L 13 R 4461/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 650/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4461/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungserfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1952 geborene Klägerin war - nach einer entsprechenden Ausbildung - vom 1. Januar bis 30. Dezember 1972, vom 1. Januar 1974 bis 30. November 1976, vom 1. Januar 1978 bis 30. Juni 1986 als Fleischereifachverkäuferin beschäftigt und danach bis 23. April 1987 arbeitslos sowie anschließend bis 30. Juni 1987 in Mutterschutz. Vom 1. September 1986 bis 31. Dezember 1986 absolvierte sie nach ihren Angaben eine (nicht erfolgreich beendete) Umschulung zur Bürokraft. Danach hat sie eine Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung vom 1. Juli 1987 bis 30. Juni 1988 zurückgelegt. Im Weiteren liegt eine Pflichtbeitragszeit vom 10. März bis 31. Dezember 2012 wegen Pflegetätigkeit vor und in der Folge übte sie ab 19. Mai 2005 geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 10. März 2010 in den Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Ein erster Rentenantrag der Klägerin vom 3. März 2010 blieb erfolglos, da - nachdem das Versicherungskonto im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2004 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen aufweise und auch im maßgebenden Zeitraum vom 12. Februar 2005 bis 11. Februar 2010 nur zehn Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien - jedenfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (Bescheid vom 11. März 2010 und Widerspruchsbescheid vom 12. August 2010.

Den erneuten Rentenantrag der Klägerin vom 22. März 2012 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2012 und Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 (gemäß Vermerk zur Post gegeben am 13. Januar 2014) nach medizinischen Ermittlungen ab, da auch kein Leistungsfall - wie geltend gemacht - im Jahr 1976 eingetreten sei und somit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Deswegen hat die Klägerin am 24. Februar 2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Auf den Einwand der Beklagten, die Klagefrist sei nicht gewahrt, hat das SG die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Widerspruchsbescheid nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, also am 16. Januar 2014, als bekannt gegeben gelte. Die Monatsfrist für die Einreichung der Klage sei mit der erst am 24. Februar 2014 erhobenen Klage nicht gewahrt. Diese sei verspätet und unzulässig.

Hierauf hat die Klägerin erklärt, es sei richtig, dass die Frist zur Klage um acht Tage verspätet eingereicht worden sei, doch stehe dem eine jahrzehntelange Einzahlung in die Rentenkasse gegenüber. Wegen einer Geringfügigkeit nehme sie die Klage nicht zurück.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2014 abgewiesen, da sie bereits unzulässig sei. Die Klägerin habe die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 nicht fristgerecht erhoben. Sie sei binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, wenn Vorverfahren stattgefunden habe, beginne die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt werde, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Zugangsfiktion greife aber nur ein, wenn der Tag zur Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt worden sei (Verweis auf: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Dezember 2011, L 10 AS 534/11 B PKH). Dies sei hier geschehen. Der Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 enthalte einen entsprechenden Vermerk. Damit gelte der Bescheid als am Freitag, den 16. Januar 2014 bekannt gegeben. Ausgehend von einer Bekanntmachung des Bescheids am 16. Januar 2014 ende die Klagefrist deshalb am 16. Februar 2014. Die am 24. Februar 2014 bei Gericht eingegangene Klage habe die Frist nicht gewahrt.

Gegen den am 16. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Oktober 2014 sinngemäß Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend, sie sei bereits seit 1976 erwerbsgemindert.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Diese ist verfristet und damit unzulässig.

Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist gemäß § 87 Abs. 2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Zugangsfiktion greift aber nur ein, wenn der Tag zur Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt worden ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Dezember 2011, L 10 AS 534/11B PKH). Dies ist hier geschehen. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 enthält einen entsprechenden Vermerk der Aufgabe zur Post am 13. Januar 2014. Damit gilt der Bescheid als 16. Januar 2014 bekannt gegeben. Ausgehend von einer Bekanntmachung des Widerspruchsbescheids am 16. Januar 2014 endete die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG deshalb am Montag, den 17. Februar 2014. Die erst am 24. Februar 2014 beim SG eingegangene Klage hat die Klagefrist nicht gewahrt.

Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).

Der Klägerin ist gemessen an den vorgenannten Bestimmungen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie nicht ohne Verschulden gehindert war, die Klagefrist einzuhalten. Die Klägerin selbst räumt ein, dass sie die Klage verspätet erhoben hat. Soweit sie gleichwohl an dieser mit der Begründung festhält, sie habe jahrelang in die Rentenkasse eingezahlt, stellt dies keinen das Fristversäumnis entschuldigenden Umstand dar. Die Einhaltung der Klagefrist ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine "Geringfügigkeit", sondern eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung.

Die erst am 24. Februar 2014 erhobene Klage ist mithin unzulässig.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Durchführung des Klageverfahrens nach Ablauf der Klagefrist gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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