L 2 U 190/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 U 190/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3.4.2001 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Überweisung des E B , W (Zweigniederlassung) zur beigeladenen Lederindustrie-Berufsgenossenschaft (BG) hat.

Das E B GmbH in W wurde 1948 in das Handelsregister eingetragen. In einer unter dem 19.7.1951 gegenüber der Beklagten abgegebenen Betriebsbeschreibung teilte diese Firma mit, dass bei ihr Kunststoff-, Weich- und Hartfolien aller Art aus PVC und verschiedenen Weichmachern hergestellt würden. Das Werk in W wurde in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten aufgenommen.

Die Firma R GmbH nahm in W am 1.10.1946 ihren Betrieb auf. Sie ging aus der Firma C H AG in W hervor (Schr v Dezember 1953). Auf dem Gelände dieser Lederfabrik wurden Kunststofffolien als Ersatz für das knapp gewordene Leder produziert.

Seinerzeit wurde geprüft, ob das Unternehmen in die Zuständigkeit der Beklagten oder in diejenige der Beigeladenen fiel. In einer Stellungnahme für die Beigeladene vom Dezember 1946 führte deren TAD aus: Bei den von der Firma R GmbH verwendeten Werkstoffen handele es sich offenbar um Werkstoffe, die auf Igelit-Basis erzeugt würden, also um ein rein chemisches Produkt, bei dem keinerlei Lederabfälle Verwendung fänden. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Beklagte zuständig. Andererseits seien jedoch verschiedene Kunstlederfabriken, die Ersatzstoffe auf Gummigrundlage herstellten, bei der Beigeladenen versichert bzw als fremdartige Nebenunternehmen in Mitversicherung genommen worden, um zu vermeiden, dass eine Firma Mitglied von zwei BG´en sei.

Die Firma R GmbH wurde mit Wirkung ab 1.10.1947 in das Unternehmerverzeichnis der Beigeladenen aufgenommen. Die Veranlagung zum Gefahrtarif erfolgte mit den Gewerbezweigen "Kunstlederfabrik" und "kaufmännischer und verwaltender Teil".

Im Dezember 1952 setzte die Beklagte die Beigeladene in Kenntnis, ihre Zuständigkeit dürfe gegeben sein, da in der Firma R GmbH in W Kunststoffe erzeugt würden. Daraufhin teilte die Beigeladene der Beklagten mit: Die für die Herstellung von Kunstleder (Plastik) erforderlichen Rohstoffe (eine pulverförmige Masse) würden von fremden Firmen bezogen und von der Klägerin zu Kunstleder ausgewalzt. Das fertige Kunstleder werde anschließend an Leder verarbeitende Betriebe zur Herstellung von Damentaschen, Kollegmappen usw verkauft. Bei dieser Sachlage halte sie, die Beigeladene, ihre Zuständigkeit für gegeben.

Die Firma R GmbH machte im Dezember 1953 der Beigeladenen gegenüber geltend, die Zuständigkeit der Beigeladenen sei durch die innerbetrieblichen Zusammenhänge mit der Firma C H AG, die deren Mitglied sei, begründet. Im Dezember 1956 gab die Firma R GmbH an, sie sei ein Kunststofflederbetrieb, der sich mit der Herstellung von Plastikfolien, Kunstleder und Fußbodenbelag befasse.

Im April 1958 erklärte die Beklagte der Beigeladenen: An sich falle die Firma R GmbH in ihre Zuständigkeit. Nur mit Rücksicht darauf, dass die Beigeladene für die Firma C H AG zuständig sei, habe sie seinerzeit ihren Antrag auf Überweisung nicht weiter verfolgt. Das nun zutage getretene Bestehen einer Tochtergesellschaft der Klägerin, der Firma R K GmbH in W , mache eine nähere Überprüfung erforderlich. Diese Firma war wegen der zunehmenden Aktivitäten in der Polyethylenverarbeitung gegründet worden.

Anlässlich einer Besichtigung im September 1958 wurde in einem Aktenvermerk von einem Mitarbeiter der Beigeladenen festgehalten: Die Firma R GmbH "gehöre" jeweils zur Hälfte der Firma M in K und der Firma C H in W ; ein Anspruch der Beklagten auf Überweisung sei nicht gerechtfertigt.

Im Dezember 1961 schrieb ein Mitarbeiter der Beigeladenen in einem Aktenvermerk, die Firma R GmbH befasse sich neben der Herstellung von Kunstleder und Folien mit der Verarbeitung von Kunststoffen.

1968 (Gewerbeanmeldung ab 1.7.1968) eröffnete die Firma R GmbH ein Zweigwerk in S ; dieses wurde in die Versicherung durch die Beigeladene übernommen. 1999 erwarb die Firma R GmbH die Firma T S Folien GmbH & Co KG, die Mitglied der Beklagten war; dieses Werk führte sie als Zweigwerk in F weiter. Nach diesem Kauf änderte sich der Firmenname in "R F GmbH & Co KG" – Klägerin -.

Im Dezember 1980 erklärte die E B GmbH der Beklagten, Gesellschafterin ihres Unternehmens sei jetzt die Firma R GmbH W.

Im Juli 1998 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Sitz der E B GmbH sei im Juni 1998 nach W verlegt und der Name zum 1.7.1998 in R -WerkeGmbH geändert worden. Zu diesem Zeitpunkt seien Produktionsstätten in S und W in die Gesellschaft eingebracht worden. Gegenstand der GmbH blieben unverändert die Herstellung und der Vertrieb von Weich- und Hartfolien. Die Bezeichnung für die Produktionsstätte in W laute jetzt "R GmbH, Zweigniederlassung W ". Später wurde ergänzt, Grund sei eine Umstrukturierung in eine Holdinggesellschaft gewesen (Schreiben vom September 1998).

Mit Bescheid vom 16.10.1998 lehnte die Beklagte die Überweisung der Firma R GmbH hinsichtlich ihres Werkes in W an die Beigeladene ab, da nach wie vor ihre sachliche Zuständigkeit gegeben und keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Übernahme der Betriebsstätte in W durch die Firma R GmbH stelle lediglich einen Unternehmerwechsel dar, der keine Überweisung an eine andere BG rechtfertige.

Heute gehören zu der Klägerin - Firma R -Werke GmbH & Co KG - Werke in W , W , S und F. Konzernzugehörig sind auch Werke in Spanien, Norwegen, den USA und Südafrika. Die R -Unternehmensgruppe ist an über 30 Standorten präsent. Die Firmen R H GmbH und R AG wurden im August 1998 bzw August 1999 in das Unternehmerverzeichnis der Beigeladenen aufgenommen.

Im Handelsregister ist hinsichtlich des Werks in W als Gegenstand eingetragen: "die Herstellung und der Vertrieb von Weich- und Hartfolien". Bei der Firma R GmbH lautet der Eintrag: "die Herstellung und der Vertrieb von Kunststoffprodukten aller Art, namentlich PVC Weich-, Halbhart- und Hartfolien sowie Folien aus Polyolefinen (Polypropylen und Polyethylen-Folien) für verschiedene Anwendungsbereiche, insbesondere die Oberflächenveredelung, technische und industrielle Anwendungen".

