L 5 KR 51/02

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 51/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10.04.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2000 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Krankenhausbehandlung vom 22.06.1999 bis 27.06.1999 abzüglich der von der Klägerin zu tragenden Zuzahlung gegenüber der Beigeladenen freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von den Kosten für eine Krankenhausbehandlung.

Die am 20.12.1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 06.05.1999 verordnete die Frauenärztin Dr. L eine Krankenhausbehandlung und gab als Diagnose auf dem Vordruck an: "sonographisch suspekter Befund und Tastbefund rechte Brust, PE". Mit einer anderen Handschrift ist auf dem Verordnungsblatt vermerkt: "Aufnahme zur Mamma-Redukt. bds am OP 21.06.1999 Station 5". Auf der Rückseite des Vordrucks war folgender Hinweis vorgedruckt: "Die Kostenverpflichtungserklärung gegenüber dem Krankenhaus bleibt der Krankenkasse vorbehalten; deshalb bitte diese Verordnung vor Aufsuchen des Krankenhauses der zuständigen Krankenkasse vorlegen. Geschieht dies nicht, so kann die Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt werden; es sei denn, es liegt ein Notfall vor und ein Leistungsanspruch besteht".

Am 12.05.1999 stellte sich die Klägerin ambulant im Krankenhaus D S vor. In einem Arztbrief an Dr. L vom 17.05.1999 führten Dr. D und Dr. D von der Gynäkologisch-Geburtshilflichen Abteilung an, sonographisch sei auf der rechten Seite eine Formation gefunden worden, die am ehesten einer Mastopathie entsprechen dürfte. Die sicherlich empfehlenswerte Probeexcision könne durchaus im Rahmen der indizierten Reduktionsplastik durchgeführt werden. Zur Durchführung der operativen Behandlung sei das Krankenhaus jederzeit bereit.

Am 10.06.1999 ließ sich die Klägerin in der Onkologischen Ambulanz in der Frauenklinik der Beigeladenen durch den dort beschäftigten Arzt Dr. S untersuchen. Dabei legte sie ein am 23.01.1990 im Auftrag der A V , einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, vom V Dienst der LVA H erstattetes Gutachten vor. Hierin war als Diagnose angegeben ein Thorakalsyndrom bei extremer Mamma-Hypertrophie und ein reaktiver, depressiver Verstimmungszustand. Bei der geplanten Brustkorrektur handele es sich nicht um eine kosmetische Operation, sondern um eine echte Erkrankung, eine Brustkorrektur sei auch zweckmäßig. Dr. S gab in seinem Bericht über die Untersuchung an, der suspekte Befund an der rechten Mamma habe ebenfalls nachgewiesen werden können, es handele sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Lymphknoten ohne Anhalt für Malignität. Da die Klägerin eine Mamma-Reduktionsplastik beidseits wünsche, könne während dieser Operation der auffällige Bezirk mit entfernt werden.

Am 18.06.1999 stellte sich die Klägerin zur Voruntersuchung in der Frauenklinik der Beigeladenen vor. Der Oberarzt D gab in einem Vermerk an, es bestehe eine Makromastie mit Ptosis. Die Mammographie in der Brustsprechstunde sei als unauffällig bewertet worden. Die Klägerin gebe an, insbesondere an Rückenschmerzen und Schmerzen im Bereich der Schulter zu leiden. Die Kostenzusage liege vor. Es sei eine Reduktionsplastik und ein Lifting beidseits geplant, des Weiteren wünsche die Klägerin eine Sterilisation bei erfülltem Kinderwunsch und abgeschlossener Familienplanung. Am gleichen Tag unterschrieb die Klägerin mehrere Merkblätter über die erteilten Informationen hinsichtlich der geplanten Operationen. In dem Merkblatt bzgl. der Operation zur Brustverkleinerung war unter anderem folgender Passus enthalten:

"Wer trägt die Kosten?

Eine aus medizinischer Sicht notwendige Brustverkleinerung/-straffung wird im allgemeinen von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Sie übernehmen auch die Kosten der medizinisch erforderlichen Vor- und Nachbehandlungen und der Behandlung von Komplikationen. Bitte informieren Sie sich vor dem Eingriff darüber, ob Ihre Krankenkasse die Behandlung vollständig oder teilweise finanziert.

Nach dem gültigen Recht wird jedoch eine solche Operation heute als sogenannte Kassenleistung nicht anerkannt, wenn sie medizinisch nicht angezeigt ist".

Weitere, insbesondere individuelle Hinweise auf ein Kostenrisiko enthält der Informationsbogen nicht.

Am 20.06.1999 wurde die Klägerin zur Durchführung der geplanten Operation stationär aufgenommen. In dem von der Klägerin am gleichen Tag unterschriebenen Aufnahmevertrag ist unter anderem vorgedruckt der Text enthalten:

"Für den Fall, daß der von mir benannte Kostenträger die Pflegekosten nicht übernimmt, muß ich hierfür selbst aufkommen. Sollte ich dazu nicht in der Lage sein, bin ich damit einverstanden, daß die Klinikumsverwaltung Kostenübernahme beim zuständigen Sozialamt beantragt ..."

Bei der am 21.06.1999 durchgeführten Operation wurde gemäß dem Operationsbericht eine Mamma-Reduktionsplastik und Mamma-Lifting beidseits durchgeführt, weiterhin eine Tubensterilisation beidseits. Die von den Ärzten der Beigeladenen veranlasste pathologische Untersuchung des entfernten Brustgewebes rechts ergab keinen Anhalt für Malignität. Die Entlassung erfolgte am 27.06.1999. Im Entlassungsbericht vom 30.06.1999 wurde als Diagnose eine Makromastie und Ptosis beidseits sowie eine abgeschlossene Familienplanung angegeben. Die histologische Untersuchung des Reduktionsgewebes habe keinen Anteil für Malignität ergeben.

Am 28.06.1999 ging der Kostenübernahmeantrag der Beigeladenen bei der Beklagten ein, die Entlassungsanzeige erreichte die Beklagte am 05.07.1999. Mit Rechnung vom 06.08.1999 stellte die Beigeladene der Beklagten insgesamt 4.979,53 DM (2.545,99 EUR) in Rechnung. Der von der Beklagten zur Überprüfung eingeschaltete Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) M kam in einem Gutachten vom 11.08.1999 zu dem Ergebnis, zwar habe bei der Klägerin eine Makromastie vorgelegen, jedoch ergebe sich hieraus nicht zwanglos eine Indikation zur operativen Korrektur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin habe zwar schon seit Jahren bestehende Rückenschmerzen und Schmerzen in der Schulter angegeben, radiologische und/oder orthopädische Befundberichte hierzu hätten jedoch gefehlt und ein kausaler Zusammenhang einer Makromastie mit Rückenbeschwerden sei bisher wissenschaftlich nicht einwandfrei nachgewiesen. Hinzu komme, dass bei der Klägerin ein Bandscheibenvorfall L4/L5 diagnostiziert worden sei, der sicherlich ausschlaggebend für die Rückenbeschwerden gewesen sei und der wegen des betroffenen Wirbelsäulensegmentes nicht in Zusammenhang mit der Makromastie gebracht werden könne. Es ergebe sich somit keine eindeutige Indikation zur Durchführung der Mamma-Reduktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

In einem weiteren Gutachten vom 28.10.1999 kam Dr. K vom MDK zu der Schlussfolgerung, die Mamma-Reduktionsplastik sei ohne medizinische Indikation erfolgt, für die Sterilisation habe ebenfalls keine medizinische Indikation vorgelegen. Die Beklagte teilte daraufhin der Beigeladenen und der Klägerin mit Schreiben vom 02.12.1999 mit, dass sie lediglich die Kosten für zwei Behandlungstage für die stationäre Durchführung der Sterilisation übernehme. Die darüber hinausgehenden Kosten seien der Klägerin in Rechnung zu stellen. Die Beklagte zahlte anschließend an die Beigeladene für die Aufenthaltstage 20. und 21.06.1999 1.586,58 DM (811,21 EUR).

Frau Dr. L , an die sich die Klägerin gewandt hatte, bat die Beklagte unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen um eine erneute Beurteilung. Der Facharzt für Frauenheilkunde M vom MDK kam mit einem Gutachten vom 24.03.2000 erneut zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahmeempfehlung zur Durchführung einer Mamma-Reduktionsplastik nicht erfolgen könne. Dem suspekten Befund im Bereich der rechten Brust sei während des stationären Aufenthaltes nicht Rechnung getragen worden. Wenn dieser Befund einer operativen Abklärung bedurft hätte, wäre es primär notwendig gewesen, diesen zu entnehmen und einer histologischen Begutachtung zuzuführen, das gewählte operative Verfahren zur Verkleinerung beider Mammae sei sicherlich vom üblichen Verfahren abgewichen. Auch die Aufklärung über die dann notwendige Entnahme von Lymphknoten aus der Achselhöhle sei den vorhandenen Unterlagen nicht zu entnehmen. Ein solcher Befund sei auch nicht geeignet, die Notwendigkeit einer Mamma-Reduktionsplastik beidseits zu bejahen.

Mit Bescheid vom 31.03.2000 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Kostenübernahme für die Behandlungstage ab dem 22.06.1999 ab, der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Speyer (SG) erhoben.

Die Beigeladene machte ihre Restforderung in Höhe von 3.392,95 DM (1.734,79 EUR) nach Durchführung eines Mahnverfahrens vor dem Amtsgericht Heidelberg geltend. Mit Urteil vom 12.09.2000 wurde die Klägerin verurteilt, an die Beigeladene 3.392,95 DM nebst Zinsen zu zahlen (Az.: 24 C 299/00). Zur Begründung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, eine gesetzliche Pflicht der Beigeladenen, sich mit der Krankenkasse der Klägerin in der Form auseinanderzusetzen, dass diese die Kosten übernehme, bestehe nicht. Die Beigeladene sei lediglich verpflichtet, einen Datenaustausch durchzuführen, der auch erfolgt sei. Es könne nicht in den Verantwortungsbereich eines Krankenhauses fallen, sich mit sämtlichen Krankenkassen auseinanderzusetzen, ob sie die Kosten für eine Heilbehandlung zahlten oder nicht, da dies den Aufgabenbereich eines Krankenhauses im Hinblick auf die Vielzahl der Kassen und die unterschiedlichen Regelungen zwischen Patient und seiner Krankenkasse überfordere. Insbesondere dürfe nicht übersehen werden, dass auch die Beigeladene die Auffassung vertrete, dass die Krankenkasse der Klägerin zu Unrecht die Erstattung der Krankenhauskosten verweigere. Die Beigeladene sei aber nicht befugt, gegen die Krankenkasse direkt vorzugehen, sondern dies unterliege der ausschließlichen Verfügungsbefugnis der Klägerin. Entsprechend müsse dann aber auch von dem Patienten verlangt werden, dass er sich bereits vor Einleitung der Heilbehandlung mit seiner Krankenkasse auseinandersetze, dies könne nicht in den Verantwortungsbereich des behandelnden Arztes bzw. des behandelnden Krankenhauses fallen. Die Berufung der Klägerin wurde vom Landgericht Heidelberg mit Beschluss vom 05.02.2001 verworfen (Az.: 2 S 64/00). Der eingeklagte Betrag konnte von der Klägerin bisher nicht gezahlt werden.

Das SG hat Auskünfte bei Frau Dr. L und Dr. S eingeholt. Mit Urteil vom 10.04.2002 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für die durch die Beigeladene durchgeführte Mamma-Reduktionsplastik im Rahmen eines stationären Aufenthaltes zu. Die Klägerin sei im Rahmen des Sach- und Dienstleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, zu dem auch die Krankenhausbehandlungen gehörten, behandelt worden. Dazu schlössen die gesetzlichen Krankenkassen mit den Leistungserbringern Verträge. Über die Abrechnung dieser Leistungen müssten dann die Leistungserbringer mit den gesetzlichen Krankenkassen streiten. Der Versicherte sei von diesem Verhältnis wegen der grundsätzlich kostenfreien Sachleistung nicht betroffen. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Feststellung der Leistungspflicht durch die Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer. Er könne sich insoweit auch nicht auf § 13 Abs. 3 SGB V berufen. Daran ändere auch nichts die rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Heidelberg zur Zahlung der Kosten an die Beigeladene. Falls keine Vergütungsvereinbarung geschlossen worden sei, könne die Klägerin gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen das Urteil vorgehen. Sei hingegen eine Vergütungsvereinbarung entgegen der im Sach- und Dienstleistungssystem ordnungsgemäßen Praxis geschlossen worden, so habe die Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten, so dass ihr kein Kostenerstattungsanspruch zustehe. Aufgrund der ausdrücklichen Belehrung auf dem Krankenhausverordnungsformular sei es von der Klägerin grob fahrlässig gewesen, sich auf das Verhalten der Krankenhausärzte zu verlassen. Das Verhalten der Krankenhausärzte, nämlich die Nichtaufklärung über die Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse, könne dieser nicht dahingehend zugerechnet werden, dass sie zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Die Klägerin hätte sich nochmals bei der Beklagten erkundigen müssen. Dies sei ihr auch zumutbar gewesen, da die Mamma-Reduktionsplastik keine unaufschiebbare Leistung dargestellt habe.

Gegen das ihr am 30.04.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.05.2002 Berufung eingelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 30.08.2002 das Universitätsklinikum H beigeladen.

Die Klägerin trägt vor, bereits im Gutachten vom 23.01.1990 sei festgehalten worden, dass die Durchführung einer Mamma-Reduktionsplastik bei ihr medizinisch indiziert sei. Verschiedene Umstände hätten dazu geführt, dass sie diese medizinisch notwendige Maßnahme zunächst nicht habe durchführen lassen, sondern bis in den Juni 1999 hinausgeschoben habe. Während dieser Zeit habe sich an der medizinischen Notwendigkeit jedoch nichts geändert. Hinzugekommen sei ein suspekter Tastbefund in der rechten Brust. Sämtliche mit dieser Maßnahme betrauten Ärzte seien übereinstimmend der fachkundigen Ansicht gewesen, dass die Maßnahme medizinisch notwendig sei. Keiner der behandelten Ärzte habe es für notwendig empfunden, sie dahingehend aufzuklären, sie möge vor Durchführung der Mamma-Reduktionsplastik zuvor eine Kostenübernahmeerklärung der Beklagten einholen. Da die Beigeladene sie erfolgreich auf Zahlung der Kosten verklagt habe, begehre sie die Freistellung von diesen Kosten. Entgegen der Auffassung des SG habe sie nicht grob fahrlässig gehandelt, weil sie nicht zuvor eine Kostenübernahmeerklärung der Beklagten einholt habe. Ein Hinweis auf der Rückseite eines Formulars beinhalte nicht automatisch die Schlussfolgerung, dass jede Person den entsprechenden Hinweis auch zur Kenntnis nehme. Sie habe ihn jedenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Es habe hierfür auch kein Anlass bestanden, denn die Verordnung sei nicht für sie bestimmt gewesen, sondern für das Krankenhaus. Es könne ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn sie diese Verordnung nicht eingehend studiert habe. Darüber hinaus werde von ihr mit der Aufbürdung der Einholung einer Kostenübernahme mehr verlangt als von sämtlichen in dieser Angelegenheit tätig gewordenen Ärzten. Wenn sie selbst grob fahrlässig gehandelt habe, hätten diese noch grob fahrlässiger als sie gehandelt. Darüber hinaus sei es ihr nicht zumutbar gewesen, die entsprechende Operation erst bei der Beklagten einzuklagen, zumal aufgrund des suspekten Befundes sowieso eine Operation hätte durchgeführt werden müssen. An der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme selbst könne kein Zweifel bestehen. Sie könne auch nicht auf eine Aufhebung des zivilgerichtlichen Urteiles gemäß § 826 BGB verwiesen werden, da der Beigeladenen eine sittenwidrige Schädigung nicht nachgewiesen werden könne. Zwar habe das Amtsgericht eventuell eine rechtlich unzutreffende Entscheidung getroffen, hierin liege jedoch noch keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10.04.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 31.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten für die in der Zeit vom 22.06. bis 27.06.1999 in der Frauenklinik der Beigeladenen durchgeführten beidseitigen operativen Mamma-Reduktionsplastik in Höhe von 1.734,79 EUR nebst 3,24% Zinsen hieraus seit dem 19.04.2000 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Die Beigeladene trägt vor, ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag sei mit der Klägerin nicht abgeschlossen worden.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die übersandten Unterlagen der Beigeladenen und die beigezogene Gerichtsakte des Amtsgerichts Heidelberg (Az.: 24 C 299/00). Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache überwiegend Erfolg. Sie hat Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 22.06. bis 27.06.1999 abzüglich der von ihr für diese Tage zu tragenden Zuzahlung.

Da die Beigeladene gegen die Klägerin Kosten für die Krankenhausbehandlung vom 22.06. bis 27.06.1999 bereits durch ein rechtskräftiges zivilrechtliches Urteil geltend gemacht hat, die Klägerin den eingeklagten Betrag bisher aber nicht bezahlt hat, richtet sich ihr Klagebegehren nicht auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), sondern auf Freistellung von den Kosten für die noch nicht bezahlte Krankenhausbehandlung (BSG 09.06.1998 -B 1 KR 18/96 R, SozR 3-2500 § 39 Nr. 5). Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) inzwischen entschieden, dass das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V keine Handhabe biete, die Leistungspflicht der Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesen damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG 09.10.2001 -B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 25), da jedoch die Beigeladene hier inzwischen ein vollstreckbares Urteil gegen die Klägerin erwirkt hat, ist das Freistellungsersuchen von den entstandenen Kosten gegenüber der Beklagten nicht unzulässig. Eine tatsächliche Kostenbelastung der Klägerin im Vollstreckungsverfahren steht zu mindestens unmittelbar bevor und kann von ihr durch rechtliche Mittel nicht mehr abgewehrt werden.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 iVm § 39 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Gemäß § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit nichts abweichendes vorgesehen ist. Über die Erbringung des Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern.

Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 13 Abs. 3 SGB V für den Fall einer eigenbeschafften Leistung aufgrund einer rechtswidrigen Leistungsablehnung durch die Beklagten besteht vorliegend nicht. Ein Kostenerstattungsanspruch betrifft den Fall, dass der Versicherte wegen eines Systemversagens gezwungen ist, sich eine Behandlung, die ihm die Krankenkasse an sich als Sachleistung schuldet, außerhalb des für Sachleistungen vorgesehenen Weges selbst zu beschaffen. Die Vorschrift ist somit auf Fälle zugeschnitten, in denen der Anspruchsteller sich bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln lässt, in dem er einen nicht zugelassenen Leistungserbringer aufsucht oder mit einem zugelassenen Leistungserbringer vom öffentlich-rechtlichen Leistungsrahmen abweichende privatrechtliche Vereinbarungen trifft. Dagegen greift § 13 Abs. 3 SGB V nicht ein, wenn die Behandlung sowohl von Seiten des Leistungserbringers als auch von Seiten des Versicherten erkennbar als Sachleistung zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden soll und lediglich bei der Abwicklung gegen Grundsätze des Leistungsrechts verstoßen wird. Weigert sich die Krankenkasse bei einer solchen Konstellation, die Kosten der erbrachten Leistungen zu tragen, so geht es nicht um Kostenerstattung, sondern um die Erfüllung des Sachleistungsanspruchs und die Freistellung von etwaigen Vergütungsforderungen des Leistungserbringers (BSG 09.06.1998 aaO).

Die Klägerin wollte erkennbar die Krankenhausbehandlung durch die Beigeladene als Sachleistung in Anspruch nehmen, wie sich aus der Vorlage der Krankenhausbehandlungsverordnung ihrer Frauenärztin ergibt. Die Beigeladene wollte auch eine Sachleistung zu Lasten der Beklagten erbringen, deshalb hat sie einen Kostenübernahmeantrag und später die Rechnung an die Beklagte gesandt. Eine ausdrückliche privatrechtliche Vereinbarung über die Durchführung einer kosmetischen Operation wurde zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht geschlossen, wie die Beigeladene im Berufungsverfahren eingeräumt hat.

Führt ein zur Versorgung von Versicherten zugelassener Krankenhausträger die durch einen Vertragsarzt verordnete Krankenhausbehandlung durch, ohne dass ihm der Versicherte vorher eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vorlegt, richten sich die Honoraransprüche des Krankenhauses weiter unmittelbar gegen die Krankenkasse. Der Versicherte darf auch in diesem Fall davon ausgehen, dass der Krankenhausträger nach Maßgabe der Rahmenverträge mit seiner Krankenkasse abrechnet und sich die Kostenübernahmeerklärung unmittelbar selbst beschafft, wie es die Beigeladene auch versucht hat. Verweigert die Krankenkasse die Kostenübernahme ganz oder teilweise, weil die Behandlung nicht notwendig, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich ist oder war, so geht dies nicht zu Lasten des Versicherten. Der Krankenhausträger muß sich vielmehr, gestützt auf die vertraglichen Vereinbarungen und eventuell andere Rechtsnormen, mit der Krankenkasse auseinandersetzen. Etwas anderes kann im Einzelfall allenfalls dann gelten, wenn der Krankenhausträger den Versicherten unter gehöriger Aufklärung über die Rechtslage vor oder bei Aufnahme ausdrücklich darauf hinweist, es sei zweifelhaft, ob die Kasse die Kosten übernehme, er, der Patient, müsse damit rechnen, im Weigerungsfalle wie ein Selbstzahler persönlich wegen der Kosten in Anspruch genommen zu werden, und der Patient gleichwohl die stationäre Behandlung wünscht. Solchen Anforderungen genügen bloße Hinweise in Vordruckschreiben, wie sie der Klägerin hier vor und während der Krankenhausbehandlung in erheblichem Umfang zur Unterschrift vorgelegt worden sind, nicht (OLG Köln, 04.10.1989 -27 U 110/89, NJW 1990, S. 1537 f.).

Daher war die Frage, ob die Kosten der stationären Behandlung der Klägerin von der Beklagten zu tragen waren, allein zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu klären. Die Einbeziehung der Klägerin durch Inanspruchnahme im Wege der Zivilklage durch die Beigeladene war ein Verstoß gegen den Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 27.11.1998, den die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft unter anderem für die Beigeladene mit den Baden-Württembergischen Krankenkassen abgeschlossen hat und der auch für die Beziehungen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen gilt (BSG 21.08.1996 - 3 RK 2/96, SozR 3-2500 § 39 Nr. 4).

Im Verhältnis zwischen dem Versicherten, seiner Krankenkasse und dem Krankenhaus ist zwischen dem "Behandlungsverhältnis" und dem "Abrechnungsverhältnis" zu unterscheiden. Die Behandlungsbeziehungen zwischen Patient und Krankenhaus sind zivilrechtlich geprägt, so dass insoweit eine Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben ist. Dagegen haben die maßgeblichen Abrechnungsbeziehungen eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung erhalten und fallen in die Zuständigkeit der Sozialgerichte (BSG 21.08.1996 -3 RK 2/96, SozR 3-2500 § 39 Nr. 4). Wird daher ein Versicherter ohne ausdrückliche privatrechtliche Vereinbarung im Rahmen der Gewährung einer Sachleistung zur stationären Behandlung aufgenommen, darf sich der Krankenhausträger grundsätzlich nicht zur Deckung seiner Kosten an den Versicherten halten und versuchen, die von der Krankenkasse nicht einzutreibenden Beträge vom Versicherten selbst zu erhalten. Das hierauf gerichtete Verhalten der Beigeladenen gegenüber der Klägerin war daher rechtsmissbräuchlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin vor Aufnahme in die stationäre Behandlung der Beigeladenen nicht die auf dem Vordruck über die Verordnung von Krankenhausbehandlung vorgesehene Kostenzusage der Beklagten eingeholt hat. Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die streitigen Behandlungstage keine Kostenzusage erteilt worden ist. Die fehlende vorherige Kostenzusage schließt weder einen Anspruch des Krankenhauses aufgrund der bestehenden vertraglichen Beziehungen gegen die Krankenkasse bei medizinischer Notwendigkeit der stationären Behandlung noch einen Leistungsanspruch des Klägers gegenüber seiner Krankenkasse aus (BSG 24.11.1991 -3 RK 32/89, SozR 3-2500 § 39 Nr. 1).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherte wusste oder hätte wissen müssen, dass ihm ein Behandlungsanspruch nicht zustand (BSG 23.10.1996 -4 RK 2/96, SozR 3-2500 § 13 Nr. 12). Dabei sind jedoch auch die öffentlich-rechtlichen Amtspflichten des ärztlichen Leistungserbringers, also im vorliegenden Fall der Ärzte der Beigeladenen, zu berücksichtigen. Zu diesen Amtspflichten gehört insbesondere eine dem Schutz der Versichertengemeinschaft und des Versicherten unter anderem vor Belastungen aus unter Umständen objektiv ungerechtfertigten Fremdleistungen dienende Aufklärungs- und Informationspflicht darüber, dass eine Leistung veranlasst werden soll, die der Versicherte grundsätzlich selbst bezahlen muß. Der Leistungserbringer muss den Versicherten rechtzeitig darüber unterrichten, dass er eine privatrechtliche Leistung, die nicht in den Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung fällt, erbringen will. Hat er hierüber nicht entsprechend aufgeklärt, liegt ein Systemversagen vor, welches dem Versicherten einen Anspruch auf Freistellung von den hieraus resultierenden Kosten verschafft.

Die Klägerin hat weder gewusst noch grob fahrlässig nicht gewusst, dass ihr die Operation zur Brustverkleinerung nicht als Sachleistung zustand. Allerdings konnte die Klägerin aus dem vertrauensärztlichen Gutachten aus dem Jahre 1990 nicht mehr schließen, dass ihr fast 10 Jahre später noch ein entsprechender Anspruch auf eine Operation zu Lasten der Beklagten zustand. Zum einen steht nicht fest, dass damals aufgrund des vertrauensärztlichen Gutachtens eine Leistungszusage durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die AOK V , erteilt worden ist. Darüber hinaus hätte aber selbst beim Vorliegen einer solchen Zusage diese inzwischen ihre Wirkung wieder verloren. Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind wegen des überaus starken Bezugs zur persönlichen Situation des Behandelten und der besonderen Abhängigkeit vom aktuellen Gesundheitszustand von der Krankenkasse stets zeitnah zu gewähren und vom Versicherten in Anspruch zu nehmen (BSG 16.11.1999 -B 1 RK 9/97 R, SozR 3-2500 § 27 Nr. 12). Aufgrund des hier vorliegenden Zeitraumes war jedenfalls eine eventuelle Kostenzusage zur Übernahme der Operationskosten inzwischen gegenstandslos geworden, so das sich hierauf die Klägerin nicht mehr berufen konnte. Dies hat aber nicht nur die Klägerin, sondern haben auch die Ärzte der Beigeladenen verkannt. Sie sind nach Vorlage des vertrauensärztlichen Gutachtens durch die Klägerin davon ausgegangen, dass die Kostenübernahme durch die Beklagte gewährleistet sei, und haben die Klägerin entsprechend informiert. Aufgrund ihrer überlegenen Sachkunde im Rahmen von Kostenübernahmen bei Krankenhausbehandlungen und insbesondere aufgrund der bei Brustverkleinerungsoperationen möglichen Kostenverweigerung hätte es den Ärzten der Beigeladenen oblegen, die Klägerin individuell über das Kostenrisiko aufzuklären und eine vorherige Antragstellung bei der Beklagten zu veranlassen. Die Ärzte der Beigeladenen konnten sich insoweit auch nicht auf die Verordnung über Krankenhauspflege von Frau Dr. L verlassen, denn diese betraf ausdrücklich nicht eine Brustverkleinerungsoperation, sondern eine Abklärung des suspekten sonographischen Befundes in der rechten Brust. Eine entsprechende Abklärung war jedoch bereits bei der vorherigen ambulanten Vorstellung der Klägerin vorgenommen worden.

Die Frage, ob die durchgeführte Mamma-Reduktionsplastik medizinisch notwendig war oder ob es sich hierbei lediglich um eine kosmetische Operation gehandelt hat, ist deshalb im Abrechnungsverhältnis zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu klären. Daher braucht auch hier nicht im Einzelnen darauf eingegangen zu werden, ob es sich bei der durchgeführten Operation um eine medizinisch notwendige Maßnahme gehandelt hat oder nicht. Bei ihrer Überprüfung werden die Beklagte und die Beigeladene zu beachten haben, dass über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und das eine Zahlungspflicht der Krankenkasse für eine stationäre Versorgung eines Versicherten nur dann entfällt, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkennungsmöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt (BSG 13.12.2001 -B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).

Die Klägerin hat nach alledem gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von den durch die Beigeladene gegenüber ihr vollstreckungsrechtlich vollziehbar eingeklagten Krankenhauskosten nebst der Zinsforderung. Die Beklagte wird daher entsprechend § 19 Abs. 1 des Vertrages vom 27.11.1998 zunächst die Forderung der Beigeladenen zu zahlen haben und kann Beanstandungen sachlicher Art gemäß § 19 Abs. 2 des Vertrages nach Begleichung der Rechnung geltend machen oder mit Differenzbeträgen verrechnen. Die Beklagte kann die Klägerin auch nicht darauf verweisen, das rechtskräftige amtsgerichtliche Urteil im Wege einer Klage auf der Grundlage von § 826 BGB aufheben zulassen, denn ein solches Klageverfahren hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Da die Klägerin die von ihr nach § 39 Abs. 4 SGB V zu tragende Zuzahlung an die Beigeladene für die noch streitigen Tage bisher nicht erbracht hat, ist dieser Betrag in Höhe von 102,00 DM (52,15 EUR) von der Klägerin selbst an die Beigeladene zu zahlen oder ggf. bei Übernahme durch die Beklagte dieser zurückzuzahlen.

Nach alledem hat die Berufung der Klägerin in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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