S 30 VS 13/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VS 13/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 22/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2007 und des Bescheides vom 14.04.2008 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21.04.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 09.12.2003 bis 30.06.2006 Leistungen nach §§ 81/85 SVG aufgrund eines GdS von 30 zu erbringen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Gegen die Beklagte werden Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 Euro verhängt.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten sind Leistungen der Soldatenversorgung aufgrund von gesundheitlichen Schädigungen auf orthopädischem Fachgebiet. Der Kläger ist geboren am XX.XX.1958. Ein erstes Verfahren um Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung und entsprechende Leistungen eröffnete er 1998 wegen eines ungeschützten Umgangs u.a. mit Asbest, Lösungsmitteln und Abgasen und eines nach seiner Auffassung dadurch hervorgerufenen Coloncarcinoms. Nachdem ein Bescheid von 1999 und ein Beschwerdebescheid von 2001 eine Anerkennung sowie Leistungen wegen einer Ungewissheit über den ursächlichen Zusammenhang abgelehnt hatten, beendete der Kläger einen Rechts-streit hiergegen durch Rücknahme der Klage. Am 15.12.2003 beantragte der Kläger neuerlich die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung und die Erbringung entsprechender Leistungen. Als schädigendes Ereignis trug er vor, einen Sturz beim Rollerschi-Training im Oktober oder November 2002 bei der Vorbereitung auf die Divisionsmeisterschaft erlitten zu haben. Als Beschwerden machte er eine Knieverdrehung sowie den Verdacht auf eine Sehnenentzündung geltend. Mit Bescheid vom 26.08.2004 erkannte die Beklagte die Verstauchung des rechten Kniegelenks als Schädigungsfolge an, lehnte eine Leistung nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) jedoch ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht für wenigstens sechs Monate um mindestens 25 v.H. gemindert gewesen sei. Im Beschwerdeverfahren hiergegen gelangte ein orthopädisches Gutachten des Bundeswehr Zentralkrankenhaus B-Stadt vom 17.05.2006 jedoch zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30. Im selben Monat beantragte der Kläger am 29.05.2006 auch die Anerkennung einer Schädigung seines linken Knies durch denselben Unfall und entsprechende Leistungen. Die hieraus folgenden Schmerzen habe er zunächst unbeachtet gelassen. Auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts wurde dem Kläger am 26.07.2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 wegen einer Knieschädigung zuerkannt. Am 27.12.2006 stellte der Kläger neuerlich einen Antrag wegen einer Wehrdienstbeschädigung diesmal in Gestalt eines Fahrradsturzes vom 26.10.2006 mit den Folgen einer Schulterprellung, einer Platzwunde an der Stirn und der Fraktur zweier Finger. Mit Bescheid vom 17.08.2007 erkannte die Beklagte die Unfallschäden des Jahres 2006 als Wehrdienstbeschädigung an, verneinte wegen der Schäden des linken Knies jedoch Leistungsansprüche, weil wiederum die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht für wenigstens sechs Monate um mindestens 25 v.H. gemindert gewesen sei. Hiergegen erhob der Kläger am 06.09.2007 Beschwerde. Am 14.04.2008 folgte ein Ablehnungsbescheid bezüglich Anerkennung und Leistungen wegen einer Wehrdienstbeschädigung des rechten Knies. Das Verwaltungsverfahren en-dete mit einem negativen Beschwerdebescheid vom 21.04.2008. Seine Klage hiergegen begründete der Kläger u. a. mit dem Vortrag von Schmerzen im rechten Knie unter Hinweis auf das Gutachten aus B-Stadt sowie mit einer Kraftminderung, Schwellneigung und Schmerzen in der rechten Hand. Ein Gerichtsgutachten von Dr. E. auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet vom 30.05.2011 bestätigte die Einschätzung der Beklagten mit einer durchgängigen MdE bzw. nach zwischenzeitlicher Rechts-änderung eines durchgängigen Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von unter 25. Ein nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholtes orthopädisch-traumatologisches Gutachten von Dr. F. vom 16.11.2011 schätzte aufgrund einer umfassenden Diagnostik den GdS für die Zeit vom 09.12.2003 bis 30.06.2006 mit 30 ein, für die Folgezeit nur noch mit 20 und später 15. Am 29.12.2011 bot die Beklagte dem Kläger an, unter Beachtung dieses Gutachtens für den genannten Zeitraum Leistungen nach §§ 81 und 85 SVG zu erbringen. Strittig blieb lediglich die teilweise Tragung der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte. Das Gericht hat die Beklagte zunächst schriftlich und im Sitzungstermin auch mündlich darauf hingewiesen, dass ein vergleichsweises Entgegenkommen in der Sache auch eine Entsprechung auf der Ebene der Vertretungskosten finden muss. Es hat auf § 193 SGG hingewiesen. Nachdem der Vertreter der Beklagten eine entsprechende Kostenregelung weiterhin ab-gelehnt hat, hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer ihn auf die Möglichkeit hinge-wiesen, dass das Gericht wegen mutwilliger Inanspruchnahme gerichtlicher Kapazitäten auch Verschuldenskosten nach § 192 SGG verhängen kann. Daraufhin hat der Vertreter der Beklagten sein Vergleichsangebot zurückgezogen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2007 und des Bescheides vom 14.04.2008 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21.04.2008 zu Leistungen nach dem SVG zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten und des Beigeladenen beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist in der Sache auch insoweit begründet, als dem Kläger dem Grunde nach Leistungen gemäß §§ 81 und 85 SVG für die Zeit vom 09.12.2003 bis 30.06.2006 zustehen. Eine nähere Begründung dieses Anspruchs aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme erübrigt sich, weil die Beklagte mit ihrem schriftlichen Vergleichsangebot bekundet hat, den Feststellungen von Dr. F. folgen zu können. Der Widerruf des Vergleichsangebots in der mündlichen Verhandlung hat lediglich die prozessuale Folge, dass die Beklagte nicht fo-mell entsprechend ihrem Vergleichsangebot verurteilt werden kann. Materiell bleibt es jedoch dabei, dass die Beklagte inhaltliche Bedenken gegen das von ihr zunächst akzeptierte Endergebnis der gerichtlichen Begutachtung nicht geltend gemacht hat, so dass dieses Ergebnis unmittelbar in das Urteil eingeht.

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung ist "unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermes-sen" zu treffen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, E-Stadt 2012, § 193 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen). Grundsätzlich zu beachten ist das "Veranlassungsprinzip", wonach derjenige Beteiligte die Kostenlast zu tragen hat, der den Anlass für die Führung des Rechtsstreits geliefert hat. Der Kläger hatte aufgrund der angefochtenen Bescheide Anlass zur Klage, weil die Beklagte in vollem Umfang Leistungen an ihn abgelehnt hat, was sich nach dem Ergebnis der gerichtlichen Begutachtung nicht als haltbar erwiesen hat. Bei überschlägiger Bewertung des Prozesserfolges ist eine Erstattung in Höhe der Hälfte der Vertretungskosten angebracht. Verschuldenskosten waren gegen die Beklagte nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu verhängen, weil sie bzw. ihr Vertreter nach S. 2 der Vorschrift die Rechtsverteidigung fortführte, obwohl ihr bzw. ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit dieses Handelns dargelegt worden war. Jeder auch nicht rechtskundige Beteiligte etwa an einem zivilgerichtlichen Verfahren sieht ein, dass sein nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme notwendig gewordenes teilweises Nachgeben in der Sache auch zu seiner Beteiligung an den gegnerischen Anwaltskosten führen muss. Wenn dieser Grundsatz unbeachtet bliebe, wären viele auch weitgehend erfolgreiche Prozesse im Ergebnis nutzlos, weil die Klägerinnen und Kläger einen großen Teil der im Prozess erlangten Geldbeträge oder sogar eine Summe darüber hinaus für ihren eigenen Anwalt ausgeben müssten. Vom rechtskundigen Vertreter einer Behörde war diese Einsicht nach ausführlicher schriftlicher und mündlicher Belehrung durch das Gericht zu erwarten. Sich dieser Einsicht zu verweigern, konnte von der Kammer nur als willkürlich gewertet werden. Besonders kontraproduktiv war die Zurückziehung des Vergleichsangebots in der Sache lediglich wegen der Uneinigkeit in der Kostenangelegenheit. Das am 29.12.2011 bekundete materielle Entgegenkommen konnte wie jedes solche Vergleichsangebot nicht als Freundlichkeit einer Behörde gegenüber dem Gericht zur Einsparung dortiger Arbeit interpretiert werden, sondern als Ergebnis einer von behördlichen Ärzten und Juristen gefundenen Erkenntnis, dass der Anspruch des Klägers teilweise begründet ist. Die Aufrechterhaltung dieser Erkenntnis und ihre Umsetzung in ein Prozessergebnis darf nicht von der Zufriedenheit eines Beklagtenvertreters mit dem Verhalten des Vorsitzenden des Gerichts abhängig gemacht werden.
Die Höhe der Verschuldenskosten orientiert sich nach § 192 Absatz 1 S. 2 SGG orientiert sich an den Pauschalbeträgen nach § 184 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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