L 6 SF 1427/14 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 22 SF 91/13 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1427/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die pauschalen Ablehnung eines Spruchkörpers (hier: alle Senatsmitglieder aller Senate des Thüringer LSG) ist rechtsmissbräuchlich. Dann kann der Spruchkörper (hier: 6. Senat) in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das unzulässige Ablehnungsgesuch entscheiden (vgl. BSG, Beschluss vom 19.02.2012 - B 11 AL 13/09 C).
2. § 197 SGG regelt abschließend das Verfahren der Festsetzung der Kosten im Verhältnis der Beteiligten und verdrängt als lex specialis § 172 Abs. 1 SGG (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 SF 1481/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 6. September 2013 - L 8 AS 1509/13 B KO). Eine Änderung ist durch das 2. Kostenmodernisierungsgesetz nicht eingetreten (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 11.06.2014 - L 6 SF 549/14 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 6.09.2013 - L 8 AS 1509/13 B KO; LSG Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2013 - L 39 SF 221/13 B E).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Oktober 2014 wird verworfen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

Der Senat konnte über das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin in der vom Geschäfts-verteilungsplan festgelegten Besetzung der (auch abgelehnten) Richter des 6. Senats entschei-den, denn es ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11; BSG, Beschluss vom 19. Januar 20120 - B 11 AL13/09 C, BFH, Beschluss vom 25. August 2009 - V S 10/07, alle nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014 Rdnr. 10d).

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten. Nach § 60 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO kann ein Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden. Hierzu gehört die pauschale Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 20120 - B 11 AL13/09 C m.w.N., nach juris). Hier hatten die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 pauschal "alle Senatsmitglieder aller Senate" des Thüringer Landessozialgerichts "insbesondere im Hinblick auf ihre bisherige Rechtsprechung zur Verfahrensgebühr bei der Untätigkeitsklage" abgelehnt. Es kann dahingestellt werden, ob dieses Gesuch - entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut eines rechtskundigen Prozessbevollmächtigten - so ausgelegt werden könnte, dass nur die Senatsmitglieder des 6. Senats abgelehnt werden, die nach der Geschäftsverteilung allein für entsprechende Beschwerden zuständig sind. Auch dann wären die Ausführungen nicht im Ansatz geeignet, bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf die Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers zu schließen. Ohne Bedeutung ist die Behauptung, die Rechtsprechung zur Verfahrens-gebühr bei der Untätigkeitsklage (zitiert wird der Beschluss vom 25. Oktober 2010 - L 6 SF 652/10) sei "mehr als verfehlt" und es sei "zu befürchten", dass diese nicht aufgegeben werde.

Im Übrigen ist die Beschwerde unstatthaft.

Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Das ist hier der Fall, denn nach § 197 SGG setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Prozessbevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest (Absatz 1 Satz 1); gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (Absatz 2). § 197 SGG regelt abschließend das Verfahren der Festsetzung der Kosten im Verhältnis der Beteiligten zueinander (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 197 Anm. 2) und verdrängt nach allgemeiner Meinung (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 30. September 2013 - L 6 SF 1481/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 6. September 2013 - L 8 AS 1509/13 B KO m.w.N., nach juris) als lex specialis § 172 Abs. 1 SGG. Eine Ausnahme besteht nur im Rahmen der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung, denn dann gilt nach § 56 Abs. 2 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) § 33 Abs. 3 bis 8 RVG entsprechend. Darüber hinaus sind diese Regelungen weder direkt noch mangels Regelungslücke analog auf das Kostenfestsetzungsverfahren in § 197 Abs. 2 SGG anwendbar. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2014 - L 6 SF 549/14 B) ist eine Änderung auch nicht durch das 2. Kostenmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586 = n.F.) eingetreten. Nach § 1 Abs. 3 RVG n.F. gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/11471 S. 250) dient der neue Absatz der Klarstellung des Vorrangs der kostenrechtlichen Vorschriften vor den spezielleren Vorschriften (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 6. September 2013 - L 8 AS 1509/13 B KO; LSG Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2013 – L 39 SF 221/13 B E mit Anm. Mayer FD-RVG 2014, 357147, alle nach juris).

Ohne rechtliche Bedeutung ist der Vortrag der Beschwerdeführerin, es sei bisher höchstrichterlich vom BSG nicht geklärt, ob die Beschwerde zum BSG in diesen Fällen gegeben sei. Er ist richtig; eine solche Entscheidungsmöglichkeit besteht aber nicht. Die Beschwerde ist vom Gesetz ausgeschlossen und eine weitere Beschwerde zum BSG ist im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen.

Für die Entscheidungen über die "hilfsweise" erhobene Anhörungsrüge und "höchst hilfsweise" erhobene Gegenvorstellung ist nicht der Senat, sondern das Sozialgericht zuständig.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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