L 5 KA 32/00

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 32/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.5.2000 aufgehoben. Der Beschluss des Beklagten vom 24.11.1999 wird geändert, soweit die Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.4.1999 mit Nebenbestimmungen verbunden worden ist; diese werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte die bedarfsunabhängige Zulassung der Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin zu Recht mit einer Bedingung verknüpft hat.

Die 1954 geborene Klägerin hat nach entsprechender Vorbildung am 30.1.1989 die Diplom-Hauptprüfung für Psychologen an der Universität Mainz bestanden. Seit dem 1.2.1989 ist sie in wechselndem zeitlichen Umfang als Angestellte der Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende der Universität Mainz tätig, seit dem 1.3.1995 mit 19,25 Wochenstunden; im Rahmen dieser Tätigkeit führt sie Erstinterviews, psychodiagnostische Maßnahmen, Kriseninterventionen, Fallbesprechungen sowie die sich anschließende psychotherapeutische Behandlung und deren Dokumentation durch. Daneben ist sie seit Juni 1993 in eigener psychotherapeutischer Praxis in Mainz selbständig tätig; von der Beigeladenen zu 1) wurden mit Schreiben vom 26.3.1997 diesbezüglich allerdings die Voraussetzungen zur Teilnahme am Delegationsverfahren verneint, einer Tätigkeit im Kostenerstattungsverfahren der Primär- und Ersatzkassen wurde jedoch unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen zugestimmt.

Im Dezember 1998 beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschuss für Ärzte im Bereich Rheinhessen die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin in Mainz, ihre unter dem 4.1.1999 erteilte Approbation als Psychologische Psychotherapeutin legte sie noch im März 1999 vor. Mit Erklärung vom 21.12.1998, erweitert durch Erklärung vom 12.4.1999 gab die Klägerin an, sie werde als Vertragspsychotherapeutin keinerlei Patienten behandeln, zu denen sie oder ihre Kollegen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses Kontakt hätten. Zusätzlich erklärte sie im weiteren Verlauf des Zulassungsverfahrens, sie werde in ihrer freien Praxis überhaupt keine Studenten der Universität Mainz behandeln. Letztere erteilte als Arbeitgeber der Klägerin mit Schreiben vom 4.12.1998 das Einverständnis, dass die Klägerin auch während ihrer Dienstzeit in dringenden Fällen für Praxispatienten erreichbar sei. Der Zulassungsausschuss bestätigte aufgrund der umfangreich vorgelegten Unterlagen mit Beschluss vom 28.4.1999 die Fachkunde der Klägerin gemäß § 95c Satz 2 Nr 3 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) und ließ sie mit Wirkung vom 29.4.1999 zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin unter der Bedingung zu, dass spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Zulassung die wegen des Beschäftigungsverhältnisses in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Mainz mit 19,25 Wochenstunden bestehende Interessenkollision durch arbeitsvertragliche Änderung bzw Auflösung des Arbeitsverhältnisses beseitigt werde, wobei im Falle des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bei arbeitsvertraglich ausgeschlossener Interessenkollision die wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden zu reduzieren und durch entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers nachzuweisen sei, dass die Klägerin auch während ihrer Arbeitszeit in dringenden Fällen für ihre Patienten erreichbar sei und ggf auch im Sinne einer Akuttherapie eingreifen könne.

Den auf unbedingte Zulassung gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Beschluss vom 24.11.1999, zugestellt am 7.1.2000, zurück. Die vom Zulassungsausschuss aufgestellte Bedingung entspräche der gesetzlichen Regelung des § 20 der nach § 1 Abs 3 für Psychotherapeuten entsprechend anwendbaren Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Nach Abs 2 der Bestimmung dürfe nicht zugelassen werden, wer eine ärztliche/psychotherapeutische Tätigkeit ausübe, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit eines Vertragsarztes/Vertragspsychotherapeuten am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren sei. Dies sei hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin an der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Mainz der Fall, soweit ihre Tätigkeit dort unmittelbar patientenbezogen sei. Das Hindernis lasse sich entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht dadurch ausräumen, dass sie erkläre, sie wolle keine Patienten behandeln, die ihr aus ihrem Angestelltenverhältnis bekannt seien. Denn es komme auf die objektive Situation an, die sich durch die Erklärung der Klägerin nicht ändere. Zudem lasse sich die strikte Einhaltung einer solchen Absichtserklärung, die nur die Verpflichtung eines standesrechtlich korrekten Verhaltens wiedergebe, praktisch nicht überprüfen. Da jedoch eine Beseitigung des Zulassungshindernisses durch Aufgabe oder Änderung der Tätigkeit an der Universität Mainz möglich erscheine, habe der Zulassungsausschuss zu Recht die Zulassung unter Anwendung von § 20 Abs 3 Ärzte-ZV von einer entsprechenden Bedingung abhängig gemacht. Gleiches gelte für die verlangte Reduzierung der Tätigkeit auf 15 Wochenstunden im Falle der inhaltlichen Beseitigung der Interessen- und Pflichtenkollision. Denn nach § 20 Abs 1 Ärzte-ZV sei ein Arzt/Psychotherapeut ungeeignet, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versicherten nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung stehe. Dieses "Zurverfügungstehen in erforderlichem Maße" bedeute nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar nicht, dass der Vertragsarzt seine gesamte Arbeitskraft der vertragsärztlichen Tätigkeit widmen müsse. Ausreichend sei vielmehr, dass er für die vertragsärztliche Tätigkeit in dem im jeweiligen Bereich üblichen Umfang zur Verfügung stehe. Die Präsenzpflicht bedinge die Abhaltung eines ausreichenden Maßes an Sprechstunden bzw Vorhaltung von Behandlungszeiten für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Praxiszeiten müssten unter Berücksichtigung örtlicher Versorgungsgegebenheiten über die gesamte Woche in einem der Nachfrage gerecht werdenden Umfang ausgewiesen werden. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei davon auszugehen, dass der Vertragspsychotherapeut in niedergelassener Praxis nur dann in erforderlichem Umfang für die Kassenärztliche Versorgung zur Verfügung stehe, wenn eine Nebentätigkeit im Angestelltenverhältnis 15 Wochenstunden nicht übersteige. Denn er erhalte seine Zulassung nicht, um seine Praxis im Umfang eines Nebenberufs oder allenfalls gleichwertig mit einem anderen Beruf ausüben zu können, sondern erstrangig, damit er eben in ausreichendem Maße den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehe. Zwar habe es das Bundessozialgericht für die Zulassung eines Krankenhauspathologen genügen lassen, dass dieser in seiner Chefarzttätigkeit nur unter 20 Wochenstunden gebunden sei. Bei diesem hätte aber die Besonderheit bestanden, dass er wegen der Eigenheiten des Faches Pathologie sowie wegen der in seiner Funktion als Krankenhausarzt fehlenden Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung in der Einteilung seiner Arbeitszeit weitgehend frei gewesen sei. Demgegenüber sei die Klägerin in ihrer Angestelltentätigkeit in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende an eine geregelte Arbeitszeit gebunden, weshalb es gerechtfertigt sei, als Nebentätigkeit nur eine Beschäftigung deutlich unter der Hälfte einer tariflich üblichen vollen Arbeitszeit zuzulassen.

Mit der am 7.2.2000 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, in der Vergangenheit habe sie über Jahre hinweg neben ihrer Angestelltentätigkeit in eigener Praxis im sogenannten Erstattungsverfahren Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) behandelt, ohne dass es zu Beanstandungen, insbesondere auch nicht im Sinne einer möglichen Interessenkollision, gekommen sei. Im Übrigen sei die Ärzte-ZV auf Psychotherapeuten lediglich entsprechend anwendbar, so dass eine uneingeschränkte Übernahme der tradierten Regelungen nicht geboten sei. Vor allem weil sie in der Vergangenheit einen bestimmten Bestandsschutz erworben habe, sei es in der Übergangssituation gerechtfertigt, ihr neben der vertragspsychotherapeutischen Zulassung weiterhin in bisherigem Umfang die Angestelltentätigkeit an der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Mainz zu ermöglichen. In Ansehung ihrer grundrechtlich geschützten Berufsausübungsmöglichkeiten müsse die von ihr zur Beseitigung einer möglichen Interessenkollision abgegebene Selbstverpflichtung, in ihrer Vertragspraxis keine im Rahmen der Angestelltentätigkeit bekannt gewordene Patienten zu behandeln, genügen.

Durch Urteil vom 17.5.2000 hat das Sozialgericht Mainz (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, zwar erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin gemäß § 95 Abs 10 SGB V. In Übereinstimmung mit den Zulassungsgremien stehe der Zulassung der Klägerin jedoch § 20 Abs 2 Ärzte-ZV, die nach § 1 Abs 3 Ärzte-ZV für Psychotherapeuten entsprechend gelte, entgegen. Diese Regelung diene der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung und damit auch dem Schutz der Versicherten. Sie solle Kollisionen verhindern, die sich bei der Vermischung einer anderweitigen ärztlichen Tätigkeit mit der vertragsärztlichen Tätigkeit ergeben und zu einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl führen und sich zum Nachteil der Kostenträger auswirken könnten. Die Regelung des § 20 Abs 2 Ärzte-ZV sei verfassungsgemäß, und zwar auch, soweit man sie wegen ihrer Auswirkungen in die Nähe der durch Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufswahlfreiheit rücke. § 20 Abs 2 Ärzte-ZV iVm Abs 1 der Vorschrift diene der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung in qualitativer und organisatorischer Hinsicht. Dieses wiederum liege im Interesse der Volksgesundheit und damit eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes. Diesen Zweck zu erreichen, erscheine das vom Gesetzgeber gewählte Mittel des Ausschlusses von solchen Ärzten, bei denen Interessen- und Pflichtenkollisionen bei der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit auftreten könnten, als geeignet. Die Konsequenz der Nichtzulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit genüge auch dem Gebot der Erforderlichkeit, zumal § 20 Abs 3 Ärzte-ZV die Möglichkeit eröffne, in den Fällen, in denen Hinderungsgründe beseitigt werden könnten, dem durch eine Zulassung unter einer Bedingung Rechnung zu tragen. Die Regelung sei bei einer Ausrichtung auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel auch verhältnismäßig. Sie lasse einen Ausschluss von der Zulassung als Vertragsarzt nur dann zu, wenn eine mit der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit unvereinbare Interessen- und Pflichtenkollision durch andere Maßnahmen nicht behoben werden könne. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei vorliegend in Übereinstimmung mit der Auffassung der Zulassungsgremien bei der Klägerin eine Interessen- und Pflichtenkollision erkennbar, die ihrer begehrten Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin in Mainz entgegenstehe. Denn ihre Tätigkeit in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Mainz hindere die Zulassung, soweit sie unmittelbar patientenbezogen sei. Interessenkonflikte ließen sich nicht ausschließen, wobei es auf die objektive Situation ankomme und deshalb die subjektive Absicht der Klägerin unerheblich sei, in ihrer Vertragspraxis keine Patienten zu behandeln, die sie im Rahmen der Angestelltentätigkeit betreue. Dass die Klägerin schon bisher neben ihrer Angestelltentätigkeit im Kostenerstattungsverfahren Versicherte der gKV behandelt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Insoweit habe die Klägerin nämlich keine grundrechtlich geschützte Position erlangt, irgendeine Zulassung habe sie nicht besessen. Zu Recht hätten deshalb die Zulassungsgremien entschieden, dass eine Zulassung der Klägerin nur erfolgen könne, wenn sie den Hinderungsgrund beseitige. Ob auch § 20 Abs 1 Ärzte-ZV der Zulassung entgegenstehe, könne offen bleiben.

Gegen das ihr am 13.6.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3.7.2000 Berufung eingelegt.

Sie macht weiterhin geltend, die Regelungen des § 20 Ärzte-ZV müssten in Ansehung ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit vor dem Hintergrund der Übergangssituation der bedarfsunabhängigen Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie neben der Zulassung weiterhin ihre bisherige Tätigkeit in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende der Universität Mainz verrichten dürfe. Bei tradierter Anwendung der Vorschrift werde sie nämlich gezwungen, entweder ihre Tätigkeit an der Universität Mainz aufzugeben oder auf die Möglichkeit der Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zu verzichten, wodurch ihr in jedem Fall ein wesentlicher Teil ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit genommen würde. Dass in der Vergangenheit weder für das Delegationsverfahren noch für den Bereich der Erstattungsverfahren jemals die Problematik einer Interessenkollision zwischen den verschiedenen Berufstätigkeiten diskutiert worden sei, belege, dass die hinter der Regelung des § 20 Ärzte-ZV stehende Problemlage für Psychotherapeuten nicht relevant sei. § 20 Ärzte-ZV könne deshalb im Rahmen der von § 1 Abs 3 Ärzte-ZV angeordneten entsprechenden Anwendung der Ärzte-ZV auf Psychotherapeuten nicht unverändert zur Anwendung gelangen. Berücksichtigt werden müsse dabei auch, dass in der Übergangssituation wegen des ihres Erachtens gegebenen Bestandsschutzes der bisher ausgeübten Tätigkeiten eine Veränderung der beruflichen Situation nicht gefordert werden könne. Im Übrigen sei die Situation der Psychotherapeuten im Hinblick auf eine Interessen- bzw Pflichtenkollision verschieden zur ärztlichen Situation, weil der Patient des Psychotherapeuten zunächst einige "Probesitzungen" in Anspruch nehmen könne, damit sowohl der Therapeut wie der Patient prüfen könnten, ob aufgrund der persönlichen Konnexität ein hinreichender Behandlungserfolg zu erwarten sei. Eine derartige Situation sei bei einem klassischen Arzt-Patienten-Verhältnis nicht gegeben. Letztlich könne einer Interessen- und Pflichtenkollision durch andere Maßnahmen Rechnung getragen werden, wobei vorliegend durch ihre entsprechende Selbstverpflichtungserklärung wie durch entsprechende Erklärung ihres Arbeitgebers Rahmenbedingungen geschaffen seien, die eine Beseitigung des eventuell anzunehmenden Zulassungshindernisses ermöglichten. Insoweit sei auf die vergleichbare Situation eines Anwalts hinzuweisen, dessen Ehegatte an dem Gericht tätig sei, für das er die Zulassung begehre und der gleichwohl die Zulassung erhalte, wenn er sich verpflichte, nicht in demjenigen Rechtsbereich tätig zu werden, in dem der richterliche Ehegatte seinen Beruf ausübe. Was schließlich die Begrenzung des zeitlichen Umfangs einer Nebentätigkeit anbelange, sei die Rechtsauffassung der Zulassungs- und Berufungsausschüsse in Deutschland nicht einheitlich. Weit überwiegend würde im Unterschied zur Auffassung des Beklagten eine echte Halbtagstätigkeit außerhalb der eigenen Praxis für zulässig erachtet. Insoweit könne zudem im Rahmen der Bedarfsprüfung analog den psychotherapeutisch tätigen Ärzten, denen je nach Umfang ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit unterschiedliche Messziffern zugeordnet würden, differenziert werden, in welchem Umfang die zugelassenen Psychotherapeuten nach Maßgabe eigener Erklärungen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wollten, um so Raum für den Zugang weiterer Bewerber zu schaffen und der Gefahr einer Unterversorgung zu begegnen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.5.2000 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Beschlusses vom 24.11.1999 zu verurteilen, sie unter Wegfall der ihr auferlegten Bedingungen als Psychologische Psychotherapeutin in Mainz zuzulassen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 7) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie halten das angefochtene Urteil und den Beschluss des Beklagten für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Ihre Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung durfte nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden.

Bei der durch den Beschluss des Beklagten vom 24.11.1999 bestätigten Nebenbestimmung, die der Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung durch den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.4.1999 beigefügt war, handelt es sich zum einen um eine (auflösende) Bedingung im Sinne des § 32 Abs 2 Nr 2 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X), soweit der Klägerin aufgegeben worden ist, die vom Zulassungsgremium angenommene Interessenkollision durch arbeitsvertragliche Änderung bzw Auflösung innerhalb von drei Monaten nach Unanfechtbarkeit der Zulassung zu beseitigen. Die weitere Nebenbestimmung, im Falle des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bei arbeitsvertraglich ausgeschlossener Interessenkollision die wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden zu reduzieren und durch entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers nachzuweisen, dass sie auch während der Arbeitszeit in dringenden Fällen für ihre Patienten erreichbar sei und ggf auch im Sinne einer Akuttherapie eingreifen könne, beinhaltet eine Auflage gemäß § 32 Abs 2 Nr 4 SGB X, weil der Klägerin als Begünstigte des Verwaltungsaktes hierdurch ein bestimmtes Tun vorgeschrieben wurde, ohne dass die Wirksamkeit der Zulassung im Sinne einer Bedingung von der Erfüllung der Auflage abhängig gemacht wurde. Da es sich bei der Zulassung als Vertragspsychotherapeut um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt, ist die (auflösende) Bedingung, auch wenn es sich um eine sogenannte unselbständige Nebenbestimmung handelt, isoliert anfechtbar (BSG 17.11.1999 –B 6 KA 28/99 R, SGb 2000, 75). Gleiches gilt vorliegend für die mit der Zulassung verknüpfte Auflage, da der Verwaltungsakt, dem die Auflage zugeordnet ist, auch ohne die Auflage mit einem Inhalt weiterbestehen kann, der der Rechtsordnung entspricht (vgl KassKomm/Krasney § 32 SGB X Rz 16).

Grundsätzlich darf gemäß § 32 Abs 1 SGB X ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Vorliegend eröffnet § 20 Abs 3 Ärzte-ZV die Möglichkeit, bei Vorliegen von Hinderungsgründen gemäß Abs 1 oder 2 der Vorschrift die Zulassung unter der Bedingung zu erteilen, dass der der Eignung entgegenstehende Grund spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt beseitigt wird, in dem die Entscheidung über die Zulassung unanfechtbar geworden ist. Insofern bestehen an der Verknüpfung der Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung mit entsprechenden Nebenbestimmungen keine Bedenken, inhaltlich sind die der Klägerin erteilten Nebenbestimmungen jedoch rechtswidrig. Sie sind unvereinbar mit einem Anspruch auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung, wie er vorliegend besteht.

Allerdings sind die Regelungen des § 20 Ärzte-ZV mit dem Grundgesetz vereinbar, wie das Sozialgericht unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zutreffend ausgeführt hat; hierauf nimmt der Senat Bezug. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Regelungen des § 20 Ärzte-ZV weder im Hinblick auf die in § 1 Abs 3 Ärzte-ZV angeordnete entsprechende Anwendung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte auf Psychotherapeuten noch unter Berücksichtigung der besonderen Situation der unter die Übergangsregelung des § 95 Abs 10 SGB V fallenden Berechtigten einschränkend auszulegen.

Regelungszweck des § 95 Abs 10 SGB V ist es, Psychotherapeuten, die die maßgeblichen Kriterien erfüllen, unabhängig von der ansonsten geltenden Bedarfsplanung an dem Ort zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zuzulassen, an dem sie schon bisher ihre freiberufliche Tätigkeit ausgeübt haben. Sonstige Befreiungen von den im vertragsärztlichen Bereich geltenden Bestimmungen sind hiermit nicht verbunden. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz) vom 16.6.1998 (BGBl I 1311) im Sinne des sogenannten "Integrationsmodells" die gleichberechtigte Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung beabsichtigt (BSG 8.11.2000 –B 6 KA 52/00 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Er hat dementsprechend die Behandlung durch Angehörige dieser Berufsgruppen zum Bestandteil der durch die gesetzlichen Krankenkassen den Versicherten zu gewährenden ambulanten Behandlungen erhoben (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1, § 28 Abs 3 SGB V, jeweils idF des Psychotherapeutengesetzes). Das Gesetz hat zugleich die Psychotherapeuten –in vergleichbarer Weise wie bisher schon Ärzte und Zahnärzte- zur unmittelbaren Behandlung der Versicherten der Krankenkassen zugelassen. Nach § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V (idF des Psychotherapeutengesetzes) gelten die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V, des sogenannten Leistungserbringungsrechts, soweit sie sich auf Ärzte beziehen, für Zahnärzte und Psychotherapeuten entsprechend, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Damit hat der Gesetzgeber denjenigen Psychotherapeuten, die willens und in der Lage sind, die für den vertragsärztlichen Bereich geltenden Bestimmungen zu akzeptieren, die Möglichkeit zur Mitwirkung an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung von Versicherten der gKV eröffnet. Diese erfordert naturgemäß eine entsprechende Anpassung der Praxisführung an die für Vertragsärzte geltenden Grundsätze, wie etwa Präsenzpflicht, Sprechstunden uä. Demgegenüber kann sich die Klägerin auch nicht erfolgreich auf einen Bestandsschutz der vormaligen Situation berufen, in der sie neben ihrer Angestelltentätigkeit an der Universität Mainz in freier Praxis aufgrund Einzelfallgenehmigung der entsprechenden Krankenkassen Versicherte der gKV im Wege der sogenannten Erstattungspsychotherapie behandelt hat. Die letztere Tätigkeit hat eine gesicherte Rechtsposition zur Behandlung der Versicherten der gKV gerade nicht vermittelt; die Behandlung erfolgte nicht systemkonform, sondern außerhalb des Sachleistungssystems der gKV nur aufgrund Ausnahmeentscheidung der Kassen nach § 13 Abs 3 SGB V im Einzelfall.

Mit dem Sozialgericht und dem Beklagten hält deshalb der Senat die vorliegend streitbefangenen Regelungen des § 20 Ärzte-ZV auch auf die Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin für grundsätzlich anwendbar. Jedoch ist die Klägerin entgegen der von der Vorinstanz bestätigten Rechtsauffassung des Beklagten weder nach den Maßstäben des § 20 Abs 1 Ärzte-ZV noch aufgrund derjenigen des Abs 2 der Vorschrift ungeeignet für die Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit.

Nach § 20 Abs 1 Ärzte-ZV ist nicht geeignet, wer wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht. Das Bundessozialgericht fordert insoweit in ständiger Rechtsprechung lediglich, dass der Arzt bzw Zahnarzt bereit und in der Lage sein muss, die kassen- bzw vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit –insbesondere durch Abhaltung von Sprechstunden- im üblichen Umfang auszuüben (BSG 17.11.1999 –B 6 KA 15/99 R, Soz 3-5525 § 20 Nr 1). Dies berücksichtigt in angemessener Weise die Interessen und den grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) auch solcher (Zahn)Ärzte, die zB wegen Kindererziehung nicht in der Lage sind, sich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung mit voller Arbeitskraft zu widmen. Entsprechendes gilt zur Überzeugung des erkennenden Senats für Psychotherapeuten. Mithin steht einer Eignung nicht entgegen, wenn ein wesentlicher Teil der Arbeitskraft durch eine anderweitige Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht etwa festgestellt, dass ein niedergelassener Zahnarzt, der als Polizeizahnarzt beschäftigt war und –abgesehen vom Samstag- keine Sprechstunden an den Vormittagen der Wochentage abhielt sowie von Montag bis Freitag bis 16.00 Uhr an seinem Kassenarztsitz nicht erreichbar war, gleichwohl im "erforderlichen Maße" für die Versorgung der Versicherten persönlich zur Verfügung stand (BSG 7.12.1966, 6 Rka 1/64, BSGE 26, 13). Gleiches muss nach Auffassung des Senats für die Klägerin gelten, die angesichts ihrer Angestelltentätigkeit im Umfang von 19,25 Wochenstunden Sprechzeiten lediglich nachmittags (montags von 17.00 bis 20.00 Uhr, dienstags von 16.00 bis 20.00 Uhr, mittwochs von 15.30 bis 19.15 Uhr, donnerstags von 15.30 bis 19.00 Uhr und freitags von 15.00 bis 20.00 Uhr) abhält. Denn in dringenden Fällen ist sie mit Einverständnis ihres Arbeitgebers (Schreiben vom 4.12.1998) auch während ihrer Dienstzeit an der Universität Mainz für Praxispatienten erreichbar. Letztlich verlangen weder die Verpflichtung zur Sicherstellung der vertragspsychotherapeutischen Versorgung noch eventuelle Verwerfungen im Bedarfsplanungsrecht die ausschließliche Zulassung von Psychotherapeuten, welche im Wesentlichen mit mehr als halber Arbeitskraft an der Versorgung der Versicherten der gKV teilnehmen. Der Beklagte durfte deshalb der Klägerin eine Reduzierung des Umfangs ihrer Tätigkeit an der Universität Mainz auf allenfalls 15 Wochenstunden nicht aufgeben.

Der unbedingten Zulassung der Klägerin steht auch nicht die Regelung des Abs 2 des § 20 Ärzte-ZV entgegen. Danach wird die Zulassung durch eine Ausübung einer anderweitigen damit unvereinbaren ärztlichen Tätigkeit gehindert. Die Vorschrift des § 20 Abs 2 Ärzte-ZV hat das Bundessozialgericht dahingehend konkretisiert, dass Interessen- und Pflichtenkollisionen, die einer Eignung des Arztes im Sinne der genannten Vorschrift entgegenstehen, ua dann anzunehmen sind, wenn sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und die vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten ua wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen zum anderen Bereich verlagert werden können oder wenn nicht gewährleistet ist, dass der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen persönlichen Mittel selbst bestimmen kann (vgl BSG 5.11.1997 –6 RKa 52/97, SozR 3-2500 § 95 Nr 16). Die erstgenannte Voraussetzung ist regelmäßig in den Fällen erfüllt, in denen ein die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Einzugsbereich des Krankenhauses begehrender Krankenhausarzt bei stationärem Aufenthalt von Patienten unmittelbar in deren Versorgung eingebunden ist. Ungeeignet für die vertragsärztliche Tätigkeit ist aber auch, wer diese neben einer werksärztlichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände ausüben will (BSG 19.3.1997 –6 RKa 39/96, SozR 3-5520 § 20 Nr 2). Dagegen ist es mit dem Wesen vertragsärztlicher Tätigkeit vereinbar und auch vielfach üblich, als Vertragsarzt in eigener Praxis nebenberuflich für bestimmte Betriebe eine betriebsärztliche Tätigkeit auszuüben (KassKomm/Hess § 95 SGB V Rz 42). Bei Übertragung dieser Grundsätze auf die psychotherapeutische Tätigkeit der Klägerin liegt ein Grenzfall vor. Sie wird im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses mit der Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende der Universität Mainz unmittelbar patientenbezogen tätig, so dass sich Überschneidungen zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit in der in Universitätsnähe gelegenen eigenen Praxis nicht ausschließen lassen. Jedoch hat sich die Klägerin verpflichtet, im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit keine Versicherten zu behandeln, welche Studierende der Universität Mainz sind oder ihr und ihren Kollegen im Rahmen der Tätigkeit der Psychotherapeutischen Beratungsstelle bekannt geworden sind. Mit dieser Selbstverpflichtung ist nach Auffassung des Senats die Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision ausgeräumt. In Ansehung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klägerin ist die mit der Selbstverpflichtung der Klägerin verbundene faktische Einschränkung der freien Psychotherapeutenwahl entsprechend § 76 SGB V hinzunehmen. Denn auch ansonsten kann der an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer die Übernahme der Behandlung im konkreten Einzelfall ablehnen, etwa wenn die Kapazitäten der Praxis und der eigenen Arbeitsfähigkeit erschöpft sind. Es dürfte sich im Übrigen nur um wenige Fälle handeln; nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin in ihrer langjährigen Tätigkeit als "Erstattungspsychotherapeutin" lediglich zwei Patienten behandelt, die (ehemalige) Studierende der Universität Mainz waren. Schwierigkeiten bei der Überprüfung der strikten Einhaltung der Selbstverpflichtung durch die Klägerin rechtfertigen in Ansehung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit ebenfalls keine andere Beurteilung, zumal unter Berücksichtigung des in den Richtlinien über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinien) idF vom 11.12.1998 (BAnz 1999 Nr 6) zur Feststellung der Leistungspflicht vorgesehenen Antragsverfahrens eine entsprechende Kontrolle unter Beteiligung der Beigeladenen nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen dürfte.

Pflichtenkollisionen aufgrund von Einflussnahmen des Arbeitgebers auf die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit der Klägerin sind ebenfalls nicht zu befürchten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit außerhalb der Dienstzeiten an der Universität in räumlich von dieser getrennter eigener Praxis ausführt.

Nach alledem sind die vom Beklagten bestätigten vom Zulassungsausschuss mit der Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit verbundenen Nebenbestimmungen rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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