L 4 VS 4/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 VS 4/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 21.6.2001 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Berufsschadensausgleich sowie die Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1952 geborene Kläger war von Januar 1973 bis Dezember 1974 Soldat der Bundeswehr. Im November 1973 explodierte während des Wehrdienstes in seiner linken Hand eine Patrone, wodurch er erheblich verletzt wurde. Mit Bescheid vom 15.01.1975 erkannte das Versorgungsamt München II als Schädigungsfolgen nach dem SVG mit einer MdE von 40 vH an: "Verlust 3. Finger links, Teilverlust 2. Finger links und 4. Finger links mit Gelenkversteifung, operativ behandelte Nervenverletzung (nerv. medianus und ulnaris) mit verbliebenen Sensibilitätsstörungen, Sehnenplastik am 5. Finger links mit Beugebehinderung, knöchern verheilter Daumenbruch links."

Mit Bescheid vom 03.01.1978 erhöhte das Versorgungsamt München II die MdE auf 50 vH ab 01.08.1975 und bezeichnete mit Bescheid vom 02.05.1984 die Schädigungsfolgen neu als:

1. Verlust des 4. und 5. Fingers in der Mittelhand, des 3. Fingers im Grundglied und des Endgliedes des 2. Fingers links, mit Bewegungsbehinderung des 2. Fingers. Leichte Narbenkontraktur des 2. Fingers und des 3. Fingerstumpfes. Knöchern verheilte Fraktur des Daumens links. Sensibilitätsstörungen an der Resthand nach Nervenverletzung.

2. Reizlos eingeheilter Metallfremdkörper in den Weichteilen des linken Unterschenkels.

Der berufliche Werdegang des Klägers gestaltete sich wie folgt:

Er besuchte zunächst von 1958 bis 1966 die Volksschule und lernte anschließend bis 1972 den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs, den er bis zur Einberufung in die Bundeswehr ausübte. Nach dem Wehrdienst war der Kläger zunächst bis Januar 1975 arbeitsunfähig krank; danach arbeitete er als Lagerarbeiter. Eine begonnene Umschulung zum Bürokaufmann wurde im November 1977 abgebrochen. In der Folgezeit war der Kläger als Lagerist, Bodenleger und Verkäufer tätig; seit 1989 bezieht er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufsschadensausgleich und Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit lehnte das Versorgungsamt München II mit Bescheid vom 22.07.1982 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, während der Zeit vom 01.01. bis 30.06.1975 habe der Kläger Übergangsgeld nach dem BVG bezogen, so dass eine für diesen Zeitraum durch die Arbeitsunfähigkeit entstandene vorübergehende Einkommenseinbuße mit der Gewährung des Übergangsgeldes ausgeglichen sei. Vorübergehende Lohneinbußen durch Arbeitsunfähigkeit begründeten keinen Anspruch auf eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG. Berufsschadensausgleich stehe dem Kläger für diesen Zeitraum schon wegen der fehlenden Schwerbeschädigteneigenschaft nicht zu. Für den Zeitraum vom 01.07.1975 bis 19.07.1976 sowie für die Zeit der anschließenden Berufsfindungsmaßnahme bis zum 30.07.1976 sei ein Anspruch auf einkommensabhängige Leistungen sowie auf MdE-Erhöhung gemäß § 29 BVG abzulehnen. Für die Zeit zuvor, in der es aus verschiedenen Gründen zu einer Verzögerung des Beginns der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme gekommen sei, bestehe ein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, die gewährt worden sei. Für die Zeit der beruflichen Umschulung bestehe kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bzw. Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG, wie bereits bindend im Bescheid vom 03.01.1978 entschieden worden sei. Ein für die Zeit nach Abbruch der Umschulungsmaßnahme geltend gemachter Einkommensverlust sei nicht mehr auf die anerkannten Wehrdienstbeschädigungsfolgen zurückzuführen. Denn die beabsichtigte Umschulung zum Bürokaufmann hätte sowohl eine sozial gleichwertige Beschäftigung gegenüber dem ursprünglich gewählten Beruf dargestellt, als auch keinen Einkommensverlust mehr bedingt. Nachdem die begonnene Umschulung aus Verschulden des Klägers abgebrochen worden sei, könne eine nunmehr vorliegende Einkommenseinbuße nicht den Wehrdienstbeschädigungsfolgen angelastet werden.

Weitere Anträge des Klägers auf Gewährung von Berufsschadensausgleich bzw. Höherbewertung der MdE lehnte das zuständig gewordene Versorgungsamt Koblenz mit Bescheid vom 07.10.1988 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Kläger zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen seien nicht abgeschlossen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.1989 zurück, da nach Auswertung zahlreicher ärztlicher Befundunterlagen Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation aus Gesundheitsgründen nicht auf Dauer wegen Unzumutbarkeit oder mangelnder Erfolgsaussicht ausgeschlossen seien.

Im Dezember 1992 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich, Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs 2 BVG sowie auf Neufeststellung u.a. wegen eines nach dem Explosionsunglück eingetretenen psychischen Leidens. Das Versorgungsamt Koblenz holte Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. J sowie des Zahnarztes Dr. I ein, zog das Gutachtensheft der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz bei und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 20.07.1993 Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag.

Nach versorgungsärztlicher Beteiligung lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 27.09.1993 den Antrag auf Erhöhung der MdE nach 30 Abs. 2 BVG und mit Bescheid vom 02.04.1993 den Neufeststellungsantrag wegen Verschlimmerung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die LVA habe dem Kläger wegen schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen vorzeitige Rente gewährt. Die eingetretene Erwerbsunfähigkeit beruhe auf einer nicht wehrdienstbedingten abnormen Persönlichkeitsentwicklung mit psychogenen Lähmungserscheinungen, während der anerkannten Wehrdienstbeschädigung für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit keine zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung im Vergleich zu den schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen zugeschrieben werden könne. Auch habe der Kläger nicht wegen der Schädigung weder die angestrebte noch eine sozial gleichwertige berufliche Stellung erreicht. Eine Umschulung sei im Jahr 1977 aus eigenem Verschulden des Klägers heraus abgebrochen worden. Weitere Reha-Maßnahmen seien aufgrund des persönlichen Verhaltens des Klägers und der später sich immer stärker auswirkenden wehrdienstunabhängigen Gesundheitsstörungen nicht mehr durchgeführt worden. Sein Absinken in einen sozial minderwertigen Beruf sei daher nicht auf die Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen, da der zunächst angestrebte und dem Kläger angebotene Umschulungsberuf zum Bürokaufmann eine sozial gleichwertige Stellung im Vergleich zu seinem Lehrberuf dargestellt habe.

Mit Bescheid vom 28.09.1993 lehnte das Versorgungsamt Koblenz den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab, da die Rehabilitation aufgrund eigenen Verhaltens des Klägers abgebrochen worden sei und spätere berufliche Reha-Maßnahmen wegen der wehrdienstunabhängigen Gesundheitsstörungen nicht mehr erfolgversprechend gewesen seien. Die nunmehr festgestellte Erwerbsunfähigkeit beruhe zumindest weit überwiegend auf schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.1994 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.09. und 28.09.1993 zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, die anerkannte Handverletzung links sei nicht ursächlich für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Wie sich aus den im Rentenverfahren eingeholten neuropsychiatrischen Gutachten des Dr. L vom 04.04.1990 und 26.02.1991 ergebe, komme den anerkannten Schädigungsfolgen nicht die Bedeutung einer zumindest gleichwertigen Ursache für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zu, weil das Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die psychischen Störungen sowie die abnorme Persönlichkeitsentwicklung im Wesentlichen schädigungsunabhängig so reduziert gewesen sei, dass es die Erwerbsunfähigkeitsrente begründet habe. Auch seien die Schädigungsfolgen nicht die Ursache dafür, dass der Kläger nach der Schädigung keinen sozial gleichwertigen Beruf ausgeübt habe. Es seien ihm immer wieder Umschulungsmaßnahmen angeboten worden, die er aber aus eigenem Verschulden unterbrochen bzw. abgebrochen habe. Dies könne den Schädigungsfolgen nicht angelastet werden. Zudem liege auch keine schädigungsbedingte Lücke im Versicherungsverlauf vor, die darauf schließen ließe, dass heute eine geringere Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt werde. Schädigungsunabhängige Gründe hätten überwiegend dazu beigetragen, dass der Kläger keinen sozial gleichwertigen Beruf ausgeübt habe. Hinweise auf einen schädigungsbedingt verhinderten beruflichen Aufstieg lägen ebenfalls nicht vor.

Im Januar 1998 beantragte der Kläger im Wege des Zugunstenverfahrens die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Er teilte mit, ohne die Verletzung bei der Bundeswehr hätte er in seinem erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur die Handwerksmeisterprüfung bestehen können. Ohne die Schädigungsfolgen wäre es auch nicht zu dem Ausbruch der psychischen Erkrankung gekommen, so dass eine Weiterarbeit im erlernten Beruf nach der Bundeswehrzeit jederzeit möglich gewesen wäre. Er sei überwiegend wegen der psychischen Beschwerden aus der beruflichen "Bahn" geworfen worden, weshalb eine weitere berufliche Ausbildung nicht mehr möglich und auch eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme von vornherein aussichtslos gewesen sei. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er deshalb in seinem erlernten Beruf einen Aufstieg erlebt oder und sich zum Handwerksmeister qualifizieren oder Berufssoldat werden können. Zudem beständen bei ihm eine Bauch- und Hodenverletzung, die zur Zeugungsunfähigkeit geführt hätten und deren Zusammenhang mit der Schädigung zu prüfen sei.

Den Antrag lehnte das Versorgungsamt Koblenz mit Bescheid vom 08.06.1998 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Bescheid vom 28.09.1993 sei zu Recht die Gewährung von Berufsschadensausgleich abgelehnt worden. Die nunmehr angeführten Überlegungen, insbesondere, der Kläger hätte ohne die Schädigungsfolgen eine Handwerksmeisterprüfung ablegen können, basierten lediglich auf Vermutungen. Diesbezügliche Hinweise, Unterlagen oder Bestrebungen lägen nach Aktenlage nicht vor. Eine bloße Vermutung oder Möglichkeit reiche nicht aus, Hinweise auf eine konkrete berufliche Weiterqualifizierung zu ersetzen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.1999 zurück, da die anerkannten Schädigungsfolgen an der linken Hand bzw. am linken Unterschenkel nicht ursächlich für das Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben gewesen seien. Auch die jetzt erstmals geltend gemachte Bauch- bzw. Hodenverletzung sei nicht auf die Schädigung zurückzuführen. Denn nach dem truppenärztlichen Gutachten vom 06.05.1974 sei eine entsprechende Schädigung nicht dokumentiert.

Im vor dem Sozialgericht Koblenz durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht das Gutachtensheft der LVA Rheinland-Pfalz beigezogen sowie ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. M von Amts wegen eingeholt.

Der Sachverständige hat den Kläger im August 1999 untersucht und ist zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe eine einfache Persönlichkeitsstruktur mit bereits in der Kindheit einsetzender konversionsneurotischer Fehlentwicklung, wie sie in mehreren Vorgutachten eindeutig dokumentiert sei, die sich sowohl in dem Auftreten psychogener Lähmungen der Beine sowie Sensibilitätsstörungen am gesamten Körper, aber auch in multiplen anderen psychosomatischen Beschwerden äußere. Bereits vor dem Explosionstrauma seien eine impulsive, ungeduldige Persönlichkeit sowie ein erhöhter Alkoholkonsum dokumentiert gewesen. Nunmehr bestehe beim Kläger eine zunehmende Entschädigungsneurose. Da bei dem Explosionstrauma vom 23.11.1973 keine Kopfverletzungen eingetreten und dokumentiert worden seien, sei ein Zusammenhang mit einem ohnehin eher unwahrscheinlichen cerebralen Krampfleiden ausgeschlossen. Insgesamt gebe es keinen Anhaltspunkt einer engen Kausalität zwischen dem Explosionstrauma und den jetzigen Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet. Die Hauptursache der Berentung liege daher in der Konversionsstörung nebst einer chronischen abnormen Grundstruktur mit erkennbaren sozialen Absicherungstendenzen, wobei erst an zweiter Stelle die Verletzungsfolgen der linken Hand gestanden hätten. Betrachte man den gesamten Verlauf der Erkrankung, ergäben sich im Übrigen nicht einmal Hinweise einer wesentlichen vorübergehenden Beeinflussung des Leidens durch das erlittene Explosionstrauma.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.06.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung eines Zugunstenbescheids zu, da die Bescheide vom 27.09.1993 und 28.09.1993 nicht rechtswidrig seien. Zwar habe der Kläger zweifellos durch die Berentung im Jahre 1988 einen Einkommensverlust erlitten. Allerdings sei die Berentung wegen einer psychogenen Fehlhaltung erfolgt, wovon der Sachverständige Dr. M ebenfalls ausgegangen sei. Dem Schädigungsleiden komme neben der psychischen Störung keine gleichwertige Mitursache bei der Berentung zu. Der Beklagte habe seinerzeit zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen des Fingerschadens seinen erlernten Beruf nicht mehr habe ausüben können und dem Kläger daher unter Beachtung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Rente" eine berufliche Umschulungsmaßnahme angeboten, welche aus alleinigem Verschulden des Klägers gescheitert sei. Weitere Umschulungsmaßnahmen seien wegen der schwerwiegenden psychischen Störung und des Rentenbegehrens des Klägers von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen. Nachdem aber die psychische Störung die wesentliche Ursache der Berentung sei, die selbst keine Schädigungsfolge darstelle, sei der Kläger wegen einer Nichtschädigungsfolge aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Das psychische Leiden könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die Explosionsverletzung ursächlich zurückgeführt werden, wie es sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. M ergebe. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust oder eine schädigungsbedingte besondere berufliche Betroffenheit lägen somit nicht vor.

Am 24.07.2001 hat der Kläger gegen den ihm am 26.06.2001 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

die Schädigungsfolgen stellten eine zumindest annähernd gleichwertige Mitursache für den Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit dar. Die psychischen Störungen seien erst im Zusammenhang mit der im November 1973 erlittenen Explosion entstanden, so dass diese auf die Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen seien. Auch sei unstreitig, dass er wegen des Fingerleidens seinen erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur nicht mehr ausüben könne. Ohne die Schädigungsfolgen- und falls er nicht bei der Bundeswehr geblieben wäre- hätte er im erlernten Beruf die Handwerkermeisterprüfung bestehen können, wogegen nichts spreche. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der für ihn vom Vormundschaftsgericht bestellte Personensorgeberechtigte seinerzeit ein selbständiger Handwerksmeister gewesen sei. Da auch die psychischen Störungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen seien, seien die beruflichen Umschulungsmaßnahmen nicht aus seinem alleinigen Verschulden gescheitert.

Im Übrigen müsse auch die Bauch- und Hodenverletzung, die zur Zeugungsunfähigkeit geführt habe, als Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, die er sich während einer Schießübung zugezogen habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 21.06.2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 08.06.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Rahmen eines Zugunstenbescheids Versorgung nach einer höheren MdE nach § 30 Abs 2 BVG und Berufsschadensausgleich zu gewähren sowie als weitere Schädigungsfolgen psychisches Leiden, Bauch- und Hodenverletzung anzuerkennen und höhere Versorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und nimmt zur Begründung Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (Az.: 420839), der WDB-Akte des Wehrbereichsgebührnisamtes V (PKZ 180252-S-61422), der Archivakte des Sozialgerichts Koblenz (Az.: S 9SB 150/99) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, da dem Kläger kein Anspruch auf Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen (Bauch- und Hodenverletzung), Berufsschadensausgleich oder Gewährung höherer Versorgung nach § 30 Abs. 2 BVG zusteht.

1.

Soweit der Kläger die Anerkennung einer Bauch- und Hodenverletzung mit eingetretener Zeugungsunfähigkeit begehrt, richten sich die Voraussetzungen für die beantragte Anerkennung der weiteren Schädigungsfolgen bzw. einer höheren MdE nach § 48 des Sozialgesetzbuchs -Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung liegt vor, wenn seit dem Erlaß des bindenden Bescheids entweder in den anerkannten Schädigungsfolgen eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist und/oder neue, weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten sind, die auf schädigende Einwirkungen i.S.d. § 81 Abs. 1 SVG oder die bereits anerkannten Schädigungsleiden zurückzuführen sind. Wesentlich i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X ist eine Änderung nur dann, wenn sich dadurch die MdE um mindestens 10 vH ändert.

