L 1 RA 341/04

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 RA 471/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 341/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1972 geborene Klägerin legte nach dem Schulabschluss mit der 10. Klasse von September 1988 bis Juli 1990 eine Lehre zum Wirtschaftskaufmann zurück und arbeitete anschließend noch bis zum 31. Dezember 1991 als Kostenrechner bei ihrem Arbeitgeber. Danach war sie arbeitslos und nur zwischen August 1992 und Mai 1993 in einer Fortbildungsmaßnahme, einer kaufmännischen Übungsfirma, beschäftigt. Hier erhielt sie eine Einführung in das Rechnungswesen und in die Lohn- und Gehaltsabrechnung und legte einen Lehrgang in Schreibtechnik zurück. Sie befasste sich mit der Verwaltung von Stammdaten, Lagerbewegungen, Auftragsbearbeitung und Bestellwesen unter Einsatz des Computers. Auch war sie im Bereich der Personalabrechnungen einschließlich der Meldungen an Finanzämter und Einzugsstellen tätig. Seit dem 1. April 1995 war sie als Sachbearbeiterin mit 30 Arbeitsstunden pro Woche bei einer Versicherungsagentur beschäftigt. Dazu gehörte die Registratur von Postaus- und eingängen und deren Bearbeitung, Ablage, Kundenbetreuung usw. unter Einsatz eines PC. Auch waren Kundengespräche zu führen und kleinere Versicherungen, wie Auslandskrankenversicherungen und Mopedversicherungen abzuschließen. Schließlich war die Klägerin für die Vertretung der Büroleiterin zuständig.

Seit November 1997 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem zunächst Unterleibserkrankungen im Vordergrund der Behandlung gestanden hatten, erkannten die Ärzte im Herbst 1998 bei der Klägerin einen Morbus Crohn und entfernten im Dezember 1998 ein 15 cm langes Stück im Übergangsbereich vom Dünn- zum Blinddarm (Ileozökalresektion). Nach einem Wiedereingliederungsversuch im März 1999 mit halbschichtiger Tätigkeit endete das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit Ende April 1999. Während einer Schwangerschaft der Klägerin kam es im März 2000 zu zwei epileptischen Anfällen.

Mit Rentenbescheid vom 29. Juni 2000 stellte die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 28. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2001 fest. Der Einschätzung lag ein Kurabschlussbericht der M-Klinik B. B. vom 8. Februar 2000 zu Grunde, deren Ärzte vor der Wiederaufnahme einer halb- bis untervollschichtigen Tätigkeit eine weitere Stabilisierung für erforderlich hielten.

Mit Bescheid vom März 2002 verlängerte die Beklagte die Rentengewährung bis Januar 2003. Vorausgegangen war ein Gutachten der Fachärztin f. Neurologie und Psychiatrie Dr. med. D. vom 17. Januar 2002, die die Klägerin nur für vier bis fünf Stunden arbeitstäglich einsatzfähig hielt. Die Gutachterin führte aus, den epileptischen Anfällen im März 2000 komme als Gelegenheitsanfällen keine Bedeutung zu. Der Klägerin sei eine sechswöchige psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme, zumindest aber eine intensive ambulante oder teilstationäre Psychotherapie zu empfehlen. Da die Klägerin an schneller Erschöpfung leide und Schmerzen in Gelenken und dem Nacken-Schulterbereich habe, sei eine Tätigkeit nicht vollschichtig zumutbar. Sie dürfe zudem keine Terminarbeiten enthalten. Die Möglichkeit zwischenzeitlicher Pausen sei nötig, zumal mehrfach die Toilette aufgesucht werden müsse.

Die Klägerin beantragte am 17. September 2002 die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin f. Allgemeinmedizin Sch. vom 20. Oktober 2002 ein, die über eine allgemeine Leistungsschwäche und Schmerzen in Kniegelenken und Beckenkamm berichtete und weitere Berichte beifügte. Nach einem Bericht des Rheumatologen K. vom 29. Mai 2002 bestand trotz der geäußerten Schmerzen im Knie- und Handbereich lediglich ein Beckenschiefstand und der Verdacht auf einen Hüftgelenksverschleiß links. Nach einem weiter beigefügten Bericht der Orthopädin Dipl.-Med. W. vom 24. September 2002 handelte es sich um ein wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit einer Kreuzdarmbeingelenksreizung links bei gestörter Wirbelsäulenstatik und Muskelschwäche. Schließlich ging aus einem beigefügten Bericht der Fachärztin f. Neurologie und Psychiatrie Dr. med. L. vom 1. Juni 2001 ein unauffälliger psychischer Befund bei der Klägerin hervor.

In einem Befundbericht vom 1. Dezember 2002 teilte die Ärztin G. von der U-klinik für Innere Medizin H. mit, die Klägerin leide unter vier bis acht breiigen Stühlen täglich, gelegentlichen, zeitweise täglich auftretenden krampfartigen Bauchschmerzen und Gelenkschmerzen der Knie. Es läge eine allgemeine Abgeschlagenheit vor. Längeres Stehen und Laufen werde wegen Gelenkschmerzen nicht toleriert.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Orthopäden MR Dr. med. A. vom 23. Januar 2003 ein, der zur Beurteilung gelangte, die Klägerin könne als kaufmännische Angestellte wie auch in einer anderen, sogar mittelschweren, zeitweise sitzenden, stehenden und gehenden Tätigkeit beschäftigt sein. Ständige Einschränkungen von seiten des Stütz- und Bewegungsapparates lägen nicht vor, lediglich gehäuftes schweres Heben und Tragen von Lasten und ständiges Arbeiten in einer Bückposition sei zu vermeiden. Die Beschwerden im Bereich der Handgelenke hätten durch eine klinische Untersuchung nicht objektiviert werden können. Die Rückenbeschwerden gingen auf eine geringfügige Seitverbiegung der Wirbelsäule nach links im Lendenwirbelsäulenbereich zurück. Die Beinverkürzung links von einem Zentimeter bedürfe jedoch keines Verkürzungsausgleichs. Hauptursache der Beschwerden sei aber die ausgeprägte Bauchmuskelschwäche. Die Beschwerden im linken Hüftbereich hingen mit einem verkürzten Muskulus piriformis zusammen. Diese Erkrankung sei behandlungsfähig. Eine geringfügige Arthrose der Kniescheibenrückfläche könne hinsichtlich der Leistungsfähigkeit vernachlässigt werden.

Die Beklagte holte weiterhin ein Gutachten der Fachärztin f. Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Schl. vom 21. Januar 2003 ein, die ebenfalls die Auffassung vertreten hat, die Klägerin könne in ihrem Beruf als Sachbearbeiterin wie auch in jeder anderen leichten überwiegend sitzenden Tätigkeit sechs Stunden und mehr beschäftigt sein. Die Klägerin leide unter einer psychosomatischen sowie einer Angststörung mit Vermeidungsverhalten hinsichtlich neuer Situationen. Die Gutachterin vertrat auch die Auffassung, bei der Klägerin sei das Umstellungs- und Anpassungsvermögen eingeschränkt. Zum psychischen Befund hat sie ausgeführt, die Versicherte wirke nicht eingeengt. Ein durchgeführter Test spreche nicht für Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite. Während der Untersuchung sei die Klägerin nicht genötigt gewesen, zur Toilette zu gehen. Nach eigenen Angaben müsse sie nach jedem Essen die Toilette aufsuchen.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei wieder in der Lage, in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig zu sein.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin noch im gleichen Monat Widerspruch ein. Dr. A. habe ein Gefälligkeitsgutachten erstattet. Dr. Schl. stelle sie nur als eingebildete Kranke hin. Solche Phantasiegutachten lehne sie ab.

Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. med. Sch. vom 24. Juni 2003 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, die Klägerin könne nach der bevorstehenden Geburt des zweiten Kindes sechs Stunden und mehr und in leichten Arbeiten zeitweise im Sitzen, Gehen und Stehen, aber auch vollschichtig in Schreibtischarbeiten tätig sein. Besonderer Zeitdruck sei auszuschließen. Eine Toilette müsse normal erreichbar sein. Die Klägerin berichte über moderate symptomatische Durchfälle als Folge der Operation. Es bestehe keine oder allenfalls eine geringe entzündliche Aktivität des Morbus Crohn.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und blieb bei der abgegebenen Begründung.

Mit der am 8. Oktober 2003 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Zustand habe sich seit 1998 nicht gebessert, sondern verschlechtert. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt auf die Berichte von Dipl.-Med. S. vom 18. November 2003, Bl. 56 f. d. A., und der Ärztin G. vom 27. November 2003, Bl. 58 f. d. A., Bezug genommen wird. Im Wesentlichen liegt nach Einschätzung der Ärztinnen zumindest keine Verschlechterung vor. Frau G. teilte einen regelrechten Befund von Ileocoloskopie und Sonographie des Bauchraumes mit und schloss einen Knochenschwund (Osteoporose) aus.

Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Chefarztes der Klinik f. Innere Medizin I des städtischen Krankenhauses M.-M. in H., Prof. Dr. med. B., vom 19. Juli 2004 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 102 - 112 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne leichte Büroarbeiten überwiegend im Sitzen mit den üblichen Ruhepausen vollschichtig ausüben. Es liege auch ein ausreichendes Gehvermögen der Klägerin vor. Der bei der Klägerin vorliegende Morbus Crohn ruhe derzeit. Die beklagte allgemeine Leistungsschwäche und Abgeschlagenheit lasse sich nicht auf die Darmkrankheit zurückführen. Hier sei ein Trainingsmangel bei psychisch verstärkenden Faktoren maßgeblich. Die Angaben der Klägerin über Beschwerden beim Stuhlgang sowie dessen Häufigkeit seien mit den objektiven Befunden eines derzeit ruhenden Morbus Crohn nicht vereinbar. Ein nach Aktenlage vorliegender beginnender Hüftgelenksverschleiß rechts erfordere keine weitere Behandlung.

Mit Urteil vom 29. September 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit scheide nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen aus, weil die Klägerin danach auch in der letzten Beschäftigung als Sachbearbeiterin wieder tätig sein könne. Das Gutachten stehe auch in Einklang mit den von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. med. Sch., Dr. med. A. und Dr. med. Schl. Selbst die Hausärztin der Klägerin habe in ihrem Befundbericht gebesserte Befunde bestätigt.

Gegen das ihr am 20. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im Oktober 2004 Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, sie lehne das Gutachten von Prof. Dr. B. ab, weil es parteiisch sei. Dies gelte auch schon für das Gutachten von Dr. Sch., der für solche Gutachten bekannt sei. Das Gutachten von Dr. Schl. sei für "Mackenärzte" typisch. Sie beziehe sich auf ein Gutachten von MR Dr. med. M. vom 29. März 2000, erstellt für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt. In diesem Gutachten, Bl. 160 - 163 d. A., ist der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nicht sicher beurteilbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 29. September 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit über den Januar 2003 hinaus zu zahlen, hilfsweise ihr ab einem späteren Leistungsbeginn Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und sieht sich darin durch die weiteren Ermittlungen bestätigt.

Das Gericht hat Befundberichte eingeholt von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. med. P. vom 23. Januar 2005, Bl. 164 f. d.A. und von der Ärztin G. vom 31. März 2005, Bl. 167 - 173 d. A. Auch die Ärztin G. geht bezüglich des Morbus Crohn von einer aktuellen endoskopischen Remission aus. Der letzte schwere Erkrankungsschub sei Anfang 2001 dokumentiert worden. Beim Fehlen von Mangelerscheinungen und eher übergewichtigem Ernährungszustand ergäben sich keine Hinweise auf eine relevante Dünndarmmanifestation des bekannten Morbus Crohn. Derzeit liege eine Remissionsphase mit allenfalls leichten Auswirkungen auf das Allgemeinbefindenvor.

Die Akte der Beklagten über die Klägerin - Vers.-Nr ... (3 Bände) - hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt hat.

Die Klägerin hatte zu Beginn des Monats Februar 2003 gemäß § 43 Abs. 1, 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 2.5.96 (BGBl. I S. 659) in Verbindung mit § 302 b Abs. 1 S. 1, 2 SGB VI in der Fassung durch Gesetz vom 20.12.00 (BGBl. I S. 1827, neue Fassung) keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil sie ihren bisherigen Beruf im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 SGB VI vollschichtig ausüben konnte; damit war sie gemäß § 43 Abs. 2 S. 4 SGB VI nicht berufsunfähig. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1, 2 SGB VI schied danach schon wegen § 44 Abs. 2 S. 2 SGB VI ebenfalls aus. Denn danach steht ein vollschichtiges Leistungsvermögen dem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entgegen. Die Klägerin hat seit Februar 2003 auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI neuer Fassung erworben, weil sie bei gleichbleibender Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben mehr als sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dies steht gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI neuer Fassung diesem Rentenanspruch entgegen.

Auf diese rentenrechtliche Lage kommt es für die Prüfung des Rentenanspruchs der Klägerin allein an; er ist nach den gleichen Maßstäben wie jeder neu erhobene Rentenanspruch zu prüfen. Der mit Bescheid vom März 2002 zuletzt festgestellte Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist dabei ohne rechtliche Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht auf eine Besserung des Leistungsvermögens als wesentliche Änderung der Verhältnisse an, die nur Voraussetzung für die Aufhebung des Bescheides vom März 2002 nach § 48 Abs. 1 S. 1, 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) sein könnte. Diese ist aber nicht erforderlich, weil sich der Bescheid auf Grund der dort ausgesprochenen Befristung im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X auf den Ablauf des Januar 2003 mit dem Ende dieses Monats nach § 39 Abs. 2 SGB X durch Zeitablauf erledigt hatte.

Bisheriger Beruf im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI ist die von der Klägerin zuletzt seit April 1995 ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft in einer Versicherungsagentur. Ob diese Beschäftigung ihrer Ausbildung als Wirtschaftskaufmann der Fachrichtung Industrie entsprach, kann dahinstehen, weil es sich bei der Tätigkeit als Bürokraft in einer Versicherungsagentur um die letzte Tätigkeit handelt, die sie außerhalb gesundheitlicher Gründe auf Dauer ergriffen hat (BSG, Urt. v. 29.7.04 – B 4 RA 5/04 R – zitiert nach Juris-Rechtsprechung). Das Anforderungsprofil dieser Tätigkeit ergibt sich einerseits aus der von der Klägerin vorgelegten Beurteilung des Leiters der Generalvertretung der Allianz Versicherungs AG, M. R., vom 19. Mai 1999, weiterhin aus dessen zur Akte der Beklagten (Bl. 31) gelangten Auskunft vom 4. März 1999. Diesem Anforderungsprofil kann die Klägerin mit dem nur festzustellenden Leistungsvermögen seit Februar 2003 durchgehend entsprechen.

Im Ergebnis und nach Würdigung der eingeholten Gutachten und Befundberichte kann die Klägerin leichte Tätigkeiten – jedenfalls Büroarbeit – überwiegend im Sitzen oder auch im Haltungswechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mit einem nicht überwiegenden Sitzanteil ohne zusätzliche Arbeitspausen unter Ausschluss ständigen Bückens, von Hitze, von Nachtschichten und von besonderem Zeitdruck vollschichtig regelmäßig verrichten. Dabei kann sie einen Arbeitsplatz über vier mal 500 Meter Fußweg arbeitstäglich erreichen und wieder verlassen.

Die mit der chronischen Darmkrankheit, dem Morbus Crohn, bei der Klägerin verbundenen Leistungseinschränkungen stehen diesem Leistungsvermögen nicht entgegen. Die Erkrankung war während des geltend gemachten Anspruchszeitraumes ohne Aktivität. Dieser Einschätzung des Sachverständigen. Prof. Dr. B. tritt die behandelnde Ärztin G. ausweislich ihres Konsiliarberichts vom 11. März 2005 bei. Grundlage des Rückgangs ist nach ihrer Mitteilung eine bereits seit Mitte 2001 aufgenommene besondere medikamentöse Therapie. Der letzte schwere Erkrankungsschub liegt danach außerhalb des hier geltend gemachten Anspruchszeitraumes. Soweit Dr. S. eine noch geringe entzündliche Aktivität zumindest für denkbar gehalten hat, ist dies nicht nachgewiesen, weil er auch das Fehlen entzündlicher Aktivität für wahrscheinlich hält. Eine Erklärung für die von der Klägerin ständig vorgetragene Allgemeinschwäche bietet das Krankheitsbild nach der ausdrücklichen Aussage des Sachverständigen. nicht. Auch diese Einschätzung teilt die Ärztin G., die unter Hinweis auf fehlende Mangelerscheinungen und eher übergewichtigen Ernährungszustand allenfalls leichte Auswirkungen auf das Allgemeinbefinden für möglich hält. Auch Dr. Sch. findet von seinem Fachgebiet her keine Erklärung für die allgemeine Schwäche.

Funktionseinschränkungen von Seiten des Haltungs- und Bewegungsapparates liegen bei der Klägerin insbesondere nach den Feststellungen des Gutachters Dr. med. A. nur in geringem Umfang vor; ihnen ist durch die Beschränkung auf Bürotätigkeiten mit nicht ausschließlichem Sitzen und dem Ausschluss gebückter Arbeitshaltungen Rechnung getragen. Nach der Beurteilung des Gutachters liegt bei der Klägerin eine Seitverbiegung der Wirbelsäule nach links vor, die selbst keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung nach sich zieht. Dies folgt aus dem Gutachten schlüssig, weil der Gutachter den mit der Seitverbiegung in Zusammenhang stehenden Beckentiefstand nach links von 1 cm nicht einmal für behandlungsdürftig hält. Dies deckt sich auch mit den Befunderhebungen durch den Sachverständigen. und Dr. med. Sch., die bei freier Beweglichkeit der Wirbelsäule weder Klopf- noch Stauchungsschmerz erhoben haben. Veränderungen der Hüftgelenke mit Funktionsbeeinträchtigungen sind bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Zwar hat die Ärztin G. fachfremd über einen Hüftgelenksverschleiß links berichtet, den der Rheumatologe K. seinerseits nur als Verdachtsdiagnose gestellt hat. Sowohl die behandelnde Orthopädin W. als auch der Gutachter Dr. med. A. haben aber bei der Auswertung von Röntgenaufnahmen keine entsprechenden Krankheitsanzeichen erkannt, die Dr. med. A. auch ausdrücklich ausschließt. Die geäußerten Beschwerden hat er vielmehr durch eine behandlungsfähige Erkrankung erklärt. Von der Richtigkeit dieser Beurteilung ist der Senat überzeugt, zumal die Klägerin nach ihren Angaben seit der Begutachtung durch Dr. med. B. nicht mehr in orthopädischer Behandlung stand. Denn auf die Frage des Gerichts nach behandelnden Ärzten hat sie einen Orthopäden nicht mitgeteilt. Der Sachverständige Prof. Dr. med. B. hat auch eine freie Beweglichkeit in den Hüftgelenken im Liegen erhoben.

Auch die Einschätzung Dr. med. A., geringfügige Veränderungen im Bereich der Kniescheibenrückflächen der Klägerin seien in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit zu vernachlässigen, steht in Einklang mit der Einschätzung der Orthopädin W., die keine Anzeichen von Gelenkveränderungen erkannt hat. Dazu hat die Klägerin Dr. med. Sch. auch lediglich mitgeteilt, sie habe gelegentlich reibende Schmerzen in beiden Knien, zur Zeit aber keine Schmerzen beim Gehen. Schon diese Angabe begründet keinen auf nicht absehbare Zeit bestehenden Dauerzustand. Auch der Sachverständige Prof. Dr. med. B. hat eine freie Beweglichkeit in den Kniegelenken im Liegen erhoben. Für die geklagten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule ist danach nur, wie Dr. A. ausdrücklich urteilt, eine ausgeprägte Bauchmuskelschwäche von Bedeutung, der durch die Beschränkung auf Bürotätigkeiten in überwiegendem Sitzen hinreichend Rechnung getragen ist.

Die Einschätzung von Dr. med. A. und Dr. med. Sch, die Klägerin könne nur zeitweise – im Gegensatz zu überwiegend – im Sitzen tätig sein, überzeugt nicht. Bei Dr. med. Sch. steht diese Beurteilung schon im Gegensatz zu seiner ausdrücklichen Einschätzung, die Klägerin könne eine Vollbeschäftigung in Schreibtischarbeiten ausüben, weil diese typischer Weise überwiegend, wenn nicht ausschließlich, im Sitzen geleistet werden. Auch Dr. A. erklärt eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte oder Bürokraft ausdrücklich für vollschichtig möglich. Ob ihm die damit wohl typischer Weise verbundene überwiegende Sitzhaltung bewusst war, kann dahin stehen, weil die erhobenen Befunde eine Beschränkung auf eine allenfalls zeitweise sitzende Tätigkeit nicht tragen. Inwieweit sich dies aus den Funktionsstörungen im Zusammenhang mit dem Morbus Crohn ergeben könnte, ist nicht ersichtlich, weil insoweit keine Funktionsstörung geschildert ist, die bei überwiegendem Sitzen gegenüber einem vermehrten Haltungswechsel verstärkt zu Tage träte. Auch von Seiten der dem orthopädischen Fachgebiet zuzurechnenden Funktionseinschränkungen findet sich für eine solche Einschränkung keine Erklärung. Denn die mit der Bauchmuskelschwäche verbundenen Haltungsprobleme treten beim Gehen und Stehen mangels jeglicher anderweitigen Abstützung gegenüber einer sitzenden Haltung mit der Abstützung durch Sitz und Lehne eher verstärkt auf. Weitere nennenswerte Funktionsbeeinträchtigungen ergeben sich aber weder aus dem Gutachten von Dr. A. noch aus den beigezogenen Berichten. So hält auch der Sachverständige Prof. Dr. med. B. die Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Büro überwiegend im Sitzen ausdrücklich und überzeugend für zumutbar. Darin liegt auch kein Widerspruch zu seiner anderweitigen Beurteilung, die Klägerin benötige eine wechselweise im Stehen, Gehen und Sitzen ausgeübte Tätigkeit. Darin ist kein Ausschluss einer überwiegenden Tätigkeit zu sehen, weil das Sozialgericht in seinen Beweisfragen dazu keine Festlegung erfragt hat und den Haltungswechsel auch nicht einer überwiegenden Haltung gegenübergestellt hat.

Schließlich ergibt sich auch auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Funktionsbeeinträchtigung, die die Klägerin an der Ausübung ihres Hauptberufes hindern könnte. Zwar hat die Gutachterin Dr. med. Schl. hier eine Schmerzstörung und eine Persönlichkeitsstörung erkannt, jedoch unter Würdigung der damit verbundenen Beeinträchtigung die Klägerin schlüssig für vollschichtig leistungsfähig als Sachbearbeiterin erachtet. Trotz der bestehenden Schmerzstörung hat die Gutachterin. testweise keine Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite erheben können. Das von ihr weiterhin erkannte Vermeidungsverhalten hinsichtlich neuer Situationen mit einer Einschränkung des Umstellungs- und Anpassungsvermögens hat sie als nur begrenzt störend dargestellt. Denn zum Begutachtungszeitpunkt sei die Klägerin jedenfalls psychisch stabil genug gewesen, sich mit Anpassungsanforderungen an neue Situationen auseinander zu setzen. Von daher ergibt sich folgerichtig eine Einsatzfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf, der die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit der Klägerin am wenigsten fordern würde. Fachfremd hat der Internist Dr. med. Sch. die Angaben der Klägerin über eine allgemeine Schwäche als Neurasthenie-Syndrom eingeschätzt, wofür sich nach dem Gutachten von Dr. med. Schl. aber keine Hinweise ergeben. Soweit die Angaben der Klägerin über eine allgemeine Schwäche danach überhaupt als glaubhaft anzusehen sind, steht diese jedenfalls einer leichten Erwerbstätigkeit nicht entgegen, wie aus der vom Sachverständigen Prof. Dr. B. durchgeführten Ergooxytensiometrie abzuleiten ist. Denn diese musste unter anderem wegen körperlicher Erschöpfung erst nach einer Belastung mit 90 Watt über zwei Minuten abgebrochen werden. Eine solche Belastbarkeit ermöglicht – wie Prof. Dr. B. auch ausdrücklich einschätzt – eine Bürotätigkeit.

Mit dem aufgezeigten Leistungsvermögen kann die Klägerin auch einen Arbeitsplatz erreichen, weil eine nennenswerte Beeinträchtigung des Gehvermögens nicht nur nach ärztlicher Einschätzung ausgeschlossen ist, sondern sich auch aus den erhobenen Befunden nicht ableiten lässt.

Das Krankheitsbild ermöglicht auch die Arbeit unter betriebsüblichen Bedingungen, weil die nachgewiesene Häufigkeit des Stuhldranges und dessen Kontrollierbarkeit keine betriebsunüblichen Bedingungen erfordern. Die von der Klägerin teilweise angegebene Häufigkeit von bis zu 15 Stuhlgängen pro Tag ist einerseits nicht nachgewiesen, weil sie krankheitsbedingt nicht zu erklären ist. Sie entspricht aber jedenfalls keinem Dauerzustand, weil die Klägerin sie teilweise weitaus niedriger, zum Beispiel dem Gutachter Dr. med. Sch. gegenüber mit fünf bis sechs Mal, angegeben hat. Da die Stuhlgänge nicht nur auf die Arbeitszeit entfallen, sondern auch auf den übrigen Tag und – nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. med. Sch. – gelegentlich auch auf die Nacht, ist eine solche Häufigkeit mit üblichen betrieblichen Abläufen ohne weiteres zu vereinbaren. Auch eine fehlende Kontrolle über den jeweils auftretenden Stuhldrang ist weder durch das Krankheitsbild erklärlich noch durchgehend behauptet. So steht der Angabe der Klägerin über verminderte Stuhlkontrolle ihrer Angabe gegenüber der Gutachterin Dr. med. Schl. entgegen, wonach Stuhlgänge nach jedem Essen erforderlich, dann aber über die Nahrungsaufnahme auch zu kontrollieren sind. Soweit Dr. Sch. im Hinblick auf die jedenfalls überdurchschnittliche Stuhlgangshäufigkeit die normale Erreichbarkeit von Toiletten für erforderlich hält, handelt es sich für eine Bürotätigkeit nicht um eine Einschränkung, weil es sich nach § 6 Abs. 2 S. 1 der Arbeitsstättenverordnung um übliche betriebliche Bedingungen handelt.

Weitergehende Anforderungen, als sie dem Leistungsvermögen der Klägerin entsprechen, sind aus dem Anforderungsprofil nicht abzuleiten. Eine solche Tätigkeit erlaubt üblicherweise einen Haltungswechsel durch Aufstehen und kleinere Gänge bei der Ablage in Akten oder Ordnern, beim Telefonieren oder bei der Begrüßung und Verabschiedung von Kunden. Insbesondere ist für eine Tätigkeit als Bürokraft im Versicherungswesen kein besonderer, über die allgemeinen Anforderungen der Arbeitswelt hinausgehender Zeitdruck erkennbar. Denn die Klägerin ist danach in erheblichem Umfang mit Tätigkeiten außerhalb unmittelbaren Kundenverkehrs beschäftigt gewesen, bei denen ein solcher Zeitdruck typischer Weise nicht anfällt. Insoweit kann dahin stehen, ob eine Tätigkeit mit überwiegendem Kundenverkehr grundsätzlich unter besonderem Zeitdruck ausgeübt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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