Die Beigeladene vertrat in ihrem Schreiben vom Dezember 1998 die Auffassung, nach der Vereinigung der E B GmbH mit der Firma R GmbH habe die Überweisung der Zweigniederlassung W an sie, die Beigeladene zu erfolgen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.4.1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 16.10.1998 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Eine Überweisung eines Unternehmens an eine andere BG sei nur bei wesentlichen dauerhaften Veränderungen möglich, welche das Gepräge des Unternehmens dauerhaft umgestaltet hätten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Das Werk W habe seine Produktionsabläufe nicht dergestalt umgestellt, dass aus sachlichen Gründen eine Überweisung unumgänglich wäre. Denn auch nach der Betriebsübernahme würden in W Folien aus Kunststoff hergestellt. Für solche Unternehmen sei sie, die Beklagte, zweifelsfrei zuständig. Ein Gesamtunternehmen, für das nach § 131 Abs 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) der Unfallversicherungsträger des Hauptunternehmens zuständig sei, liege nicht vor. Selbst wenn man einen wirtschaftlichen Zusammenhang (einheitliche Leitung, gemeinsame Buchführung und Rechnungslegung) zwischen dem Werk in W und demjenigen in W unterstelle, fehle es an dem darüber hinaus erforderlichen betriebstechnischen Zusammenhang. Ein solcher könne insbesondere bei benachbarter Lage, wechselseitiger Beschäftigung (Personalaustausch), Verwendung derselben Betriebskraft (Energiequellen), gemeinsamen Einrichtungen (Fahrzeughaltung, Bahnanlage) und der Verarbeitung oder Weiterverarbeitung gewonnener Rohstoffe bestehen. Diese Voraussetzungen seien schon wegen der räumlichen Entfernung zwischen W und W nicht gegeben. Deshalb sei die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit des Betriebsteils W nicht im Rahmen eines Gesamtunternehmens, sondern eigenständig zu betrachten. Unabhängig davon biete ihr (der Beklagten) TAD für den Standort W eine optimale Betreuung im Hinblick auf die bestmögliche Unterstützung bei der Früherkennung und Beseitigung möglicher Gefahrenquellen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Die Beigeladene sei nach deren Satzung für die im Werk in W erfolgende Folienherstellung zuständig. Eine Überweisung an die Beigeladene habe außerdem deshalb zu erfolgen, weil inzwischen das Werk in W mit dem Werk in W zu einem Gesamtunternehmen iSd § 131 SGB VII zusammengeschlossen worden und für das Hauptunternehmen die Beigeladene zuständig sei. Das Vorliegen eines Gesamtunternehmens ergebe sich aus folgenden Umständen: Die selbständige Bilanz für das gesamte Unternehmen der Klägerin werde nunmehr in W erstellt. Dort würden auch die Buchhaltung, die Berechnung und Auszahlung der Gehälter, die Auftragssteuerung und der Einkauf der Rohstoffe sowie die Disposition zentral durchgeführt. Die gesamte elektronische Datenverarbeitung sei an die Zentraleinheit in W angeschlossen und habe keine Möglichkeit mehr, selbständige Programme zu erstellen oder gar anzuwenden. Auch in betriebstechnischer Hinsicht sei das Werk in W direkt an den Betrieb der Klägerin in W angeschlossen. Die ausschließliche kaufmännische und technische Leitung erfolge von W aus. Von dort würden Investitionsentscheidungen über Art und Umfang von maschinellen Einrichtungen, Verbesserungen, Änderungen und die Gestaltung des Produktionsprogramms geleitet. Die technische und auch die sicherheitstechnische Überwachung werde von W aus durchgeführt. Es würden laufend Arbeitskräfte ausgetauscht und in W geschult. Seit der Betriebsübernahme seien Produktionsverfahren und -abläufe in nicht unerheblichem Umfang umgestellt worden.

Die Beigeladene hat ausgeführt: Es werde nicht bestritten, dass die Beklagte für die Herstellung von Folien zuständig sein könne; jedoch sei für einen Teil der Folienhersteller ihre (der Beigeladenen) Zuständigkeit gegeben. Dies sei insbesondere bei den Betrieben der Fall, die in früheren Jahren Kunstleder oder Linoleum bzw ähnliche Erzeugnisse hergestellt hätten. Da die Herstellung von Kunstleder, Linoleum und ähnlichen Erzeugnissen der Herstellung von technischen Folien ähnlich sei, habe sich der Prozess von der Kunstleder- und Lineoleumherstellung zur Herstellung von Weich- und Hartfolien fließend vollzogen. Nach dem Grundsatz der Katasterstetigkeit sei der Verbleib dieser Betriebe bei der Beigeladenen korrekt. Entscheidend seien insoweit die Herstellungsweise der Erzeugnisse und die Arbeitsvorgänge.

Die Beigeladene hat eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom Dezember 1999 vorgelegt. Darin heißt es ua, bei der Herstellung von Linoleum würden die gleichen Maschinen in moderner Form, zB Walzwerke, Kalander, Mischer, Wickler usw, wie bei der Herstellung von Folien eingesetzt.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen: Es treffe zwar zu, dass es sich bei der Herstellung von Kunststofffolien um einen physikalischen und nicht um einen chemischen Vorgang handele. Daraus leite sich indes die Zuständigkeit der Beigeladenen nicht her. Ihre (der Beklagten) Zuständigkeit beschränke sich nicht auf "chemische Vorgänge". Sie verweise auf das vom Hauptverband der gewerblichen BG´en herausgegebene "Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen BG´en". Die von der Klägerin hergestellten Folien fielen unter den dort genannten Begriff "chemische Folien", hinsichtlich derer ihre (der Beklagten) Zuständigkeit bestehe. Um die gewünschten Eigenschaften und die Verarbeitbarkeit der Folienrohstoffe sowie der daraus erzeugten Folien zu gewährleisten, würden im Verarbeitungsprozess eine Vielzahl von Additiven, zB Weichmacher und Stabilisatoren, Farbstoffe und andere Zusatzrohstoffe, zugeführt. Im Verarbeitungsprozess würden die thermoplastischen, mit Additiven versehenen Kunststoffmassen bestimmungsgemäß plastifiziert bzw aufgeschmolzen, wobei es auch zu chemischen Reaktionen komme. Bei dem Gesamtkomplex Kunststoffherstellung und -verarbeitung, beginnend beim Polymerisieren über das Modifizieren hin bis zur unerwünschten Zersetzung der Kunststoffmasse im Verarbeitungsprozess, handele es sich teils um chemische, teils um chemisch-physikalische Prozesse. Dass bei der Herstellung von Folien einerseits und von Kunstleder oder Linoleum andererseits zum Teil ähnliche Maschinen eingesetzt würden, könne für die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit nicht entscheidend sein. Denn mit dieser Begründung wäre die Beklagte auch für die Herstellung von Metallfolien zuständig; diese Auffassung habe indes bisher bei den BG´en keine Verbreitung gefunden. Kunststoffe und Kunststofferzeugnisse - darunter fielen auch Kunststofffolien - seien Produkte, die keine fachlich-inhaltliche Nähe zur Lederverarbeitung bzw zur Herstellung von Wachstüchern oder von Linoleum aufwiesen. Charakteristisch für diese Produkte sei das Vorliegen eines Trägermaterials (Gewebe, Vlies oder dgl) oder zumindest ein mehrschichtiger Aufbau. Diese Gegebenheiten lägen bei den in W hergestellten Produkten nicht vor. Nach ihrer Auffassung wäre es mit dem für die gesetzliche Unfallversicherung grundlegenden Gedanken der fachlichen Gliederung der Unfallversicherungsträger unvereinbar, wenn eine für das Hauptunternehmen fachlich unzuständige BG - hier die Beigeladene - nur wegen der Bildung eines Gesamtunternehmens für ein weiteres gleichartiges Nebenunternehmen zuständig wäre.