Es müssen die objektiven Befunde, die der letzten verbindlichen Verwaltungsentscheidung (hier: Bescheid vom 02.05.1984) zugrunde gelegen haben, mit den heutigen Befunden verglichen werden. Ergibt sich daraus eine Verschlimmerung einer anerkannten Schädigungsfolge, so muß festgestellt werden, ob auch die Verschlimmerung auf schädigende Einwirkungen i.S.d. SVG zurückzuführen ist. Für diese Feststellung genügt nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, die dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang mit schädigenden Einwirkungen i.S.d. SVG spricht. Bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs ist die Wahrscheinlichkeit nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung zu ermitteln. Sie findet u.a. Ausdruck in den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebenen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, die ständig überarbeitet werden und zuletzt 1996 neu bekannt gemacht worden sind.

Die Beweiserleichterung der Wahrscheinlichkeit gilt aber nur für den Ursachenzusammenhang. Alle übrigen anspruchsbegründenden Tatsachen, z.B. das Vorliegen einer Schädigung bzw. der Eintritt der Verschlimmerung, müssen bewiesen sein, so daß sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen verschaffen kann. Diesbezüglich dürfen keine im Einzelfall liegenden vernünftigen Zweifel bleiben. Bestehen solche Zweifel, trägt der Kläger die objektive Beweislast (vgl. BSGE 30, 121, 123). Dieser Grundsatz besagt, dass in dem Fall, in welchem trotz Aufklärung des Sachverhalts die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht ohne vernünftige Zweifel festgestellt werden können, grundsätzlich derjenige die Folgen dieser Unaufklärbarkeit zu tragen hat, der sich auf diese Tatsachen beruft, um einen Anspruch geltend zu machen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 103 Rd. 19 mwN; BVerwGE 45, 131 f). Denn einen Grundsatz "im Zweifel für den Anspruchsteller" gibt es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte können die hier geltend gemachten Gesundheitsstörungen Bauch- und Hodenverletzung nicht als weitere Wehrdienstbeschädigungsfolgen anerkannt werden. Wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 06.01.1999 zu Recht ausgeführt hat, ist schon eine solche Verletzung im Zusammenhang mit dem Wehrdienst und damit die Schädigung selbst nicht nachgewiesen. Der Kläger wurde nach seiner Explosionsverletzung im Wehrdienst mehrfach untersucht, ohne dass in den truppenärztlichen Gutachten Hinweise auf eine Bauch- oder Hodenverletzung aufgeführt sind. Andere beweisende Unterlagen befinden sich auch nicht in den beigezogenen Verwaltungsakten des Wehrbereichsgebührnisamtes, in denen sämtliche während der Dienstzeit des Klägers bei der Bundeswehr stattgefundenen Behandlungen dokumentiert sind.

Nachdem schon eine Schädigung nicht nachgewiesen ist, kann erst recht keine Schädigungsfolge anerkannt werden, so dass sich Fragen der Kausalität nicht stellen.

2.

Das als weitere Schädigungsfolge geltend gemachte psychische Leiden ist ebenfalls nicht als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen.

Nachdem das Versorgungsamt Koblenz bereits mit Bescheid vom 02.04.1993 bindend die Anerkennung von psychischen Folgen des Explosionsunglückes abgelehnt hatte, ergeben sich die Voraussetzungen der jetzt erneut geltend gemachten Anerkennung aus § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Dabei gelten die gleichen allgemeinen Verfahrens- und Beweislastregeln wie für die Erstfeststellung. Denn Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist nicht eine Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Eintritt der nach § 77 SGG von allen Beteiligten zu beachtenden Bindungswirkung des nicht begünstigenden Verwaltungsakts, sondern die Auflösung einer Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten der letzteren. Im Falle der Nichtfeststellbarkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache trägt derjenige die objektive Beweislast, der sich auf diese Tatsache beruft (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44).

Es liegen keine objektiven Hinweise vor, wonach der Beklagte im bindenden Bescheid vom 02.04.1993 zu Unrecht die Anerkennung eines psychischen Leidens als Wehrdienstbeschädigungsfolge nach § 81 SVG abgelehnt hat. Vielmehr hat auch das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten des Dr. M vom 27.09.1999 ergeben, dass die beim Kläger bestehende konversionsneurotische Störung mit chronisch abnormer Grundstruktur nicht wesentlich auf die Schädigung oder Schädigungsfolgen zurückzuführen ist. Die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen stimmen mit den Erkenntnissen der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung überein (vgl. Anhaltspunkte 1996, S. 251). Danach stellen sich Neurosen als Ergebnis einer bis in die früheste Kindheit zurückgehenden seelischen Fehlentwicklung dar. So verhält es sich auch beim Kläger, bei dem die Krankheit ihren Anfang bereits im frühen Kindesalter mit einer äußerst belastenden Biografie und dokumentierten Verhaltensstörungen begonnen hat.

3.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich im Zugunstenverfahren zu, da die entsprechenden Anträge des Klägers in der Vergangenheit nicht zu Unrecht abgelehnt worden sind.

Für die Zeit von Dezember 1977 nach Abbruch der beruflichen Rehabilitation bis 1988, über die in den Bescheiden vom 22.07.1982 und 07.10.1988 entschieden wurde, steht dem Kläger kein Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 ff BVG in den damals geltenden Fassungen zu, da kein schädigungsbedingter Einkommensverlust festgestellt werden kann.

Nach § 30 Abs. 3 BVG in den damals geltenden Fassungen erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von zunächst 4/10 und ab dem 01.01.1987 nach dem 15. AnpG-KOV von 42,5 vH des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Einkommensverlustes. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (=derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG). Wie sich das Vergleichseinkommen berechnet, ist in Abs. 5 des § 30 BVG geregelt. Danach errechnet sich das Vergleichseinkommen (aus Satz 1) nach (Einzelheiten regelnden) Abs. 5 Sätze 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.

Bis 1988 hat der Kläger keinen schädigungsbedingten Einkommensverlust erlitten, wie der Beklagte zu Recht in den Bescheiden vom 22.07.1982 und 07.10.1988 entschieden hat.

Zwar konnte der Kläger seinen Lehrberuf nicht mehr ausüben. Durch die wehrdienstbedingte Schädigung wurde er –wie unstreitig ist– aus dem Beruf eines Gas- und Wasserinstallateur-Gesellen verdrängt. Der Senat hat keine Veranlassung anzunehmen, der Kläger hätte ohne die Schädigung einen anderen Beruf ergriffen. Wenn der Kläger nunmehr vorträgt, er hätte ohne die Schädigungsfolgen in seinem erlernten Beruf den Meisterabschluss erreicht, so dass sich ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich ergebe, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Es liegen keinerlei konkrete Indizien vor, die dem Senat den Prognoseschluss auf einen entsprechenden Berufserfolg (vgl. BSG, Urteil vom 29.07.1998, Az.: B 9 V 10/97 R) erlauben würden. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger die Gesellenprüfung im praktischen Teil mit befriedigend und im theoretischen Teil mit ausreichend bestanden hatte, was nicht für herausragende Begabung oder Leistung spricht. Zudem verfügte der Kläger nach dem für den Eingliederungsvorschlag des Arbeitsamtes München erstatteten psychologischen Gutachten des Dipl. Psych. R vom 19.10.1976 seinerzeit nicht über mehr als durchschnittliche Kenntnisse in den Fächern Deutsch und Rechnen, die für eine Tätigkeit als Meister besonders wichtig gewesen wären. Auch hat der Kläger im Antrag vom 05.04.1993, in dem er seinen beruflichen Werdegang geschildert hat, nicht angegeben, er habe sein angestrebtes Berufsziel nicht erreicht. Die entsprechende Frage im Formular hat er vielmehr durchgestrichen, was dagegen spricht, dass er ein anderes Berufsziel, etwa das eines Meisters, angestrebt hatte. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Schädigung in seinem erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur-Geselle weiterhin tätig gewesen wäre.

Der Kläger hat somit zwar seinen Beruf durch die Schädigung verloren; dennoch steht ihm kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zu. Denn der Verlust des Berufes stellt nur eine von mehreren Voraussetzungen des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich dar. Beim Kläger fehlte es an der weiteren Voraussetzung, dass im Vergleich zwischen dem möglichen Einkommen aus dem ehemaligen Beruf (sog. Hätte-Beruf) und demjenigen aus dem tatsächlich ausgeübten Beruf (sog. Ausweichberuf) eine Differenz im Sinne eines Schadens bestanden hat, der auf die Schädigung bzw. deren Folgen kausal zurückzuführen ist.

Der Kläger hat nach der Schädigung bis 1988 als Lagerist, Bodenleger und Verkäufer gearbeitet. Der Senat lässt dahinstehen, ob er in dieser Zeit in den genannten Berufen im Vergleich zum Hätte-Beruf eines Gas- und Wasserinstallateurs einen Schaden erlitten hat. Denn selbst wenn das der Fall wäre, könnte ein solcher Einkommensverlust nicht den Schädigungsfolgen angelastet werden. Dies stellt aber eine Voraussetzung für die Gewährung von Berufsschadensausgleich dar.

Denn Berufsschadensausgleich wird nach § 30 Abs. 3 BVG nur gewährt, wenn das Einkommen des Beschädigten "durch die Schädigungsfolgen gemindert ist". Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung (ständige Rechtsprechung, vgl. schon BSGE 1, 72, 76; 1, 105; BSG, Urteil 29.07.1998, Az: B 9 V 10/97 R; Hansen, Berufsschadensausgleich, S. 27 ff mwN). Wesentliche Ursache in diesem Sinn ist nur diejenige Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn (sog. "conditio sine qua non"), die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zum Erfolg beigetragen haben, ist jede von ihnen Ursache i.S. des Versorgungsrechts (BSG, Urteil vom 28.05.1997, Az.: 9 RV 25/95, VersorgVerw 1998, S.13). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die vom Kläger bis 1988 ausgeübten Berufe können schon deshalb nicht als Vergleichsberufe herangezogen werden, weil der Kläger diese Berufe nicht wegen der Schädigung ergriffen hat. Vielmehr hat er aufgrund eigenen Fehlverhaltens eine ihm angebotene und von ihm begonnene Umschulung zum Bürokaufmann während der Vorförderung abbrechen müssen. Wäre diese Umschulung erfolgreich gewesen, hätte der Kläger in dem neuen Beruf ein zumindest gleich hohes Einkommen wie im ursprünglichen Beruf als Gas- und Wasserinstallateur erzielen können, so dass ein beruflicher Schaden nicht bestanden hätte. Das ergibt sich aus der Gegenüberstellung der vom BMA bekannt gemachten und jährlich aktualisierten Tabellen der Vergleichseinkommen zur Feststellung des Berufsschadensausgleichs. Dass der Kläger die Ausbildung nicht erfolgreich abschließen konnte, war nicht den Schädigungsfolgen anzulasten, sondern beruhte allein auf seinem schädigungsunabhängigen Fehlverhalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Ausbildung nicht hätte erfolgreich ablegen können, liegen nicht vor.

Damit war das Nichterreichen des Berufes eines Bürokaufmanns als sog. Nachschaden i.S. des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG i.d.F. des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG –HStruktG vom 18.12.1975 (BGBl. I S. 3113; seit dem 01.01.1982: § 30 Abs. 6 BVG) anzusehen. Diese Vorschrift besagt: Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne den Nachschaden angehören würde. Welche Einwirkungen und Ereignisse für den Nachschaden in Betracht kommen, ist im einzelnen im Gesetz nicht angeführt. Sie müssen nach dem Gesetzeswortlaut lediglich nachträglich und schädigungsunabhängig sein. Als besonderes Beispiel führt das Gesetz das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung an. Als weiterer typischer Nachschadensfall wird aber schon im Gesetzentwurf wie auch in der Rechtsprechung und in der Literatur das eigene unvernünftige Verhalten des Beschädigten angesehen, das nicht durch die Gewährung von Berufsschadensausgleich zu Lasten der Allgemeinheit gefördert werden soll (vgl. schon BSG, Breith. 1983, S. 626; Hansen, Berufsschadensausgleich, S. 88 f mwN).

Der durch das Nichterreichen des Abschlusses als Bürokaufmann eingetretene Einkommensverlust war somit nicht mehr auf die Schädigungsfolgen, sondern auf schädigungsfremde und nicht im Rahmen des Berufsschadensausgleichs zu berücksichtigende Faktoren zurückzuführen.

Für die Zeit ab dem 01.01.1989 steht dem Kläger ebenfalls kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zu. Insoweit hat der Beklagte im Bescheid vom 28.09.1993 zu Recht den Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufsschadensausgleich wegen der von der LVA gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt. Denn die von der LVA anerkannte Erwerbsunfähigkeit beruhte nach den hierzu eingeholten Gutachten des Dr. L vom 04.04.1990 und 05.03.1991 seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im September 1988 auf einer groben psychischen Fehlhaltung, die in einer psychogenen hochgradigen Teilparese seiner Beine gipfelte. Diese stellte eine schädigungsunabhängige Erkrankung dar, wie oben bereits ausgeführt.

3.

Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG zu, wie mit bindenden Bescheiden vom 22.07.1982, 07.10.1988 und 27.09.1993 zu Recht entschieden worden ist.

Nach § 30 Abs. 2 BVG i.d.F. vom 22.01.1982 ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er

a) infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,
b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder
c) infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Von diesen Alternativen könnte im vorliegenden Fall allenfalls diejenige des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a BVG in Betracht kommen. Aber auch dessen Voraussetzungen lagen nicht vor, wie der Beklagte zu Recht mehrfach entschieden hatte.

Dabei kam eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 1975 schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. Denn mit der Behandlung und Ausheilung eines Schädigungsleidens sind je nach der Schwere der Erkrankung, die nach § 30 Abs. 1 BVG zu berücksichtigen ist, in der Regel zunächst längere Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses und im Gefolge davon unvermeidbare Nachteile im Berufsleben verbunden. Diese begründen darum keine besondere berufliche Betroffenheit. Vielmehr ist dieser Umstand in die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 Abs. 1 BVG einbezogen (vgl. BSGE 21, 263).

Für die der Arbeitsunfähigkeit folgende Zeit der Berufsfindungsmaßnahme bis zum Abbruch am 07.11.1977 durfte der Beklagte einen Anspruch auf MdE-Erhöhung gemäß § 29 BVG ablehnen. Nach dieser Bestimmung entstand ein Anspruch auf Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 30 Abs. 2 BVG, wenn Maßnahmen zur Rehabilitation erfolgversprechend und zumutbar waren, frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen wurden. Da dem Kläger von Beginn an solche Maßnahmen angeboten wurden, käme eine MdE-Erhöhung wegen § 29 BVG erst mit der Beendigung der Berufsfindungsmaßnahme ab Dezember 1977 in Betracht.

In der Folgezeit konnte der Kläger zwar unstreitig weder seinen erlernten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben. Jedoch scheiterte eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a BVG daran, dass kein (hinreichend) wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Wehrdienstbeschädigung und dem beruflichen Schaden besteht. Die auch hier erforderliche Wahrscheinlichkeit ist zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen den Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49). Haben dagegen überwiegend schädigungsunabhängige Faktoren das Erreichen des angestrebten Berufsziels verhindert, scheidet eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG aus, weil der Betroffene dann nicht "infolge der Schädigung" (§ 30 Abs. 2 Satz 2 BVG) gehindert ist, den nachweisbar angestrebten Beruf auszuüben. Dabei ist der Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als der hypothetische Kausalverlauf beim Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG (BSG, Urteil vom 28.05.1997, Az: 9 RV 25/95 mwN).

Deshalb durfte das Versorgungsamt München II zu Recht mit Bescheid vom 22.07.1982 den Antrag des Klägers auf Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG ablehnen. Gleiches gilt für den Bescheid des Versorgungsamts Koblenz vom 07.10.1988.

Auch der Bescheid des Versorgungsamts Koblenz vom 27.09.1993, mit dem u.a. ein Antrag auf Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt wurde, ist nicht zu beanstanden. Denn die LVA hatte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wegen einer abnormen Persönlichkeitsentwicklung mit psychogenen Lähmungserscheinungen gewährt, die aber wie oben ausgeführt keine Schädigungsfolgen darstellt. Der durch dieses Leiden und die darauf beruhende Erwerbsunfähigkeit herbeigeführte Schaden ist deshalb nicht "infolge der Schädigung" (§ 30 Abs. 2 Satz 2 BVG) eingetreten.

Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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