L 11 KR 5255/14 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5255/14 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller einen mobilen Patientenlifter als Sachleistung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bereitstellung eines mobilen Patientenlifters als Sachleistung von der Antragsgegnerin.

Der 1987 geborene Antragsteller leidet ua an hereditärer spastischer Spinalparalyse, Inkontinenz und einem mental kognitiven Leistungsdefizit. Er ist 1,93 m groß und wiegt ca 100 kg. Es sind die Pflegestufe II, ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, aG, H und RF festgestellt. Er lebt in einer Wohngemeinschaft der Behinderteneinrichtung bhz S. eV (Beigeladener zu 1). In dieser Wohngruppe "K." leben 12 behinderte Menschen. Zwei weitere Bewohner benötigen einen Lifter und haben diesen bei Einzug in die Einrichtung jeweils mitgebracht. Derzeit wird für den Antragsteller ein Lifter, der aus einer anderen Einrichtung des Beigeladenen zu 1) ausgeliehen wurde, benutzt. Der Antragsteller erhält ua Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung. Er ist derzeit in Hilfebedarfsgruppe IV eingestuft. Entsprechend der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung erhält die vollstationäre Wohngruppe einen Tagessatz von 131,49 EUR (bei 30 Tagen pro Monat 3.944,70 EUR) zuzüglich einer Maßnahmepauschale für den Besuch der Werkstätte für behinderte Menschen. Morgens um 6.00 Uhr wird der Antragsteller geweckt, geliftet und mit einem Duschstuhl ins Bad gefahren. Nach dem Frühstück wird er dann von einem Fahrdienst abgeholt und in eine Werkstatt für behinderte Menschen gebracht.

Im März 2013 beantragte der Antragsteller unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin G. vom 07.03.2013 und eines Kostenvoranschlags der Orthopädie Technik R. GmbH vom 27.03.2013 über 7.057,89 EUR bei der Antragsgegnerin einen mobilen Patientenlifter Victor 2600 mit einer Traglast von 227 kg.

Mit Bescheid vom 28.03.2013 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2013 den hiergegen gerichteten Widerspruch zurück. Eine Übernahme durch die Krankenversicherung sei nicht möglich, da die Pflegeeinrichtung die im Rahmen der Pflege erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen habe. Der Beigeladene zu 1) habe für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen. Die gesetzliche Krankenversicherung habe nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht dem Bereich der vollstationären Pflege zuzurechnen seien. Das seien im Wesentlichen individuell angepasste Hilfsmittel, die nur für den einzelnen Versicherten bestimmt und verwendbar seien (zB Brillen, Hörgeräte, Prothesen). Bei dem mobilen Patientenlifter handele es sich nicht um ein individuell angepasstes Hilfsmittel, sondern um ein Serienfabrikat, das grundsätzlich auch von anderen Bewohnern der Einrichtung benutzt werden könne. Es sei Aufgabe der Einrichtung, geeignete Hilfsmittel vorzuhalten, soweit sie von allen Patienten der Einrichtung genutzt werden könnten.

Die hiergegen am 19.12.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 12.12.2014 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin seien rechtmäßig und verletzten den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Gewährung eines mobilen Patientenlifters als Sachleistung. Mobile Patientenlifter bei vollstationärer Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim seien grundsätzlich vom Heimträger zur Verfügung zu stellen. Sie gehörten im Regelfall nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln, für die stets die Krankenkassen zuständig seien. Zwar könne in Fällen, in denen die Einrichtung Schwerpflegebedürftige grundsätzlich nicht aufnehme, weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens eines individuellen Hilfsmittels - hier des mobilen Patientenlifters - erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen sei es vorrangig Aufgabe der Krankenkasse, den Versicherten individuell mit Hilfsmitteln auszustatten, auch wenn dieses nur zur Mobilität innerhalb der Sphäre des Heimes dienen solle. Ein solcher Ausnahmefall liege aber nicht vor. Aktuell befänden sich in der Einrichtung des Beigeladenen zu 1) drei Menschen, die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf einen mobilen Patientenlifter angewiesen seien. Dies entspreche einem Viertel der insgesamt 12 Bewohner und stelle nach Ansicht der Kammer nicht mehr die vom BSG erwähnte Ausnahme dar. Je mehr Schwerpflegebedürftige (zB Rollstuhlfahrer) in einer Einrichtung der Behindertenhilfe aufgenommen würden, desto höher seien auch die Anforderungen an die im Rahmen der Bereitstellungspflicht des Einrichtungsträgers vorzuhaltenden Hilfsmittel.