Das Sozialgericht (SG) hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Betriebsleiter A ausführlich angehört. Dieser hat im Wesentlichen die Angaben der Klägerin bestätigt und angegeben: Im Zuge der Globalisierung sei eine Zusammenschweißung der einzelnen Werke erfolgt. Know-how-Träger sei das Werk in W. Hier erfolge die Steuerung der Technik, des Produktionsverfahrens und der Investitionen. Die technische Abteilung in W betreue alle Werke. Das Werk W wäre heute ohne die Zuweisung von Produktionen aus W mit seinen ursprünglichen Produkten nicht mehr lebensfähig.

Der Terminsvertreter der Beklagten hat erstinstanzlich vorgetragen: Die Verzahnung der Werke habe bereits in den 1980er Jahren begonnen. Daher habe es sich bei der Umstrukturierung im Jahre 1998 nicht mehr um eine grundlegende Unternehmensumgestaltung gehandelt. Der Arbeitnehmeraustausch halte sich in Grenzen.

Durch Urteil vom 3.4.2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, das Werk W an die Beigeladene zu überweisen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es stehe fest, das sich die Struktur des Unternehmens der ehemaligen E B GmbH in W grundlegend geändert habe. Das Werk in W sei mit dem Hauptwerk der Klägerin in W zu einem Gesamtunternehmen zusammengeschlossen worden und unterfalle daher der Zuständigkeit der Beigeladenen. Hinsichtlich der für das Hauptunternehmen in W zuständigen BG sei auf die formale Zuständigkeit für dieses Hauptunternehmen abzustellen, wobei diese nur dann unrichtig sei, wenn sie auf Grund eines so gröblichen Irrtums erfolgt sei, dass die Belassung bei der Beigeladenen der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde. Letzteres sei zu verneinen.

Gegen dieses ihr am 9.5.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 6.6.2001 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Klägerin hat angegeben, im Werk W seien 218 Beschäftigte, im Werk S 99 Beschäftigte, im Werk F 465 Beschäftigte und im Werk W 729 Beschäftigte tätig.

Der Senat hat ein Gutachten von Dipl-Ing F (Leiter der Regionalstelle Gewerbeaufsicht Trier, Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord) vom November 2002 eingeholt. Dieser hat eine Ortsbesichtigung der Betriebsstätte W der Klägerin durchgeführt. Er hat ausgehend davon den Fertigungsprozess in der Betriebsstätte W - identisch mit demjenigen im Werk W - beschrieben und ausgeführt: Bei der Folienherstellung würden keine Reaktionskomponenten zugemischt, die eine chemische Reaktion auslösen bzw bewirken könnten. Bei der Fertigung werde der thermoplastische Kunststoff Polyvinylchlorid nicht chemisch umgewandelt, da der Verarbeitungsprozess nur durch die physikalischen Parameter Temperatur und Druck bestimmt werde. Technologisch sei die Betriebsstätte W der Beklagten zuzuordnen. Die Zuständigkeit der Beigeladenen für die Herstellung von Kfz-Ausstattungen aus Leder, lederähnlichen Stoffen und Kunststoffen sei auf die Herstellung von PVC-Folien nicht übertragbar, da PVC-Folien nicht zur Kfz-Ausstattung dienten. Es liege eine umfassende Kompetenz der Beklagten für Präventionsmaßnahmen vor, was sich aus der jahrzehntelangen betriebs- und anlagebezogenen Verfahrenspraxis ergebe. Diese finde ihren Ausdruck auch in der Federführung im Unterausschuss "CH 9 Kunststoffverarbeitungsmaschinen (ausgenommen Spritzgussmaschinen)" des Fachausschusses "Chemie" beim Hauptverband der gewerblichen BG´en.

Die Beklagte trägt vor: Das SG habe zu Unrecht angenommen, dass die Werke W und W ein Gesamtunternehmen bildeten. Außerdem habe das SG nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene weder für das Werk W noch für das Werk W fachlich zuständig sei. Sie, die Beklagte, könne die vom SG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Angaben des Betriebsleiters in W , A , weder bestätigen noch begründet in Zweifel ziehen, da es sich hierbei um Betriebsinterna handele, in welche sie keinen Einblick habe. Aber selbst auf der Basis der Angaben von Herrn A hätte das SG das Vorliegen eines Gesamtunternehmens nicht bejahen dürfen. Zu dem insoweit erforderlichen betriebstechnischen Zusammenhang habe das SG lediglich festgestellt, es würden in begrenztem Maße Arbeitnehmer ausgetauscht und Schulungen in W durchgeführt. Tatsächlich liege aber kein "Arbeitnehmeraustausch" im Sinne der von Gesetz und Rechtsprechung geforderten "wechselseitigen Beschäftigung" vor. Es würden keineswegs Arbeitnehmer der Werke in W und W in größerer Anzahl im jeweils anderen Werk abwechselnd beschäftigt, sondern lediglich in einzelnen Bereichen Beschäftigte aus dem Werk W vorübergehend "auch im bzw für das Werk W (und umgekehrt?)" tätig. Damit fehle es an dem erforderlichen betriebstechnischen Zusammenhang. Würde von einem Gesamtunternehmen ausgegangen und sie, die Beklagte, zur Überweisung des Werks W verurteilt, würde die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit nicht aufgrund einer wesentlichen Änderung der dort vorhandenen Betriebsverhältnisse, welche die fachliche Zuständigkeit einer anderen BG nach sich ziehe, sondern nur deshalb geändert, weil das Unternehmen von einem größeren Unternehmen erworben und dort mehr oder weniger stark integriert worden sei. Käufe und Verkäufe von Unternehmen durch bzw an andere Unternehmen kämen aber in der gewerblichen Wirtschaft ständig vor. Es könne nicht angehen, dass allein aus diesem Grunde die berufsgenossenschaftliche Zuordnung zu einem Unternehmen geändert werde. Würde der Auffassung der Klägerin und der Beigeladenen gefolgt, könnten mehr oder weniger nachprüfbare und insbesondere jederzeit rückgängig zu machende Umstände zu einer dauerhaften Änderung der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit in Bezug auf das Werk W führen, obwohl dort keine zuständigkeitsrelevanten fachlichen Änderungen der betrieblichen Verhältnisse eingetreten seien. Diese Folge habe der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 131 SGB VII weder vorhergesehen noch gewollt, weil er davon ausgegangen sei, dass die fachlichen Zuständigkeiten der einzelnen BG´en abgegrenzt seien und für den Fall, dass sich zwei oder mehrere BG´en für einen Betrieb für fachlich zuständig ansähen, eine Zuständigkeitsänderung nicht eintrete. Ob aus diesen Überlegungen folge, dass § 131 SGB VII in Fällen wie dem vorliegenden im Hinblick auf eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift nicht anwendbar sei, könne offen bleiben. Jedenfalls müsse in solchen Fällen dem Grundsatz der Katasterstetigkeit ein höheres Gewicht zukommen als üblich, mit der Folge, dass von einem Gesamtunternehmen nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen auszugehen sei. Im Übrigen sei die Beigeladene für die Produktion von Kunststofffolien, wie sie in den Werken W und W betrieben werde, nicht zuständig. Dagegen sei sie, die Beklagte, sowohl nach ihrer Satzung als auch nach dem vom Hauptverband der gewerblichen BGen herausgegebenen "Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige" für die Herstellung von Kunststofffolien seit Jahrzehnten zuständig. Würde von einem in die Zuständigkeit der Beigeladenen fallenden Gesamtunternehmen ausgegangen, bestünde somit ein Konflikt zwischen zwei Grundsätzen der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit, einerseits dem Grundsatz, dass für ein Unternehmen die Fach-BG zuständig sei, weil sie die bestmögliche Unfallverhütung gewährleiste, und andererseits, dass in einem Gesamtunternehmen nur eine einheitliche berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit bestehen könne. Hinsichtlich der im angefochtenen Urteil dargelegten Auffassung, die Aufnahme des Unternehmens der Klägerin in die Versicherung durch die Beigeladene sei nicht aufgrund eines gröblichen Irrtums erfolgt und die Belassung bei dieser laufe der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht zuwider, seien dem SG Irrtümer unterlaufen. Würde man von einem Gesamtunternehmen ausgehen, würde der Standort F das Hauptunternehmen kennzeichnen. Sie, die Beklagte, vermute, dass die von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen, welche für das Vorliegen eines betriebstechnischen und wirtschaftlichen Zusammenhangs sprächen, im September 1998 "(noch) nicht" vorhanden gewesen seien. Die Herstellung von Ersatzstoffen für Leder könne die Zuständigkeit der Beigeladenen nicht begründen. Nach ihrer Auffassung sei die Zuständigkeit für die Folienherstellung wie folgt abzugrenzen: Zuständigkeit der Metall-BG´en für Metallfolienherstellung; Zuständigkeit der Beigeladenen für die Folienherstellung auf der Grundlage von Naturprodukten und Zuständigkeit der BG Chemie (Beklagte) für die Folienherstellung auf der Grundlage von chemischen Stoffen. Die Annahme, die Herstellung von PVC-Folien sei kein "chemischer Prozess", sei im Übrigen nicht zutreffend. Denn dem PVC würden bei der Folienherstellung Weichmacher, Stabilisatoren und Flammschutzmittel beigegeben, die bei der unter Druck und Wärme durchgeführten Plastifizierung chemisch reagierten. Diese Frage sei jedoch für die vorliegend zu treffende Zuständigkeitsentscheidung nicht ausschlaggebend. Entscheidend sei vielmehr, dass der Begriff "(chemische) Folien" im Alphabetischen Verzeichnis von 1959 nur zur Abgrenzung zu den "Folienwalzwerken" diene, die der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik bzw den Metall-BGen zugewiesen seien. Dass sie, die Beklagte, nicht nur für "chemische" Vorgänge zuständig sei, werde auch dadurch belegt, dass sie zB seit ihrer Errichtung auch für die Herstellung von Arzneimitteln – ein klassisches Beispiel für "physikalische" Verarbeitung - zuständig sei; Entsprechendes gelte zB für die Herstellung von Farben, Kosmetika und Sprengstoffen. Die Herstellung von Kunstleder falle, soweit es nicht um Kunstleder auf Textilbasis gehe – in ihre (der Beklagten) Zuständigkeit. Soweit die Beigeladene darauf hinweise, im Alphabetischen Verzeichnis von 1910 sei die Herstellung von Kunstleder sowohl ihr, der Beigeladenen, als auch der Beklagten zugewiesen, habe dies nur historische Bedeutung. 1910 habe das Ausgangsmaterial nur aus Leder- oder anderen "natürlichen" Fasern bestanden; demzufolge sei es folgerichtig gewesen, dass sowohl sie, die Beklagte, als auch die Beigeladene für die Herstellung von "Kunstleder" zuständig gewesen seien. Diese Sachlage habe sich heute in Gefolge des Siegeszuges der Kunststoffe grundlegend gewandelt. Die Herstellung von Wachstuch und Linoleum sei mit der Herstellung von Kunststofffolien nicht vergleichbar. Die Zusammenschau der Zuständigkeitsregelungen ergebe, dass die Herstellung hochwertiger Produkte aus "natürlichen Materialien" der Beigeladenen zugewiesen werde und die Herstellung von "künstlichen" Produkten ihr, der Beklagten. Die bei der Herstellung von PVC-Weichfolien angewandte Technik des Kalandrierens komme ursprünglich aus der Gummiindustrie, für welche sie schon seit dem Bundesratsbeschluss vom 5.6.1885 zuständig sei. Daraus ergebe sich eindeutig ihre (der Beklagten) Zuständigkeit. Soweit die Klägerin den Begriff "Folie" zu relativieren suche, sei darauf zu entgegnen, dass die im Werk Waldkraiburg hergestellten Produkte "Folien" seien, weil sie wickelbar seien und bei der Herstellung auch gewickelt würden. Aus einer Vielzahl von Umständen ergebe sich, dass keine Rede davon sein könne, dass eine sachgerechte Unfallverhütung durch sie, die Beklagte, nicht mindestens ebenso gut erfolgen könne wie durch die Beigeladene.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Mainz vom 3.4.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Das angefochtene Urteil sei zutreffend. Wie das SG zu Recht entschieden habe, sei nunmehr von einem Gesamtunternehmen auszugehen, wobei das Hauptunternehmen der Betrieb in W sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Beigeladene für die Folienherstellung zuständig. Das vom Hauptverband der gewerblichen BGen 1959 herausgegebene alphabetische Verzeichnis sehe auch die Zuständigkeit der Beigeladenen für diesen Gewerbezweig vor. Sie, die Klägerin, weise darauf hin, dass sie keine chemischen Folien herstelle. Wie aus dem Gutachten von Dipl-Ing F hervorgehe, würden bei der Folienherstellung ausschließlich Druck und Wärme verwendet. Von einem chemischen Prozess, der an die Zuständigkeit der Beklagten denken lasse, könne bei dieser Art der Herstellung keine Rede sein. Für die Zuständigkeit der Beigeladenen spreche auch, dass die Linoleum- und Kunstlederherstellung mit vergleichbarer Anlagentechnik wie die PVC-Weichfolien- und -Hartfolienherstellung aus einer Mischereinheit erfolge. Alle diese Herstellungsverfahren fielen ohne Zweifel in die Zuständigkeit der Beigeladenen. Die Ausführungen des Sachverständigen zu der Frage der Zuweisung von Betrieben nach dem "Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige" von 1910 seien sachlich falsch und entsprächen nicht dem historischen und tatsächlichen Werdegang der einzelnen berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeiten. Der Sachverständige habe dem "Alphabetischen Verzeichnis" von 1910 nicht die gebührende Bedeutung geschenkt. Ausgehend von diesem sei eine Reihe von BG´en für die Folienherstellung zuständig und nicht etwa die Beklagte allein. Zu beachten sei auch, dass in dem Alphabetischen Verzeichnis von 1959 expressis verbis die klare Unterscheidung zwischen chemischen Folien einerseits - nur auf diese beziehe sich die Zuständigkeit der Beklagten - und mechanisch/physikalisch hergestellten Folien andererseits getroffen worden sei. Für die Zuständigkeit der Beigeladenen spreche auch die historische Entwicklung. Der Übergang zur Folienherstellung in der heutigen Perfektion habe sich nicht von heute auf morgen zugetragen, sondern einen langen und mühsamen Entwicklungsprozess dargestellt. Ein Teil der bei ihr produzierten "Folien" könne auch wegen ihrer erheblichen Dicke gar nicht als Folie angesprochen werden. Unter "Folie" verstehe man nach dem lateinischen Ursprung (folium = das Blatt) ein sehr dünnes Gewebe. Die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit für die Zweigniederlassung W regele sich nach § 131 SGB VII, wobei das Werk W das Hauptunternehmen darstelle. Zu Unrecht sei der Sachverständige davon ausgegangen, dass die Beklagte im Verhältnis zur Beigeladenen die kompetentere Stelle für die Unfallverhütung sei. Wenn sich die Herstellung von Wachstuch, Linoleum und Kunstleder in gleicher Weise vollziehe wie die Herstellung von Folien, habe die Beigeladene eindeutig die älteren einschlägigen Erfahrungen als die Beklagte. Ein Vergleich der Zuschläge zum regulären Unfallversicherungsbeitrag im Hinblick auf Arbeitsunfälle im Werk W einerseits (30 %) und im Werk W andererseits (10 %) zeige, dass die Präventionsarbeit des TAD der Beigeladenen bessere Ergebnisse bewirke als diejenige des TAD der Beklagten.

Die Beigeladene schließt sich dem Vortrag und dem Antrag der Klägerin an.

Sie trägt außerdem vor: Der Vortrag der Beklagten in Bezug auf deren Auffassung, sofern von einem Gesamtunternehmen ausgegangen würde, wäre das Hauptunternehmen der Betrieb in F , verwundere. Abgesehen davon, dass bei Bedarf entsprechende Zahlen bezüglich der streitgegenständlichen Werke vorgelegt werden könnten, welche die Vermutung der Beklagten entkräften dürften, setze sich die Beklagte mit den diesbezüglichen Ausführungen in erheblichen Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag zu den Voraussetzungen des § 131 Abs 1 SGB VII.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben.

In der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit des Werkes W ist insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als dieses Werk Bestandteil der Klägerin geworden ist, das ein Gesamtunternehmen darstellt. Dessen Hauptunternehmen ist das Werk in W , das in die Zuständigkeit der Beigeladenen fällt. Dadurch wird die Zuständigkeit der Beigeladenen für das gesamte Unternehmen begründet.

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs 1 des Zehnten Buchs des SGB (SGB X), die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt nach § 136 Abs 2 Satz 2 SGB VII vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies berücksichtigt den Grundsatz der Katasterrichtigkeit und Katasterstetigkeit (vgl Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-2200 § 667 Nr. 2 = BSGE 77, 162 ff). "Grundlegend" bedeutet, dass das Unternehmen nicht mehr in die bisherige Gefahrengemeinschaft, der die beiden zentralen Aufgaben Unfallverhütung und Erbringung von Entschädigungsleistungen übertragen sind, passt. Die wesentliche Änderung muss sich auf die Herstellungsweise der Erzeugnisse, die in Betracht kommenden Arbeitsvorgänge und die dabei benutzten Betriebseinrichtungen beziehen (BSG, Urt v 11.8.1998, Az B 2 U 31/97 R). Eine solche grundlegende Änderung kann auch dadurch begründet sein, dass ein Unternehmen Bestandteil eines anderen Unternehmens wird, für dessen Hauptunternehmen eine andere BG zuständig ist (BSG SozR 2200 § 667 Nr. 3 = BSGE 49, 283 ff). Die Frage, ob eine einen Zuständigkeitswechsel begründende Änderung im Unternehmen vorliegt, ist nach den Verhältnissen zu beurteilen, die zum Zeitpunkt der Eintragung in das Kataster des Unfallversicherungsträgers vorgelegen haben (BSG SozR 3-2200 § 667 Nr. 1).

Durch die Vereinigung des Werks in W mit der Firma R GmbH ist ein Gesamtunternehmen entstanden mit der Folge, dass eine wesentliche Änderung iSd § 48 SGB X eingetreten ist. Ein Gesamtunternehmen liegt vor, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht. Dazu ist erforderlich, dass die Betriebsteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt des Unternehmers unterliegen (BSG SozR 3-2200 § 667 Nr. 2). Der Zusammenhang kann sich äußern in einer räumlichen Verbindung, dem Austausch von Arbeitskräften zwischen den Betrieben, gemeinsamen Einrichtungen uÄ. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls von Bedeutung, wobei eine lebensnahe Betrachtung entscheidet (BSG SozR 3-2200 § 667 Nr. 1). Abgestellt werden kann insbesondere auf den Organisationsplan und eine etwaige innerorganisatorische Selbständigkeit (aaO).

Vorliegend weisen alle rechtsmaßgeblichen Umstände auf ein Gesamtunternehmen hin. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs 2 SGG). Wie der Betriebsleiter A bei seiner Befragung durch das SG angegeben hat, ist bei der Klägerin im Zuge der Globalisierung eine Zusammenschweißung der verschiedenen Werke erfolgt. Die Unternehmens- und Investitionssteuerung – sowohl in kaufmännischer Hinsicht als auch in technischer Hinsicht und in Bezug auf die Steuerung und Einteilung der Aufträge und den Einkauf der Rohstoffe und die Disposition hierüber sowie den Vertrieb - erfolgt zentral von W aus. Die Unternehmensbilanz wird hier zentral für alle Werke erstellt. Dort befinden sich auch – für alle Zweigbetriebe - die Buchhaltung, die Stelle für die Berechnung und Auszahlung der Gehälter und die Datenverarbeitungszentrale sowie die Sicherheitsabteilung und die Abteilung Umwelt. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit in den einzelnen Teilwerken sind einer Hauptsicherheitsfachkraft in W unterstellt. Dort werden auch Schulungen für Mitarbeiter aus allen Werken durchgeführt. Die Zentrale in W "verleiht" ferner Arbeiter an andere Werke, um dort Produktionsverfahren einzuführen. In allen Werken wird – so der Betriebsleiter A - eine "Nischenpolitik" betrieben, weshalb die Werke aufeinander angewiesen sind. Die jeweiligen Werksleiter sind nach Angaben des Betriebsleiters –"nach W rapportpflichtig".

Bei der gegebenen Sachlage spielt die nicht unerhebliche räumliche Entfernung zwischen W und W keine entscheidende Rolle. Angesichts der modernen Verkehrsmittel und der sonstigen raumübergreifenden Kommunikationsmittel kann auf diesen Gesichtspunkt nicht entscheidend abgestellt werden (vgl BSG SozR 2200 § 667 Nr 3).

In welchem Umfang ein Arbeitnehmeraustausch stattfindet, ist ebenfalls nicht von entscheidender Bedeutung. Ein Austausch von Arbeitskräften spricht für ein Gesamtunternehmen, ist aber keine zwingende Voraussetzung hierfür (BSG, Urt v 5.2.1980, Az 2 RU 80/79; BSG SozR 2200 § 667 Nr 3).

Bei dieser Sachlage kommt den Tatsachen, dass die im Werk W verarbeiteten Rohstoffe dort gelagert werden, sich die betrieblichen Serviceeinrichtungen dort befinden und die sicherheitstechnische Betreuung vor Ort durch den dortigen Sicherheitsingenieur wahrgenommen wird, keine entscheidende Bedeutung zu.

Ohne Erfolg trägt die Beklagte vor, im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides seien die Tatsachen, welche für einen betriebstechnischen und wirtschaftlichen Zusammenhang sprächen, noch nicht vorhanden gewesen. Der gesamte Sachverhalt weist darauf hin, dass bereits im Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Vereinigung der Werke in W und W eine weitgehende Verzahnung feststand. Im Übrigen kommt es für die rechtliche Beurteilung des Sach- und Streitstandes auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz an (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 54, RdNr 34). Ab welchem Zeitpunkt die Überweisung stattzufinden hat, hat das SG offengelassen, wozu es nach dem Antrag der Klägerin berechtigt war.

Soweit die Beklagte die im Zusammenhang mit der Frage eines Gesamtunternehmens von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen "mit Nichtwissen" bestritten hat, ist festzuhalten, dass der Senat keine Anhaltspunkte hat, dass diese Angaben nicht zutreffen.

Umfasst ein Gesamtunternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), ist nach § 131 Abs 1 SGB VII der Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört. Dabei kommt es darauf an, welcher Unternehmensteil dem gesamten Unternehmen sein Gepräge verleiht und damit für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung maßgebend ist. Entscheidend ist der wirtschaftliche Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit, der sich idR nach der Zahl der Beschäftigten richtet (BSG SozR 3-2000 § 667 Nr. 2). Von wesentlicher Bedeutung ist auch der satzungsmäßig bestimmte Unternehmenszweck (BSG SozR 3-2200 § 667 Nr. 1). Der Haupt- oder Nebenbetrieb muss nicht notwendigerweise eine geringere Personalstärke als das Hauptunternehmen haben (aaO).

Die Personalstärke in den Niederlassungen der Klägerin setzt sich wie folgt zusammen: W 729, F 465, W 218, S 99. Diese Beschäftigtenzahl spricht dafür, das Werk in W als Hauptunternehmen zu qualifizieren. Entscheidend kommt hinzu, dass die Geschäftstätigkeit – wie bereits dargelegt – vollständig von W aus gelenkt und geleitet wird.

Wenn ein Teil eines Gesamtunternehmens den Zwecken des anderen dient und keine selbstständigen Interessen verfolgt, stellt er ein Hilfsunternehmen iSd § 131 SGB VII dar. Dient ein Bestandteil eines Unternehmens demgegenüber nicht den Zwecken des anderen, sondern verfolgt er selbstständige Zwecke, so ist der kleinere Teil ein Nebenunternehmen des anderen, sofern er den Umfang eines Unternehmens hat; hat er nicht den Umfang eines Unternehmens, so stellt er Nebentätigkeiten dar (BSG, aaO). Ob das Werk in W ein Neben- oder ein Hilfsunternehmen in diesem Sinne darstellt, ist für die berufsgenossenschaftliche Zuordnung ohne Belang. Entscheidend ist allein, dass das Werk in W das Hauptunternehmen darstellt und insoweit für die zu treffende Zuständigkeitsentscheidung maßgebend ist.

Der Auffassung der Beklagten, an die Voraussetzungen eines Gesamtunternehmens seien in solchen Fällen strengere Anforderungen als üblich zu stellen, da sonst jederzeit rückgängig zu machende Umstände zu Zuständigkeitsänderung führten, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch bei anderen Fallgestaltungen können Änderungen rückgängig zu machen sein, ohne dass dies von der Rechtsprechung als maßgebend für die rechtliche Qualifizierung als Gesamtunternehmen angesehen wurde.

Das Fortbestehen der Zuständigkeit der Beklagten für das Werk der Klägerin in F ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Hätte die Beklagte einen Anspruch auf Überweisung des Gesamtunternehmens an sie, könnte sie allerdings im vorliegenden Rechtsstreit geltend machen, es sei rechtsmissbräuchlich iS der auch im Sozialrecht entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die Überweisung der Niederlassung W an die Beigeladene zu verlangen, obwohl diese nachträglich wieder rückgängig gemacht werden muss. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Beigeladene für das Gesamtunternehmen zuständig ist.

Da das Hauptunternehmen, das Werk in W , seit 1946 Mitglied der Beigeladenen ist, wäre eine Überweisung des gesamten Unternehmens an die Beklagte nur statthaft, wenn a) entweder die rechtlichen Anforderungen einer Überweisung wegen einer von Anfang an unrichtigen Feststellung der Zuständigkeit erfüllt wären (§ 136 Abs 1 Satz 4 1. Alt SGB VII) oder b) hinsichtlich des Werks in W eine wesentliche Änderung eingetreten wäre (§ 136 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB VII), welche in Bezug auf das Werk in W eine Überweisung an die Beklagte rechtfertigen würde. Beides ist jedoch nicht der Fall.

Die Zuständigkeitsprüfung hinsichtlich des Werks in W kann nicht wie eine erste Prüfung der Zuständigkeit erfolgen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass in jedem Fall eine Betriebsüberweisung stattfinden muss, entweder eine solche hinsichtlich der Werke in W und S an die Beklagte oder eine solche hinsichtlich der Werke in F und W an die Beigeladene. Bei einer solchen Sachlage, in der eine Betriebsüberweisung unumgänglich ist, könnte zwar daran gedacht werden, die strengen Grundsätze des § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII ausnahmsweise nicht anzuwenden, mit der Folge, dass über die Zuständigkeit für das gesamte Unternehmen wie bei einer ersten Zuständigkeitsfeststellung zu entscheiden wäre. Diese rechtliche Betrachtung würde aber dem Prinzip der Katasterstetigkeit, durch das die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen entscheidend geprägt sind, nicht hinreichend gerecht werden. Dieses Grundprinzip spricht dafür, dass der zentrale Bereich des Gesamtunternehmens (das Hauptunternehmen) bei seiner bisher zuständigen BG verbleibt, es sei denn, dass ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII vorliegen. Außerdem ergeben sich weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 136 SGB VII noch aus der Entstehungsgeschichte der Norm Anhaltspunkte dafür, diese Vorschrift in einem Fall wie dem vorliegenden nicht anzuwenden.

Die 1946 erfolgte Feststellung der Zuständigkeit wäre nach § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII von Anfang an unrichtig gewesen, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widersprochen hätte oder das Festhalten an dem damaligen Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Von einem "eindeutigen Widersprechen" wird nur bei einem offensichtlichen oder groben Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen ausgegangen (Graeff in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136, Rz 16). Schwerwiegende Unzuträglichkeiten iSd § 136 Abs 2 Satz 2 SGB VII können sich in Ausnahmefällen aus Gesichtspunkten einer sachgerechten Prävention oder der Beeinträchtigung einer homogenen und finanziell tragfähigen Risikogemeinschaft ergeben (Graeff, aaO). Die Voraussetzungen des § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII sind hinsichtlich des Hauptwerkes in W nicht gegeben.

Die sachliche Zuständigkeit einer gewerblichen BG richtet sich grundsätzlich nach Art und Gegenstand des Unternehmens (§ 136 Abs 3 SGB VII), nicht dagegen nach der natürlichen oder juristischen Person des Unternehmers (BSG, Urt v 4.5.1999, Az B 2 U 11/98 R). Eine die sachliche Zuständigkeit der BG´en nach Art und Gegenstand der Unternehmen bestimmende Rechtsverordnung (§ 122 SGB VII) ist bisher nicht ergangen. Bis zur Änderung der Zuständigkeit durch eine solche Verordnung bleibt nach dem noch maßgebenden Art 4 § 11 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30.4.1963 (BGBl I 241) jeder Träger der Unfallversicherung, soweit das UVNG nichts anderes bestimmt, für die Unternehmen zuständig, für die er bis zum Inkrafttreten des UVNG zuständig war. Der die sachliche Zuständigkeit der BG´en regelnde Bundesratsbeschluss vom 22.5.1885 (AN 143) ist daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG (aaO mwN) weiterhin geltendes Recht. Die dort getroffenen Regelungen sind in den folgenden Jahren im Zusammenhang mit der Errichtung weiterer BG´en oder der Zuweisung von neuen in den Versicherungsschutz einbezogenen Gewerbezweigen noch ergänzt worden und zwar vom Bundesrat, später vom Reichsrat und dann vom Reichsarbeitsminister (zu alledem Graeff, aaO, K § 121, Rz 7). Den seinerzeit getroffenen Entscheidungen, auch des Reichsversicherungsamts (RVA) und der Schiedsstellen, kommt eine nach wie vor weitergeltende normative Kraft zu (Graeff, aaO, Rz 8 mwN). Das vom RVA nach dem Stand von 1910 veröffentlichte "Alphabetische Verzeichnis" stellt zwar keine Rechtsnorm dar. Nach der Rechtsprechung rechtfertigen es indes die diesem Verzeichnis zugrundeliegenden Erfahrungen, bei der Prüfung der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit eines Gewerbezweiges grundsätzlich von diesem Verzeichnis auszugehen (BSGE 39, 112 ff, 115). Das vom Hauptverband der gewerblichen BG´en 1959 (unveränderter Nachdruck 1994, überarbeitete Fassung 1999) herausgegebene "Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen BGen" ist dagegen keine verbindliche Fortschreibung des vom RVA aufgestellten "Alphabetischen Verzeichnisses" (BSGE 71, 85 ff, 86). Erst recht nicht maßgebend für die Zuständigkeit ist, was die einzelne BG in ihrer Satzung oder in ihrem Gefahrtarif festlegt, weil die durch Rechtsnormen vorgegebene Zuständigkeitsverteilung nicht eigenmächtig geändert werden darf.

Der Beschluss vom 22.5.1885 (aaO) legte hinsichtlich der Zuständigkeit der Beigeladenen (damalige BG-Nr 30) fest (AN 1885, 143, 153): "Lederindustrie: Lohmühlen und Lohextraktfabriken, Gerberei, Fabrikation von gefärbtem und lackiertem Leder und Pergament, Wachstuch- und Ledertuchfabrikation, Treibriemenfabrikation, Verfertigung von Riemer-, Sattler- und Tapezierarbeiten, Verfertigung von ledernen Handschuhen". Dies entspricht der Zusammenstellung im "Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige" im Handbuch der Unfallversicherung von 1910. Dort wurde vor der Aufzählung der in Betracht kommenden Unternehmensgruppen die Überschrift "Lederindustrie (und Industrie lederartiger Stoffe)" aufgenommen.

Der Beklagten (damalige BG-Nr. 18) wurden in dem Beschluss vom 22.5.1885 (aaO, 149) folgende Bereiche zugeordnet: "Chemische Großindustrie, sonstige Verfertigung chemischer, pharmazeutischer und photographischer Präparate. In dem "Alphabetischen Verzeichnis" von 1910 (aaO, 8) sind die in die Zuständigkeit der Beklagten fallenden Betriebe wie folgt aufgeführt:

"Chemische Industrie:

1.Chemische Großindustrie,

2. Sonstige Verfertigung chemischer, pharmazeutischer und photographischer Präparate,

3. Apotheken,

4. Herstellung von Farbenmaterialien usw mit Ausschluss der Brokat- und Bronzefarbenfabrikation,

5. Verfertigung von Bleistiften, Pastellstiften, Kreiden, ausgenommen die Bleistiftfabrikanten,

6. Anilin- und Anilinfarbenfabrikation,

7. Herstellung sonstiger Steinkohlenteer- und Kohlenteerderivate,

8. Herstellung von Explosivstoffen,

9. Zündwarenverfertigung,

10. Abfuhr- und Desinfektionsanstalten,

11. Fabrikation künstlicher Düngstoffe,

12. Abdeckerei,

13. Holzkohlen-, Holzteer- und Russgewinnung,

14. Harz- und Pechgewinnung,

15. Talgsiedlerei, Talgkerzenfabrikation, Seifensiedlerei,

16. Stearin- und Wachskerzenfabrikation,

17. Kohlenteerschwelerei, Betriebe für Mineralöle, Gasäther usw für Paraffinkerzen, Petroleumraffinerie,

18. Tranbrennerei, Leder- und Wagenschmierefabrikation,

19. Herstellung von ätherischen Ölen und Parfüms,

20. Verarbeitung von Harzen und Verfertigung von Firnissen und Kitten,

21. Gummi- und Guttaperchawarenfabrikation,

22. Imprägnierungsanstalten (mit Ausnahme derjenigen, welche vorwiegend Holzzurichtung betreiben: Sägewerke usw),

23. Fabrikation künstlicher Mineralwasser,

24. Essigfabrikation ohne die Herstellung von Alkohol- (Gärungs-) Essig

25. Salinen, sofern sie nicht landesgesetzlich bestehenden Knappschaftsverbänden angehören,

26. Dachfilz- und Dachpappenfabrikation."

Soweit Unternehmensarten in diesen normativen Festlegungen nicht genannt sind, weil sie nicht als gesonderter Gewerbezweig ausgewiesen waren oder weil es sich um eine neuartige Unternehmensart handelt, sind diese derjenigen BG zuzuweisen, der sie nach Art und Gegenstand am Nächsten stehen. Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der Unfallverhütung für die fachliche Gliederung der gewerblichen BG´en hat die Rechtsprechung dabei insbesondere darauf abgestellt, bei welcher BG die für das betreffende Unternehmen zweckmäßigste Unfall- und Krankheitsverhütung gewährleistet ist. In erster Linie kommt es auf die Fertigungsabläufe (Arbeitsverfahren) und die dabei genutzten Betriebseinrichtungen an. Das Arbeitsverfahren und die Betriebseinrichtungen hängen häufig, aber nicht immer von der Art des Werkstoffs ab, so dass dieser uU mitbestimmend sein kann. Der Verwendungszweck ist ausnahmsweise dann ausschlaggebend, wenn in Betrieben verschiedener BG´en etwa gleiche oder ähnliche Arbeitsverfahren, Betriebseinrichtungen oder Werkstoffe vorkommen (zu alledem Graeff, aaO, Rz 11 mwN).

1946 war die Tätigkeit der Firma GmbH durch die Produktion von Kunstleder (in erheblichem Umfang auch Produktion von Folien, wie aus dem Internetausdruck auf Bl 149 GA hervorgeht) gekennzeichnet (Schreiben dieser Firma vom Oktober 1946). In dem "Alphabetischen Verzeichnis" von 1903 (AN 1903, 403, 434) heißt es, für die Fabrikation von Kunstleder sei die Beigeladene zuständig. Im "Alphabetischen Verzeichnis" von 1910 (S 53) sind als zuständige BG´en für die Kunstlederfabrikation sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene angegeben, ohne dass eine Abgrenzung vorgenommen wurde. Von einem offensichtlichen und groben Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen kann bei dieser Sachlage keine Rede sein. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Produktionsweise in der Firma R GmbH (zum Produktionsprozess bei der Kunstlederherstellung vgl S 12 des Gutachtens von Dipl-Ing F ).

Das Belassen des Hauptunternehmens in W bei der Zuständigkeit der Beigeladenen würde auch nicht zu einer schweren Unzuträglichkeit führen. Eine solche rechtfertigt sich nicht durch die von der Beklagten geschilderte langjährige Erfahrung in der Betreuung von Betrieben, welche Folien herstellen. Über vergleichbare Erfahrungen verfügt auch der TAD der Beigeladenen, die ihren Angaben zufolge eine Vielzahl folienerzeugender Unternehmen betreut. Soweit die Beklagte auf die Federführung des Unterausschusses "CH 9 Kunststoffverarbeitungsmaschinen (ausgenommen Spritzgießmaschinen)" des Fachausschusses "Chemie" des Hauptverbandes der gewerblichen BG´en verweist, ist festzuhalten, dass diesem Umstand keine entscheidende Bedeutung zukommt, zumal es seit 1995 dem Fachausschuss "Chemie" nicht mehr obliegt, die sicherheitstechnischen Anforderungen festzulegen und vielmehr jetzt die staatlichen Behörden hierfür zuständig sind. Im Übrigen ist der bei dem TAD der Beigeladenen tätige Sicherheitsingenieur P seit Jahren im Fachausschuss "Chemie" bei der Erarbeitung von Unfallverhütungsvorschriften für Maschinen der chemischen Industrie sowie für die sicherheitstechnischen Auslegungen dieser Maschinen maßgeblich beteiligt.

Hinsichtlich des Werks in W ist seit 1946 keine wesentliche Änderung in Bezug auf die für die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit maßgebenden Tatsachen eingetreten. Eine wesentliche Änderung erfordert – wie bereits dargelegt – eine grundlegende Umgestaltung des Gepräges des Unternehmens auf Dauer. Eine solche ist – wenn man die Vereinigung zu einem Gesamtunternehmen außer Betracht lässt - zu verneinen.

Die Klägerin betreibt in W, wie auch in S , F und W , die Herstellung von Folien. Wegen der Arbeitsgänge und der eingesetzten Maschinen wird auf die eingehende Beschreibung im Gutachten von Dipl-Ing F verwiesen.

Die Folienherstellung ist in den oben aufgeführten zuständigkeitsbegründenden Rechtsnormen - dazu zählen, wie dargelegt, die Satzungen der betreffenden Unfallversicherungsträger und das vom Hauptverband der gewerblichen BG´en herausgegebene "Alphabetische Verzeichnis" nicht - nicht ausdrücklich erfasst. Im vorliegenden Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei der Herstellung von Folien nach dem Gutachten von Dipl-Ing F nicht – jedenfalls nicht wesentlich - um einen chemischen, sondern um einen physikalischen Vorgang handelt, was gegen den Eintritt einer wesentlichen Änderung hinsichtlich der Zuständigkeit für das Werk W spricht. Das gekaufte Granulat wird nicht in seinem Grundgehalt verändert. Die Folienherstellung erfolgt über die Einwirkung von Wärme und Druck (physikalischer Vorgang). Der Einwand der Beklagten, dem PVC würden bei der Folienherstellung Weichmacher, Stabilisatoren und Flammschutzmittel beigegeben, die bei der unter Druck und Wärme durchgeführten Plastifizierung chemisch reagierten, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, weil der physikalische Vorgang jedenfalls eindeutig im Vordergrund steht, wie aus den Ausführungen des Sachverständigen F zu schließen ist. Eine wesentliche Änderung seit 1946 ist im Übrigen aus folgenden Gründen zu verneinen:

In W werden dem Kunstleder ähnliche Kunststoffprodukte hergestellt, soweit man die dortigen Produkte nicht sogar als "Kunstleder" bezeichnen könnte. Kunstleder ist, wie der Sachverständige F ausgeführt hat, ein unter Verwendung von Kunststoffen hergestelltes textiles oder auch flexibles Flächengebilde in einer Vielzahl von Farbgebungen mit oder ohne Drehschicht. Infolge der lederartigen Eigenschaften und Oberflächengestaltung hat sich der Begriff "Kunstleder" positioniert. Eine gängige Variante stellt das Folienkunstleder dar.

Dünne Folien dürften hiernach - anders als dicke Folien, die nach Angaben der Klägerin ebenfalls von dieser produziert werden - kein Kunstleder im eigentlichen Sinne darstellen. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil auch dünne Folien hinsichtlich des Produktionsverfahrens keinen wesentlichen Unterschied zur Herstellung von Kunstleder aufweisen, wie aus den Angaben des Sachverständigen F zu entnehmen ist (S 12 unter Ziff 4). Insoweit ist eine wesentliche Änderung in Bezug auf das Produktionsverfahren, auch hinsichtlich des Maschineneinsatzes, nicht eingetreten, wie auch aus der Stellungnahme des TAD der Beigeladenen vom Dezember 1999 hervorgeht.

Gegen eine wesentliche Änderung seit 1946 spricht ferner die Tatsache, dass bei der Herstellung von PVC-Folien die Arbeitsvorgänge und die dabei eingesetzten Maschinen ähnlich derjenigen der Linoleumherstellung und Wachstuchherstellung sind, die in die Zuständigkeit der Beigeladenen fallen. Diese Ähnlichkeit des Produktionsvorgangs ergibt sich aus den Tätigkeitsbeschreibungen von Dipl-Ing F. Die Auffassung der Beklagten, die Herstellung von Wachstuch und Linoleum sei mit der Herstellung von Kunststofffolien nicht vergleichbar, trifft bei dieser Sachlage nicht zu.

Bei dieser Sachlage kommt der Frage keine entscheidende Bedeutung zu, ob es auch im Zuständigkeitsbereich der Beklagten Arbeitsvorgänge gibt, welche der Folienherstellung ähnlich sind. Entscheidend ist, dass eine wesentliche Änderung der die Zuständigkeit begründenden Fakten nicht feststellbar ist.

Dass in dem vom Hauptverband der gewerblichen BG´en herausgegebenen "Alphabetischen Verzeichnis" von 1959 (und in der Neufassung von 1999) nicht zwischen "chemischen Folien" und Kunststofffolien unterschieden wird, hat – wie dargelegt - bereits deshalb keine entscheidende Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits, weil dem "Alphabetischen Verzeichnis" – wie dargelegt – keine Rechtsnormqualität zukommt.

Den Darlegungen der Beklagten, sie und nicht die Beigeladene sei für die Herstellung von Kunstleder zuständig, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr – wie dargelegt -, dass seit 1946 keine wesentliche Änderung eingetreten ist und hinsichtlich der seinerzeit erfolgten Übernahme der Klägerin in die Versicherung der Beigeladenen die Voraussetzungen des § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht vorliegen.

Soweit die Beklagte argumentiert, ihre Zuständigkeit ergebe sich daraus, dass die bei der Herstellung von PVC-Weichfolien angewandte Technik des Kalandrierens ursprünglich aus der Gummiindustrie komme, für welche sie schon seit dem Bundesratsbeschluss vom 5.6.1885 zuständig sei, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Auch dieser Umstand rechtfertigt nämlich weder die Bejahung der Voraussetzungen des § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII noch die Annahme einer seit 1946 eingetretenen wesentlichen Änderung.

Ohne Erfolg verweist die Beklagte darauf, dass das RVA in seiner Entscheidung vom 1.7.1903 (AN 56, 463) die Herstellung von Zelluloidwaren der Beklagten zugewiesen hat. Diese Zuweisung ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung.

Soweit die Beklagte vorträgt, die Beigeladene sei bis 1998 nach ihrer Satzung nicht für die Herstellung von Kunststofferzeugnissen zuständig gewesen, ist festzuhalten, dass es – wie dargelegt – auf die Zuständigkeitsbestimmungen in der Satzung der jeweiligen Unfallversicherungsträger nicht ankommt. Aus den gleichen Gründen ist es nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Beklagte die Herstellung von Folien schon in ihrem Gefahrtarif 1938 aufgeführt hat.

Darauf, dass der Sachverständige F die Auffassung vertreten hat, er halte die Zuständigkeit der Beklagten für das Gesamtunternehmen für gerechtfertigt, vermag sich die Beklagte nicht entscheidend zu stützen. Der Senat hat dieses Gutachten in Auftrag gegeben, um die Arbeitsvorgänge der Klägerin und die bei dieser verwendeten Maschinen festzustellen, und außerdem, um aufzuklären, welche ähnlichen Arbeitsvorgänge in eindeutig der Beklagten bzw der Beigeladenen zugewiesenen Unternehmen es gibt. Die rechtliche Wertung obliegt nicht dem Sachverständigen, sondern dem Senat. Zudem hat der Sachverständige den Festlegungen des vom Hauptverband der gewerblichen BG´en herausgegebenen "Alphabetischen Verzeichnisses" eine im Hinblick auf die fehlende Rechtsnormqualität nicht gebührende Rolle eingeräumt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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