debridiert und ausgeräumt wurde. Der Kläger wurde deswegen in der Zeit vom 22.03.2001 bis zum 14.04.2001 im Krankenhaus F. stationär behandelt. Im Zwischenbericht vom 18.04.2001 wurde ein Schultergelenkempyem rechts diagnostiziert.

Im neurologischen Befundbericht von Prof. Dr. D. (U. T.) vom 23.08.2001 wurde der Verdacht auf eine Axillarisläsion rechts, elektrophysiologisch unauffällig sowie der Verdacht auf ein leichtes Sulcus-ulnaris-Sydrom rechts diagnostiziert, das aber neurographisch nicht nachgewiesen werden konnte.

Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte in der Zeit vom 14.08.2001 bis zum 04.09.2001 in der Berufsgenossenschaftlichen (BG) U. T., wo der Kläger wegen eines aktiven Bewegungsdefizits und belastungsabhängigen Schmerzen in der rechten Schulterregion physiotherapeutisch behandelt wurde. Im Entlassungsbericht vom 12.09.2001 wurde ein Defekt des ventralen Musculus deltoideus nach Schultergelenksempyem rechts diagnostiziert. Auch unter konsequenter Physiotherapie unter guter Mitarbeit habe sich nur eine geringfügige Beschwerdelinderung erreichen lassen. In einem Zwischenbericht vom 15.11.2001 wurde eine Schultersteife nach Schultergelenksempyem rechtsseitig und ein Defekt im Bereich des ventralen Musculus deltoideus beschrieben.

Der Kläger bezog bis 31.07.2002 (Ablauf der 78. Woche) Verletztengeld und stellte sich dann dem Arbeitsmarkt als Omnibus- und Taxifahrer zur Verfügung, wegen der Belastung durch Heben und Tragen aber nicht (mehr) als Kraftfahrer und Schweißer. Eine Vermittlung in Arbeit erfolgte in der Folgezeit nicht mehr, auch nicht beim letzten Arbeitgeber.

Die Beklagte holte ein Erstes Rentengutachten bei Prof. Dr. W. (BG U. T.) ein, der unter dem 10.10.2002 als wesentliche Unfallfolgen eine konzentrische Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, eine Defektbildung im Bereich der Schulterkuppenmuskulatur (Musculus deltoideus) sowie eine Schmerzsymptomatik diagnostizierte. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er mit 20 v.H. ab dem 01.08.2002.

Die Beklagte holte sodann ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. D. ein, der unter dem 12.05.2003 angab, auf neurologischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen, auf diesem Gebiet bestehe auch keine MdE. Es liege aber ein Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Schultergelenks vor mit einer Minderbewegung und Defektbildung im Bereich des Musculus deltoideus narbennah. Diese Funktionseinschränkungen würden jedoch unfallchirurgisch-orthopädisch beurteilt und bewertet werden.

In einem weiteren Ersten Rentengutachten vom 20.11.2003 nannte Herr Prof. Dr. W. als wesentliche Unfallfolgen eine stattgehabte Schulterkontusion mit nachfolgendem Empyem, eine Defektbildung im Bereich der Schultergürtelmuskulatur und der ventralen Rotatorenmanschette, eine Bewegungseinschränkung bezüglich Anteversion und Abduktion sowie eine erklärbare Schmerzsymptomatik. Die MdE vom Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit bis zum Tag der Untersuchung gab er mit 20 v.H. an.

Mit Bescheid vom 23.01.2004 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit ab dem 01.08.2002 nach einer MdE von 20 v.H. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk festgestellt. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er sei aufgrund der Verletzungsfolgen an seiner rechten Schulter nicht in der Lage, Dinge anzuheben und sonstige Fertigkeiten mit dem rechten Arm durchzuführen. Er sei deswegen auf dem Arbeitsamt nicht mehr zu vermitteln. Die Gesamtsituation seit dem Unfall im Jahre 2001 habe darüber hinaus dazu geführt, dass er psychische Probleme damit habe, dass er aufgrund seiner Unfallverletzungen nicht weiter vermittelbar sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2005 zurückgewiesen.

Am 01.03.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG (S 5 U 497/05 )) und legte zur weiteren Begründung ärztliche Befundberichte vor: Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, berichtete unter dem 30.01.2006, der Kläger sei von 03.08.2003 bis November 2004 bei ihm in Behandlung gewesen; habe angegeben, seit dem Unfall eine innerliche Unruhe zu verspüren, vorher sei er völlig ruhig gewesen. Dr. K., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, berichtete unter dem 27.04.2005 und 17.11.2005, dass der Kläger seit 20.12.04 bei ihr in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung sei. Sie stellte die Diagnosen PTBS (ICD 10: F43.1), schwere depressive Episode (ICD 10: F32.2), chronisches Schulterschmerzzentrum rechts und Stressinkontinenz. Dr. R., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, berichtete unter dem 08.11.04 über eine ambulante Untersuchung vom 05.11.2001: Der Kläger sei deutlich depressiv herabgestimmt gewesen, vermindert schwingungsfähig mit Grübelneigung, Schlafstörung und Angstanfällen. Er stellte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angst und Depression gemischt. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. berichtete unter dem 19.12.2002 über eine neurologische Untersuchung vom 18.12.2002: Der Kläger habe am 28.01.2002 (sic!) einen Arbeitsunfall mit erheblicher Verletzung der Schulter erlitten. Es bestehe bei ihm eine depressiv überlagerte vorwiegend sensible Axillarisparese rechts und Ulnarisrinnensyndrom rechts; inwieweit dies mit dem Unfall in Zusammenhang stehe, sei nicht sicher. Die Befragung habe ergeben, dass vor dem Unfall eine entsprechende Gefühlsstörung nicht vorhanden gewesen sei. Unabhängig von diesen Beschwerden habe der Patient von "Unruhe und Nervosität" gesprochen, alles störe ihn. Vom Eindruck her sei er depressiv gewesen, so dass die Widersprüche in der neurologischen Befunderhebung hieraus resultieren könnten. Er habe einen Termin für eine psychiatrische Untersuchung und eventuelle Behandlung vorgeschlagen. Unter dem 24.06.2003 berichtete Dr. N. weiter, der Patient brauche dringend eine rasche Bearbeitung des BG-Verfahrens, da bereits sekundäre Schädigungen durch die Arbeitslosigkeit und die Unmöglichkeit, bei laufenden Verfahren in den Arbeitsprozess eingegliedert zu werden, eingetreten seien. Unter dem 28.04.2004 führte Dr. N. weiter aus, der Patient sei von ihm bereits am 19.12.2002 neurologisch untersucht worden. Schon damals habe er das "Gefühl gehabt, dass in erster Linie eine psychische Symptomatik vorliegt, im Sinne einer tendenziösen Verdeutlichungstendenz". Und unter dem 20.10.2004 berichtete Dr. N. über eine psychiatrische Untersuchung am 19.10.2004, in welcher er eine reaktive Depression diagnostiziert habe; der Patient habe sich immer wieder einer psychiatrischen Behandlung durch kontinuierliches Fehlen entzogen, so z.B. am 12.05. und 16.06.04, vorher aber schon am 09.05.03 und 26.08.03. Jetzt habe er über einen Mangel an Lebensfreude, schlechten Schlaf, schlimme Träume, Panikzustände mit Luftnot, Schreien im Schlaf und häufiges Weinen geklagt.

Außerdem vorgelegt wurde ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von Dr. J. (Zentrum für Psychiatrie W.) vom 18.08.2005, welches vom Amtsgericht Überlingen - Vormundschaftsgericht - im Zusammenhang mit der Prüfung der Betreuungsbedürftigkeit des Klägers eingeholt worden war. Dr. J. führte darin zur Aktenlage des Amtsgerichts aus, nach einem Begleitschreiben von Dr. K. zum Betreuungsantrag der Klägers befinde sich dieser seit Ende 2004 in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung bei ihr; zuvor sei er bei Dr. R. nervenärztlich behandelt worden. Dr. J. diagnostizierte beim Kläger eine psychische Erkrankung in Form einer längeren depressiven Reaktion mit schweren depressiven Symptomen, Anhedonie sowie latenter Suizidalität vor dem Hintergrund einer positiven Familienanamnese (der Vater des Klägers habe sich nach einem Unfall das Leben genommen, als dieser sieben Jahre alt war). Dr. J. stellte die Notwendigkeit der Betreuung im Bereich der finanziellen Angelegenheiten, der Gesundheitsfürsorge sowie des Aufenthaltsbestimmungsrecht fest und führte dazu aus, trotz ambulanter Behandlung in den letzten Monaten sei keine Besserung der Symptomatik erfolgt; es sei in den letzten Monaten sogar zu einer weiteren Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes gekommen. Eine stationär-psychiatrische Behandlung mit engmaschiger Betreuung sei bislang nicht versucht worden, insofern schienen die Behandlungsmöglichkeiten noch nicht gänzlich ausgeschöpft.

Die Beklagte holte daraufhin ein Zweites Rentengutachten bei Prof. Dr. W. ein, der unter dem 09.05.2005 als Unfallfolgen eine konzentrische Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, eine Defektbildung im Bereich der Schulterkuppenmuskulatur (Musculus deltoideus) sowie eine erklärbare Schmerzsymptomatik feststellte. Auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei keine maßgebliche Änderung eingetreten. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H.

Die Beklagte holte außerdem ein weiteres neurologisches Gutachten ein bei Prof. Dr. W. (U. T., Neurologische Klinik), der unter dem 01.12.2005 ausführte, die persistierende schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Schultergelenk stelle keine Schädigung auf neurologischem Gebiet dar. Die festgestellte Amplitudenminderung des N. ulnaris bestehe beidseits (links sogar geringfügig ausgeprägter als rechts) und sei somit als unfallunabhängig anzusehen. Die MdE auf neurologischem Gebiet liege bei weniger als 10 v.H. Es bestehe aber ein schweres depressives Syndrom, das angesichts seiner Ausprägung und den begleitenden suizidalen Tendenzen (auch der Vater des Klägers sowie zwei Vettern hätten sich in der Vergangenheit suizidiert) sowohl die medizinische als auch die soziale Situation des Klägers maßgeblich präge. Die Einholung eines angiologischen sowie insbesondere eines psychiatrischen Gutachtens werde empfohlen. Nach Eingang des neurologischen Zusatzgutachtens bewertete Prof. Dr. W. unter dem 26.01.2006 die Gesamt-MdE mit 20 v.H.

Im angiologischen Gutachten vom 01.08.2006 gab Dr. M. an, dass sich auf angiologischem Fachgebiet bei unauffälligem Befund keine Erhöhung der MdE ergebe, da sich insbesondere kein Anhalt für eine arterielle Durchblutungsstörung des rechten Armes finde.

Mit Bescheid vom 25.09.2006 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rentenerhöhung ab. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass dieser nach § 96 SGG Gegenstand des laufenden Klageverfahrens werde und als mitangefochten gelte.

Am 24.09.2008 führte das SG einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durch, in welchem ein Vergleich des Inhalts geschlossen wurde, dass sich die Beklagte verpflichtete, ein psychiatrisches Zusammenhangsgutachten - insbesondere unter Berücksichtigung des psychiatrischen Gutachtens von Dr. J. vom 18.08.2005 - einzuholen und im Anschluss daran die streitgegenständlichen Bescheide zu überprüfen und hierbei insbesondere darüber zu entscheiden, inwieweit dem Kläger ab dem 01.08.2002 eine höhere Verletztenrente zu gewähren ist, ohne sich auf die Vier-Jahres-Grenze des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu berufen, und einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte holte sodann in Ausführung des Vergleichs ein Gutachten bei Dr. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, S., ein. Dieser gab im neurologischen Gutachten vom 28.05.2009 unter Berücksichtigung neuroradiologischer und testpsychometrischer Erkenntnisse an, beim Kläger bestehe eine Defektheilung bei Zustand nach schwerer Schultergelenkskontusion rechts. Infolge der schweren Kontusion bestehe eine weitestgehende Beeinträchtigung der freien Entfaltung im Schultergelenk, die ihn als Rechtshänder auch in seinem beruflichen, sozialen und privaten Umfeld erheblich beeinträchtige. Als weitere sachliche Unfallfolge bestehe - was auch durch den berufsgenossenschaftlichen Fürsorgegedanken abzudecken sei - eine erhebliche soziale Benachteiligung und soziale Misere. Der Kläger habe es nach dem Unfall nicht mehr geschafft, in den angelernten Berufen eines Restaurantkochs, eines Busfahrers bzw. eines Speditionshelfers oder Lageristen Anschluss zu finden, da er hier auf den freien und unversehrten Einsatz der rechten oberen Extremität angewiesen sei. Die defizitäre psychiatrische Entwicklung des Klägers sei vor allem darin zu sehen, dass er mittlerweile an einer schweren, nicht adäquat therapierten anhaltenden depressiven Episode leide, die testpsychometrisch sogar mit den Zeichen einer depressiven Pseudodemenz einhergehe. Da der Kläger nachweislich (siehe auch das Gutachten von Dr. J.) vor dem Unfall psychisch nicht auffällig gewesen sei, seien die jetzigen psychischen und intrapsychischen Veränderungen ausschließlich dem Unfall ursächlich zuzuweisen. Die anhaltende schwergradige depressive Verstimmung und die rezidivierenden depressiven Episoden, begleitet von einer depressiven Pseudodemenz im Sinne einer Hirnschädigung mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung, bedingten einen "Einzel-GdB: 50 von 100". Eine ambulante Psychotherapie wäre günstig, um vor allem die Zeichen der begleitenden schweren depressiven Erkrankung zu lindern. Auch sollte der Kläger von einem fachkundigen Nervenarzt mit Hilfe einer Pharmakotherapie behandelt werden. Eine volle Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sei aber auch dann nicht zu erwarten, da die Ursache seines Leidens durch die unfallbedingte Beeinträchtigung im rechten Schultergelenk wesentlich gegeben sei.

Zu dem Gutachten nahm der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. F., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 15.07.2009 Stellung und führte aus, anlässlich der neurologischen Begutachtung des Klägers am 01.12.2005 sei die MdE auf neurologischem Gebiet nachvollziehbar mit unter 10 v.H. festgestellt worden, da eine Nervenläsion nicht objektivierbar gewesen sei, ebenso wenig beklagte sensible Störungen der gesamten rechten Halsseite. Das vorliegende neurologische Gutachten von Dr. K. strotze demgegenüber von Selbstgefälligkeiten und Oberflächlichkeiten. So werde in völliger Verkennung dieser Befunde davon ausgegangen, dass z.B. die Rotatorenmanschette mit betroffen sei, was aber kernspintomographisch ausgeschlossen sei. Zudem seien zum Teil unfallchirurgische Befunde erhoben worden. Es sei auch nicht adäquat zu beantworten, warum eine kognitive Leistungsdiagnostik durchgeführt worden sei, da eine Hirnbeteiligung nicht vorliege und die depressive Störung ja Leistungsbeeinträchtigungen verursache. Dr. K. gehe auch über die Aufgaben der Berufsgenossenschaft hinaus, wenn er meine, diese müsse den Versicherten für seinen sozialen Abstieg entschädigen. Dies sei nur für objektivierbare Leistungsbeeinträchtigungen der Fall, die eindeutig unfallabhängig seien. Hier liege aber nur eine Schulterfunktionsstörung vor. In der Situation und Person liegende Störungen, die zu einer zunehmenden Fehlverarbeitung und depressiver Reaktion geführt hätten, seien nicht der Beklagten anzulasten, ebenso wenig das Versagen etwaiger Behörden, Sozialämter etc. Möglicherweise sei wegen der Schultersteife eine MdE von 30 v.H. angemessen, dies aber nur von unfallchirurgischer Seite, nicht auf neurologischem Gebiet, da insoweit keine neurologische Ursache der Störung vorliege. Alle weiteren seelischen Störungen würden vom Gutachter typischerweise mit einem GdB und nicht mit einer MdE bewertet, was schon zeige, dass er keinerlei Kenntnisse über die Gepflogenheiten in der gesetzlichen Unfallversicherung habe.

Mit Schreiben vom 16.09.2009 korrigierte Dr. K. sein Gutachten dahingehend, dass fälschlicherweise ein GdB anstatt MdE für die Einzelwerte eingetragen worden war. Er veranschlagte für die Bewegungseinschränkung der rechten Schulter eine Einzel-MdE von 30 v.H., für die anhaltende schwergradige depressive Verstimmung, rezidivierende depressive Episoden, begleitet von einer depressiven Pseudodemenz eine Einzel-MdE von 50 v.H. und kam für beide Teilschädigungen zu einer Gesamt-MdE von 70 v.H.

Am 05.10.2009 erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim SG mit dem Ziel des Erlasses eines Überprüfungsbescheides nach § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 13.11.2009 lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Rente ab und führte dazu aus, die psychische Erkrankung des Klägers sei nicht Folge des Arbeitsunfalls, worauf der Kläger die Untätigkeitsklage für erledigt erklärte.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.11.2009 mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2010 zurück und führte zur Begründung aus, eine wesentliche Änderung der Umstände im Sinne einer Verschlimmerung der Unfallfolgen nach Erlass des Bescheides sei gemäß § 48 SGB X nicht eingetreten. Die von Dr. K. beim Kläger festgestellten psychischen Störungen stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis, sondern seien Folge einer in der Person des Klägers liegenden Störung, welche mit seiner sozialen Situation verbunden sei.

Am 28.06.2010 hat der Kläger die vorliegende Klage beim SG erhoben und unter Berufung auf die bestehenden psychischen Einschränkungen und das Gutachten von Dr. K. eine höhere MdE geltend gemacht. Zur weiteren Begründung hat er ein im Rahmen eines Schwerbehindertenverfahrens (S 10 SB 2591/08) beim SG am 29.06.2010 eingeholtes gefäßchirurgisches Gutachten von Dr. P. vorgelegt. Darin wird von einer aktuellen koronaren Herzerkrankung des Klägers mit Zustand nach kardialer Myokardrevaskularisation nach Bypassoperation und großem Bauchaortenaneurysma, welches ebenfalls operiert wurde, berichtet.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlich-psychosomatischen Gutachtens bei Prof. Dr. S. (Zentrum für Psychiatrie S., W.). Dieser hat unter dem 05.10.2011 über eine Untersuchung des Klägers am 28.09.2011 berichtet, der angegeben habe, bei dem Unfall einen Muskelriss erlitten zu haben. Schon bald nach dem Unfall sei es mit der Hand nicht so gut gewesen. Er sei insgesamt 18 Monate krankgeschrieben gewesen, es sei zu einer Blutung und danach zu einer eitrigen Infektion in der rechten Schulter gekommen. Gleich nach Ende der Krankschreibung habe er die Kündigung erhalten und sei arbeitslos gewesen. Da sei es insgesamt mit ihm noch nicht so schlecht gewesen. Allmählich sei das immer schlimmer geworden, als er bemerkt habe, dass er keine Arbeit mehr bekomme. Seitdem sei es mehr oder weniger anhaltend gleich schlecht. Prof. Dr. S. hat auf psychiatrischem Gebiet beim Kläger eine anhaltende affektive Störung (ICD-10: F33.8) von fluktuierendem Schweregrad, d.h. eine chronische Depression diagnostiziert. Diese sei aber nur eine indirekte Unfallfolge. Die Depression sei nicht als Folge des Unfalls, sondern als Reaktion auf die mittelbaren Unfallfolgen, also Langzeitarbeitslosigkeit und sozialen Abstieg, aufgetreten. Dass möglicherweise auch eine genetische Disposition vorliege, sei in diesem Zusammenhang unbedeutend. Zwar wäre das Leben des Klägers ohne das Unfallereignis sicher anders verlaufen und mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sich die beschriebene Depression nicht oder zumindest nicht in dieser Schwere eingestellt. Es handele sich jedoch nicht um eine direkte Kausalität. Alle Erfahrungen zeigten, dass schwere Verletzungen, selbst Verlust von Gliedmaßen, Erblindung etc. nach einiger Zeit (einem halben bis einem Jahr) üblicherweise erfolgreich bewältigt werden. Wenn es zu chronifizierten Depressionen komme, spielten meistens auch noch andere Faktoren eine Rolle. Für eine, ggf. auch länger andauernde depressive Reaktion als Anpassungsstörung direkt nach dem Unfallereignis gebe es hier keine ausreichenden Belege, vielmehr stelle sich die Depression später als Reaktion auf die sozialen Auswirkungen des Unfalls dar. Zwar sei der Kläger vor dem Unfall im Wesentlichen psychisch gesund gewesen. Allerdings sei er auch davor nicht ganz ohne Auffälligkeiten gewesen (Desertion vom Militär in Jugoslawien, Scheitern seines dortigen Busunternehmens). Wie aus den Akten hervorgehe, sei er mit der Entlohnung bei seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer unzufrieden gewesen und von seinem Arbeitgeber wiederum als wenig arbeitswillig angesehen worden. Insoweit habe bereits eine Konfliktsituation bestanden. Sehr außerhalb des Üblichen müsse auch sein Verhalten in Form von verbalen Entgleisungen gegenüber dem ihn behandelnden Unfallarzt Dr. K. angesehen werden. Ob der Arbeitgeber in der vorbeschriebenen Situation dem Kläger keine leichtere Tätigkeit anbieten wollte oder ob dies objektiv nicht realisierbar war, müsse offen bleiben. Jedenfalls sei der Kläger arbeitslos geworden und aufgrund seiner Qualifikationen und körperlichen Einschränkungen auch geblieben. Erst hierüber sei er wohl, einhergehend mit einer zunehmend angespannten finanziellen Situation für die ganze Familie, zunehmend depressiv geworden. Die Depression zeige ein erhebliches Gepräge von Verbitterung und Resignation, wobei die Verbitterung gegenüber der eigentlichen Depression im Vordergrund stehe. Insgesamt habe sich nun eine chronifizierte Depression mit ausgeprägtem sozialem Rückzug entwickelt. Nun sei mit der Halbseitensymptomatik mit partieller Lähmung auch noch eine körperliche Behinderung eingetreten.

Am 03.04.2012 hat der (neue) Bevollmächtigte des Klägers die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, die das SG mit Beschluss vom 04.06.2012 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt hat. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 09.07.2012 (L 10 U 2687/12 B) PKH bewilligt unter Verweis darauf, dass zum Kausalzusammenhang weitere Ermittlungen erforderlich seien.

Das SG hat daraufhin sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Dr. K. hat am 24.07.2012 angegeben, den Kläger erstmals am 20.12.2004 und bis 02.12.2008 behandelt zu haben; seitdem sei der Kontakt abgebrochen. Die Ursachen für die von ihr festgestellten Krankheitsphänomene seien unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten. Davor sei der Kläger ein ausgeglichener froher Mensch gewesen. Dr. R. hat unter dem 07.08.2012 ausgeführt, es sei eine einmalige Behandlung am 08.11.2004 erfolgt. Dr. K. hat unter dem 04.10.2012 mitgeteilt, den Kläger seit dem 24.02.2009 zu behandeln. Er hat (unter Anderem) einen Zustand nach cerebraler Hypoxie bei Vorderwandinfarkt und Herzstillstand 27.09.2009, hirnorganisches Psychosyndrom, mittelschwer bis ausgeprägt als Folge der cerebralen Hypoxie, neurologische Defizite (Monoparese rechter Arm, Aphasie, Dysarthrie, Ataxie) als Folge der cerebralen Hypoxie, mittelgradig ausgeprägte diabetische Polyneuropathie mit Beeinträchtigung des Lage- und Gleichgewichtssinns, Zustand nach Polytrauma bei BG-Unfall 30.11.2001 (sic!) mit Contusio der rechten Schulter diagnostiziert. Zu einer erfolgten psychometrischen Leistungstestung am 28.04.2009 wird mitgeteilt, im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung von depressiven und paranoiden Erlebnisinhalten hätten sich keine sicheren Hinweise auf eine krankhafte Veränderung der Affektstrukturen, jedoch bei deutlicher Neigung zur Depressivität, ergeben. In psychiatrischer Hinsicht ergebe sich die Dokumentation einer ausgeglichenen Persönlichkeitsstruktur mit Hinweisen auf eine eher depressive Verarbeitung des Affekts.

Das SG hat den Sachverständigen Prof. Dr. S. mehrfach ergänzend befragt. Unter dem 17.10.2012 hat dieser in Ergänzung seines Gutachtens angegeben, ein Kausalzusammenhang zwischen einer als multifaktoriell bedingt geltenden depressiven Störung und einem Unfallereignis sei am ehesten belegbar, wenn keine Vorerkrankungen vorliegen, ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis und dem erstmaligen Auftreten der Depression bestehe und keine sonstigen konkurrierenden, die Depression unterhaltenden Faktoren zu identifizieren seien. Aufgrund des Zeitpunktes der Behandlungen könne jedoch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und dem 2001 aufgetretenen Unfall letztlich nicht belegt werden. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis selbst und der Depression sei sicher nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Die Depression habe sich vielmehr erst später eingestellt und sei als Folge vielfältiger Belastungsfaktoren anzusehen. So seien unter anderem in den Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr. K. Sorgen und Ängste des Ehepaares (wegen der Befürchtung, dass die Zwillingstöchter in der Schule gemobbt würden) dokumentiert.

Nachdem seitens des Klägers hiergegen eingewandt wurde, bereits im Jahr 2002 beim Psychiater Dr. N. vorstellig geworden zu sein, hat Prof. Dr. S. unter dem 15.11.2012 ergänzend unter Verweis auf den vorliegenden Arztbrief des Herrn Dr. N. vom 19.12.2002 ausgeführt, dass selbst wenn bereits Ende 2002 eine gewisse depressive Symptomatik beobachtet worden sei, auch dieser Zeitpunkt fast zwei Jahre nach dem Unfallereignis liegen würde und der in der Kausalitätsbeurteilung geforderte enge zeitliche Zusammenhang nicht zu erbringen sei. Insbesondere sei auch im Gutachten der U. T. vom Mai 2003 nicht von einer auffälligen psychischen Symptomatik berichtet worden. Auch die vom Kläger ihm selbst gegenüber erfolgte Schilderung spreche eindeutig dafür, dass die depressive Symptomatik in wesentlicher Schwere erst auftrat, als sich die soziale Situation zunehmend zugespitzt hatte. Somit gebe es weder einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis bzw. Unfallfolgen und Auftreten der depressiven Störung, noch sei eine Depression vor 2004 im verwertbaren Umfang diagnostiziert oder gar behandelt worden. Dass sich der Kläger einfach geweigert habe, zum Psychiater zu gehen und es ihm schon früher schlecht ging, sei natürlich nicht auszuschließen. Andererseits habe der Kläger selbst ihm gegenüber den Verlauf bei der Begutachtung anders geschildert. Dazu komme, dass eine anhaltende Depression, die unbehandelbar chronisch sei und als Folge dieses Körperschadens resultiere, nach allen klinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen so unwahrscheinlich sei, dass man hier bei einem langjährigen Verlauf auf jeden Fall die Verschiebung der Wesensgrundlage diskutieren müsste, selbst wenn die zeitlichen Anforderungen für die Annahme einer Verursachung erfüllt wären.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid vom 13.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2010 sei - ungeachtet dessen, dass die Beklagte offensichtlich eine Verschlimmerung nach § 48 SGB X i.V.m. § 73 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) geprüft habe, anstatt ausgehend von dem am 24.09.2008 im Verfahren S 5 U 497/05 geschlossenen Vergleich den ursprünglichen Bescheid vom 23.01.2004 nach § 44 SGB X zu überprüfen - nicht zu beanstanden und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn dieser habe nach Auffassung des Gerichts keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente. Unbestritten habe sich der Kläger bei dem Ereignis vom 30.01.2001, das die Beklagte mit dem ursprünglichen Bescheid vom 23.01.2004 als Arbeitsunfall anerkannt habe, Verletzungen zugezogen. Die insoweit eingetretenen körperlichen Gesundheitsstörungen habe die Beklagte nachvollziehbar mit 20 % bewertet. Gegen diese Bewertung seien vom Kläger auch keine konkreten substantiierten Einwendungen erhoben worden. Für diesen sei schließlich vielmehr nur noch die zusätzliche Berücksichtigung der psychischen Erkrankung maßgeblich. Vor diesem Hintergrund habe sich auch der am 24.09.2008 im Verfahren S 5 U 497/05 geschlossene Vergleich erklärt, wonach keine weiteren Ermittlungen auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mehr erfolgen sollten, sondern durch die Einholung eines psychiatrischen Zusammenhangsgutachtens lediglich noch abgeklärt werden sollte, inwieweit auch die psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge anzuerkennen sind und die Rente gegebenenfalls entsprechend erhöht werden muss. Vom Vorliegen weiterer Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet, welche einen Anspruch auf die vom Kläger begehrte höhere Verletztenrente begründen könnten, habe sich das Gericht vorliegend allerdings nicht zu überzeugen vermocht. Das Gericht stütze seine Überzeugung vor allem auf das bei Prof. Dr. S. eingeholte Gutachten, der nachvollziehbar und schlüssig dargelegt habe, dass die beim Kläger bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht direkt auf das Unfallereignis vom 30.01.2001 zurückgeführt werden könnten, sondern vielmehr durch den nach dem Unfall eingetretenen sozialen Abstieg ausgelöst worden seien.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 11.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.02.2013 Berufung beim LSG eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 15. Juni 2010 zu verurteilen, ihm eine höhere Verletztenrente ab dem 1. August 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Prof. Dr. S. nochmals ergänzend dazu befragt, seit wann die von ihm beim Kläger diagnostizierte anhaltende affektive Störung bestehe bzw. welche MdE diese, zeitlich gestaffelt seit 01.08.2002, bedinge. Hierzu hat Prof. Dr. S. unter dem 19.12.2013 ausgeführt, seine Untersuchungsergebnisse beruhten auf einer einmaligen Befunderhebung im Oktober 2011. Inwieweit dabei die Folgen des am 27.09.2009 erlittenen Herzinfarkts mit Reanimation und anschließender zurückgebliebener rechtsseitiger Halbseitenlähmung, Bypassoperation, Erkrankung sämtlicher Herzkranzgefäße, leichtem Hirnödem mit fortgeschrittenen Verengungen der Gehirnschlagadern eine Rolle gespielt hätten, lasse sich nicht sicher beurteilen. Er müsse die vor 2009 beschriebenen Befunde zugrunde legen und von seiner eigenen Befunderhebung (Oktober 2011) einen hypothetisch neu aufgetretenen Teil einer hirnorganischen (und eventuell auch zusätzlich reaktiv-depressiven) Komponente subtrahieren. Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er sei nach dem Unfall 18 Monate krankgeschrieben gewesen und habe gleich nach Ende der Krankschreibung die Kündigung erhalten und sei arbeitslos geworden. "Da sei es mit ihm insgesamt noch nicht so schlecht gewesen. Allmählich sei das immer schlimmer geworden, als er bemerkt habe, dass er keine Arbeit mehr bekomme. Seitdem sei es mehr oder weniger immer gleich schlecht." Unter Würdigung dieser Angaben könnte man von einem Bestehen der Störung seit 2003 auszugehen. Dagegen spreche, dass eine Depression im neurologischen Gutachten der U. T. vom 12.05.2003 nicht erwähnt wurde, obwohl eine solche bei stärkerer Ausprägung von den psychiatrisch erfahrenen Gutachtern hätte bemerkt werden müssen. Andererseits sei der Zustand im Jahr 2005 offenbar so schlecht gewesen, dass die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung empfohlen wurde. Von daher erscheine eine Datierung auf 2003 als angemessen. Hinsichtlich der Höhe der MdE werde in den einschlägigen Kommentaren bei schwersten Ausprägungen einer Depression eine MdE von 50 v.H. zugrunde gelegt. Danach sei hier die Zuordnung zu einem stärkergradigen, ausgeprägten und lange anhaltenden depressiven Zustand mit psychisch-emotionaler Beeinträchtigung und auch sozial-kognitiven Einbußen angemessen, was mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten sei. Eine Abstaffelung nach unten vor Anfang 2003 wäre denkbar, die vorliegenden Informationen reichten aber nicht aus, um insoweit eine gut begründete Empfehlung zu geben. Nach dem Ereignis von 2009 und den anschließenden Folgeerkrankungen habe sich der Gesamtzustand sicher weiter verschlechtert, ohne dass dies dem Unfallereignis zuzurechnen wäre. Bei der Arteriosklerose und allen daraus folgenden Erkrankungen handele es sich um ein unfallunabhängiges Ereignis, es sei denn, man wollte das vermehrte Rauchen nach dem Unfall und den Verlust des Arbeitsplatzes ebenfalls als Unfallfolge ansehen. Dann kämen auch die gesamten gesundheitlichen Komplikationen als Unfallfolge in Betracht. Nach seiner Auffassung sei aber Suchtverhalten ebenso wie eine Depression multifaktoriell determiniert und keineswegs eine direkte und lineare Folge eines einzigen Ereignisses. Der psychiatrischen Einschätzung von Dr. K. werde nicht zugestimmt. Dies betreffe sowohl die Kausalität als auch die Höhe der MdE. Es müsse vermutet werden, dass Dr. Kern die Unterschiede der MdE-Bemessung im Unfallversicherungsrecht und im sozialen Entschädigungsrecht nicht hinreichend bekannt waren. Dafür spreche die Verwendung der Maßeinheit GdB statt MdE und, dass dies in der späteren Stellungnahme korrigiert worden sei, ohne zu diskutieren, ob sich daraus eine andere MdE-Bewertung ergebe. Dr. K. scheine vielmehr sicher davon auszugehen, dass der GdB-Wert unverändert in einen MdE-Wert transformierbar sei.

Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zum Beweisergebnis zu äußern.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägers ist zulässig. Berufungs-ausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, Der Kläger hat - unabhängig davon, ob durch die angegriffenen Bescheide die im gerichtlichen Vergleich vom 24.09.2008 getroffenen Vereinbarungen umgesetzt wurden - keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente als der ab 01.08.2002 bewilligten nach einer MdE von 20 v.H.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - in Juris m.w.N.).

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 09.05.2006 (a.a.O. Rn. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 09.05.2006 (a.a.O. Rn. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schulenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG a.a.O. Rn. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG a.a.O. Rn. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG a.a.O. Rn. 37 und 38).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - , SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Auch der erkennende Senat vermag nicht zu erkennen, dass dem Kläger aufgrund des von der Beklagten anerkannten und auch für den erkennenden Senat feststehenden Arbeitsunfalls unter Beachtung der im Unfallversicherungsrecht geltenden Beweis(last)grundsätze eine höhere Verletztenrente zusteht. Dies gilt namentlich für die geltend gemachten psychischen Verletzungsfolgen auf psychiatrischem Gebiet - die auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet festgestellten Folgen wurden in ihrer Bewertung auch in diesem Verfahren nicht in Zweifel gezogen und sind auch nach den Feststellungen des Senats nicht zu beanstanden -, die auch zur Überzeugung des erkennenden Senats nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis vom 30.01.2001 als hierdurch wesentlich verursacht zugeordnet werden können.

Der Kläger hat bei dem Ereignis vom 30.01.2001 keinen ganz gravierenden körperlichen Erstschaden erlitten; nach dem Durchgangsarztbericht vom 06.02.2002 eine Schulterprellung rechts, eine Zerrung des Musculus supraspinatus sowie eine LWS-Prellung. Wenngleich der Heilungsverlauf nicht komplikationsfrei verlief und unter anderem durch das aufgetretene Schulterempyem erschwert war und auch keine vollständige Heilung der Schulterverletzung erfolgt ist - woraus die Feststellung einer MdE von 20 v.H. folgte -, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die verbliebenen körperlichen Beeinträchtigungen geeignet waren, psychische Erkrankungen des Klägers, wie sie jedenfalls ärztlicherseits ab Ende 2004 diagnostiziert wurden, auszulösen. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem auch für den Senat schlüssigen und überzeugenden Gutachten und den ergänzenden Äußerungen zutreffend darauf hingewiesen, dass üblicherweise, d.h. beim Fehlen sonstiger Krankheitsfaktoren, auch schwerste körperliche Schädigungen (Verlust von Gliedmaßen oder Erblindung etc.) in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten psychisch verarbeitet werden. Dass demgegenüber beim Kläger die durch den Unfall erlittenen, vergleichsweise weniger gravierenden Verletzungen - zumal ohne Erstschaden im Bereich des Kopfes - wesentlich kausal für seine psychischen Erkrankungen waren, ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.

Zwar will der Psychiater Dr. N. bei seiner Untersuchung am 18.12.2012 eine gewisse depressive Symptomatik ("Unruhe und Nervosität", "vom Eindruck her depressiv") beobachtet haben. Allerdings liegt auch dieser Beobachtungszeitpunkt fast zwei Jahre nach dem Unfallereignis - Dr. N. geht demgegenüber im Befundbericht vom 19.12.2002 vom Unfalldatum "28.01.2002" aus -, weshalb eine kausale Zuordnung zum Unfallereignis nicht ohne Weiteres möglich ist, worauf Prof. Dr. S. hingewiesen hat. Hinzu kommt, dass Dr. N. eine Objektivierung seiner Wahrnehmung in Form einer psychischen Störung vermissen lässt, was erfordern würde, dass die üblichen Diagnosesysteme ICD-10 oder DFM IV herangezogen und die dortigen Schlüssel und Bezeichnungen verwendet werden (vgl. Urteil des Senats vom 26.09.2014 - L 9 U 260/14 -). Auch spätere Objektivierungen durch Dr. N. erfolgten nicht, da sich der Kläger, wie Dr. N. selbst im Befundbericht vom 20.10.2004 beschreibt, einer psychiatrischen Behandlung durch kontinuierliches Fehlen in den Jahren 2003 und 2004 entzogen hat. Auch aus sonstigen ärztlichen Befunden folgt für diesen Zeitraum keine Objektivierung einer depressiven Erkrankung. Im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 12.05.2003 wird zwar - bei neurologisch im Übrigen unauffälligem Ergebnis - als neuropsychologischer Befund berichtet, dass der Kläger klagsam im Gespräch gewesen sei mit "depressiver Grundstimmung", eine auffällige psychische Symptomatik mit Krankheitswert und Notwendigkeit einer Behandlung wird dort aber nicht beschrieben. Eine psychiatrische Behandlung fand offenbar erst am 05.11.2004 bei Dr. R. - in Form eines einmaligen Besuchs - bzw. dann ab 20.12.2004 bei Dr. K. statt, die die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren depressiven Episode stellte, was in etwa auch mit der Bewertung von Dr. R. ("deutlich depressiv herabgestimmt") und den späteren Gutachten in diesem Verfahren (Prof. Dr. W., neurologisches Gutachten vom 01.12.2005) und im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Ü. (Psychiater Dr. J. vom 18.08.2005) übereinstimmt.

Der Senat teilt die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S., dass aufgrund des Zeitpunktes dieser Behandlungen ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und dem 2001 aufgetretenen Unfall nicht (mehr) belegt werden kann und insbesondere ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis selbst und der Depression bzw. der von ihm angenommenen affektiven Störung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Ausweislich der genannten ärztlichen Berichte ist die depressive Erkrankung erst ab Ende 2004 nachgewiesen und nicht vor 2003 anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich ein kausaler Zusammenhang zum Unfallereignis aber nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit herstellen, zumal sich eine depressive Erkrankung, wie Prof. Dr. S. dargelegt hat, in der Regel als eine Folge vielfältiger Belastungsfaktoren darstellt, die im Falle des Klägers und seiner Familie zum Teil mit dem Unfall und den damit verbundenen persönlichen und finanziellen Sorgen (Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg) zu tun hatten, zum Teil aber auch davon unabhängig waren (Mobbing der Töchter in der Schule, mögliche anlagebedingte Disposition des Klägers aufgrund seiner familiären Vorgeschichte etc.). Der Senat teilt daher die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S., dass es unwahrscheinlich ist, dass überdauernde körperliche Unfallfolgen gegenüber allen anderen Einflussfaktoren (einschließlich unerkannten z.B. auch anlagebedingten) eine so dominierende Rolle spielen, dass sie nach dieser Zeit als rechtlich wesentliches Ereignis anzusehen wären.

Eine hinreichend sichere kausale Zuordnung zum Unfallereignis lässt sich auch nicht aufgrund der Befunde der behandelnden Psychiaterin Dr. K. und des im Verwaltungsverfahren tätigen Gutachters Dr. K. vornehmen. Soweit Dr. K. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 24.07.2012 berichtet, die Ursachen für alle psychopathologischen Krankheitsphänomene seien unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten, kann es sich mit Blick auf den von ihr zu beurteilenden Behandlungszeitraum - 20.12.2004 bis 02.12.2008, dann brach der Kläger den Kontakt offenbar ab - nur um die Wiedergabe von Fremdangaben des Klägers oder seiner Ehefrau handeln und ist von daher nicht ohne Weiteres beweiskräftig, zumal der Kläger bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S. gerade angegeben hatte, sein psychischer Zustand habe sich erst mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und der anschließenden Arbeitslosigkeit, also Ende 2002, maßgeblich verschlechtert. Aus demselben Grund kann die weitere Aussage von Dr. K., vor dem Unfall sei der Kläger ein ausgeglichener und fröhlicher Mensch gewesen, nicht auf eigener Befunderhebung beruhen. Nicht zu folgen ist auch - unabhängig von der falschen Klassifizierung der Gesundheitsschäden (GdB statt MdE) - dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. K. vom 28.05.2009, dessen Diagnosestellungen (schwergradige depressive Verstimmung und rezidivierende depressive Episoden, begleitet von einer depressiven Pseudodemenz) schon deswegen nicht zu überzeugen vermögen, weil jedenfalls die durchgeführte umfangreiche kognitive Leistungsdiagnostik schwer nachzuvollziehen ist mit Blick darauf, dass bei dem Unfall keine Hirnbeteiligung beim Kläger eingetreten war. Gleiches gilt für dessen Kausalitätsbeurteilung, wonach die von ihm festgestellten psychischen und intrapsychischen Veränderungen ausschließlich dem Unfall ursächlich zuzuweisen seien, da der Kläger nachweislich (siehe auch das Gutachten von Dr. J.) vor dem Unfall psychisch nicht auffällig gewesen sei. Denn selbst wenn Letzteres der Fall gewesen sein sollte, was sich der eigenen Feststellung von Dr. K. entziehen dürfte, ist damit nicht positiv im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass das Unfallereignis vom 30.01.2001 die wesentliche (Teil-) Ursache für die ab 2003 beschriebene und ab Ende 2004 klassifizierte depressive Erkrankung bzw. affektive Störung des Klägers darstellt - und diese nicht etwa durch spätere Umstände bzw. andere psychosoziale oder anlagebedingte Faktoren hervorgerufen wurde.

Fehlt es somit am Nachweis der Ursächlichkeit zwischen Unfall und psychischer Erkrankung des Klägers, bedarf es keiner weiteren Feststellungen zur Höhe der hierdurch eingetretenen Erwerbsminderung bzw. deren Überlagerung durch spätere Erkrankungen.

Da der Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden ist, war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg hatte.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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