Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 905/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1927/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.04.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf seine türkische Rente.
Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Im November 2011 teilte er der Beklagten auf deren Anfrage mit, dass er seit dem 03.03.2011 vom türkischen Rentenversicherungsträger eine monatliche Rente in Höhe von 791,62 TRY (entspricht 334,67 EUR) beziehe. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2011 auf diese Rente einen monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 33,97 EUR fest.
Dagegen erhob der Kläger am 13.12.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er durch seinen Bevollmächtigten ausführen ließ, der Gesetzgeber habe zum 01.07.2011 eine verfassungsrechtlich angreifbare Regelung getroffen. Die Heranziehung der in der Türkei erworbenen Rente zur Beitragszahlung sei ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Außerdem habe es der Gesetzgeber versäumt, eine Übergangsregelung in das Gesetz aufzunehmen. Eine Heranziehung könne - wenn überhaupt zulässig - nicht von jetzt auf gleich ohne eine Vorwarnzeit erfolgen, die allen betroffenen Versicherten ermöglichen müsse, sich eventuell auf eine zusätzliche Belastung einzurichten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 zurück. Nach § 237 SGB V seien der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner als Einkünfte zugrunde zu legen 1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung würden nach § 228 Abs. 1 SGB V auch vergleichbare Renten aus dem Ausland gelten. Der Gesetzgeber habe beschlossen, dass Beiträge mit Wirkung vom 01.07.2011 auch aus Renten, die aus dem Ausland bezogen würden, zu berechnen seien. Die Rente aus der Türkei unterliege daher in vollem Umfang der Beitragspflicht. Die Beiträge seien richtig berechnet.
Am 16.03.2012 erhob der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht Mannheim. Die seit 01.07.2011 geltende gesetzliche Regelung halte er für verfassungswidrig. Es könne nicht sein, dass schon ab dem 01.07.2011 Beiträge aus der in der Türkei bezogenen Rente gezahlt werden müssten. Eine solche einschneidende Regelung habe einer Übergangsregelung durch den Gesetzgeber bedurft. Es hätte auch eine frühzeitige Aufklärungskampagne für die betroffenen Rentenbezieher erfolgen müssen. Außerdem mache der erhobene Beitrag von 27,44 EUR für die Krankenversicherung und 6,53 EUR für die Pflegeversicherung etwa 1/10 des monatlichen Zahlbetrags der türkischen Rente aus. Eine solche Belastung sei unzumutbar und auch deshalb verfassungswidrig.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2012 ab. Der angefochtene Beitragsbescheid entspreche der Rechtslage. Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gelte als beitragspflichtige Einnahme zur Bestimmung des Beitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Als Rente der gesetzlichen Renten¬versicherung würden Renten der allgemeinen Rentenversicherung sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeiträge aus Beiträgen der Höherversicherung gelten (§ 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies gelte auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen würden (§ 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Vorschrift sei durch Artikel 4 Nr. 7 a des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.06.2011 mit Wirkung vom 01.07.2011 eingefügt worden. Entsprechendes gelte auch für die gesetzliche Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch - SGB XI -). Diese Rechtslage habe die Beklagte zutreffend berücksichtigt, es sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass es sich bei der von dem Kläger angegebenen Rente aus der Türkei um keine vergleichbare Rente im Sinne des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V handele. Die erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Regelung des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V könnten nicht geteilt werden. Weder seien der Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG noch die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG tangiert. Zweck der gesetzlichen Neuregelung sei es, dass in Artikel 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 verankerte Prinzip der Gleichstellung von in- und ausländischen Leistungen für die KVdR zu konkretisieren und im Interesse der Gleichbehandlung und Beitragsgerechtigkeit den bisherigen Zustand zu beseitigen, wonach ausländische Renten mangels einer entsprechenden Regelung nicht zur Beitragspflicht herangezogen worden seien (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, § 228 SGB V Rn. 10 mit Nachweisen). § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V habe damit keine Ungleichbehandlung geschaffen, sondern eine bisher bestehende Ungleichheit beseitigt. Dass aus bezogenem Einkommen Beiträge zur Sozialversicherung erhoben werden können, widerspreche auch nicht der Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG. Für den Gesetzgeber bestehe auch keine Verpflichtung, eine Übergangsregelung zu schaffen, denn es sei nicht in eine laufende Leistung eingegriffen, sondern ein bisher vorhandenes Privileg mit Wirkung für die Zukunft abgeschafft worden. Der Kläger erhalte die türkische Rente seit 03.03.2011, so dass die Beklagte mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ab 01.07.2011 Beiträge erheben könne.