Am 17.12.2014 hat der Antragsteller gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen im Klageverfahren Bezug genommen. Mittlerweile sei es nicht mehr möglich, den geliehenen Patientenlifter zu nutzen, weshalb Eilbedürftigkeit iS des Anordnungsgrundes vorliege. Wenn er keinen geeigneten Lifter erhalte, stehe zu befürchten, dass er nicht mehr in der jetzigen Wohnung verbleiben könne, da seine Pflege nicht mehr sichergestellt sei.

Der Antragsteller hat ein Schreiben der Wohnbereichsleitung (Frau V.) des Beigeladenen zu 1) vom 16.12.2014 vorgelegt.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen geeigneten Patientenlifter als Sachleistung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 22.12.2014 hat der Senat die Einrichtung bhz S. e.V., die DAK Pflegekasse und das Landratsamt Ludwigsburg zum Verfahren beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozess-ordnung).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).

Die Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Beschaffung und ggf. notwendige individuelle Anpassung ohnedies meist eine gewisse Zeit benötigt, ist nicht existentiell in dem Sinne, dass die Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausschließt (Senatsbeschluss v 10.12.2008, L 11 KR 5376/08 ER-B).

Nach § 33 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt (§ 33 Abs 1 Satz 2 SGB V). Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Aufstehen, Gehen und Stehen verloren haben, können danach zur Erhaltung ihrer Mobilität grundsätzlich einen mobilen Patientenlifter als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beanspruchen. Er ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Auch ist der Patientenlifter nicht aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen und kann die Versorgungsziele des § 33 Abs 1 SGB V erfüllen. Er ist geeignet, erhebliche Auswirkungen der Behinderung des Antragstellers zu mildern und es ihm zu ermöglichen, das Bett zu verlassen. Dem steht nicht entgegen, dass er nicht unmittelbar am Körper der kranken oder behinderten Person wirkt und der Antragsteller auch mit seiner Hilfe nicht zu einer eigenständigen Bewegung in seinem Wohnbereich befähigt wird. Ohne Bedeutung ist auch, in welchem Umfang der behinderte Mensch noch selbst Hilfestellung dabei leisten kann, seine Grundbedürfnisse zu erfüllen (BSG 12.06.2008, B 3 P 6/07 R).

Der Anspruch nach § 33 SGB V ist nicht aufgrund des Heimaufenthaltes des Antragstellers ausgeschlossen. Die GKV ist zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob sie in einer eigenen Wohnung oder in einem Heim leben. Die Pflicht der GKV zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln findet allerdings dort ihre Grenze, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt (BSG 10.02.2000, B 3 KR 17/99 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 36). Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§ 43 Abs 1, 2 und § 43 a SGB XI). Die Heime müssen daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Dazu gehören auch mobile Patientenlifter, die bei vollstationärer Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim grundsätzlich vom Heimträger zur Verfügung zu stellen sind. Sie gehören idR nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln, für die stets die Krankenkassen zuständig sind. Dies gilt im Grundsatz auch vorliegend, auch wenn sich der Antragsteller nicht in einem vollstationären Pflegeheim im Sinne der §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB XI sondern in einer Einrichtung im Sinne der §§ 43a, 71 Abs 4 SGB XI befindet.

Soweit aber eine Einrichtung Schwerpflegebedürftige grundsätzlich nicht aufnimmt, kann weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens - hier eines mobilen Patientenlifters - erwartet werden. Nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen kommt es darauf an, ob es sich beim Beigeladenen zu 1) um eine Einrichtung mit einer erheblichen Zahl von Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen handelt und ob die Vereinbarungen mit dem Träger der Einrichtung hinsichtlich der sächlichen Ausstattung die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten (BSG 10.02.2000, B 3 KR 17/99 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 36, juris Rn 24). Dann zählt das Vorhalten bestimmter Hilfsmittel zum notwendigen Inventar einer Pflegeeinrichtung. Soweit eine Einrichtung hingegen Schwerpflegebedürftige nicht aufnimmt, kann nach der BSG-Rechtsprechung weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens von Liftern erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen ist es wiederum vorrangig Aufgabe der Krankenkasse, den Versicherten individuell mit Hilfsmitteln auszustatten, auch wenn diese nur zu Mobilität innerhalb der Sphäre des Heimes dienen sollen (BSG 10.02.2000, B 3 KR 17/99 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 36, juris Rn 24). Aktuell sind in der Einrichtung des Beigeladenen zu 1) drei Menschen aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf einen mobilen Patientenlifter angewiesen, zwei davon sind seit ihrer Geburt entsprechend behindert, der Antragsteller hingegen ist chronisch krank.

Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller an einer progredienten Erkrankung leidet, zB anfangs noch selbst gehen konnte, was jetzt nicht mehr der Fall ist und erst im April 2014 in die Hilfebedarfsgruppe IV eingestuft wurde, mithin bei Aufnahme in die Einrichtung nach Aktenlage eine "Fehlbelegung" nicht vorgelegen hat, könnte ein Ausnahmefall iS der BSG-Rechtsprechung zu bejahen sein, nach dem die Antragsgegnerin leistungspflichtig wäre. Da es hierfür aber auf die Umstände des Einzelfalls ankommen kann, ist eine vollständige Klärung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich.

Ob die Vereinbarungen des Beigeladenen zu 3) mit dem Träger der Einrichtung des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der sächlichen Ausstattung die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten, kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gleichfalls nicht abschließend geklärt werden.

Der Senat sieht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens daher als offen an.

Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat der Senat die Folgen abzuwägen, die einerseits entstehen würden, wenn er die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht, und andererseits die einstweilige Anordnung erließe und sich aber in der Hauptsache herausstellte, ein Anspruch bestünde nicht (sog Folgenabwägung, vgl BVerfG 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, NZS 2013, 459; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl 2014, § 86b Rn 29a). In die Abwägung sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einzustellen (BVerfG 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236). Diejenigen Folgen sind gegeneinander abzuwägen, die auf der einen Seite entstünden, wenn das Gericht eine einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Anspruch doch bestanden hätte, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die beantragte einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch nicht bestanden hätte.

Die maßgeblichen Gesichtspunkte sind vorliegend, dass der vorhandene Lifter nicht geeignet ist, die angemessene, dh die nach den Umständen des Einzelfalls erforderliche Betreuung, sicherzustellen. Dies ist glaubhaft gemacht durch das Schreiben der Frau V. vom 16.12.2014. Danach ist der Antragsteller wegen der Beschaffenheit des vorhandenen Lifters in jüngerer Zeit zweimal umgekippt und zu Boden gestürzt. Die weitere Betreuung ist ebenso wenig sichergestellt wie der Besuch der Werkstatt für behinderte Menschen.

Falls sich in der Hauptsache herausstellt, dass der geltend gemachte Anspruch besteht, wäre durch eine ablehnenden Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz die weitere Betreuung und der weitere Aufenthalt in der Einrichtung gefährdet; überdies steht die Frage der körperlichen Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 GG) im Raum, wenn weitere Stürze drohen. Diese Folgen wiegen gravierender, als wenn sich umgekehrt nach einem für den Antragsteller erfolgreichem einstweiligem Rechtsschutzverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht und damit die Antragsgegnerin den Lifter finanziert hätte, ohne dass hierauf ein Anspruch bestanden hätte und die Antragsgegnerin möglicherweise diese Kosten trägt oder sich ggf mit einem Regressanspruch an den Beigeladenen zu 3) wenden muss.

Ob der beantragte mobile Patientenlifter "Victor 2600" insoweit das vorliegend geeignete und erforderliche Hilfsmittel ist, kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Die Leistungen der GKV müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 S 1 SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 S 2 SGB V). Erforderlich ist ein den individuellen Bedürfnissen des Antragstellers (Gewicht, Körpergröße, Behinderung, Spasmus) angepasster Lifter. Damit wird die weitere Betreuung in der Einrichtung des Beigeladenen zu 1) sichergestellt. Damit wird auch eine Aufrechterhaltung der Tagesstruktur, insbesondere der weitere Besuch der Werkstatt für behinderte Menschen ermöglicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved