S 12 KA 588/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 588/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 80/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Es liegt eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft vor, wenn aufgrund von patientenbezogenen Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen (hier: Quartale III/05 bis III/10) mit Hilfe eines Praxisabgleichs ein Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 53,39 % und 71,57 % bzw. 53,96 % und 69,74 % mit einer anderen hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft festgestellt wird.
Bemerkung
verb. mit S 12 KA 592/12
I. Die Verfahren mit Az.: S 12 KA 588/12 und S 12 KA 592/12 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Az.: S 12 KA 588/12 miteinander verbunden.

II. 1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 202.629,98 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen aufgrund von patientenbezogenen Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen der zehn Quartale III/05 bis IV/07 und der elf Quartale I/08 bis III/10 in Höhe von 107.364,46 EUR bzw. 95.265,52 EUR, zusammen für die 20 Quartale III/05 bis III/10 in Höhe von 202.629,98 EUR, die die Beklagte insb. mit Hilfe eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft des Klägers mit der Berufsausübungsgemeinschaft C./D. mit einem Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 53,39 % und 71,57 % bzw. 53,96 % und 69,74 % durchgeführt hat.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt, A-Straße, zugelassen. Frau D. als Ärztin und Herr C. als Facharzt für Allgemeinmedizin sind am gleichen Praxissitz zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und führen ohne den Kläger eine Berufsausübungsgemeinschaft, mit dem Kläger eine Praxisgemeinschaft.

In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar des Klägers jeweils durch Honorarbescheid fest. Die Festsetzungen im Einzelnen ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:

Quartal III/05 IV/05 I/06 II/06
Honorarbescheid vom 12.08.2006 06.08.2007 21.01.2007 04.02.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 37.694,74 45.639,22 51.227,54 47.091,51

Quartal III/06 IV/06 I/07 II/07
Honorarbescheid vom 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008 17.10.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 40.997,14 55.625,29 50.834,23

Quartal III/07 IV/07 I/08 II/08
Honorarbescheid vom 17.01.2008 10.07.2008 28.10.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 52.900,03 47.147,48

Quartal III/08 IV/08 I/09 II/09
Honorarbescheid vom 13.01.2008 30.03.2009 20.07.2009 11.10.2009
Nettohonorar gesamt in EUR 47.820,43 56.708,16 53.847,00 52.289,22

Quartal III/09 IV/09 I/10 II/10 III/10
Honorarbescheid vom 23.12.2009 27.03.2010 29.06.2010 27.09.2010 28.12.2010
Nettohonorar gesamt in EUR 57.468,67 59.073,08 54.743,40 53.405,98 56.671,82

Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 17.08.2010 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale III/05 bis IV/07 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung des Klägers zusammen mit der Honorarabrechnung der ehemaligen Gemeinschaftspraxis C./D. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Ferner fügte sie eine Patientenliste mit 20 Patientennamen bei.

Der Kläger trug mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 04.11.2011 zu den Behandlungsfällen der Patientenliste vor.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 04.10.2010 die strittigen Honorarrückforderungen fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale III/05 bis IV/07 folgende Honorarrückforderungen:

Quartal Honorar in EUR
III/05 7.880,04
IV/05 10.795,68
I/06 11.741,25
II/06 10.592,69
III/06 8.476,56
IV/06 10.411,07
I/07 10.754,76
II/07 10.761,00
III/07 13.025,61
IV/07 12.925,80

Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität - auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxis des Klägers folgende Werte ergeben:

Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent
III/05 1.104 605 59,66
IV/05 1.150 777 67,57
I/06 1.322 865 65,43
II/06 1.258 808 64,23
III/06 1.180 698 59,15
IV/06 1.373 733 53,39
I/07 1.262 762 60,38
II/07 1.197 728 60,82
III/07 1.400 1.002 71,57
IV/07 1.348 955 70,85

Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Eine Vertretung sei nur zulässig, wenn der vertretene Vertragsarzt sich im Urlaub befinde, erkrankt sei oder an einer Fortbildung oder Wehrübung teilnehme. Eine Vertretung liege nur dann vor, wenn der Arzt zumindest einen Tag abwesend sei, so dass die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Von indizieller Bedeutung sei insoweit bereits die ungewöhnlich hohe Anzahl von Vertreterfällen, die nicht in allen Fällen plausibel erklärt werden könne. Die detaillierte Überprüfung der Abrechnung des Klägers habe folgende Auffälligkeiten ergeben:
- es finden sich in Ausnahmefällen 3 Behandlungsscheine pro Patient, ohne dass hierzu eine medizinische Begründung ersichtlich ist;
- die Überweisungen an Frau Dr. E. zur Sonographie und zum Langzeit-EKG sind nachvollziehbar und nicht zu beanstanden; diese Überweisungen wurden getätigt, da der überweisende Arzt dazu keine Genehmigung besitzt;
- die Einlesetage der Krankenversichertenkarte sind hälftig identisch, die Diagnosen sind überwiegend abweichend;
- an den meisten Tagen wurde in der zu vertretenden Praxis trotzdem teilweise über viele Stunden gearbeitet bzw. abgerechnet (es werden für die Quartale I und II/06 sieben Patientennamen benannt und für die übrigen Quartale wird auf die Patientenliste verwiesen);
- die Höhe der Zahl von gleichen Patienten (zwischen 40 und 70 % bzw. über 600 bis zu 1000 Patienten ist nicht nachvollziehbar und erscheint nicht plausibel;
- ferner sind die Gründe für das Generieren eines erneuten Falles durch das Einlesen der Chipkarte (Scheinart 00) durch den Praxisgemeinschaftspartner bei den eigenen Fällen (es werden 12 Patientennamen für die Quartale I und II/06, III und IV/07 genannt) nicht immer ersichtlich;
- die Überweisungen innerhalb der Praxen C./D. und A. sind regelhaft nicht nachvollziehbar, zumal beide Praxen annähernd das gleiche Leistungsspektrum haben (es werden vier Patientennamen genannt);
- allgemein ist festzustellen, dass einige Patienten in allen auffälligen Bereichen vertreten sind.
Nach Abwägung aller Argumente sei die Tatsache nicht zu entkräften, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle der zu vertretende Arzt am gleichen Tag bis zu mehreren Stunden gearbeitet habe. Die hohe Zahl der Urlaubs- und Krankheitsvertretungen (Fachgruppe ca. 10%) sei weiterhin nicht plausibel und lasse einen Gestaltungsmissbrauch mit dem Ziel der Fallzahlvermehrung vermuten. Dies führe auch in den statistischen Vergleichsberechnungen der Verordnungsweise zu unzulässigen "Verdünnerfällen". Der Kläger habe sich in der Stellungnahme nicht dazu geäußert, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle der zu vertretende Arzt trotzdem teilweise über viele Stunden in der Praxis gewesen sei. Gründe für die Vertretungen seien aus den Abrechnungsunterlagen nicht zu entnehmen. Eine so regelhafte gegenseitige Vertretung der Gestaltungs- und Rechtsform entspreche einer Gemeinschaftspraxis, aber nicht einer Praxisgemeinschaft. Gleiches gelte für den Arztwechsel bei laufender Behandlung. Sie habe 30% der gemeinsamen Patienten als plausibel eingestuft. Die vom Kläger abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen seien unrichtig und hätten die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide zur Folge. Bei der Berichtigung komme ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Sie verweise im Einzelnen auf die beigefügte Anlage.

Hiergegen legte der Kläger am 08.10.2010 Widerspruch ein.

Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 13.10.2011 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale I/08 bis IV/10 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung des Klägers zusammen mit der Honorarabrechnung der ehemaligen Gemeinschaftspraxis C./D. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Ferner fügte sie eine Patientenliste mit 22 Patientennamen bei.

Der Kläger trug mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 04.11.2011 vor, er habe mit der Gemeinschaftspraxis C./D. eine Praxisgemeinschaft gebildet. Intention dieser Zusammenarbeit sei gewesen, eine möglichst optimale Versorgung von Schmerzpatienten sicherzustellen, da sowohl Herr C. als auch er selbst sich im Bereich der speziellen Schmerztherapie und Chirotherapie qualifiziert hätten. Um eine möglichst umfassende Betreuung dieses Patientenklientels sicherzustellen, sei eine wechselseitige, umfassende Vertretung im Rahmen der Praxisgemeinschaft erfolgt, insbesondere durch Abstimmung der Urlaubs- und Präsenzzeiten, vor allem in den Abendstunden nach Ende der üblichen Sprechstunden. Abgesehen von dieser Spezialisierung sei nur sehr eingeschränkt von versorgungsbereichsidentisch Patienten auszugehen, da die Gemeinschaftspraxis C./D. eine diabetologische Schwerpunktpraxis sei und Ernährungsberatungen und naturheilkundliche Therapieverfahren anböten, die von ihm nicht angeboten würden. Aus der Quote sei die Anzahl der Patienten herauszurechnen, die in Urlaubs- und Fortbildungszeiten als Vertretungsfälle behandelt worden seien. Des Weiteren seien die Überweisungen an die diabetologische Schwerpunktpraxis herauszurechnen, ebenso die Patienten, die als akute Schmerzpatienten außerhalb der Präsenzzeiten der Hausarztpraxis behandelt worden seien. Frau D. besitze die besondere schmerztherapeutische Qualifikation nicht. Er habe die zunächst bestehende Gemeinschaftspraxis mit Herrn C. im Jahre 1996 aufgelöst. Seitdem sei er mit ihm im Rahmen einer Praxisgemeinschaft tätig gewesen. Der Grund für die Trennung seien die zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten des Herrn C., die im Verlauf der folgenden Jahre mit einer Insolvenz geendet hätten. Er habe dem finanziellen Haftungsrisiko entgehen wollen. Bereits nach Gründung der Praxisgemeinschaft habe sich abgezeichnet, dass es zu überdurchschnittlich vielen Doppelbehandlungen durch beide Arztpraxen kommen würde. Dies sei durch die versetzten Urlaubs- und Sprechstundenzeiten, besonders der Abendsprechstunden, aber auch bedingt durch die Tatsache, dass an vielen einzelnen Wochentagen, z.B. durch Fortbildungs-, Lehr- oder Gutachtentätigkeit, keine Sprechstunden angeboten worden seien. Die Vertretung hätten andere Praxen übernommen, dies sei bis heute so geblieben. So biete die Praxis von Herrn C. bis zum heutigen Tage an einem Mittwoch keine Sprechstunden an. Die Praxisgemeinschaft habe im März 1997 durch ihre damaligen Bevollmächtigten auf die Problematik hingewiesen und um Erarbeitung entsprechender Handlungsalternativen gebeten. Die Beklagte habe keine Reaktion gezeigt, weshalb sie davon ausgegangen sei, dass ihre Verfahrensweise rechtskonform sei. Vertragsärzten einer Praxisgemeinschaft sei es auch nicht verboten, denselben Patienten innerhalb eines Quartals zu behandeln. Ferner machte er weitere Ausführungen zu den Patienten der Patientenliste.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17.01.2012 die strittigen Honorarrückforderungen fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale I/08 bis III/10 folgende Honorarrückforderungen:

Quartal Honorar in EUR
I/08 8.732,84
II/08 8.234,03
III/08 7.350,41
IV/08 9.069,54
I/09 9.149,40
II/09 9.254,70
III/09 9.451,32
IV/09 8.256,08
I/10 9.367,70
II/10 8.655,72
III/10 7.734,78

Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität - auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxis des Klägers folgende Werte ergeben:

Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent
I/08 1.455 952 65,43
II/08 1.138 788 69,24
III/08 1.214 739 60,87
IV/08 1.373 870 63,36
I/09 1.404 937 66,74
II/09 1.325 924 69,74
III/09 1.425 922 64,70
IV/09 1.366 751 54,98
I/10 1.363 922 67.64
II/10 1.297 834 64,30
III/10 1.464 790 53,96
IV/10 1.362 455 33,41

Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Eine Vertretung sei nur zulässig, wenn der vertretene Vertragsarzt sich im Urlaub befinde, erkrankt sei oder an einer Fortbildung oder Wehrübung teilnehme. Eine Vertretung liege nur dann vor, wenn der Arzt zumindest einen Tag abwesend sei, so dass die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Die Praxisgemeinschaft C./D. mit dem Kläger bestehe seit dem 01.01.1997. Das Leistungsspektrum der Allgemeinarztpraxen sei weitgehend identisch. Die Fallzahlen seien in beiden Praxen nahezu gleichbleibend. Die Zahl der gemeinsamen Patienten liege in den Praxen C./D. und der des Klägers konstant auf sehr hohem Niveau von über 40% bis zu 70%. Aufgrund der Zustellung des Bescheides für die Quartale III/05 bis IV/07 am 04.10.2010 habe sich im Quartal IV/10 die Zahl der gemeinsamen Fälle drastisch reduziert, da für dieses Quartal bereits habe reagiert werden können. Es seien folgende Auffälligkeiten festzuhalten:
- die Einlesetage der Krankenversichertenkarten sind meistens unterschiedlich und auch die Diagnosen sind überwiegend abweichend;
- an den meisten Tagen wurde in der zu vertretenden Praxis trotzdem teilweise über viele Stunden gearbeitet (es werden verschiedene Patientennamen genannt);
- die Höhe der Zahl von gleichen Patienten (zwischen 40 und 70 % bzw. über 600 bis zu 1.000 Patienten) ist nicht nachvollziehbar und erscheint nicht plausibel;
- ferner sind die Gründe für das Generieren eines erneuten Falles durch das Einlesen der Chipkarte (Scheinart 00 = Originalfall) durch den Praxisgemeinschaftspartner bei den eigenen Fällen (es werden für drei Quartale fünf Patientennamen genannt) nicht ersichtlich;
- die Überweisungen innerhalb der Praxen C./D. und A. sind regelhaft nicht nachvollziehbar, zumal beide Praxen das gleiche Leistungsspektrum haben (es werden sieben Patientennamen genannt);
- auffällig sind einige Fälle, in denen bei beiden Praxen die Scheinart 42 angelegt wurde (es werden fünf Patientennamen genannt);
- nicht nachvollziehbar ist, dass teilweise die Patienten am gleichen Tag in beiden Praxen behandelt wurden (es werden vier Patientennamen mit dem Behandlungsdatum genannt);
- allgemein ist festzustellen, dass einige Patienten in allen auffälligen Bereichen vertreten sind;
- positiv zu vermerken und bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist die Tatsache, dass in einigen Fällen der Vertretung der zu vertretende Arzt tatsächlich nicht in der Praxis war.
Nach Abwägung aller Argumente sei die Tatsache nicht zu entkräften, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle der zu vertretenden Arzt am gleichen Tag bis zu mehreren Stunden gearbeitet habe. Die hohe Zahl der Urlaubs- und Krankheitsvertretungen sei weiterhin nicht plausibel und lasse einen Gestaltungsmissbrauch mit dem Ziel der Fallzahlvermehrung vermuten. Von indizieller Bedeutung sei bereits die ungewöhnlich große Zahl von Vertreterfällen in den Praxen, die nicht annähernd erklärt werden könne. Die detaillierte Überprüfung der Abrechnung habe ergeben, dass viele Vertreterscheine auf eine, wenn überhaupt, nur stundenweise Abwesenheit der anderen Praxis entfalle, die ihre Ursache in der Durchführung von Hausbesuchen, kurzzeitiger Fortbildung, unterschiedlichen Sprechzeiten, "dringenden sonstigen Gründen" oder darin gehabt hätten, dass der erstbehandelnde Arzt schon "außer Haus" gewesen sei. In diesen Fällen wäre die jeweils andere Praxis verpflichtet gewesen, die Patienten auf die Rückkehr des erstbehandelnden Arztes (ggfs. auch erst am nächsten Werktag) zu verweisen. Die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Nutzung der Praxisgemeinschaft seien erfüllt. Dies habe zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und damit verbunden zu einer erheblichen Steigerung des Honorars geführt, ohne dass dies durch die Morbidität des Klientels begründet werden könne. Wenn die Patienten in einer Praxisgemeinschaft regelmäßig von mehreren Ärzten betreut würden, so führe dies zu einer unzulässigen Fallzahlvermehrung und stelle letztlich einen Missbrauch der Gestaltungsform dar; der prozentuale Anteil an Vertretungsfällen liege hessenweit bei unter 10%. 30% der gemeinsamen Patienten erkenne sie als plausibel an. Sie nehme einen weiteren Abschlag in Höhe von 30% zu Gunsten des Klägers vor. Im Quartal IV/10 nehme sie auf Grund der geänderten Abrechnungsweise keine Honorarminderung vor. Die vom Kläger abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen über die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen seien unrichtig und hätten die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Honorarbescheide zur Folge. Bei der Berichtigung stehe ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Es würden grundsätzlich zunächst die Anzahl der bei der Prüfung festgestellten gemeinsamen Behandlungsfälle um die aufgrund der Urlaubs- und Krankheitsmeldungen zulässigen gemeinsamen Behandlungsfälle reduziert. Im Fachgruppendurchschnitt sei eine gegenseitige Vertretung einer Größenordnung von unter 10% der Gesamtfallzahl evident. Die Korrekturhöhe pro Behandlungsfall errechne sich dabei aus dem quotierten Nettofalldurchschnitt aus allen Behandlungsfällen der Praxis, multipliziert mit der Gesamtzahl der implausiblen Behandlungsfälle. Für die Berechnung verweise sie im Einzelnen auf die beigefügte Anlage.

Hiergegen legte der Kläger am 02.02.2012 Widerspruch ein.

Der Kläger wies darauf hin, der zur Verfügung gestellte Datenträger lasse keine Rückschlüsse darauf zu, dass tatsächlich gemeinsame, patientenbezogene Behandlungsfälle vorlägen, da die Abrechnungen des Herrn C. darauf nicht enthalten seien. Der Beklagten seien die Praxisöffnungszeiten der Praxis C./D. bekannt, so dass ersichtlich sei, dass jeweils an einem Tag in der Woche Vertretungen stattfinden bzw. an Nachmittagen Vertretungen organisiert seien. Er habe einen Quartalsvergleich mit der Praxis D./C. durchgeführt. Aus der Gegenüberstellung ergebe sich, dass von einem irgendwie gearteten vorwerfbaren Verhalten nicht ausgegangen werden könne. Er habe Patienten in die diabetologische Praxis des Kollegen C. überwiesen, da er selbst über diese fachliche Qualifikation nicht verfüge. Ferner habe er in Abwesenheit des Herrn C. Vertretungen durchgeführt, diese Behandlungen erfassten insbesondere das spezielle Fachgebiet der Chirotherapie. Herr C. sei außer mittwochs von Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr und am Dienstag und Donnerstag von 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr und gelegentlich freitags in der Praxis. Durch die gegenseitige Hilfestellung sei im Übrigen die Inanspruchnahme des Notdienstes vermieden worden, was kompensatorische Einsparungen herbeigeführt habe. Beide Praxen hätten einen erheblichen Anteil an Palliativ-, Schmerz- und Chiropatienten behandelt, welche stets auf sofortige Hilfe angewiesen seien.

Für beide Widerspruchsverfahren trug der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 04.09.2012 vor, obwohl auf das Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 05.03.1997 wegen der Problematik der Behandlungen gemeinsamer Patienten keine Reaktion erfolgt sei, habe er nach entsprechender Plausibilitätsprüfung für das Jahr 2004 weitere organisatorische Vorkehrungen getroffen, um eine parallele Behandlung von Patienten zu vermeiden. Er habe die Mitarbeiterinnen angewiesen, die Patienten zunächst nach ihrem Hausarzt zu befragen und andere Patienten nur anzunehmen, wenn sich nicht habe ausräumen lassen, dass eine dringende Behandlung erforderlich sein könnte. Patientenunterlagen wurden strikt getrennt aufbewahrt und geführt. Herr C. habe bereits seinerzeit eine diabetologische Schwerpunktpraxis geführt. Im Wesentlichen würden Dienstage aufgeführt werden. An diesen Tagen habe Herr C. einen Lehrauftrag wahrgenommen und habe nicht zu den üblichen Sprechstundenzeiten für die Versorgung zur Verfügung gestanden. Exemplarisch führe er zu 22 Behandlungsfällen aus. Herr C. und er hätten als einzige Ärzte Schmerztherapie betrieben. Dies führe zu einer Häufung chronisch kranker Patienten mit entsprechend häufigem akuten, schmerzbedingtem Behandlungsbedarf, der anderweitig nicht gedeckt werden könne. Dies gelte auch für die von ihnen beiden betriebene Palliativmedizin. Die Praxis C. habe noch Naturheilverfahren und Notfallmedizin angeboten, was er nicht anbiete. Diese fachlichen Besonderheiten erklärten auch, warum die Patientenhäufigkeit nicht auch in der Praxis von Frau E. zu verzeichnen gewesen sei, die mit dem Kläger und der Berufsausübungsgemeinschaft ebenfalls eine Praxisgemeinschaft betrieben habe. Herr C. habe sich auch bis zum Jahr 2008 im Insolvenzverfahren befunden. Bereits nach der gesetzlichen Regelung führe dies zu einer zwangsweisen Beendigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.10.2012 zugestellt, die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, wie sie bereits im Ausgangsbescheid festgestellt habe, sei aufgrund der gemeinsamen Patienten eine Abrechnungsauffälligkeit gegeben. Wesentlich sei für alle Fälle, dass in erheblichen Umfang gegenseitig Vertreterscheine abgerechnet werden würden. Folgende Tabelle veranschauliche die Anzahl der Patienten im Verhältnis zu den doppelten Patienten sowie den abgerechneten Scheinarten 00 (ambulante Behandlung), 42 (Urlaubs-/Krankheitsvertretung) und 24 (Mit-/Weiterbehandlung) bezogen auf die Gesamtfälle:

Quartal Patientenscheine Doppelte Patienten Scheinart 00 Scheinart 42 Scheinart 24
III/05 1.014 605 677 297 19
IV/05 1.150 777 650 456 28
I/06 1.324 865 750 495 24
II/06 1.262 808 737 476 22
III/06 1.185 698 725 424 29
IV/06 1.373 733 890 441 29
I/07 1.263 762 773 425 27
II/07 1.199 728 854 311 29
III/07 1.400 1.002 851 509 41
IV/07 1.349 955 805 508 34
I/08 1.457 952 813 599 33
II/08 1.138 788 734 374 35
III/08 1.214 739 746 434 31
IV/08 1.373 870 736 598 34
I/09 1.412 937 773 585 34
II/09 1.335 924 785 479 49
III/09 1.438 922 809 570 28
IV/09 1.379 751 892 428 38
I/10 1.372 922 809 506 27
II/10 1.314 834 771 494 35
III/10 1.473 790 844 585 31

Die Übersicht verdeutliche, dass von der gesamten Patientenanzahl bis zu gut dreiviertel durch doppelte Patienten bedingt sei. Das Verhältnis von doppelten Patienten und der Anzahl der vertretungsweise behandelten Patienten betrage gut die Hälfte. Eine weitere Überprüfung der Scheinart 42 jeweils im III. Quartal der Jahre 2005 bis 2010 habe ergeben, dass in einer Vielzahl der Vertretungsfälle der weiterbehandelnde Arzt Herr C. sei:
Quartal Zahl aller Vertretungsscheine (42) Anzahl der Vertretungsscheine mit der Angabe der Weiterbehandlung durch Herrn C. Prozentsatz
III/05 297 226 76
III/06 424 311 73
III/07 509 389 76
III/08 434 295 67
III/09 570 415 72
III/10 589 372 63

Die Überprüfung habe weiter ergeben, dass Vertretungsscheine an Tagen, an denen der Kläger bzw. Herr C. in der Praxis tätig gewesen sei, ausgestellt worden seien. Für 11 Quartale nennt die Beklagte jeweils einen Behandlungsfall. Es finde auch ein Praxiswechsel innerhalb des Quartals ohne erkennbaren Grund statt, was sich in der Anlage mehrerer Originalscheine zeige. In den Quartalen III/05 bis IV/07 fände man Fälle, in denen für denselben Patienten in den hausärztlich ausgerichteten Praxen jeweils ein Originalschein angelegt worden sei. Sie hätten sich bei der Behandlung der Versicherten abgewechselt, wie es in einer Gemeinschaftspraxis üblich sei. Hierzu gibt die Beklagte für jedes Quartal drei Patientennamen an. Auffällig sei, dass für einige Patienten regelmäßig über mehrere Quartale in beiden Praxen Originalscheine (Scheinart 00) oder Vertretungsscheine (Scheinart 42) angelegt worden seien. In einer tabellarischen Übersicht werden für jedes Quartal ein bis drei Patientennamen genannt. Dieses Vorgehen verstoße gegen die Regelungen der hausärztlichen Versorgung. Festzustellen sei auch ein vertragswidriges Benutzen der Versichertenkarten. Es gebe Fälle, in denen in beiden Praxen Patienten behandelt worden seien, wobei die Versichertenkarte ggf. zu einem anderen Zeitpunkt eingelesen worden sei als die Behandlung stattgefunden habe. Hierzu benennt die Beklagte Beispielsfälle aufgrund einer Stichprobe der ersten 50 Fälle je Quartal. Es wird für jedes Quartal mit Ausnahme der Quartale I/06, II/07, II/08, I/09, II/09, IV/09 und I/10 ein Behandlungsfall genannt unter Angabe der Behandlungsdaten und des Datums der Karteneinlesung für beide Praxen. Festzustellen sei auch ein Einlesen der Versichertenkarte am selben Tag und Behandlung am gleichen Tag bzw. an einem anderen Tag. Es werden Beispielsfälle aufgrund einer Stichprobe der ersten 50 Fälle je Quartal genannt und zwar jeweils ein Behandlungsfall, für das Quartal IV/09 zwei Behandlungsfälle, unter Angabe des Karteneinlesedatums und der Behandlungen in der jeweiligen Praxis. Die Daten der Krankenversicherungskarte dürften nicht vorab eingelesen und gespeichert werden. Sie könne nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand kontrollieren, ob der Patient tatsächlich behandelt worden sei. Die Weiterbehandlungen aufgrund der vergleichbaren Genehmigungslage und ihren Zusatzbezeichnungen seien nicht gerechtfertigt gewesen. Der Einwand des Klägers auf Behandlungen im ärztlichen Notfalldienst greife nicht, da eine exemplarische Überprüfung der Quartale III/05 bis III/07 ergeben habe, dass die hohe Anzahl der doppelten Patienten nicht auf Vertretungen im Ärztlichen Notfalldienst (Scheinkennung 41) zurückgeführt werden könnten:
Quartal Fallzahl Gesamtzahl der Doppelfälle Scheinart 41 Weiterbeh. Arzt Dr. C.
III/05 1.014 605 18 0
IV/05 1.150 777 13 1
I/06 1.324 865 49 5
II/06 1.262 808 22 0
III/06 1.185 698 1 0
IV/06 1.373 733 12 0
I/07 1.263 762 38 2
II/07 1.199 728 7 0
III/07 1.400 1.002 2 0

Der Umstand der Lehrtätigkeit von Herrn C. an der Universität C-Stadt rechtfertige keine andere Betrachtungsweise. Die Lehrtätigkeit dürfe nicht die vertragsärztliche Präsenzpflicht beeinträchtigen. Der Kläger habe sich durch pflichtwidriges Verhalten bei der Ausgestaltung der beruflichen Zusammenarbeit vertragsärztliches Honorar verschafft, das er bei korrekter Zusammenarbeit nicht hätte erzielen können. Er habe grob fahrlässig die Versichertenkarten doppelt eingelesen und Überweisungsregeln missachtet. Die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung entfalle. Die erhöhte Fallzahl führe zu Vorteilen bei Budgetierungsregelungen, so z.B. beim Regelleistungsvolumen, dem Laborkostenbudget und dem Wirtschaftlichkeitsbonus. Die Rückforderung habe sie im Wege der Schätzung vornehmen können.

Hiergegen hat der Kläger am 08.11.2012 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.11.2012 das Verfahren bezüglich der Quartale I/08 bis III/10 unter dem Az. S 12 KA 592/12 abgetrennt.

Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend zu den im Widerspruchsbescheid genannten Beispielsfällen bezüglich der gegenseitigen Vertretungspraxis im Einzelnen vor. Es bleibe festzuhalten, dass die jeweilige Vertretung nur das medizinisch zwingend erforderliche Maßnahmenprogramm umfasst habe. Die Pauschalierung des Entgeltsystems führe zu der Annahme, dass eine "parallele hausärztliche Betreuung" begründet werde. Das Personal sei entsprechend hinsichtlich der Trennung der Praxen eingewiesen worden. Die Patientenkarteien seien getrennt geführt worden. Auch die Terminplanung sei getrennt erfolgt. Lasse man eine Identität der Helferinnen nicht zu, so sei eine Praxisgemeinschaft nicht mehr möglich. Aufgrund der organisatorischen Maßnahmen komme es auf die indizielle Wirkung der gemeinsam behandelten Patienten nicht entscheidend an. Er weise auch nochmals auf die unterschiedlichen Leistungsspektren hin. Die Forderung nach dem Angebot ausreichender Sprechstunden könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch über die Zeiten, welche die Notdienstordnung als regelmäßige Sprechstundenzeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ansehe, hinausgehende Sprechstunden angeboten werden müssten, da die Patienten ein entsprechendes Versorgungsbedürfnis hätten. Die Behandlungsfälle auf Originalscheinen in beiden Praxen beruhten darauf, dass es den Helferinnen aufgrund der getrennten Karteien nicht möglich gewesen sei, im Einzelfall die Auskunft des Patienten zu widerlegen. Manche Patienten hätten die Zuordnung zu einem Hausarzt unterlaufen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 04.10.2010 und den Bescheid vom 17.01.2012, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Ausgangsbescheiden und im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, sie habe nachgewiesen, dass tatsächlich eine Gemeinschaftspraxis geführt worden sei. Weitergehende Argumente würden im Klageverfahren nicht vorgetragen werden. Der Kläger habe mit der Berufsausübungsgemeinschaft C./D. einen sehr hohen Anteil an Patienten gemeinsam behandelt und damit im streitgegenständlichen Zeitraum seine Tätigkeit tatsächlich in Form einer (nicht genehmigten) Gemeinschaftspraxis ausgeübt. Die Erläuterungen des Klägers zu den genannten Beispielsfällen könnten nicht überzeugen. Insbesondere die Erläuterung zu dem Patienten P1, der aufgrund anderweitiger Patientenbehandlung vom Kläger durch Herrn C. im Rahmen eines Hausbesuches behandelt worden sei, zeige gerade die gemeinsame Patientenbehandlung wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Der Hinweis auf verschiedene Behandlungsspektren überzeuge nicht, da bei dem Kläger und Herrn C. identische Abrechnungsgenehmigungen vorlägen. Auch der Kläger verfüge über die Abrechnungsgenehmigung "DMP Diabetes Mellitus Typ 2 – koordinierender Arzt sowie Diabetikerschulung mit und ohne Insulinbehandlung". Somit bestehe keine Notwendigkeit für den Kläger, seine Diabetikerpatienten an die Berufsausübungsgemeinschaft C./D. zu verweisen. Beide Ärzte verfügten auch über die Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie und Chirotherapie.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 30.07. und 13.08.2014 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat bereits mehrfach über vergleichbare Sachverhalte entschieden, so mit Urt. vom 02.04.2014 - S 12 KA 634/12 -, Urt. vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 u. S 12 KA 360/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 22/14 -, Urt. vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 33/13 -, Urt. vom 05.12.2012 - S 12 KA 80/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 5/13 -; Gerichtsb. v. 02.07.2014 - S 12 KA 483/13 -, Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 50/14 -).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist im Ergebnis aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 04.10.2010 und 17.01.2012, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Dies wird nunmehr durch den ab 01.01.2004 geltenden § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V klargestellt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Dies galt auch bereits zuvor auf der Grundlage der genannten bundesmantelvertraglichen Regelungen.

Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil )Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 RSozR 4-2500 § 85 Nr. 22 = BSGE 96, 1 = Breith 2006, 715 = MedR 2006, 542 = GesR 2006, 499 = USK 2005-130, zitiert nach juris Rdnr. 11 m.w.N.)

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat. Dementsprechend erfolgt eine sachlich-rechnerische Richtigstellung z. B. bei der Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten, bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden, bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4 = GesR 2010, 615 = ZMGR 2010, 370 = MedR 2011, 298 = USK 2010-73, juris Rdnr. 26 f. m.w.N.).

Bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft können Honorarbescheide korrigiert werden.

Für die berufliche Kooperation im Status der Gemeinschaftspraxis i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) (Ärzte-ZV) ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebietes oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei - über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus - die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten. Einen Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Einnahmenerzielung. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist neben einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis grundsätzlich auch eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem "Goodwill") erforderlich, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Diese Form der Zusammenarbeit bedarf vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient. Mit ihr wird vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen. Es verbleibt bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R - SozR 4-5520 § 33 Nr. 6 = BSGE 96, 99 = ZMGR 2006, 148 = NZS 2006, 544 = GesR 2006, 450 = MedR 2006, 611 = Breith 2007, 185, juris Rdnr. 14 f. m.w.N.).

Behandeln die Partner einer Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, bedienen sie sich der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich. Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KVen und der Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555) (im Folgenden: ARL) geben in § 11 Abs. 2 für die Plausibilitätsprüfung bereits bei 20 % Patientenidentität in (teil )gebietsgleichen/versorgungsbereichsidentischen bzw. 30 % bei gebietsübergreifenden/versorgungsübergreifenden Praxisgemeinschaften die Annahme einer Abrechnungsauffälligkeit vor. Diese Aufgreifkriterien lassen die in den Richtlinien vorgenommenen Grenzziehungen erkennen, dass jedenfalls dann, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes annähernd bzw. mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes stattfindet. Bei einer derart hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19 f.; BSG, Beschl. v. 05.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris Rdnr. 12).

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der beide Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnehmen, ergibt sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wählt der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten kommt schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollen (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen.

Nach diesen Kriterien hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinreichend nachgewiesen. Sie hat in den angefochtenen Bescheiden im Einzelnen zutreffend dargelegt, dass der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten in den streitbefangenen Quartalen bei dem Kläger zwischen 53,39 % und 71,57 % beträgt. Je höher der Anteil gemeinsam behandelter Patienten ist, desto eher kann allein aus diesem Umstand auf eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft geschlossen werden. Dabei können auch Erfahrungswerte berücksichtigt werden, dass im hausärztlichen Bereich von einem Anteil an Vertretungsfällen von 5 % bis 10 % auszugehen ist. So weist das LSG Nordrhein-Westfalen auf Ermittlungen der KZV Nordrhein hin, die für ihren - vertragszahnärztlichen - Bereich einen Anteil von Doppelbehandlungen in Praxisgemeinschaften von 3 bis 5 % festgestellt habe (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 60/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 59/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 19). Die Beklagte geht im Allgemeinen von einem Anteil von 5 % für Vertretungsscheine aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 S 12 KA 30/10 - juris Rdnr. 50) bzw. – wie im hier vorliegenden Verfahren - von einer gegenseitigen Vertretung im Fachgruppendurchschnitt von unter 10 % aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 80/12GesR 2013, 225, juris Rdnr. 42; SG Marburg, Urt. v. 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 und S 12 KA 360/12 -; SG Marburg, Urt. v. 02.04.2014 - S 12 KA 634/12 -). LSG Niedersachsen geht gleichfalls davon aus, dass bei Praxisgemeinschaften üblicherweise auftretende Patientenidentitäten deutlich geringer sind als 20 % (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 21.03.2012 - L 3 KA 103/08 - juris Rdnr. 23). Clemens weist darauf hin, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15 % beträgt (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 106a Rdnr. 175). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Durchschnitt im Einzelfall überschritten wird.

Der Kläger hat mit dem Hinweis auf die Praxisschließung der Berufsausübungsgemeinschaft C./D. am Mittwoch, die unterschiedlichen Abendsprechstunden, die zumindest teilweise Abwesenheit des Herrn C. an Dienstagen wegen dessen Lehrverpflichtung an der Universität, wobei Frau D. vor allem Hausbesuche durchführte und Altenheime betreute, selbst dargelegt, dass die Praxis wie eine Gemeinschaftspraxis geführt wird. Im Klageverfahren konnte der Kläger die Behandlung in den P2, P3, P4 nicht erklären. Im Behandlungsfall P5 ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger die Behandlung im Urlaub des Herrn C. übernommen haben will, während er einräumt, dass Herr C. jedenfalls in geringen Umfang an diesem Tag tätig gewesen sei. Im Übrigen bleibt hier und in den vergleichbaren übrigen Fällen unklar, weshalb nicht Frau D. als Kollegin in der Berufsausübungsgemeinschaft die Behandlung übernommen hat. Insofern wird nicht schlüssig vorgetragen, dass die Ärzte der Berufsausübungsgemeinschaft immer zeitgleich Urlaub genommen haben. Dies betrifft insbesondere den Vortrag In den Behandlungsfällen P6. In den Behandlungsfällen P7 räumt der Kläger ein, die Behandlung wegen Überlastung der Berufsausübungsgemeinschaft übernommen zu haben. Damit räumt er ein, wie ein Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft tätig geworden zu sein. In den Behandlungsfällen P1 räumt er ein, der Kollege C. habe die Besuchstätigkeit wegen seiner noch andauernden ärztlichen Sprechstunde vorgenommen. Es ist nicht ersichtlich, warum er den Hausbesuch nicht in einer Pause oder nach Beendigung der Sprechstunde bzw. bei entsprechender Dringlichkeit durch Unterbrechen der Sprechstunde hätte durchführen können. Die Behandlungsfälle P8. betreffen die generelle Ortsabwesenheit des Herrn C. am Mittwoch, wobei auch hier unklar bleibt, weshalb nicht Frau D. die Behandlung übernommen hat. In den Behandlungsfällen P9, P10 und P11 verweist der Kläger auf seine Abendsprechstunde, die aber grundsätzlich nur der Behandlung eigener Patienten dienen kann. Dass es sich hier um unaufschiebbare Notfallbehandlungen gehandelt hätte, wird aus dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich. Lediglich für die Behandlungsfälle P9 und P11 wird dies unsubstantiiert behauptet.

Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass nicht alle diese Fälle darauf beruhen, dass es sich um, wenn auch der Organisation der klägerischen Praxis geschuldete Notfälle gehandelt hat. Insofern setzen die geltenden vertragsarztrechtlichen Regelungen für eine letztlich arbeitsteilige Behandlungsweise Grenzen. Die von dem Kläger mit ihrem Gemeinschaftspraxispartner gewählte Organisationsform wäre allenfalls nur dann zulässig, wenn die strikte Trennung beider Praxen durchgehalten werde würde. Sie wäre selbst dann noch problematisch, wenn sich aufgrund der zwangsläufig gehäuften Abwesenheitszeiten vermehrt Überlappungen der Behandlungen ergäben.

Die Beklagte hat im Einzelnen auf die große Zahl der gemeinsamen Patienten und auf weitere Indizien hingewiesen, die eindeutig auf das Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis hindeuten, so die gegenseitige Vertretungspraxis, den Praxiswechsel innerhalb des Quartals ohne erkennbaren Grund - mehrere Originalscheine und das vertragsarztwidrige Benutzen der Versichertenkarten. Ferner hat sie dargelegt, dass die hohe Zahl der doppelten Patienten nicht auf Vertretungen im ärztlichen Notfalldienst zurückzuführen ist. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da der Begründung des Widerspruchsbescheides, insbesondere Seite 8 bis 16, folgt (§ 136 Abs. 3 SGG).

Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund "an der Ausübung seiner Praxis verhindert" sei, d. h. nicht nur stundenweise abwesend ist und die Praxis insgesamt geschlossen bleibt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 08.06.2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Bereits nach dem Bundesmantelvertrag im Primärkassenbereich in der bis Juni 2007 geltenden Fassung - die gleiche Rechtslage bestand im Quartal III/07 fort - war der Vertragsarzt gehalten, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollen die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt war und ist gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen. Dies folgt bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis kann nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt hat in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.)

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R – a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 – B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der all Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnehmen, ergibt sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wählt der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten kommt schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollen (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen. Das hat der Kläger nicht oder jedenfalls nicht ausreichend getan. Vielmehr geht aus den Ausführungen des Klägers hervor, dass aufgrund des Unterlaufens der Hausarztbindung eine wirkliche Akzeptanz nicht zu erreichen war. Das deckt sich insofern mit den Feststellungen der Beklagten, dass bei Abwesenheit eines Praxispartners die Behandlung von dem anwesenden Praxispartner fortgeführt wurde. Soweit in einzelnen (Not-)Fällen aus medizinischen Gründen eine Abweisung der Patienten nicht möglich gewesen sein sollte, wird dem von der Beklagten bei der Neufeststellung der Honorare mit den zugestandenen gemeinsamen Fällen - zum Umfang im Einzelnen sogleich - mehr als ausreichend Rechnung getragen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 35; LSG Bayern, Urt. v. 28.03.2007 – L 12 KA 216/04 – juris Rdnr. 26).

Vertrauensschutzgründe aufgrund der Anfrage im März 1997 stehen einer Honorarberichtigung nicht entgegen. Der Kläger trägt selbst vor, die Beklagte habe sich hierzu gerade nicht geäußert. Von daher konnte der Kläger aus der bloßen Nichtbeantwortung seines Schreibens nicht darauf schließen, die Beklagte werde insb. auch in Zukunft das Behandlungs- und Abrechnungsverhalten nicht überprüfen.

Angesichts dieser Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erweisen sich die von den Klägern in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen sie die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt haben, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - a.a.O., Rdnr. 69). Der Beklagten kommt dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein kann.

Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1 = MedR 1998, 338 = USK 97134, juris Rdnr. 21 f. ). Angesichts der im Einzelnen von der Beklagten dargelegten Implausibilität der Abrechnung für alle streitbefangenen Quartale ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen. Es bedarf eines Nachweises im Einzelfall dann nicht mehr, wenn entweder eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen oder eben die Implausibilität der Abrechnung nachgewiesen ist. Der Nachweis der Implausibilität der Abrechnung steht insofern dem Nachweis einer unrichtigen Angabe über erbrachte Leistungen gleich bzw. ersetzt diesen. Im Übrigen hat die Beklagte auch für jedes Quartal wenigstens einen Einzelfall nachgewiesen. Von daher war auch nicht in jedem Einzelfall zu prüfen, aus welchem Grund die Angabe einer Notfalldiagnose unterblieben ist.

Keinesfalls steht den in einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen gewesen wäre, wenn sie auch rechtlich eine genehmigte Gemeinschaftspraxis im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gebildet hätten (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 22). Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie legal in einer genehmigten Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet hätten. Das BSG (ebd.) führt vielmehr weiter aus, dass jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten desselben Fachgebiets solche Gebührentatbestände des EBM, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt werden kann, bei keinem Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen seien, denn insoweit scheide eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistungen zu einem der Vertragsärzte aus. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung solche Gegenrechnungen bzw. Saldierungen abgelehnt, weil dadurch die Ordnungsvorgaben des Vertragsarztsystems unterlaufen würden. Honorarkürzungen dürfen sich vielmehr auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen ist, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen kann eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen des Missbrauchs der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft. Dabei können auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen, um Vergütungen, die bei Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis nur einmal zu zahlen wären, beiden Ärzten zu kürzen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.).

Eine "Beratung vor Regress" ist gesetzlich nur und erst seit Neuerem für eine Richtgrößenprüfung vorgeschrieben, nicht aber für ein Verfahren nach § 106a SGB V.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Berechnung des Berichtigungsbetrags aber zu beanstanden.

Die Beklagte geht zunächst von der Anzahl gemeinsamer Patienten aus. Hiervon zieht sie einen nicht näher begründeten "Sicherheitsabschlag" von 30 % ab. Die darüber hinaus verbliebene Anzahl der Fälle teilt sie hälftig (50 %) auf die Praxisgemeinschaftspartner auf, wodurch weitere 50 % anerkannt werden. Im Ergebnis verbleibt dem Kläger damit ein Anteil von 34,7 % bis 52,7 % der gemeinsamen Fälle an seiner Gesamtzahl, wie sich aus nachfolgenden Berechnungen der Kammer ergeben. Spalte 6 zeigt jeweils die verbleibenden Fälle aufgrund des 30 %-Abzugs, Spalte 7 die verbleibenden Fälle aufgrund der 50 %-Aufteilung, Spalte 8 gibt die Differenz der Spalten 4 und 7 wieder und damit die Anzahl der nicht beanstandeten gemeinsamen Fälle, Spalte 9 deren Anteil an der Gesamtfallzahl (Spalte 2):

1 2 3 4 5 6 7 8 (4-7) 9 (8 von 2)
Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Unplausible Fälle - 30% Unpl. Fälle 50 % Gesamt anerkannt Gesamt in %
III/05 1.104 605 605 181 424 212 393 35,6
IV/05 1.150 777 777 233 544 272 505 43,9
I/06 1.322 865 865 259 406 303 562 42,5
II/06 1.258 808 808 242 566 283 525 41,7
III/06 1.180 698 698 209 489 244 454 38,5
IV/06 1.373 733 733 219 514 257 476 34,7
I/07 1.262 762 762 228 534 267 495 39,2
II/07 1.197 728 728 218 510 265 463 38,7
III/07 1.400 1.002 1.002 300 702 351 651 46,5
IV/07 1.348 955 955 286 669 334 621 46,1
I/08 1.455 952 666 199 467 233 719 49,4
II/08 1.138 788 552 165 387 193 595 52,3
III/08 1.214 739 517 155 362 181 558 46,0
IV/08 1.373 870 609 182 427 213 657 47,9
I/09 1.404 937 656 196 460 230 707 50,4
II/09 1.325 924 647 194 453 226 696 52,7
III/09 1.425 922 645 193 452 226 696 48,8
IV/09 1.366 751 526 157 369 184 567 41,5
I/10 1.363 922 645 193 452 226 696 51,1
II/10 1.297 834 584 175 409 204 630 48,6
III/10 1.464 790 553 165 388 194 596 40,7

Soweit die Beklagte in den beiden angefochtenen Berichtigungsbescheiden einen unterschiedlichen Kürzungsmaßstab angewandt hat, wird der Kläger hierdurch nicht beschwert.

Im Ausgangsbescheid für die Quartale I/08 bis III/10 geht die Beklagte davon aus, dass von der Anzahl gemeinsamer Patienten lediglich 70 % als unplausibel zu gelten haben. Im Ausgangsbescheid für die Quartale III/05 bis IV/07 geht die Beklagte davon aus, dass alle gemeinsamen Patienten auch unplausible Fälle abgeben. Der weitere Kürzungsmodus ist dann identisch, von den – unterschiedlich festgestellten – unplausiblen Fällen werden dann 30 % abgezogen, von den verbliebenen unplausiblen Fällen wird die Hälfte nicht beanstandet, die andere Hälfte wird vollständig mit dem Fallwert multipliziert, was den Berichtigungsbetrag ergibt. Die Kammer vermochte nicht zu erkennen, weshalb der doppelte Abschlag von 30 % in den Quartalen I/08 bis III/10 geboten sein sollte. Der Kläger wird hierdurch aber nicht beschwert, da die zugestandenen Patientenanteile noch zwischen 34,9 % und 52,7 % liegen.

Damit werden trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % dem Kläger z. T. erheblich mehr als 20 % gemeinsamer Fälle zugestanden. Zwar bestehen grundsätzlich Bedenken bei der Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung, da die Vorgehensweise der Beklagten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die Kammer hat aber bereits im Urteil vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O., Rdnr. 59 die Kürzung nicht beanstandet, da trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % den Klägern erheblich mehr als 20 % gemeinsame Fälle nicht beanstandet worden seien. Die Kammer hat ausgeführt, die Schwankungsbreiten zwischen den beiden Klägern und den Quartalen beruhten auf der unterschiedlichen Anzahl gemeinsamer Fälle und der willkürlichen 30 %-Grenze. Wenn auch die Beklagte über diese Unterschiede keine Begründung abgegeben habe, so sehe die Kammer dies noch von dem Ermessen der Beklagten, das zu Pauschalierung berechtigte, als gedeckt an. Die Kammer hat dann im Urteil vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 - die Kürzungen z. T. beanstandet, da diese Voraussetzungen nicht mehr durchgängig vorlagen. Sie hat ferner nochmals darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Auswirkungen Bedenken bzgl. einer gleichmäßigen Ermessensausübung (Art. 3 Abs. 1 GG) bestünden.

Die Kammer ist bereits im Urteil vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 - davon ausgegangen, dass insofern § 11 Abs. 2 ARL verbindlich vorgibt, dass im Ergebnis ein Anteil von 20 % bzw. bei fachübergreifenden Praxisgemeinschaften von 30 % - gemeinsamer Patienten anzuerkennen ist, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die einen höheren Anteil rechtfertigen, was vorliegend nicht ersichtlich ist. Auch in der Literatur werden, ausgehend davon, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15% beträgt, Kürzungen ab einer Quote von 20% an Doppelpatienten grundsätzlich als rechtens angesehen (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V, Rdnr. 175). Soll eine darüber hinausgehende Kürzung vorgenommen werden, ist dies im Einzelnen zu begründen und reichen bei Ausübung des Kürzungsermessens allgemeine pauschalierende Erwägungen nicht mehr aus.

Nach § 11 Abs. 2 ARL ist eine Abrechnungsauffälligkeit nur ab der genannten Grenzwerte zu vermuten. Eine solche Abrechnungsauffälligkeit bedeutet aber noch nicht, dass automatisch eine Honorarkürzung ausgesprochen werden kann, da nach § 12 Abs. 1 und 2 ARL erst dann die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durchführt mit dem Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden ist oder nicht. § 11 Abs. 2 ARL gibt damit aber eine Untergrenze an, ab deren Überschreiten erst eine weitere Prüfung stattfindet, ohne die eine Honorarkürzung nicht erfolgen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diese Untergrenze trotz der Feststellung, dass tatsächlich ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, auch als Kürzungsgrenze jedenfalls verbleibt, soweit nicht eine ergänzende substantiierte Prüfung ergibt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gestaltungsmissbrauch auch Unterhalb der Untergrenze zu unzulässigen Honorarverschiebungen geführt hat. Insofern beschränkt die für die Beteiligten verbindliche ARL (§ 106a Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB V) das Ermessen der Beklagten.

Die Beklagte hat, wie bereits ausgeführt, hinreichende Gründe für eine Honorarberichtigung dargelegt. Im Hinblick auf den hohen zugestandenen Anteil gemeinsamer Patienten wird der Kläger aber bei der Ermessensausübung durch die Beklagte nicht beschwert.

Von daher konnte die Kammer auch von einer Vernehmung der Zeugen C. und F. absehen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Kammervorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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