Am 08.05.2012 hat der Kläger gegen den seinem Bevollmächtigten am 19.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Er lässt zur Begründung vortragen, er habe als türkischer Staatsangehöriger gegenüber dem türkischen Rentenversicherungsträger Anspruch auf ungeschmälerte Zahlung seiner in der Türkei erworbenen Rente. Die Gesetzesänderung binde den türkischen Rentenversicherungsträger nicht. Es reiche nicht aus, dass die Änderung durch die gesetzliche Neuregelung der VO (EG) Nr. 883/2004 die Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten hergebe. Die Türkei rechne nicht zur EU und der politische Streit über die Beitrittsfähigkeit der Türkei zeige, dass vorgenannte VO keine Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten sein könne. Die Bundesregierung hätte ein Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei schließen müssen, um türkische Mitbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in dieser Weise zu verpflichten. Auch wenn die auf türkischem Recht basierende Rente nicht direkt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfalle, müsse diese Grundrechtsbestimmung aber zumindest als Rechtsreflex den Schutz der türkischen Rente bewirken. Zudem handele es sich um ein Überraschungsgesetz, mit dem das schutzwürdige Vertrauen in die bisherige Regelung verletzt werde. Es sei eine mindestens halbjährige Übergangszeit einzuräumen, um sich auf die geänderte gesetzliche Regelung einstellen zu können.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.11.2014 einer Entscheidung nach Aktenlage zugestimmt, die Beklagte hat mit Schreiben vom 02.12.2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gem. § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der vom Kläger angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig; der Kläger hat Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner aus dem Zahlbetrag seiner türkischen Rente zu entrichten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beitragspflicht für den Zahlbetrag der türkischen Rente ergibt sich aus §§ 237 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, 228 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zu Grunde gelegt. Nach § 237 Abs. 2 SGB V gelten u.a. § 228 SGB V (Renten als beitragspflichtige Einnahmen) und § 229 SGB V (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen) entsprechend. Die Regelung in § 229 Abs. 1 SGB V enthält als Definition des Begriffs "der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge)" den Hinweis darauf, dass diese Vorschrift auch gilt, wenn Leistungen dieser Art aus dem Ausland bezogen werden (Satz 2 dieser Norm). Eine entsprechende Regelung in § 228 Abs. 1 SGB V zu den Rentenbezügen aus dem Ausland gab es bis 30.06.2011 nicht.
Nach dem bis 30.06.2011 geltenden Recht unterlagen aus dem Ausland gezahlte Leistungen nur dann der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung, wenn sie ein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Satz 1 Nr. 5 SGB V waren. Dazu gehörten Leistungen aus ausländischen öffentlich-rechtlichen Rentensystemen nicht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.06.1988 - 12 RK 39/87 - zum inhaltsgleichen früheren § 180 Abs. 8 Reichsversicherungsordnung [RVO]). Mit der Einfügung des § 228 Satz 2 SGB V, der § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch für den Bezug vergleichbarer Renten aus dem Ausland zur Anwendung bringt, hat der Gesetzgeber die bis dahin bestehende Differenzierung bei der Beitragspflicht inländischer und ausländischer Rentenbezieher beseitigt. Dies sah der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung und der Beitragsgerechtigkeit als erforderlich an (Bundestags-Drucksache 17/4978 S. 20 und Bundesrats-Drucksache 846/10 S. 30). Aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 17/4978 S. 20) ergibt sich auch, dass Anlass, aber nicht alleiniger Grund für die Gesetzesänderung Art. 5 VO (EG) 883/2004 war. Dort ist klar beschrieben, dass § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V unabhängig davon zu gelten hat, ob die Rente aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Drittstaat bezogen wird. Diese Begründung zeigt, dass nicht alleine Europarecht umgesetzt wurde, sondern generell ausländische Rentenzahlungen, unabhängig vom Herkunftsstaat, im Beitragsrecht den deutschen Renten gleichgestellt werden sollten. Auch wenn der Hintergrund der Schaffung des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine europarechtliche Anpassung war, zeigt dies, dass der Gesetzgeber eine umfassende Einbeziehung ausländischer Renten in das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt hat. Aufgrund der Verweisung in § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gilt die Beitragspflicht in gleicher Weise auch für die Pflegeversicherung (vgl. auch LSG für das Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - L 2 KR 14/14 - betreffend eine Rente aus den USA, und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2013 - L 4 KR 1984/13 - betreffend Leistungen der schweizerischen Pensionskassen, jeweils in Juris).
Damit unterfällt auch die türkische Rente des Klägers der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte hat die Beiträge auch zutreffend gemäß §§ 249a Satz 2, 252 Abs. 1 SGB V beim Kläger selbst erhoben. Nach § 249a SGB V trägt der Rentner die aus ausländischen Renten zu zahlenden Beiträge allein. Nach § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 255 SGB V sind lediglich die auf die in Deutschland bezogene Rente entfallenden Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten, nicht aber die Beiträge, die auf die türkische Rente zu entrichten sind. Auch eine Verpflichtung des türkischen Rentenversicherungsträgers kommt insoweit nicht in Betracht, da hierfür eine gesetzliche Regelung entsprechend § 255 SGB V fehlt (vgl. Klein, in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art. 30 Rn. 9). Eine Heranziehung des türkischen Sozialversicherungsabkommens erübrigt sich daher. Dies gilt ebenso für die Klärung der zuletzt vom Kläger-Vertreter aufgeworfenen Frage, wie sich die Beitragspflicht des Klägers im Falle einer Verlagerung seines Wohnsitzes in die Türkei darstellen würde, da dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Der Kläger hat seinen Wohnsitz unverändert in Heidelberg.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers greifen nicht durch. Die Heranziehung der türkischen Rente zur Beitragsentrichtung erfolgt in gleichem Umfang wie die Heranziehung der inländischen Rente. Den Schutz des Art. 14 GG kann der Kläger deshalb für die türkische Rente nicht reklamieren, da diese durch die gesetzliche Regelung ab dem 01.07.2011 lediglich dem inländischen Rentenbezug gleichgestellt wird und daher in der gleichen Weise der Rentenversicherungspflicht und damit der Sozialbindung unterzogen wird. Auch einer Übergangsregelung oder einer längeren Vorlauffrist vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung bedurfte es nicht, da das Vertrauen in den Fortbestand der letztlich zu Unrecht begünstigenden alten Rechtslage nicht schutzwürdig war.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf seine türkische Rente.
Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Im November 2011 teilte er der Beklagten auf deren Anfrage mit, dass er seit dem 03.03.2011 vom türkischen Rentenversicherungsträger eine monatliche Rente in Höhe von 791,62 TRY (entspricht 334,67 EUR) beziehe. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2011 auf diese Rente einen monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 33,97 EUR fest.
Dagegen erhob der Kläger am 13.12.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er durch seinen Bevollmächtigten ausführen ließ, der Gesetzgeber habe zum 01.07.2011 eine verfassungsrechtlich angreifbare Regelung getroffen. Die Heranziehung der in der Türkei erworbenen Rente zur Beitragszahlung sei ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Außerdem habe es der Gesetzgeber versäumt, eine Übergangsregelung in das Gesetz aufzunehmen. Eine Heranziehung könne - wenn überhaupt zulässig - nicht von jetzt auf gleich ohne eine Vorwarnzeit erfolgen, die allen betroffenen Versicherten ermöglichen müsse, sich eventuell auf eine zusätzliche Belastung einzurichten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 zurück. Nach § 237 SGB V seien der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner als Einkünfte zugrunde zu legen 1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung würden nach § 228 Abs. 1 SGB V auch vergleichbare Renten aus dem Ausland gelten. Der Gesetzgeber habe beschlossen, dass Beiträge mit Wirkung vom 01.07.2011 auch aus Renten, die aus dem Ausland bezogen würden, zu berechnen seien. Die Rente aus der Türkei unterliege daher in vollem Umfang der Beitragspflicht. Die Beiträge seien richtig berechnet.
Am 16.03.2012 erhob der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht Mannheim. Die seit 01.07.2011 geltende gesetzliche Regelung halte er für verfassungswidrig. Es könne nicht sein, dass schon ab dem 01.07.2011 Beiträge aus der in der Türkei bezogenen Rente gezahlt werden müssten. Eine solche einschneidende Regelung habe einer Übergangsregelung durch den Gesetzgeber bedurft. Es hätte auch eine frühzeitige Aufklärungskampagne für die betroffenen Rentenbezieher erfolgen müssen. Außerdem mache der erhobene Beitrag von 27,44 EUR für die Krankenversicherung und 6,53 EUR für die Pflegeversicherung etwa 1/10 des monatlichen Zahlbetrags der türkischen Rente aus. Eine solche Belastung sei unzumutbar und auch deshalb verfassungswidrig.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2012 ab. Der angefochtene Beitragsbescheid entspreche der Rechtslage. Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gelte als beitragspflichtige Einnahme zur Bestimmung des Beitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Als Rente der gesetzlichen Renten¬versicherung würden Renten der allgemeinen Rentenversicherung sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeiträge aus Beiträgen der Höherversicherung gelten (§ 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies gelte auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen würden (§ 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Vorschrift sei durch Artikel 4 Nr. 7 a des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.06.2011 mit Wirkung vom 01.07.2011 eingefügt worden. Entsprechendes gelte auch für die gesetzliche Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch - SGB XI -). Diese Rechtslage habe die Beklagte zutreffend berücksichtigt, es sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass es sich bei der von dem Kläger angegebenen Rente aus der Türkei um keine vergleichbare Rente im Sinne des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V handele. Die erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Regelung des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V könnten nicht geteilt werden. Weder seien der Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG noch die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG tangiert. Zweck der gesetzlichen Neuregelung sei es, dass in Artikel 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 verankerte Prinzip der Gleichstellung von in- und ausländischen Leistungen für die KVdR zu konkretisieren und im Interesse der Gleichbehandlung und Beitragsgerechtigkeit den bisherigen Zustand zu beseitigen, wonach ausländische Renten mangels einer entsprechenden Regelung nicht zur Beitragspflicht herangezogen worden seien (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, § 228 SGB V Rn. 10 mit Nachweisen). § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V habe damit keine Ungleichbehandlung geschaffen, sondern eine bisher bestehende Ungleichheit beseitigt. Dass aus bezogenem Einkommen Beiträge zur Sozialversicherung erhoben werden können, widerspreche auch nicht der Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG. Für den Gesetzgeber bestehe auch keine Verpflichtung, eine Übergangsregelung zu schaffen, denn es sei nicht in eine laufende Leistung eingegriffen, sondern ein bisher vorhandenes Privileg mit Wirkung für die Zukunft abgeschafft worden. Der Kläger erhalte die türkische Rente seit 03.03.2011, so dass die Beklagte mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ab 01.07.2011 Beiträge erheben könne.
Am 08.05.2012 hat der Kläger gegen den seinem Bevollmächtigten am 19.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Er lässt zur Begründung vortragen, er habe als türkischer Staatsangehöriger gegenüber dem türkischen Rentenversicherungsträger Anspruch auf ungeschmälerte Zahlung seiner in der Türkei erworbenen Rente. Die Gesetzesänderung binde den türkischen Rentenversicherungsträger nicht. Es reiche nicht aus, dass die Änderung durch die gesetzliche Neuregelung der VO (EG) Nr. 883/2004 die Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten hergebe. Die Türkei rechne nicht zur EU und der politische Streit über die Beitrittsfähigkeit der Türkei zeige, dass vorgenannte VO keine Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten sein könne. Die Bundesregierung hätte ein Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei schließen müssen, um türkische Mitbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in dieser Weise zu verpflichten. Auch wenn die auf türkischem Recht basierende Rente nicht direkt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfalle, müsse diese Grundrechtsbestimmung aber zumindest als Rechtsreflex den Schutz der türkischen Rente bewirken. Zudem handele es sich um ein Überraschungsgesetz, mit dem das schutzwürdige Vertrauen in die bisherige Regelung verletzt werde. Es sei eine mindestens halbjährige Übergangszeit einzuräumen, um sich auf die geänderte gesetzliche Regelung einstellen zu können.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.11.2014 einer Entscheidung nach Aktenlage zugestimmt, die Beklagte hat mit Schreiben vom 02.12.2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gem. § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der vom Kläger angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig; der Kläger hat Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner aus dem Zahlbetrag seiner türkischen Rente zu entrichten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beitragspflicht für den Zahlbetrag der türkischen Rente ergibt sich aus §§ 237 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, 228 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zu Grunde gelegt. Nach § 237 Abs. 2 SGB V gelten u.a. § 228 SGB V (Renten als beitragspflichtige Einnahmen) und § 229 SGB V (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen) entsprechend. Die Regelung in § 229 Abs. 1 SGB V enthält als Definition des Begriffs "der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge)" den Hinweis darauf, dass diese Vorschrift auch gilt, wenn Leistungen dieser Art aus dem Ausland bezogen werden (Satz 2 dieser Norm). Eine entsprechende Regelung in § 228 Abs. 1 SGB V zu den Rentenbezügen aus dem Ausland gab es bis 30.06.2011 nicht.
Nach dem bis 30.06.2011 geltenden Recht unterlagen aus dem Ausland gezahlte Leistungen nur dann der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung, wenn sie ein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Satz 1 Nr. 5 SGB V waren. Dazu gehörten Leistungen aus ausländischen öffentlich-rechtlichen Rentensystemen nicht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.06.1988 - 12 RK 39/87 - zum inhaltsgleichen früheren § 180 Abs. 8 Reichsversicherungsordnung [RVO]). Mit der Einfügung des § 228 Satz 2 SGB V, der § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch für den Bezug vergleichbarer Renten aus dem Ausland zur Anwendung bringt, hat der Gesetzgeber die bis dahin bestehende Differenzierung bei der Beitragspflicht inländischer und ausländischer Rentenbezieher beseitigt. Dies sah der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung und der Beitragsgerechtigkeit als erforderlich an (Bundestags-Drucksache 17/4978 S. 20 und Bundesrats-Drucksache 846/10 S. 30). Aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 17/4978 S. 20) ergibt sich auch, dass Anlass, aber nicht alleiniger Grund für die Gesetzesänderung Art. 5 VO (EG) 883/2004 war. Dort ist klar beschrieben, dass § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V unabhängig davon zu gelten hat, ob die Rente aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Drittstaat bezogen wird. Diese Begründung zeigt, dass nicht alleine Europarecht umgesetzt wurde, sondern generell ausländische Rentenzahlungen, unabhängig vom Herkunftsstaat, im Beitragsrecht den deutschen Renten gleichgestellt werden sollten. Auch wenn der Hintergrund der Schaffung des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine europarechtliche Anpassung war, zeigt dies, dass der Gesetzgeber eine umfassende Einbeziehung ausländischer Renten in das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt hat. Aufgrund der Verweisung in § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gilt die Beitragspflicht in gleicher Weise auch für die Pflegeversicherung (vgl. auch LSG für das Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - L 2 KR 14/14 - betreffend eine Rente aus den USA, und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2013 - L 4 KR 1984/13 - betreffend Leistungen der schweizerischen Pensionskassen, jeweils in Juris).
Damit unterfällt auch die türkische Rente des Klägers der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte hat die Beiträge auch zutreffend gemäß §§ 249a Satz 2, 252 Abs. 1 SGB V beim Kläger selbst erhoben. Nach § 249a SGB V trägt der Rentner die aus ausländischen Renten zu zahlenden Beiträge allein. Nach § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 255 SGB V sind lediglich die auf die in Deutschland bezogene Rente entfallenden Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten, nicht aber die Beiträge, die auf die türkische Rente zu entrichten sind. Auch eine Verpflichtung des türkischen Rentenversicherungsträgers kommt insoweit nicht in Betracht, da hierfür eine gesetzliche Regelung entsprechend § 255 SGB V fehlt (vgl. Klein, in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art. 30 Rn. 9). Eine Heranziehung des türkischen Sozialversicherungsabkommens erübrigt sich daher. Dies gilt ebenso für die Klärung der zuletzt vom Kläger-Vertreter aufgeworfenen Frage, wie sich die Beitragspflicht des Klägers im Falle einer Verlagerung seines Wohnsitzes in die Türkei darstellen würde, da dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Der Kläger hat seinen Wohnsitz unverändert in Heidelberg.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers greifen nicht durch. Die Heranziehung der türkischen Rente zur Beitragsentrichtung erfolgt in gleichem Umfang wie die Heranziehung der inländischen Rente. Den Schutz des Art. 14 GG kann der Kläger deshalb für die türkische Rente nicht reklamieren, da diese durch die gesetzliche Regelung ab dem 01.07.2011 lediglich dem inländischen Rentenbezug gleichgestellt wird und daher in der gleichen Weise der Rentenversicherungspflicht und damit der Sozialbindung unterzogen wird. Auch einer Übergangsregelung oder einer längeren Vorlauffrist vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung bedurfte es nicht, da das Vertrauen in den Fortbestand der letztlich zu Unrecht begünstigenden alten Rechtslage nicht schutzwürdig war.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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