Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 296/14
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rücknahme und Einfrieren von Leistungen; keine formale freiwillige Unternehmerversicherung durch Genehmigung
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Rücknahme und das "Einfrieren" verschiedener Leistungen wegen eines Unfalls.
Der 1965 geborene Kläger kam am 27. Juli 2007 von der Fahrbahn ab und leidet seitdem vor allem an einer kompletten Paraplegie unterhalb des Brustwirbelköpers 6. Der Kläger war bei dem Unfall auf dem Weg zum Ankauf eines Kraftfahrzeugs (Kfz) für die Firma, deren allein geschäftsführender Gesellschafter er damals war. Weil die Beklagte von einem formalen Versicherungsverhältnis des Klägers ausging, bewilligte sie ihm in der Folge wegen des Unfalls verschiedene Entschädigungsleistungen: Aufgrund des Bescheids vom 11. September 2008 erhielt der Kläger Kleider- und Wäschemehrverschleiß nach Kat.-Nr. 623 als monatlichen Pauschbetrag ab 6. November 2007. Ebenfalls ab 6. November 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Januar 2009 Pflegegeld in Höhe von 60% des Höchstsatzes ab 6. November 2007. Ferner wurde dem Kläger mit Bescheid vom 25. Februar 2009 Rente auf unbestimmte Zeit als Vollrente ab 23. Januar 2009 bewilligt; als Unfallfolgen wurden anerkannt: Querschnittslähmung unterhalb des 6. Brustwirbelkörpers mit der Notwendigkeit, einen Rollstuhl benutzen zu müssen, Blasen- und Mastdarmlähmung, Verlust der Sexualfunktion, Hautgefühlsverlust unterhalb der Rippenbögen beidseits, Muskelminderung beider Beine, reizlose Narben, glaubhafte Beschwerden. Die Feststellung der Verletztenrenten beruhte auf dem chirurgischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 8. Dezember 2008, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 100 v.H. eingeschätzt worden war; zudem wurde der Kläger prinzipiell für Arbeiten am Schreibtisch für fähig erachtet, wobei eine Entlastung nach vier bis sechs Stunden Sitzen als wünschenswert angesehen wurde.
Gegen die Bewilligung der Verletztenrente mit Bescheid vom 25. Februar 2009 und Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2010 strengte der Kläger vor diesem Gericht eine Klage an (Verfahren S 5 U 176/10), die mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 abgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete Berufung wies das Bayer. Landessozialgericht schließlich mit seinem Urteil vom 31. Juli 2012, L 3 U 305/11, zurück. Das Landessozialgericht ging davon aus, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, weil er weder Beschäftigter noch Wie-Beschäftigter war noch eine Formalversicherung bestand.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger außerdem mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kfz und übernahm Umbaukosten.
Nach Erhalt des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 31. Juli 2012 hörte die Beklagte den Kläger an und nahm sodann mit Bescheid vom 27. November 2012 den Bescheid über die Bewilligung von Kfz-Hilfe im Hinblick auf die besagte Entscheidung des Landessozialgerichts zurück.
Mit zwei Bescheiden jeweils vom 5. Dezember 2012 wurden deswegen außerdem die Gewährung von Pflegegeld und des Kleider- und Wäschemehrverschleißes sowie die Verletztenrente eingefroren und künftige Heilbehandlungsmaßnahmen abgelehnt.
Die Widersprüche des Klägers gegen den Bescheid vom 27. November 2012 und die Bescheide vom 5. Dezember 2012 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2013 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. Mai 2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg unter dem vormaligen Aktenzeichen S 8 U 146/13 erhoben.
Das Verfahren ist mit Beschluss vom 10. Juli 2013 mit Blick auf die noch anhängige Revision gegen das Urteil vom 31. Juli 2012. Ruhend gestellt worden.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 3. April 2014, B 2 U 26/12 R, die Revision zurückgewiesen und dabei die Entscheidung des Landessozialgerichts bestätigt.
Danach ist das Verfahren unter dem nunmehrigen Aktenzeichen fortgeführt worden.
Der Kläger hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, es habe beim Unfall zumindest eine formale Versicherung bestanden. Davon sei auch die Beklagte noch im Revisionsverfahren ausgegangen. Zudem sei sein Vertrauen schutzwürdig. Eine formale Versicherung habe die gleichen Wirkungen wie eine Pflichtversicherung. Eine rückwirkende Aufhebung der Formalversicherung sei unzulässig, zumal sich die Verhältnisse nicht geändert hätten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2012 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2013 werden aufgehoben.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung kann entschieden werden. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und er hat auch keine Terminsverlegung beantragt.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2012 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen der Beklagten.
Streitig sind zum einen die Rücknahme der Bewilligung der Kfz-Hilfe durch den Bescheid vom 27. November 2012 (dazu 1.), zum anderen das Aussparen des Pflegegeldes, der Kleider- und Wäschemehrverschleißpauschale sowie der Verletztenrente und die Ablehnung zukünftiger Heilbehandlung durch die beiden Bescheide vom 5. Dezember 2012 (dazu 2.).
1. Gemäß § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtwidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt ist in diesem Sinn auch dann rechtswidrig, wenn die in dem Bescheid eingeräumte begünstigende Rechtsposition erst auf der Grundlage später zu Tage getretener Erkenntnisse bereits aus damaliger Sicht rechtsfehlerhaft war (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 25/07 R).
§ 45 Abs. 2 SGB X regelt in seinem Satz 1, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch u.a. nach Satz 3 Nr. 3 dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Weiter legt § 45 Abs. 4 SGB X fest, dass in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann und die Behörde dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen tun muss.
Außerdem ist nach § 24 Abs. 1 SGB X, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Demnach ist die Rücknahme nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Rücknahmebescheids angehört.
Ferner erweist sich der Bescheid vom 15. Oktober 2012 als rechtswidrig. Das Bayer Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 31. Juli 2012, L 3 U 305/11, begründet, dass und weshalb der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Die Entscheidung ist beiden Beteiligten bekannt, weshalb darauf Bezug genommen wird. Das Gericht schließt sich der dort vertretenen Beurteilung an. Soweit im anschließenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014, B 2 U 26/12 R, noch diskutiert wird, ob aufgrund einer Entscheidung der Beklagten eine formale freiwillige Unternehmerversicherung begründet worden sein könnte, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Das Landessozialgericht hat bereits angemerkt, dass es dazu einer mehrjährigen Übung bedürfte. Daran fehlt es hier. Auch gilt für die Begründung einer freiwilligen Unternehmerversicherung - anders als bei einer Pflichtversicherung, dass es dazu immer eines Antrags bedarf (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011, B 2 U 18/10 R). Mit diesem zwingenden Antragserfordernis wäre es nicht vereinbar, wenn ein Unfallversicherungsträger einseitig ein solches Versicherungsverhältnis formal begründen bzw. fingieren könnte. Dass der Kläger mit dem angenommenen Versicherungsschutz einverstanden war, ändert daran nichts. Eine - zeitlich nachfolgende - Genehmigung kann nicht geeignet sein, entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (Beginn des Versicherungsschutzes mit dem Tag nach Antragseingang) den Beginn des Versicherungsschutzes auf diese Weise zeitlich vorzuverlagern. Allenfalls könnte mittels einer Genehmigungslösung ein Versicherungsschutz ab dem Tag der Genehmigung - oder sogar erst mit dem Zugang dieser Erklärung bei der Beklagten - angenommen oder fingiert werden. In jedem Fall wäre das hier zeitlich nach dem Tag des Unfalls und somit ohne Auswirkung.
Die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme sind ebenfalls zu bejahen. Vor allem konnte hier eine Rücknahme erfolgen, da noch keine Leistungen tatsächlich ausbezahlt worden waren und auch sonst kein Grund für schutzwürdiges Vertrauens des Klägers ersichtlich ist.
Der Rücknahmebescheid ist auch hinreichend bestimmt im Sinn des § 33 Abs. 1 SGB X. Dem Kläger war klar, welche Leistungen von der Rücknahme betroffen sind, auch wenn falsche Bescheiddaten genannt worden ein sollten.
2. § 48 Abs. 3 SGB X regelt das sogenannte Einfrieren oder Abschmelzen oder Aussparen von Leistungen. Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach § 48 Abs. 1 oder 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf demnach die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Das gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann.
Diese "Aussparungsregelung" greift nicht nur ein, wenn sich der zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides führende Fehler auf die Höhe einer Geldleistung auswirkt, sondern auch dann, wenn er die Grundlage der Leistungsbewilligung betrifft (BSG, Urteil vom 20. März 2007, B 2 U 38/05 R).
Aufgrund dessen ist das Einfrieren der Leistungen bzw. die Ablehnung der künftigen Heilbehandlung mit den beiden Bescheiden vom 5. Dezember 2012 nicht zu beanstanden.
Wie unter 1. dargelegt, hat sich die Annahme eines (formal) versicherten Arbeitsunfalls des Klägers am 27. Juli 2007 als unrichtig erwiesen. Dieser Versicherungsfall stellt aber die Grundlage für alle deswegen erfolgten Leistungsbewilligungen der Beklagten an den Kläger dar. Eine Rücknahme der betreffenden Leistungsbescheide vom 11. September 2008 und vom 25. Februar 2009 nach § 45 SGB X war aber wegen Fristablaufs nicht mehr möglich.
Bei der Verfügung der Aussparungsbescheide sind auch keine sonstigen materiellen oder formelle Fehler ersichtlich.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Rücknahme und das "Einfrieren" verschiedener Leistungen wegen eines Unfalls.
Der 1965 geborene Kläger kam am 27. Juli 2007 von der Fahrbahn ab und leidet seitdem vor allem an einer kompletten Paraplegie unterhalb des Brustwirbelköpers 6. Der Kläger war bei dem Unfall auf dem Weg zum Ankauf eines Kraftfahrzeugs (Kfz) für die Firma, deren allein geschäftsführender Gesellschafter er damals war. Weil die Beklagte von einem formalen Versicherungsverhältnis des Klägers ausging, bewilligte sie ihm in der Folge wegen des Unfalls verschiedene Entschädigungsleistungen: Aufgrund des Bescheids vom 11. September 2008 erhielt der Kläger Kleider- und Wäschemehrverschleiß nach Kat.-Nr. 623 als monatlichen Pauschbetrag ab 6. November 2007. Ebenfalls ab 6. November 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Januar 2009 Pflegegeld in Höhe von 60% des Höchstsatzes ab 6. November 2007. Ferner wurde dem Kläger mit Bescheid vom 25. Februar 2009 Rente auf unbestimmte Zeit als Vollrente ab 23. Januar 2009 bewilligt; als Unfallfolgen wurden anerkannt: Querschnittslähmung unterhalb des 6. Brustwirbelkörpers mit der Notwendigkeit, einen Rollstuhl benutzen zu müssen, Blasen- und Mastdarmlähmung, Verlust der Sexualfunktion, Hautgefühlsverlust unterhalb der Rippenbögen beidseits, Muskelminderung beider Beine, reizlose Narben, glaubhafte Beschwerden. Die Feststellung der Verletztenrenten beruhte auf dem chirurgischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 8. Dezember 2008, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 100 v.H. eingeschätzt worden war; zudem wurde der Kläger prinzipiell für Arbeiten am Schreibtisch für fähig erachtet, wobei eine Entlastung nach vier bis sechs Stunden Sitzen als wünschenswert angesehen wurde.
Gegen die Bewilligung der Verletztenrente mit Bescheid vom 25. Februar 2009 und Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2010 strengte der Kläger vor diesem Gericht eine Klage an (Verfahren S 5 U 176/10), die mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 abgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete Berufung wies das Bayer. Landessozialgericht schließlich mit seinem Urteil vom 31. Juli 2012, L 3 U 305/11, zurück. Das Landessozialgericht ging davon aus, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, weil er weder Beschäftigter noch Wie-Beschäftigter war noch eine Formalversicherung bestand.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger außerdem mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kfz und übernahm Umbaukosten.
Nach Erhalt des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 31. Juli 2012 hörte die Beklagte den Kläger an und nahm sodann mit Bescheid vom 27. November 2012 den Bescheid über die Bewilligung von Kfz-Hilfe im Hinblick auf die besagte Entscheidung des Landessozialgerichts zurück.
Mit zwei Bescheiden jeweils vom 5. Dezember 2012 wurden deswegen außerdem die Gewährung von Pflegegeld und des Kleider- und Wäschemehrverschleißes sowie die Verletztenrente eingefroren und künftige Heilbehandlungsmaßnahmen abgelehnt.
Die Widersprüche des Klägers gegen den Bescheid vom 27. November 2012 und die Bescheide vom 5. Dezember 2012 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2013 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. Mai 2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg unter dem vormaligen Aktenzeichen S 8 U 146/13 erhoben.
Das Verfahren ist mit Beschluss vom 10. Juli 2013 mit Blick auf die noch anhängige Revision gegen das Urteil vom 31. Juli 2012. Ruhend gestellt worden.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 3. April 2014, B 2 U 26/12 R, die Revision zurückgewiesen und dabei die Entscheidung des Landessozialgerichts bestätigt.
Danach ist das Verfahren unter dem nunmehrigen Aktenzeichen fortgeführt worden.
Der Kläger hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, es habe beim Unfall zumindest eine formale Versicherung bestanden. Davon sei auch die Beklagte noch im Revisionsverfahren ausgegangen. Zudem sei sein Vertrauen schutzwürdig. Eine formale Versicherung habe die gleichen Wirkungen wie eine Pflichtversicherung. Eine rückwirkende Aufhebung der Formalversicherung sei unzulässig, zumal sich die Verhältnisse nicht geändert hätten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2012 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2013 werden aufgehoben.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung kann entschieden werden. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und er hat auch keine Terminsverlegung beantragt.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2012 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen der Beklagten.
Streitig sind zum einen die Rücknahme der Bewilligung der Kfz-Hilfe durch den Bescheid vom 27. November 2012 (dazu 1.), zum anderen das Aussparen des Pflegegeldes, der Kleider- und Wäschemehrverschleißpauschale sowie der Verletztenrente und die Ablehnung zukünftiger Heilbehandlung durch die beiden Bescheide vom 5. Dezember 2012 (dazu 2.).
1. Gemäß § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtwidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt ist in diesem Sinn auch dann rechtswidrig, wenn die in dem Bescheid eingeräumte begünstigende Rechtsposition erst auf der Grundlage später zu Tage getretener Erkenntnisse bereits aus damaliger Sicht rechtsfehlerhaft war (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 25/07 R).
§ 45 Abs. 2 SGB X regelt in seinem Satz 1, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch u.a. nach Satz 3 Nr. 3 dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Weiter legt § 45 Abs. 4 SGB X fest, dass in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann und die Behörde dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen tun muss.
Außerdem ist nach § 24 Abs. 1 SGB X, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Demnach ist die Rücknahme nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Rücknahmebescheids angehört.
Ferner erweist sich der Bescheid vom 15. Oktober 2012 als rechtswidrig. Das Bayer Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 31. Juli 2012, L 3 U 305/11, begründet, dass und weshalb der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Die Entscheidung ist beiden Beteiligten bekannt, weshalb darauf Bezug genommen wird. Das Gericht schließt sich der dort vertretenen Beurteilung an. Soweit im anschließenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014, B 2 U 26/12 R, noch diskutiert wird, ob aufgrund einer Entscheidung der Beklagten eine formale freiwillige Unternehmerversicherung begründet worden sein könnte, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Das Landessozialgericht hat bereits angemerkt, dass es dazu einer mehrjährigen Übung bedürfte. Daran fehlt es hier. Auch gilt für die Begründung einer freiwilligen Unternehmerversicherung - anders als bei einer Pflichtversicherung, dass es dazu immer eines Antrags bedarf (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011, B 2 U 18/10 R). Mit diesem zwingenden Antragserfordernis wäre es nicht vereinbar, wenn ein Unfallversicherungsträger einseitig ein solches Versicherungsverhältnis formal begründen bzw. fingieren könnte. Dass der Kläger mit dem angenommenen Versicherungsschutz einverstanden war, ändert daran nichts. Eine - zeitlich nachfolgende - Genehmigung kann nicht geeignet sein, entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (Beginn des Versicherungsschutzes mit dem Tag nach Antragseingang) den Beginn des Versicherungsschutzes auf diese Weise zeitlich vorzuverlagern. Allenfalls könnte mittels einer Genehmigungslösung ein Versicherungsschutz ab dem Tag der Genehmigung - oder sogar erst mit dem Zugang dieser Erklärung bei der Beklagten - angenommen oder fingiert werden. In jedem Fall wäre das hier zeitlich nach dem Tag des Unfalls und somit ohne Auswirkung.
Die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme sind ebenfalls zu bejahen. Vor allem konnte hier eine Rücknahme erfolgen, da noch keine Leistungen tatsächlich ausbezahlt worden waren und auch sonst kein Grund für schutzwürdiges Vertrauens des Klägers ersichtlich ist.
Der Rücknahmebescheid ist auch hinreichend bestimmt im Sinn des § 33 Abs. 1 SGB X. Dem Kläger war klar, welche Leistungen von der Rücknahme betroffen sind, auch wenn falsche Bescheiddaten genannt worden ein sollten.
2. § 48 Abs. 3 SGB X regelt das sogenannte Einfrieren oder Abschmelzen oder Aussparen von Leistungen. Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach § 48 Abs. 1 oder 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf demnach die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Das gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann.
Diese "Aussparungsregelung" greift nicht nur ein, wenn sich der zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides führende Fehler auf die Höhe einer Geldleistung auswirkt, sondern auch dann, wenn er die Grundlage der Leistungsbewilligung betrifft (BSG, Urteil vom 20. März 2007, B 2 U 38/05 R).
Aufgrund dessen ist das Einfrieren der Leistungen bzw. die Ablehnung der künftigen Heilbehandlung mit den beiden Bescheiden vom 5. Dezember 2012 nicht zu beanstanden.
Wie unter 1. dargelegt, hat sich die Annahme eines (formal) versicherten Arbeitsunfalls des Klägers am 27. Juli 2007 als unrichtig erwiesen. Dieser Versicherungsfall stellt aber die Grundlage für alle deswegen erfolgten Leistungsbewilligungen der Beklagten an den Kläger dar. Eine Rücknahme der betreffenden Leistungsbescheide vom 11. September 2008 und vom 25. Februar 2009 nach § 45 SGB X war aber wegen Fristablaufs nicht mehr möglich.
Bei der Verfügung der Aussparungsbescheide sind auch keine sonstigen materiellen oder formelle Fehler ersichtlich.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved