Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 4063/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3424/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Dem Kläger wird auferlegt, 112,50 EUR an die Staatskasse sowie weitere 112,50 EUR an die Beklagte zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung vom 30.09.2013.
Nach eigenen Angaben ist der am 23.03.1956 geborene Kläger Kaufmann. Er bezieht von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Nichtleistungsempfänger"). In der Vergangenheit schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen. Verschiedentlich stellte die Beklagte "Vermittlungssperren" fest, nachdem sie dem Kläger vorwarf, seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen zu sein.
Nach dem Eingliederungsbescheid vom 21.08.2013 sollte sich der Kläger u.a. bis zum 30.09.2013 auf sechs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Bürokraft bzw. kaufmännische Fachkraft oder als Mitarbeiter in den Bereichen Lagerei/Logistik bewerben. Diesen Bescheid focht der Kläger an, er ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 3 AL 3418/14, in dem der erkennende Senat ebenfalls am 17.12.2014 entschieden hat.
Nachdem der Kläger am 30.09.2013 die geforderten sechs Bewerbungen nachgewiesen hatte (vgl. Verbis-Vermerk von jenem Tage), aber wiederum keine anschließende Vereinbarung schließen wollte, erließ die Beklagte den Bescheid von jenem Tage. Dieser entsprach im Wesentlichen dem vorherigen. Dem Kläger wurde nunmehr u.a. auferlegt, sich monatlich auf sechs der genannten Beschäftigungen zu bewerben. Im Gegenzug sagte die Beklagte unter anderem zu, dem Kläger passende Vermittlungsvorschläge vorzulegen, sein Bewerberprofil zu veröffentlichen sowie die Kosten für Bewerbungen und Fahrten zu Vorstellungsterminen zu erstatten. Sie führte aus, um Vermittlungsleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, müsse der Kläger Eigenbemühungen entfalten.
Nachdem sich der Kläger auf ein Stellenangebot vom 24.09.2013 nicht beworben hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2013 die Vermittlungen ein. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch. Die Beklagte half mit Bescheid vom 27.11.2013 ab.
Ebenfalls erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.09.2013. Unter dem 25.10.2013 trug er vor, der Bescheid sei - anders als frühere Eingliederungsvereinbarungen oder entsprechende Bescheide - unbefristet. Unter Verweis auf seinen Widerspruch gegen den vorherigen Bescheid vom 21.08.2013 trug er vor, es sei ein "Eingriff in die rechtsgeschäftliche Willensbildung (hier: Vertrags- bzw. Individualarbeitsrecht) durch die Bundesagentur mit dem als Kontrahierungszwang auszulegenden Term: ‚ nehme Vorstellungsgespräche beim Arbeitgeber wahr und trete - falls angeboten - diese Stelle an ".
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19.10.2013. Komme eine Eingliederungsvereinbarung nicht zu Stande, so sollten die erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden. Der Bescheid nenne auch eine Geltungsdauer, er sei auf das Monatsende nach Zugang befristet; dies sei hier der 31.10.2013.
Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat gerügt, dass er bereits den Bescheid vom 21.08.2013 erhalten habe; die Geltungsdauern seien unklar. Der jetzige Bescheid sei unbefristet erlassen worden. Die Leistungen der Beklagten seien vage definiert.
Nach Hinweisen des SG in dem Parallelverfahren gegen den Bescheid vom 21.08.2013 wegen mög¬licher Zweifel an einer ausreichend deutlichen Befristung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.04.2014 auch die hier angegriffene Eingliederungsvereinbarung zurückgenommen. Gleichwohl hat der Kläger um eine gerichtliche Entscheidung gebeten und Wiederholungsgefahr geltend gemacht. Dazu hat er später vorgetragen, ihm seien am 15.04.2104 und am 23.06.2014 weitere Bescheide "in gleicher Sache" bzw. "mit ähnlichen Textbausteinen" zugegangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei jedenfalls unbegründet. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 21.08.2013 begehrt habe, habe sich die Klage erledigt, nachdem die Beklagte jenen Bescheid zurückgenommen habe. Soweit der Kläger nunmehr eine Fortsetzungsfeststellungsklage führe, fehle ihm das notwendige Feststellungsinteresse, da eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich sei. Die Beklagte habe sich bereit erklärt, einen Bescheid mit schriftlicher Gültigkeitsdauer zu erlassen. Im Übrigen wäre, so das SG, die Klage auch unbegründet. Die in dem Bescheid festgesetzten Eigenbemühungen seien nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er meint, die Beklagte habe den angegriffenen Bescheid nicht zurückgenommen, auf Nachfrage habe sie einen solchen Rücknahmebescheid nicht vorlegen können.
Der Kläger beantragt - in der Sache ausdrücklich -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 aufzuheben und 1) die Beklagte zu verurteilen, einen ordnungsgemäßen Bescheid zu erstellen und diesen auch dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zukommen zu lassen, 2) festzustellen, dass ein Eingriff in Vertragsverhandlungen und der Zwang zum Abschluss eines Vertrags keine Eigenbemühung im Sinne von § 37 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei, 3) festzustellen, dass am 30.09.2013 kein weiterer Verwaltungsakt hätte erlassen werden dürfen, da seit dem 21.08.2013 bereits ein Verwaltungsakt mit ähnlichem Inhalt existiert habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger gem. § 192 SGG die Erstattung der Hälfte der von der Beklagten zu zahlenden Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass sie den angegriffenen Bescheid mit dem Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen habe.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 mitgeteilt, die später erlassenen Eingliederungsbescheide seien ausdrücklich befristet gewesen, zuletzt bis zum 05.12.2014. Der Senat hat dem Kläger dort unter anderem erläutert, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 10.04.2012 den Bescheid über die Aufhebung des angegriffenen Eingliederungsbescheids enthalten habe. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Berufung rechtsmissbräuchlich erscheine und daher Kosten von EUR 225,00 auferlegt werden könnten.
Auf Grund dieses Hinweises hat die Beklagte beantragt, dem Kläger die Erstattung der Hälfte der von ihr zu entrichtenden Pauschgebühr aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch sonst zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen.
a) Der Kläger stellt in zweiter Instanz die gleichen Anträge wie vor dem SG. Eine - womöglich unzulässige (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) - Klageänderung liegt nicht vor. Mit seinem ersten Antrag begehrt der Kläger zwar ausdrücklich den Erlass eines behördlichen Aufhebungs- oder Rücknahmebescheids, in der Sache aber nach wie vor die gerichtliche Kassation jenes Bescheids. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1). Und der zweite und dritte Antrag können bei wohlwollender Auslegung als eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) mit dem Inhalt verstanden werden, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des fraglichen Bescheids feststellen. So hat auch das SG das Begehren verstanden. Dass sich der Kläger in der Berufungsinstanz auf eine der Regelungen in dem Bescheid beschränkt - die Obliegenheit, angebotene Stellen anzunehmen -, zwingt nicht dazu, seinen Antrag als unzulässige Elementenfeststellung (vgl. insoweit § 55 Abs. 1 Hs. 1 SGG) anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Hinweis nur um die Begründung des Klägers für die angenommene Rechtswidrigkeit des Bescheids.
b) Die Klage gegen den Bescheid selbst ist unzulässig geworden, nachdem ihn die Beklagte zurückgenommen hat. Eine Anfechtungsklage kann sich nur gegen einen existenten Bescheid richten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG). Die Rücknahme des Bescheids lag in dem Schriftsatz vom 10.04.2014. Ein Bescheid, auch ein Rücknahmebescheid, muss nicht in besonderer Form ergehen, er muss nicht einmal schriftlich erteilt werden. Auch dass dem Rücknahmebescheid z.B. die Rechtsbehelfsbelehrung fehlte, macht ihn nicht nichtig. Jener Rücknahmebescheid wurde dem Kläger auch - vermittelt durch das SG - bekanntgegeben, sodass er wirksam geworden ist. Einen Anspruch auf Zustellung eines Bescheids - statt der gesetzlich lediglich vorgeschriebenen Bekanntgabe -, noch dazu auf Zustellung in bestimmter Weise, wie ihn der Kläger geltend macht, gibt es nicht. Dies hat der Senat dem Kläger in der Berufungsverhandlung nochmals erläutert.
c) Ebenso wie das SG hält auch der Senat die (hilfsweise) erhobene Fortsetzungs-feststellungsklage für unzulässig. Es fehlt das nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Insbesondere besteht keine Wiederholungsgefahr mehr, nachdem die Beklagte auf den einzigen möglichen Rechtsfehler in dem angegriffenen Eingliederungsbescheid eingegangen ist und die anschließenden Bescheide ausdrücklich befristet hat (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III).
d) Aus diesem Grunde weist der Senat nur darauf hin, dass der Eingliederungsbescheid auch rechtmäßig gewesen war.
Auch einem arbeitsuchend gemeldeten Nichtleistungsempfänger obliegt es nach § 37 Abs. 2 SGB III, eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten zu schließen, wenn er Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen will. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, so wird sie nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III als Verwaltungsakt erlassen.
Der Bescheid vom 30.09.2013 entsprach auch den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB III. Entgegen der Ansicht des Klägers enthielt er einen Geltungszeitraum, der nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB III vorgeschrieben und nach § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III höchstens sechs Monate betragen darf. Zumindest im Widerspruchsbescheid vom 19.10.2013, auf dessen Inhalt es nach § 95 SGG ankommt, hatte die Beklagte die Geltungsdauer den Eingliederungsbescheid bis Ende Oktober befristet. Es galten auch nicht gleichzeitig zwei Bescheide, sodass nicht entschieden werden muss, ob dies zulässig wäre. Der Bescheid vom 21.08.2013 war - jener sogar ausdrücklich - bis zum 30.09.2013 befristet, an jenem Tage sollte der Kläger die zuvor abgegebenen Bewerbungen nachweisen. Der hier angegriffene Bescheid schloss sich nahtlos an. Ferner verstießen die Obliegenheiten, die dem Kläger auferlegt wurden, nicht gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Sechs Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen in etwa einem Monat sind zumutbar. Und die Obliegenheit, eine angebotene Stelle anzutreten, ist - auch für nur arbeitsuchende Arbeitnehmer wie den Kläger - bereits gesetzlich vorgesehen, § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat außerdem nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Missbrauchskosten festgesetzt, und zwar in Höhe des Mindestsatzes für die Berufungsinstanz von EUR 225,00 (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG). Er hat hierbei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger aufzuerlegen, der Beklagten die Hälfte der Pauschgebühren zu erstatten (also EUR 112,50), die sie nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG zahlen muss und die nicht angefallen wäre, wenn der Kläger nach den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung seine Berufung zurückgenommen hätte (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 192 Rn. 13, 15). Den Rechtsmissbrauch der weiteren Rechtsverfolgung sieht der Senat darin, dass der Kläger seine unzulässige Klage trotz ausdrücklicher Hinweise weiterverfolgt, obwohl der angegriffene Bescheid zurückgenommen worden ist und Wiederholungsgefahr nicht besteht; stattdessen hätte der Kläger nach der Rücknahme das Klageverfahren für erledigt erklären und ggfs. Kostengrundantrag stellen können. Seine Ausführungen in der Berufungsverhandlung, es gehe ihm darum, einen an ihn adressierten förmlichen Rücknahmebescheid der Beklagten zu erhalten, rechtfertigen kein Gerichtsverfahren.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Dem Kläger wird auferlegt, 112,50 EUR an die Staatskasse sowie weitere 112,50 EUR an die Beklagte zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung vom 30.09.2013.
Nach eigenen Angaben ist der am 23.03.1956 geborene Kläger Kaufmann. Er bezieht von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Nichtleistungsempfänger"). In der Vergangenheit schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen. Verschiedentlich stellte die Beklagte "Vermittlungssperren" fest, nachdem sie dem Kläger vorwarf, seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen zu sein.
Nach dem Eingliederungsbescheid vom 21.08.2013 sollte sich der Kläger u.a. bis zum 30.09.2013 auf sechs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Bürokraft bzw. kaufmännische Fachkraft oder als Mitarbeiter in den Bereichen Lagerei/Logistik bewerben. Diesen Bescheid focht der Kläger an, er ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 3 AL 3418/14, in dem der erkennende Senat ebenfalls am 17.12.2014 entschieden hat.
Nachdem der Kläger am 30.09.2013 die geforderten sechs Bewerbungen nachgewiesen hatte (vgl. Verbis-Vermerk von jenem Tage), aber wiederum keine anschließende Vereinbarung schließen wollte, erließ die Beklagte den Bescheid von jenem Tage. Dieser entsprach im Wesentlichen dem vorherigen. Dem Kläger wurde nunmehr u.a. auferlegt, sich monatlich auf sechs der genannten Beschäftigungen zu bewerben. Im Gegenzug sagte die Beklagte unter anderem zu, dem Kläger passende Vermittlungsvorschläge vorzulegen, sein Bewerberprofil zu veröffentlichen sowie die Kosten für Bewerbungen und Fahrten zu Vorstellungsterminen zu erstatten. Sie führte aus, um Vermittlungsleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, müsse der Kläger Eigenbemühungen entfalten.
Nachdem sich der Kläger auf ein Stellenangebot vom 24.09.2013 nicht beworben hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2013 die Vermittlungen ein. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch. Die Beklagte half mit Bescheid vom 27.11.2013 ab.
Ebenfalls erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.09.2013. Unter dem 25.10.2013 trug er vor, der Bescheid sei - anders als frühere Eingliederungsvereinbarungen oder entsprechende Bescheide - unbefristet. Unter Verweis auf seinen Widerspruch gegen den vorherigen Bescheid vom 21.08.2013 trug er vor, es sei ein "Eingriff in die rechtsgeschäftliche Willensbildung (hier: Vertrags- bzw. Individualarbeitsrecht) durch die Bundesagentur mit dem als Kontrahierungszwang auszulegenden Term: ‚ nehme Vorstellungsgespräche beim Arbeitgeber wahr und trete - falls angeboten - diese Stelle an ".
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19.10.2013. Komme eine Eingliederungsvereinbarung nicht zu Stande, so sollten die erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden. Der Bescheid nenne auch eine Geltungsdauer, er sei auf das Monatsende nach Zugang befristet; dies sei hier der 31.10.2013.
Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat gerügt, dass er bereits den Bescheid vom 21.08.2013 erhalten habe; die Geltungsdauern seien unklar. Der jetzige Bescheid sei unbefristet erlassen worden. Die Leistungen der Beklagten seien vage definiert.
Nach Hinweisen des SG in dem Parallelverfahren gegen den Bescheid vom 21.08.2013 wegen mög¬licher Zweifel an einer ausreichend deutlichen Befristung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.04.2014 auch die hier angegriffene Eingliederungsvereinbarung zurückgenommen. Gleichwohl hat der Kläger um eine gerichtliche Entscheidung gebeten und Wiederholungsgefahr geltend gemacht. Dazu hat er später vorgetragen, ihm seien am 15.04.2104 und am 23.06.2014 weitere Bescheide "in gleicher Sache" bzw. "mit ähnlichen Textbausteinen" zugegangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei jedenfalls unbegründet. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 21.08.2013 begehrt habe, habe sich die Klage erledigt, nachdem die Beklagte jenen Bescheid zurückgenommen habe. Soweit der Kläger nunmehr eine Fortsetzungsfeststellungsklage führe, fehle ihm das notwendige Feststellungsinteresse, da eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich sei. Die Beklagte habe sich bereit erklärt, einen Bescheid mit schriftlicher Gültigkeitsdauer zu erlassen. Im Übrigen wäre, so das SG, die Klage auch unbegründet. Die in dem Bescheid festgesetzten Eigenbemühungen seien nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er meint, die Beklagte habe den angegriffenen Bescheid nicht zurückgenommen, auf Nachfrage habe sie einen solchen Rücknahmebescheid nicht vorlegen können.
Der Kläger beantragt - in der Sache ausdrücklich -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 aufzuheben und 1) die Beklagte zu verurteilen, einen ordnungsgemäßen Bescheid zu erstellen und diesen auch dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zukommen zu lassen, 2) festzustellen, dass ein Eingriff in Vertragsverhandlungen und der Zwang zum Abschluss eines Vertrags keine Eigenbemühung im Sinne von § 37 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei, 3) festzustellen, dass am 30.09.2013 kein weiterer Verwaltungsakt hätte erlassen werden dürfen, da seit dem 21.08.2013 bereits ein Verwaltungsakt mit ähnlichem Inhalt existiert habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger gem. § 192 SGG die Erstattung der Hälfte der von der Beklagten zu zahlenden Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass sie den angegriffenen Bescheid mit dem Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen habe.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 mitgeteilt, die später erlassenen Eingliederungsbescheide seien ausdrücklich befristet gewesen, zuletzt bis zum 05.12.2014. Der Senat hat dem Kläger dort unter anderem erläutert, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 10.04.2012 den Bescheid über die Aufhebung des angegriffenen Eingliederungsbescheids enthalten habe. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Berufung rechtsmissbräuchlich erscheine und daher Kosten von EUR 225,00 auferlegt werden könnten.
Auf Grund dieses Hinweises hat die Beklagte beantragt, dem Kläger die Erstattung der Hälfte der von ihr zu entrichtenden Pauschgebühr aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch sonst zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen.
a) Der Kläger stellt in zweiter Instanz die gleichen Anträge wie vor dem SG. Eine - womöglich unzulässige (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) - Klageänderung liegt nicht vor. Mit seinem ersten Antrag begehrt der Kläger zwar ausdrücklich den Erlass eines behördlichen Aufhebungs- oder Rücknahmebescheids, in der Sache aber nach wie vor die gerichtliche Kassation jenes Bescheids. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1). Und der zweite und dritte Antrag können bei wohlwollender Auslegung als eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) mit dem Inhalt verstanden werden, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des fraglichen Bescheids feststellen. So hat auch das SG das Begehren verstanden. Dass sich der Kläger in der Berufungsinstanz auf eine der Regelungen in dem Bescheid beschränkt - die Obliegenheit, angebotene Stellen anzunehmen -, zwingt nicht dazu, seinen Antrag als unzulässige Elementenfeststellung (vgl. insoweit § 55 Abs. 1 Hs. 1 SGG) anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Hinweis nur um die Begründung des Klägers für die angenommene Rechtswidrigkeit des Bescheids.
b) Die Klage gegen den Bescheid selbst ist unzulässig geworden, nachdem ihn die Beklagte zurückgenommen hat. Eine Anfechtungsklage kann sich nur gegen einen existenten Bescheid richten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG). Die Rücknahme des Bescheids lag in dem Schriftsatz vom 10.04.2014. Ein Bescheid, auch ein Rücknahmebescheid, muss nicht in besonderer Form ergehen, er muss nicht einmal schriftlich erteilt werden. Auch dass dem Rücknahmebescheid z.B. die Rechtsbehelfsbelehrung fehlte, macht ihn nicht nichtig. Jener Rücknahmebescheid wurde dem Kläger auch - vermittelt durch das SG - bekanntgegeben, sodass er wirksam geworden ist. Einen Anspruch auf Zustellung eines Bescheids - statt der gesetzlich lediglich vorgeschriebenen Bekanntgabe -, noch dazu auf Zustellung in bestimmter Weise, wie ihn der Kläger geltend macht, gibt es nicht. Dies hat der Senat dem Kläger in der Berufungsverhandlung nochmals erläutert.
c) Ebenso wie das SG hält auch der Senat die (hilfsweise) erhobene Fortsetzungs-feststellungsklage für unzulässig. Es fehlt das nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Insbesondere besteht keine Wiederholungsgefahr mehr, nachdem die Beklagte auf den einzigen möglichen Rechtsfehler in dem angegriffenen Eingliederungsbescheid eingegangen ist und die anschließenden Bescheide ausdrücklich befristet hat (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III).
d) Aus diesem Grunde weist der Senat nur darauf hin, dass der Eingliederungsbescheid auch rechtmäßig gewesen war.
Auch einem arbeitsuchend gemeldeten Nichtleistungsempfänger obliegt es nach § 37 Abs. 2 SGB III, eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten zu schließen, wenn er Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen will. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, so wird sie nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III als Verwaltungsakt erlassen.
Der Bescheid vom 30.09.2013 entsprach auch den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB III. Entgegen der Ansicht des Klägers enthielt er einen Geltungszeitraum, der nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB III vorgeschrieben und nach § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III höchstens sechs Monate betragen darf. Zumindest im Widerspruchsbescheid vom 19.10.2013, auf dessen Inhalt es nach § 95 SGG ankommt, hatte die Beklagte die Geltungsdauer den Eingliederungsbescheid bis Ende Oktober befristet. Es galten auch nicht gleichzeitig zwei Bescheide, sodass nicht entschieden werden muss, ob dies zulässig wäre. Der Bescheid vom 21.08.2013 war - jener sogar ausdrücklich - bis zum 30.09.2013 befristet, an jenem Tage sollte der Kläger die zuvor abgegebenen Bewerbungen nachweisen. Der hier angegriffene Bescheid schloss sich nahtlos an. Ferner verstießen die Obliegenheiten, die dem Kläger auferlegt wurden, nicht gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Sechs Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen in etwa einem Monat sind zumutbar. Und die Obliegenheit, eine angebotene Stelle anzutreten, ist - auch für nur arbeitsuchende Arbeitnehmer wie den Kläger - bereits gesetzlich vorgesehen, § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat außerdem nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Missbrauchskosten festgesetzt, und zwar in Höhe des Mindestsatzes für die Berufungsinstanz von EUR 225,00 (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG). Er hat hierbei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger aufzuerlegen, der Beklagten die Hälfte der Pauschgebühren zu erstatten (also EUR 112,50), die sie nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG zahlen muss und die nicht angefallen wäre, wenn der Kläger nach den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung seine Berufung zurückgenommen hätte (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 192 Rn. 13, 15). Den Rechtsmissbrauch der weiteren Rechtsverfolgung sieht der Senat darin, dass der Kläger seine unzulässige Klage trotz ausdrücklicher Hinweise weiterverfolgt, obwohl der angegriffene Bescheid zurückgenommen worden ist und Wiederholungsgefahr nicht besteht; stattdessen hätte der Kläger nach der Rücknahme das Klageverfahren für erledigt erklären und ggfs. Kostengrundantrag stellen können. Seine Ausführungen in der Berufungsverhandlung, es gehe ihm darum, einen an ihn adressierten förmlichen Rücknahmebescheid der Beklagten zu erhalten, rechtfertigen kein Gerichtsverfahren.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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