Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3509/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4990/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2013 abgeändert. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 wird insoweit aufgehoben, als für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 Arbeitslosengeld von mehr als 23,58 EUR täglich aufgehoben und eine Erstattung von mehr als 10.422 EUR festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von 10.566 EUR durch die Beklagte.
Der am 18.06.1949 geborene Kläger war zuletzt bei der Firma M. S. PSV GmbH und Co in B. als Vertriebsleiter beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2009, wogegen der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht U. erhob. Die Parteien schlossen einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch Befristungsablauf mit Ablauf des 31.05.2009 enden werde (Protokoll des Arbeitsgerichts Ulm über die öffentliche Sitzung vom 26.03.2009 - Az.: 2 Ca 99/09 - ).
Der Kläger meldete sich am 04.03.2009 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2009 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Auf dem Antragsformular trug er als zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse die Lohnsteuerklasse III ein. Weiter gab er an, die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden. Zudem bestätigte der Kläger unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten zu haben und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger vom 01.06.2009 bis 29.07.2011 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 167,99 EUR unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III und dem Kindermerkmal 1 (erhöhter Leistungssatz von 67 %), somit einem täglichen Leistungsbetrag von 69,60 EUR. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: "Nehmen Sie bitte stets vor einem Steuerklassenwechsel mit ihrer Agentur für Arbeit Kontakt auf, damit Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen. Wir beraten Sie gerne." (Bl. 95 der Verwaltungsakte).
Am 16.02.2010 wurde die Lohnsteuerklasse des Klägers mit Wirkung zum 01.03.2010 auf der Lohnsteuerkarte von III auf V geändert. Die Lohnsteuerklasse V war vom 01.03.2010 bis 01.07.2011 eingetragen, dann erfolgte eine Änderung auf Lohnsteuerklasse III vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 (Lohnsteuerkarte 2010 der Gemeinde U., Bl. 106 der Verwaltungsakte).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 05.07.2011 Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer für eine zum 01.06.2011 aufgenommene Beschäftigung. Dabei gab er im Antragsformular an, zu Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen.
Aus der Entgeltbescheinigung des neuen Arbeitgebers, der l.-s. GmbH & Co. KG ging hervor, dass zu Beginn des Jahres 2010 die Lohnsteuerklasse V auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen war (Bl. 3 der Verwaltungsakte Teil Entgeltsicherung).
Eine telefonische Rückfrage der Beklagten beim Einwohnermeldeamt am 08.08.2011 bestätigte den Wechsel der Steuerklasse des Klägers von III auf V am 16.02.2010 zum 01.03.2010.
Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 08.08.2011 zur beabsichtigten Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab dem 01.03.2010 in Höhe von 10.566 EUR an. Der Kläger habe die Lohnsteuerklasse auf seiner Lohnsteuerkarte ändern lassen, wodurch sich ab dem Änderungsdatum ein niedrigerer Leistungsanspruch ergebe. Diese Änderung in seinen Verhältnissen habe er der Beklagten nicht mitgeteilt, obwohl er durch das Merkblatt für Arbeitslose von seiner Mitteilungspflicht unterrichtet gewesen sei.
Mit am 15.08.2011 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben führte der Kläger aus, er sei sich keines Mitteilungsversäumnisses bewusst. Seine Frau habe als geringfügig Beschäftigte auf Vorschlag ihres Arbeitgebers die Lohnsteuerklasse geändert, nachdem er arbeitslos geworden sei. Er habe keine Kenntnis von den Auswirkungen der Lohnsteuerklasse auf das Arbeitslosengeld gehabt und sei von der Beklagten auch nicht darauf hingewiesen worden.
Mit Bescheid vom 16.08.2011 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.03.2010 teilweise in Höhe von 21,48 EUR täglich und ab dem 01.06.2010 in Höhe von 23,98 EUR täglich auf. Zudem machte sie für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 eine Erstattungsforderung in Höhe von 10.566 EUR geltend. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe durch die Änderung der Lohnsteuerklasse einen geringeren Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt (§ 133 SGB III). Sowohl das Merkblatt als auch der Bewilligungsbescheid hätten entsprechende Hinweise zum Steuerklassenwechsel enthalten (Bl. 85 der Verwaltungsakte).
Mit Änderungsbescheid vom 16.08.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 167,99 EUR und der Lohnsteuerklasse V sowie eines Prozentsatzes von 60 %, mithin in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 41,21 EUR und vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 167,99 EUR und der Lohnsteuerklasse V sowie eines erhöhten Prozentsatzes von 67 % (Kindermerkmal), mithin in Höhe eines täglichen Leistungssatzes in Höhe von 46,02 EUR (Bl. 99 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 22.08.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.08.2011 ein. Zur Begründung trug er vor, seine Frau habe in vollkommener Unkenntnis der Dinge und in dem Glauben, dass ein Arbeitsloser keine Steuerklasse beanspruche, die Steuerklasse gewechselt. Er selbst habe diesbezüglich auch keinen Änderungshinweis vom Finanzamt bekommen und die Lohnsteuerklassenänderung erst bei der ersten Gehaltszahlung gemerkt, woraufhin er sie wieder rückgängig gemacht habe. Seine Frau werde ihre Lohnsteuerklasse rückwirkend zum 01.03.2010 wieder in den vorherigen Status versetzen lassen, so dass auch seine Einstufung für diesen Zeitraum wiederherstellt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Leistungsanspruch des Klägers sei am 28.03.2009 entstanden. Zu Beginn dieses Jahres sei auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen. Diese Lohnsteuerklasse sei mit Wirkung vom 01.03.2010 in die Lohnsteuerklasse V geändert worden, was zu einer geringeren Leistung führe. Der Kläger habe die Veränderungen in seinen tatsächlichen Verhältnissen entgegen seiner Mitteilungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 SGB I nicht mitgeteilt. Im Hinblick auf die Ausführungen im Merkblatt und die Hinweise im Bewilligungsbescheid hätte der Kläger wissen oder zumindest leicht erkennen können, dass ihm Leistungen nach der bisher zugrunde gelegten Lohnsteuerklasse nicht zustanden. Der Kläger sei im Merkblatt, das ihm bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigt worden sei und dessen Erhalt er im Antrag schriftlich bestätigt habe, auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Steuerklassenwechsels hingewiesen worden. Sowohl das Merkblatt als auch der Bewilligungsbescheid hätten Hinweise auf die Notwendigkeit einer vorherigen Beratung durch die Agentur für Arbeit erhalten. Daher habe die Beklage die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.03.2010 teilweise aufheben müssen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III). Die bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 10.566 EUR seien gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten (Bl. 109 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der Kläger am 24.10.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm. Zur Begründung trug er vor, ihm sei bei seiner Arbeitslosmeldung zwar das Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt worden, welches auf Seite 32 vor einem Lohnsteuerklassenwechsel warne. Jedoch sei er auf die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels im Gespräch nie ausdrücklich hingewiesen worden. Das Merkblatt habe er im Einzelnen nicht gelesen. Seine Ehefrau habe sich entsprechend der Arbeitsteilung in der Ehe alleine um die Finanzen gekümmert. Sie habe ohne sein Wissen ihre eigene und seine Lohnsteuerklasse eigenmächtig geändert. Zwar sei der angegriffene Bescheid der Beklagten formal nicht zu beanstanden. Da jedoch der Lohnsteuerklassenwechsel mangels Bevollmächtigung seiner Ehefrau unwirksam sei, dürfe die Lohnsteuerklasse auf seiner Lohnsteuerkarte nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Schließlich habe das Bundessozialgericht in der grundlegenden Entscheidung vom 01.04.2004 (Az: B 7 AL 52/03) zur Vorgängerregelung des § 137 Abs. 4 SGB III hervorgehoben, dass erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber dieser Vorschrift bestünden, welche eine gesonderte und hervorgehobene Beratungspflicht der Agentur für Arbeit gegenüber dem Arbeitslosen begründen, die über die übliche Aushändigung eines Merkblattes deutlich hinausgehen. Eine nach dieser Rechtsprechung erforderliche gesonderte und hervorgehobene Belehrung habe im vorliegenden Fall jedoch nicht stattgefunden.
Das Sozialgericht Ulm (SG) wies die Klage mit Urteil vom 27.09.2013 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, der Bescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse des Klägers auf seiner Lohnsteuerkarte ab dem 01.03.2010 stelle eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar, weil die Lohnsteuerklasse gemäß § 133 SGB III a.F. Einfluss auf die Höhe des Arbeitslosengeldes habe. Die Änderung sei vom Kläger grob fahrlässig nicht mitgeteilt worden, weswegen der Kläger keinen Vertrauensschutz genieße. Ferner sei der Kläger sowohl im Merkblatt als auch im Bescheid vom 14.04.2009 ausdrücklich auf die Relevanz der Lohnsteuerklasse für die Leistungshöhe hingewiesen worden. Das SG erachtete die Hinweise auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - für vollkommen ausreichend. Insoweit verwies das SG auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 02.02.2009 - L 9 AL 87/07 -.
Gegen das ihm am 22.10.2013 zugestellte Urteil des SG hat der Klägerbevollmächtigte am 19.11.2013 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, das SG verkenne die Voraussetzungen grob fahrlässigen Verhaltens. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X setze eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße voraus. Dies sei dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstelle und das nicht beachte, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Der Kläger habe aber nichts von der durch seine Ehefrau ohne sein Wissen abgeänderten Lohnsteuerklasse gewusst, weshalb er hierzu auch keine Überlegungen habe anstellen können. Das Verhalten seiner Ehefrau könne ihm nicht zugerechnet werden. Zudem sei er von der Beklagten nicht ausreichend auf die Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels hingewiesen worden. Die vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - geforderte gesonderte und hervorgehobene Belehrung außerhalb des üblichen Merkblattes habe hier gerade nicht stattgefunden. Eine Belehrung innerhalb eines Merkblattes sei nicht ausreichend. Auch bei dem im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 enthaltenen Hinweis handele es sich ersichtlich nicht um eine solche gesonderte und hervorgehobene Belehrung, die dem Laien verständlich und klar zu erkennen gebe, dass das Arbeitslosengeld bei einem Lohnsteuerklassenwechsel niedriger ausfallen könne und ein solcher Schritt damit in jedem Falle leistungsrechtlich gefährlich sei. Der dem vom SG zitierten Urteil des Landessozialgerichts Hessen vom 02.02.2009 zugrunde liegende Fall sei mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar, da der dortige Kläger immerhin ein gesondertes Hinweisblatt erhalten habe und unmittelbar über der Unterschrift mit fettgedrucktem Hinweis darauf hingewiesen worden sei, Änderungen unverzüglich anzuzeigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2013 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie verweist zur Begründung auf den Vortrag in erster Instanz sowie auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Darüber hinaus trägt sie vor, sie habe im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - insbesondere den Wortlaut der Bewilligungs-bescheide um den Warnhinweis zum Lohnsteuerklassenwechsel ergänzt. Zudem seien die Ausführungen im Merkblatt für Arbeitslose zu diesem Punkt eindringlich formuliert worden und ließen zum Einen an der Wichtigkeit der Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels keinen Zweifel und warnten zum Anderen unmissverständlich vor den Folgen einer nicht eingeforderten Beratung. Das BSG habe in der zitierten Entscheidung das Merkblatt der Beklagten der Jahre 1999/2000 für unzureichend erachtet. Das hier maßgebliche Merkblatt für das Jahr 2009 entspreche hingegen den Vorgaben des BSG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie auf die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im Übrigen unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011, nicht hingegen der ebenfalls am 16.08.2011 erlassene Änderungsbescheid der Beklagten. Der Änderungsbescheid vom 16.08.2011 wurde vom Kläger nicht angefochten und ist mithin in Bestandskraft erwachsen.
Der angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit er für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 eine Aufhebung von Arbeitslosengeld von mehr als 23,58 EUR täglich und damit eine um 144 EUR zu hohe Erstattungsforderung (Differenz zwischen der erfolgten Aufhebung in Höhe von 23,98 EUR täglich zu der rechtlich zulässigen Aufhebung in Höhe von 23,58 EUR täglich = 0,40 EUR 360 Tage) enthält. Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht das dem Kläger mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2011 teilweise aufgehoben und eine (restliche) Erstattungsforderung in Höhe von 10.422 EUR geltend gemacht. Das Urteil des SG vom 27.09.2013 war daher entsprechend abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2011 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung des Verwaltungsaktes vorliegen.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgeben worden sind unverzüglich mitzuteilen.
Der am 16.02.2010 vorgenommene Wechsel von der Lohnsteuerklasse III auf die Lohnsteuerklasse V auf der Lohnsteuerkarte des Klägers mit Wirkung zum 01.03.2010 stellt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers dar. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse führt gemäß § 133 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung vom 22.12.2010 (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) (im Folgenden: § 133 SGB III a.F.) zu einem geringeren Leistungsanspruch des Klägers. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. sind Abzüge u.a. die Lohnsteuer. Nach § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderungen vorlagen. Dies war hier der 01.03.2010, da mit Wirkung von diesem Tage die Änderung der für den Kläger geltenden Lohnsteuerklasse von III auf V auf der Lohnsteuerkarte eingetragen worden ist.
Damit stand dem Kläger vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2010 - wie von der Beklagten mit dem bestandskräftigen Änderungsbescheid vom 16.08.2011 festgesetzt - unter Berücksichtigung eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 167,99 EUR, der Lohnsteuerklasse V und ohne Kindermerkmal (wegen Zivildienst des Sohnes des Klägers) mit einem allgemeinen Prozentsatz von 60 % statt des ursprünglich bewilligten täglichen Leistungssatzes in Höhe von 69,60 EUR (bei Lohnsteuerklasse III und unter durchgängiger Berücksichtigung des Kindermerkmals, d.h. mit erhöhtem Prozentsatz von 67 %) nur noch ein täglicher Leistungssatz von 41,21 EUR zu. In der Zeit vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 stand dem Kläger anstatt des täglich bewilligten Leistungssatzes von 69,60 EUR (bei Lohnsteuerklasse III und unter Berücksichtigung des Kindermerkmals) nur noch ein täglicher Leistungssatz in Höhe von 46,02 EUR zu (bei Lohnsteuerklasse V und unter Berücksichtigung des Kindermerkmals und damit einem erhöhten Prozentsatz von 67 % aufgrund Kindergeldbezuges ab Juni 2010). Daraus ergibt sich für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 ein täglicher Differenzbetrag in Höhe von 28,39 EUR (69,60 EUR - 41,21 EUR). Die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung in Höhe von 21,48 EUR ist jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ergibt sich ein täglicher Differenzbetrag von 23,58 EUR (69,60 EUR - 46,02 EUR). Die Beklagte hat jedoch eine Aufhebung in Höhe von täglich 23,98 EUR vorgenommen. Dies ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da die Aufhebung nicht über das mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 16.08.2011 bewilligte Alg hinausgehen darf. Damit hat die Beklagte für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 täglich Alg in Höhe von 0,40 EUR zu viel aufgehoben. Folglich ergibt sich für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ein Erstattungsbetrag von 8.488,80 EUR (360 Tage x 23,58 EUR), so dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid insoweit aufzuheben und der Berufung des Klägers stattzugeben war. Im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 ist die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung von Alg und geltend gemachte Erstattung in Höhe von 21,48 EUR mithilfe des Betrages von 1.933,20 EUR (90 Tage x 21,48 EUR) zumindest nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Damit ergibt sich die Erstattungssumme von 10.422,- EUR (8.488,80 EUR + 1.933,20 EUR); soweit die Beklagte eine weitergehende Erstattung begehrt hatte, ist diese rechtswidrig.
Der Kläger hat die ihn gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I treffende Pflicht, alle für die Leistungsgewährung relevanten Veränderungen - wie vorliegend die Änderung der Lohnsteuerklasse - der Beklagten mitzuteilen, mindestens grob fahrlässig verletzt. Auf diese Verpflichtung ist der Kläger nach Auffassung des Senats auch in ausreichendem Maße hingewiesen worden.
Grobe Fahrlässigkeit liegt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Sie liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn der Betroffene mit dem relevanten Umstand lediglich rechnen musste. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass er ihn aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen hätte erkennen können bzw. dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozial-versicherungsrecht, § 45 SGB X, Rn. 39, so zum Teil des Lohnsteuerklassen¬wechsels, BSG, 16.03.2005 - B 11a/11 AL 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2 = juris Rn. 19.). Für die Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis ist nicht auf den Begünstigten selbst, sondern auch auf seinen Vertreter abzustellen (BSGE 57, 274 = SozR 1300 § 48 Nr. 11).
Vorliegend hat der Kläger seine Mitteilungspflicht nach Auffassung des Senats grob fahrlässig verletzt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis vom Wechsel der Lohnsteuerklasse durch seine Ehefrau gehabt haben zu haben, da er es in grob fahrlässiger Handlungsweise unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, dass er seiner diesbezüglichen Mitteilungspflicht nachkommen kann. Nach dem Vortrag des Klägers kümmert sich die Ehefrau, die nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung Betriebswirtschaft studiert hatte, stets um die finanziellen Angelegenheiten beider Eheleute, was der in der Ehe des Klägers üblichen Aufgabenverteilung entspricht. Damit hat eine rechtsgeschäftliche Erteilung einer Generalvollmacht für die Ehefrau des Klägers durch den Kläger für die Vornahme von finanziellen Angelegenheiten, wozu auch der Wechsel der Lohnsteuerklasse gehört, stattgefunden. Die Vorschriften des § 166 Abs. 1 BGB, wonach nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden und des § 278 Satz 1 BGB, wonach der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang wie eigenes Verschulden zu vertreten hat, wonach also das Verhalten bzw. die Kenntnis oder das Kennenmüssen einer dritten Person als eigenes Verhalten bzw. eigene Kenntnis oder eigenes Kennenmüssen zugerechnet wird, finden jedenfalls im Fall einer gesetzlichen Vertretung oder rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung entsprechende Anwendung im öffentlichen Recht (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R -, SozR 4-1500 § 95 Nr. 1). Damit übernimmt derjenige, der zur Erledigung eigener Angelegenheiten einen Dritten, hier die Ehefrau, im Wege der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung, einschaltet, zugleich die Verantwortung für dessen Verhalten bzw. dessen Kenntnis oder Kennenmüssen. Daher kommt es nicht darauf an, ob ihm selbst dieses Verhalten bzw. dessen Kenntnis oder Kennenmüssen bekannt ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2014 - L 22 R 443/12 -; juris Rnr. 54). Muss sich der Kläger in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB das Wissen seiner Ehefrau vom Wechsel seiner Lohnsteuerklasse im Rahmen der erteilten Bevollmächtigung zurechnen lassen, so hätte er auch in den ihn betreffenden Angelegenheiten, in denen seine Ehefrau nicht in seinem Auftrag tätig werden sollte, Sorge dafür tragen müssen, dass die zur ordnungsgemäßen Erledigung dieser Angelegenheit notwendigen Informationen ihn erreichen.
Hierzu hätte bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt Anlass bestanden, denn die insoweit bestehende Mitteilungspflicht über einen Lohnsteuerklassenwechsel hätte sich dem Kläger bei Anwendung üblicher Sorgfalt aufdrängen müssen. Insbesondere kann der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung angegeben hatte, als Vertriebsleiter Verträge von erheblichen finanziellem Umfang ausgearbeitet, vorbereitet und ausgehandelt zu haben, auch nicht mit der Argumentation durchdringen, die Beklagte habe ihn nicht ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen. Die Beklagte hat hier nach Auffassung des Senats zunächst im Merkblatt 1 für Arbeitslose (Stand 2009), dessen Erhalt und inhaltliche Kenntnisnahme der Kläger selbst mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld am 21.03.2009 unterschriftlich bestätigt hat, ausreichend auf die Mitteilungspflichten des Klägers hingewiesen. So ist zunächst auf Bl. 6 des Merkblattes unter Ziffer IV unter der Überschrift "elf Punkte die sie sich merken sollen" eindeutig vermerkt, dass insbesondere ein Lohnsteuerklassenwechsel unverzüglich mitgeteilt werden muss. Weiter ist auf die Notwendigkeit einer Beratung wegen der finanziellen Auswirkungen eines Lohnsteuerklassenwechsels möglichst schon vor dem Lohnsteuerklassenwechsel eindeutig hingewiesen. Weiter ist auf Blatt 32 des genannten Merkblattes unter Ziffer 4.2 "Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse" in Fettdruck und optisch hervorgehoben ausgeführt: "Lohnsteuerklassenwechsel kann teuer werden. Lassen Sie sich beraten! Vorher!". Auf Blatt 33 ist nochmals eigens optisch hervorgehoben ausgeführt: "Ein Steuerklassenwechsel kann - auch wenn er steuerlich geboten scheint - zu einer niedrigeren Leistung führen. Wenn Sie beabsichtigen, ihre Lohnsteuerklasse zu wechseln, lassen Sie sich bitte vorher von Ihrer Agentur für Arbeit über die leistungsrechtlichen Folgen beraten. Nur durch eine vorherige Beratung können Sie erhebliche finanzielle Nachteile für Sie vermeiden." Bereits diese speziell auf einen Lohnsteuerklassenwechsel zugeschnittenen Hinweise, die aufgrund der graphischen Gestaltung auch bei nur flüchtigem Durchblättern ins Auge springen, genügen nach Auffassung des Senats, um der Aufklärungspflicht der Beklagten ausreichend Rechnung zu tragen. Daran ändert auch die vom Klägervertreter zitierte Entscheidung des Bundessozial-gerichts (Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 -) nichts. Zwar hat das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Regelungskonzept des früheren § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III geäußert. Diesen könne nach Auffassung des BSG allerdings dadurch begegnet werden, dass der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt werde, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordere allerdings einen das übliche Maß erheblich übersteigenden Beratungsbedarf. Das BSG hat in der Entscheidung auf die Merkblätter der Beklagten für die Jahre 1998 und 1999 (Stand April 1999) Bezug genommen und ausgeführt, dass diese den Anforderungen nicht genügen. Diese enthielten lediglich den Hinweis: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen Sie deshalb vorher Rat ein." Damit sei nach Auffassung des BSG noch nicht deutlich gemacht, dass überhaupt und welche Gefahren bei einem Steuerklassenwechsel für die Anspruchshöhe drohen. Die Beklagte hat in der Reaktion auf die zitierte BSG Entscheidung sowohl den Wortlaut ihrer Bewilligungsbescheide als auch ihre Merkblätter entsprechend überarbeitet. Die Hinweise im vorliegenden Merkblatt 1 für Arbeitslose Stand 2009 sind nach Auffassung des Senats ausreichend, um den vom BSG geforderten gesteigerten Hinweispflichten durch die Beklagte zu genügen. So wird in diesen Merkblättern explizit auf die Gefahr eines niedrigeren Leistungsanspruches in der Folge eines Lohnsteuerklassenwechsels - auch optisch hervorgehoben - hingewiesen. Dies war bei den Merkblättern der Jahre 1998 und 1999, die der vom Klägervertreter zitierten Entscheidung des BSG zugrunde gelegen haben, noch nicht der Fall. Dass im ausgehändigten Merkblatt bedeutsame leistungsrelevante Hinweise enthalten sind, hätte sich dem Kläger schon deshalb aufdrängen müssen, weil er die Entgegennahme des Merkblatts und die Kenntnisnahme seines Inhalts sogar unterschriftlich im Antragsformular hatte bestätigen müssen.
Zudem ist jedenfalls im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 nochmals ein gesonderter individueller Hinweis auf die Gefahr finanzieller Nachteile durch einen Steuerklassenwechsel hingewiesen worden. So heißt es auf Seite 2 des Bescheides vom 14.04.2009 explizit " Nehmen Sie bitte stets vor einem Steuerklassenwechsel mit Ihrer Agentur für Arbeit Kontakt auf, damit Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen. Wir beraten Sie gerne."
Damit ist der Kläger nach Auffassung des Senats jedenfalls in Zusammenschau mit dem gesonderten individuellen Hinweis im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen worden. Da der Kläger nach eigenem Vorbringen sämtliche Hinweise im Merkblatt, vor allem aber diejenigen in dem ihm bekannt gegebenen Bewilligungsbescheid nicht gelesen hat, hat er die gebotene Sorgfalt auch in besonderem Maße verletzt; denn bei nahe liegender Überlegungen hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass in dem Merkblatt und im Bewilligungsbescheid für den Bezug von Alg relevante Hinweise enthalten sind. Wer die sogar drucktechnisch hervorgehobenen Belehrungen in dem extra gegen Unterschrift ausgehändigten Merkblatt nicht zur Kenntnis nimmt und deshalb notwendige Vorkehrungen zur Wahrung seiner Anzeigepflicht unterlässt, handelt grob fahrlässig.
Hinweise darauf, dass der Kläger nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Hinweise zu verstehen, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Das Lesen des Merkblatts und insbesondere des Bescheids hatte sich dem Kläger nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv aufgedrängt. Denn der Kläger war als Vertriebsleiter schon beruflich mit der Gestaltung von Verträgen befasst gewesen und hatte daher gewusst, dass Dokumente vollständig - einschließlich des "Kleingedruckten" und aller Anhänge - zu lesen und zu beachten sind. Dieser Erkenntnis hat sich der Kläger aber bewusst und gewollt verschlossen. Damit hat der Kläger nach Auffassung des Senats grob fahrlässig seine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen in seinen tatsächlichen Verhältnissen gegenüber der Beklagten verletzt (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.02.2009 – L 9 AL 87/07; juris Rn. 23). Entgegen der Ansicht des Klägers ist der vom Hessischen Landessozialgericht entschiedene und hier zitierte Fall mit dem vorliegenden vergleichbar. Auch dort ging es um einen vom Kläger gegenüber der Beklagten nicht mitgeteilten Wechsel der Lohnsteuerklasse. Zwar war dem dortigen Kläger schon bei der Beantragung von Arbeitslosengeld neben dem Merkblatt für Arbeitslose auch ein gesondertes Hinweisblatt ausgehändigt worden, in dem explizit auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels hingewiesen worden ist. Dies ändert jedoch nichts an der vorliegenden Beurteilung, dass die Beklagte mit den Hinweisen im Merkblatt und im Bewilligungsbescheid ihren Hinweis- und Beratungspflichten ausreichend Rechnung getragen hat. Der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts ist die Notwendigkeit eines gesonderten Hinweisblattes nicht zu entnehmen. Vielmehr ist im zitierten Urteil ausgeführt, dass selbst wenn der dortige Kläger wie behauptet das gesonderte Hinweisblatt nicht erhalten hätte, allein der deutliche Hinweis auf dem Bewilligungsbescheid als Warnhinweis und Hinweis auf eine Beratungsnotwendigkeit vor einem geplanten Lohnsteuerklassenwechsel im Sinne der Rechtsprechung des BSG ausreiche. Damit ist der Kläger von der Beklagten ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen worden, welche er grob fahrlässig verletzt hat.
Die Beklagte hat zu Recht kein Ermessen ausgeübt, sondern gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III einen gebundenen Verwaltungsakt erlassen.
Damit hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 mit dem angegriffenen Bescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 27.09.2011 dem Grunde nach zu Recht teilweise aufgehoben. Der Höhe nach ist die Aufhebung im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 zumindest nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ist die Aufhebung um täglich 0,40 EUR rechtswidrig.
Die Pflicht des Klägers zur Rückerstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben ist. Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosengeld um 144 EUR zu Unrecht, im Übrigen jedenfalls nicht zulasten des Klägers rechtswidrig aufgehoben. Die Erstattungsforderung ist daher in Höhe von 144 EUR auf 10.422 EUR zu reduzieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei ist es angesichts des verhältnismäßig geringen Obsiegens des Klägers nicht gerechtfertigt, der Beklagten Kosten aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weshalb dem Hilfsantrag des Klägers nicht gefolgt wurde.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von 10.566 EUR durch die Beklagte.
Der am 18.06.1949 geborene Kläger war zuletzt bei der Firma M. S. PSV GmbH und Co in B. als Vertriebsleiter beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2009, wogegen der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht U. erhob. Die Parteien schlossen einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch Befristungsablauf mit Ablauf des 31.05.2009 enden werde (Protokoll des Arbeitsgerichts Ulm über die öffentliche Sitzung vom 26.03.2009 - Az.: 2 Ca 99/09 - ).
Der Kläger meldete sich am 04.03.2009 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2009 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Auf dem Antragsformular trug er als zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse die Lohnsteuerklasse III ein. Weiter gab er an, die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden. Zudem bestätigte der Kläger unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten zu haben und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger vom 01.06.2009 bis 29.07.2011 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 167,99 EUR unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III und dem Kindermerkmal 1 (erhöhter Leistungssatz von 67 %), somit einem täglichen Leistungsbetrag von 69,60 EUR. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: "Nehmen Sie bitte stets vor einem Steuerklassenwechsel mit ihrer Agentur für Arbeit Kontakt auf, damit Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen. Wir beraten Sie gerne." (Bl. 95 der Verwaltungsakte).
Am 16.02.2010 wurde die Lohnsteuerklasse des Klägers mit Wirkung zum 01.03.2010 auf der Lohnsteuerkarte von III auf V geändert. Die Lohnsteuerklasse V war vom 01.03.2010 bis 01.07.2011 eingetragen, dann erfolgte eine Änderung auf Lohnsteuerklasse III vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 (Lohnsteuerkarte 2010 der Gemeinde U., Bl. 106 der Verwaltungsakte).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 05.07.2011 Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer für eine zum 01.06.2011 aufgenommene Beschäftigung. Dabei gab er im Antragsformular an, zu Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen.
Aus der Entgeltbescheinigung des neuen Arbeitgebers, der l.-s. GmbH & Co. KG ging hervor, dass zu Beginn des Jahres 2010 die Lohnsteuerklasse V auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen war (Bl. 3 der Verwaltungsakte Teil Entgeltsicherung).
Eine telefonische Rückfrage der Beklagten beim Einwohnermeldeamt am 08.08.2011 bestätigte den Wechsel der Steuerklasse des Klägers von III auf V am 16.02.2010 zum 01.03.2010.
Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 08.08.2011 zur beabsichtigten Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab dem 01.03.2010 in Höhe von 10.566 EUR an. Der Kläger habe die Lohnsteuerklasse auf seiner Lohnsteuerkarte ändern lassen, wodurch sich ab dem Änderungsdatum ein niedrigerer Leistungsanspruch ergebe. Diese Änderung in seinen Verhältnissen habe er der Beklagten nicht mitgeteilt, obwohl er durch das Merkblatt für Arbeitslose von seiner Mitteilungspflicht unterrichtet gewesen sei.
Mit am 15.08.2011 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben führte der Kläger aus, er sei sich keines Mitteilungsversäumnisses bewusst. Seine Frau habe als geringfügig Beschäftigte auf Vorschlag ihres Arbeitgebers die Lohnsteuerklasse geändert, nachdem er arbeitslos geworden sei. Er habe keine Kenntnis von den Auswirkungen der Lohnsteuerklasse auf das Arbeitslosengeld gehabt und sei von der Beklagten auch nicht darauf hingewiesen worden.
Mit Bescheid vom 16.08.2011 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.03.2010 teilweise in Höhe von 21,48 EUR täglich und ab dem 01.06.2010 in Höhe von 23,98 EUR täglich auf. Zudem machte sie für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 eine Erstattungsforderung in Höhe von 10.566 EUR geltend. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe durch die Änderung der Lohnsteuerklasse einen geringeren Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt (§ 133 SGB III). Sowohl das Merkblatt als auch der Bewilligungsbescheid hätten entsprechende Hinweise zum Steuerklassenwechsel enthalten (Bl. 85 der Verwaltungsakte).
Mit Änderungsbescheid vom 16.08.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 167,99 EUR und der Lohnsteuerklasse V sowie eines Prozentsatzes von 60 %, mithin in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 41,21 EUR und vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 167,99 EUR und der Lohnsteuerklasse V sowie eines erhöhten Prozentsatzes von 67 % (Kindermerkmal), mithin in Höhe eines täglichen Leistungssatzes in Höhe von 46,02 EUR (Bl. 99 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 22.08.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.08.2011 ein. Zur Begründung trug er vor, seine Frau habe in vollkommener Unkenntnis der Dinge und in dem Glauben, dass ein Arbeitsloser keine Steuerklasse beanspruche, die Steuerklasse gewechselt. Er selbst habe diesbezüglich auch keinen Änderungshinweis vom Finanzamt bekommen und die Lohnsteuerklassenänderung erst bei der ersten Gehaltszahlung gemerkt, woraufhin er sie wieder rückgängig gemacht habe. Seine Frau werde ihre Lohnsteuerklasse rückwirkend zum 01.03.2010 wieder in den vorherigen Status versetzen lassen, so dass auch seine Einstufung für diesen Zeitraum wiederherstellt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Leistungsanspruch des Klägers sei am 28.03.2009 entstanden. Zu Beginn dieses Jahres sei auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen. Diese Lohnsteuerklasse sei mit Wirkung vom 01.03.2010 in die Lohnsteuerklasse V geändert worden, was zu einer geringeren Leistung führe. Der Kläger habe die Veränderungen in seinen tatsächlichen Verhältnissen entgegen seiner Mitteilungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 SGB I nicht mitgeteilt. Im Hinblick auf die Ausführungen im Merkblatt und die Hinweise im Bewilligungsbescheid hätte der Kläger wissen oder zumindest leicht erkennen können, dass ihm Leistungen nach der bisher zugrunde gelegten Lohnsteuerklasse nicht zustanden. Der Kläger sei im Merkblatt, das ihm bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigt worden sei und dessen Erhalt er im Antrag schriftlich bestätigt habe, auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Steuerklassenwechsels hingewiesen worden. Sowohl das Merkblatt als auch der Bewilligungsbescheid hätten Hinweise auf die Notwendigkeit einer vorherigen Beratung durch die Agentur für Arbeit erhalten. Daher habe die Beklage die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.03.2010 teilweise aufheben müssen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III). Die bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 10.566 EUR seien gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten (Bl. 109 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der Kläger am 24.10.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm. Zur Begründung trug er vor, ihm sei bei seiner Arbeitslosmeldung zwar das Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt worden, welches auf Seite 32 vor einem Lohnsteuerklassenwechsel warne. Jedoch sei er auf die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels im Gespräch nie ausdrücklich hingewiesen worden. Das Merkblatt habe er im Einzelnen nicht gelesen. Seine Ehefrau habe sich entsprechend der Arbeitsteilung in der Ehe alleine um die Finanzen gekümmert. Sie habe ohne sein Wissen ihre eigene und seine Lohnsteuerklasse eigenmächtig geändert. Zwar sei der angegriffene Bescheid der Beklagten formal nicht zu beanstanden. Da jedoch der Lohnsteuerklassenwechsel mangels Bevollmächtigung seiner Ehefrau unwirksam sei, dürfe die Lohnsteuerklasse auf seiner Lohnsteuerkarte nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Schließlich habe das Bundessozialgericht in der grundlegenden Entscheidung vom 01.04.2004 (Az: B 7 AL 52/03) zur Vorgängerregelung des § 137 Abs. 4 SGB III hervorgehoben, dass erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber dieser Vorschrift bestünden, welche eine gesonderte und hervorgehobene Beratungspflicht der Agentur für Arbeit gegenüber dem Arbeitslosen begründen, die über die übliche Aushändigung eines Merkblattes deutlich hinausgehen. Eine nach dieser Rechtsprechung erforderliche gesonderte und hervorgehobene Belehrung habe im vorliegenden Fall jedoch nicht stattgefunden.
Das Sozialgericht Ulm (SG) wies die Klage mit Urteil vom 27.09.2013 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, der Bescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse des Klägers auf seiner Lohnsteuerkarte ab dem 01.03.2010 stelle eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar, weil die Lohnsteuerklasse gemäß § 133 SGB III a.F. Einfluss auf die Höhe des Arbeitslosengeldes habe. Die Änderung sei vom Kläger grob fahrlässig nicht mitgeteilt worden, weswegen der Kläger keinen Vertrauensschutz genieße. Ferner sei der Kläger sowohl im Merkblatt als auch im Bescheid vom 14.04.2009 ausdrücklich auf die Relevanz der Lohnsteuerklasse für die Leistungshöhe hingewiesen worden. Das SG erachtete die Hinweise auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - für vollkommen ausreichend. Insoweit verwies das SG auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 02.02.2009 - L 9 AL 87/07 -.
Gegen das ihm am 22.10.2013 zugestellte Urteil des SG hat der Klägerbevollmächtigte am 19.11.2013 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, das SG verkenne die Voraussetzungen grob fahrlässigen Verhaltens. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X setze eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße voraus. Dies sei dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstelle und das nicht beachte, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Der Kläger habe aber nichts von der durch seine Ehefrau ohne sein Wissen abgeänderten Lohnsteuerklasse gewusst, weshalb er hierzu auch keine Überlegungen habe anstellen können. Das Verhalten seiner Ehefrau könne ihm nicht zugerechnet werden. Zudem sei er von der Beklagten nicht ausreichend auf die Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels hingewiesen worden. Die vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - geforderte gesonderte und hervorgehobene Belehrung außerhalb des üblichen Merkblattes habe hier gerade nicht stattgefunden. Eine Belehrung innerhalb eines Merkblattes sei nicht ausreichend. Auch bei dem im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 enthaltenen Hinweis handele es sich ersichtlich nicht um eine solche gesonderte und hervorgehobene Belehrung, die dem Laien verständlich und klar zu erkennen gebe, dass das Arbeitslosengeld bei einem Lohnsteuerklassenwechsel niedriger ausfallen könne und ein solcher Schritt damit in jedem Falle leistungsrechtlich gefährlich sei. Der dem vom SG zitierten Urteil des Landessozialgerichts Hessen vom 02.02.2009 zugrunde liegende Fall sei mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar, da der dortige Kläger immerhin ein gesondertes Hinweisblatt erhalten habe und unmittelbar über der Unterschrift mit fettgedrucktem Hinweis darauf hingewiesen worden sei, Änderungen unverzüglich anzuzeigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2013 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie verweist zur Begründung auf den Vortrag in erster Instanz sowie auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Darüber hinaus trägt sie vor, sie habe im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 - insbesondere den Wortlaut der Bewilligungs-bescheide um den Warnhinweis zum Lohnsteuerklassenwechsel ergänzt. Zudem seien die Ausführungen im Merkblatt für Arbeitslose zu diesem Punkt eindringlich formuliert worden und ließen zum Einen an der Wichtigkeit der Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels keinen Zweifel und warnten zum Anderen unmissverständlich vor den Folgen einer nicht eingeforderten Beratung. Das BSG habe in der zitierten Entscheidung das Merkblatt der Beklagten der Jahre 1999/2000 für unzureichend erachtet. Das hier maßgebliche Merkblatt für das Jahr 2009 entspreche hingegen den Vorgaben des BSG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie auf die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im Übrigen unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011, nicht hingegen der ebenfalls am 16.08.2011 erlassene Änderungsbescheid der Beklagten. Der Änderungsbescheid vom 16.08.2011 wurde vom Kläger nicht angefochten und ist mithin in Bestandskraft erwachsen.
Der angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit er für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 eine Aufhebung von Arbeitslosengeld von mehr als 23,58 EUR täglich und damit eine um 144 EUR zu hohe Erstattungsforderung (Differenz zwischen der erfolgten Aufhebung in Höhe von 23,98 EUR täglich zu der rechtlich zulässigen Aufhebung in Höhe von 23,58 EUR täglich = 0,40 EUR 360 Tage) enthält. Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht das dem Kläger mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2011 teilweise aufgehoben und eine (restliche) Erstattungsforderung in Höhe von 10.422 EUR geltend gemacht. Das Urteil des SG vom 27.09.2013 war daher entsprechend abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des mit Bescheid vom 14.04.2009 bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2011 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung des Verwaltungsaktes vorliegen.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgeben worden sind unverzüglich mitzuteilen.
Der am 16.02.2010 vorgenommene Wechsel von der Lohnsteuerklasse III auf die Lohnsteuerklasse V auf der Lohnsteuerkarte des Klägers mit Wirkung zum 01.03.2010 stellt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers dar. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse führt gemäß § 133 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung vom 22.12.2010 (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) (im Folgenden: § 133 SGB III a.F.) zu einem geringeren Leistungsanspruch des Klägers. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. sind Abzüge u.a. die Lohnsteuer. Nach § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderungen vorlagen. Dies war hier der 01.03.2010, da mit Wirkung von diesem Tage die Änderung der für den Kläger geltenden Lohnsteuerklasse von III auf V auf der Lohnsteuerkarte eingetragen worden ist.
Damit stand dem Kläger vom 01.03.2010 bis zum 31.05.2010 - wie von der Beklagten mit dem bestandskräftigen Änderungsbescheid vom 16.08.2011 festgesetzt - unter Berücksichtigung eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 167,99 EUR, der Lohnsteuerklasse V und ohne Kindermerkmal (wegen Zivildienst des Sohnes des Klägers) mit einem allgemeinen Prozentsatz von 60 % statt des ursprünglich bewilligten täglichen Leistungssatzes in Höhe von 69,60 EUR (bei Lohnsteuerklasse III und unter durchgängiger Berücksichtigung des Kindermerkmals, d.h. mit erhöhtem Prozentsatz von 67 %) nur noch ein täglicher Leistungssatz von 41,21 EUR zu. In der Zeit vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 stand dem Kläger anstatt des täglich bewilligten Leistungssatzes von 69,60 EUR (bei Lohnsteuerklasse III und unter Berücksichtigung des Kindermerkmals) nur noch ein täglicher Leistungssatz in Höhe von 46,02 EUR zu (bei Lohnsteuerklasse V und unter Berücksichtigung des Kindermerkmals und damit einem erhöhten Prozentsatz von 67 % aufgrund Kindergeldbezuges ab Juni 2010). Daraus ergibt sich für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 ein täglicher Differenzbetrag in Höhe von 28,39 EUR (69,60 EUR - 41,21 EUR). Die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung in Höhe von 21,48 EUR ist jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ergibt sich ein täglicher Differenzbetrag von 23,58 EUR (69,60 EUR - 46,02 EUR). Die Beklagte hat jedoch eine Aufhebung in Höhe von täglich 23,98 EUR vorgenommen. Dies ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da die Aufhebung nicht über das mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 16.08.2011 bewilligte Alg hinausgehen darf. Damit hat die Beklagte für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 täglich Alg in Höhe von 0,40 EUR zu viel aufgehoben. Folglich ergibt sich für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ein Erstattungsbetrag von 8.488,80 EUR (360 Tage x 23,58 EUR), so dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid insoweit aufzuheben und der Berufung des Klägers stattzugeben war. Im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 ist die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung von Alg und geltend gemachte Erstattung in Höhe von 21,48 EUR mithilfe des Betrages von 1.933,20 EUR (90 Tage x 21,48 EUR) zumindest nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Damit ergibt sich die Erstattungssumme von 10.422,- EUR (8.488,80 EUR + 1.933,20 EUR); soweit die Beklagte eine weitergehende Erstattung begehrt hatte, ist diese rechtswidrig.
Der Kläger hat die ihn gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I treffende Pflicht, alle für die Leistungsgewährung relevanten Veränderungen - wie vorliegend die Änderung der Lohnsteuerklasse - der Beklagten mitzuteilen, mindestens grob fahrlässig verletzt. Auf diese Verpflichtung ist der Kläger nach Auffassung des Senats auch in ausreichendem Maße hingewiesen worden.
Grobe Fahrlässigkeit liegt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Sie liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn der Betroffene mit dem relevanten Umstand lediglich rechnen musste. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass er ihn aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen hätte erkennen können bzw. dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozial-versicherungsrecht, § 45 SGB X, Rn. 39, so zum Teil des Lohnsteuerklassen¬wechsels, BSG, 16.03.2005 - B 11a/11 AL 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2 = juris Rn. 19.). Für die Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis ist nicht auf den Begünstigten selbst, sondern auch auf seinen Vertreter abzustellen (BSGE 57, 274 = SozR 1300 § 48 Nr. 11).
Vorliegend hat der Kläger seine Mitteilungspflicht nach Auffassung des Senats grob fahrlässig verletzt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis vom Wechsel der Lohnsteuerklasse durch seine Ehefrau gehabt haben zu haben, da er es in grob fahrlässiger Handlungsweise unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, dass er seiner diesbezüglichen Mitteilungspflicht nachkommen kann. Nach dem Vortrag des Klägers kümmert sich die Ehefrau, die nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung Betriebswirtschaft studiert hatte, stets um die finanziellen Angelegenheiten beider Eheleute, was der in der Ehe des Klägers üblichen Aufgabenverteilung entspricht. Damit hat eine rechtsgeschäftliche Erteilung einer Generalvollmacht für die Ehefrau des Klägers durch den Kläger für die Vornahme von finanziellen Angelegenheiten, wozu auch der Wechsel der Lohnsteuerklasse gehört, stattgefunden. Die Vorschriften des § 166 Abs. 1 BGB, wonach nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden und des § 278 Satz 1 BGB, wonach der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang wie eigenes Verschulden zu vertreten hat, wonach also das Verhalten bzw. die Kenntnis oder das Kennenmüssen einer dritten Person als eigenes Verhalten bzw. eigene Kenntnis oder eigenes Kennenmüssen zugerechnet wird, finden jedenfalls im Fall einer gesetzlichen Vertretung oder rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung entsprechende Anwendung im öffentlichen Recht (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R -, SozR 4-1500 § 95 Nr. 1). Damit übernimmt derjenige, der zur Erledigung eigener Angelegenheiten einen Dritten, hier die Ehefrau, im Wege der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung, einschaltet, zugleich die Verantwortung für dessen Verhalten bzw. dessen Kenntnis oder Kennenmüssen. Daher kommt es nicht darauf an, ob ihm selbst dieses Verhalten bzw. dessen Kenntnis oder Kennenmüssen bekannt ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2014 - L 22 R 443/12 -; juris Rnr. 54). Muss sich der Kläger in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB das Wissen seiner Ehefrau vom Wechsel seiner Lohnsteuerklasse im Rahmen der erteilten Bevollmächtigung zurechnen lassen, so hätte er auch in den ihn betreffenden Angelegenheiten, in denen seine Ehefrau nicht in seinem Auftrag tätig werden sollte, Sorge dafür tragen müssen, dass die zur ordnungsgemäßen Erledigung dieser Angelegenheit notwendigen Informationen ihn erreichen.
Hierzu hätte bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt Anlass bestanden, denn die insoweit bestehende Mitteilungspflicht über einen Lohnsteuerklassenwechsel hätte sich dem Kläger bei Anwendung üblicher Sorgfalt aufdrängen müssen. Insbesondere kann der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung angegeben hatte, als Vertriebsleiter Verträge von erheblichen finanziellem Umfang ausgearbeitet, vorbereitet und ausgehandelt zu haben, auch nicht mit der Argumentation durchdringen, die Beklagte habe ihn nicht ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen. Die Beklagte hat hier nach Auffassung des Senats zunächst im Merkblatt 1 für Arbeitslose (Stand 2009), dessen Erhalt und inhaltliche Kenntnisnahme der Kläger selbst mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld am 21.03.2009 unterschriftlich bestätigt hat, ausreichend auf die Mitteilungspflichten des Klägers hingewiesen. So ist zunächst auf Bl. 6 des Merkblattes unter Ziffer IV unter der Überschrift "elf Punkte die sie sich merken sollen" eindeutig vermerkt, dass insbesondere ein Lohnsteuerklassenwechsel unverzüglich mitgeteilt werden muss. Weiter ist auf die Notwendigkeit einer Beratung wegen der finanziellen Auswirkungen eines Lohnsteuerklassenwechsels möglichst schon vor dem Lohnsteuerklassenwechsel eindeutig hingewiesen. Weiter ist auf Blatt 32 des genannten Merkblattes unter Ziffer 4.2 "Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse" in Fettdruck und optisch hervorgehoben ausgeführt: "Lohnsteuerklassenwechsel kann teuer werden. Lassen Sie sich beraten! Vorher!". Auf Blatt 33 ist nochmals eigens optisch hervorgehoben ausgeführt: "Ein Steuerklassenwechsel kann - auch wenn er steuerlich geboten scheint - zu einer niedrigeren Leistung führen. Wenn Sie beabsichtigen, ihre Lohnsteuerklasse zu wechseln, lassen Sie sich bitte vorher von Ihrer Agentur für Arbeit über die leistungsrechtlichen Folgen beraten. Nur durch eine vorherige Beratung können Sie erhebliche finanzielle Nachteile für Sie vermeiden." Bereits diese speziell auf einen Lohnsteuerklassenwechsel zugeschnittenen Hinweise, die aufgrund der graphischen Gestaltung auch bei nur flüchtigem Durchblättern ins Auge springen, genügen nach Auffassung des Senats, um der Aufklärungspflicht der Beklagten ausreichend Rechnung zu tragen. Daran ändert auch die vom Klägervertreter zitierte Entscheidung des Bundessozial-gerichts (Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 -) nichts. Zwar hat das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Regelungskonzept des früheren § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III geäußert. Diesen könne nach Auffassung des BSG allerdings dadurch begegnet werden, dass der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt werde, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordere allerdings einen das übliche Maß erheblich übersteigenden Beratungsbedarf. Das BSG hat in der Entscheidung auf die Merkblätter der Beklagten für die Jahre 1998 und 1999 (Stand April 1999) Bezug genommen und ausgeführt, dass diese den Anforderungen nicht genügen. Diese enthielten lediglich den Hinweis: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen Sie deshalb vorher Rat ein." Damit sei nach Auffassung des BSG noch nicht deutlich gemacht, dass überhaupt und welche Gefahren bei einem Steuerklassenwechsel für die Anspruchshöhe drohen. Die Beklagte hat in der Reaktion auf die zitierte BSG Entscheidung sowohl den Wortlaut ihrer Bewilligungsbescheide als auch ihre Merkblätter entsprechend überarbeitet. Die Hinweise im vorliegenden Merkblatt 1 für Arbeitslose Stand 2009 sind nach Auffassung des Senats ausreichend, um den vom BSG geforderten gesteigerten Hinweispflichten durch die Beklagte zu genügen. So wird in diesen Merkblättern explizit auf die Gefahr eines niedrigeren Leistungsanspruches in der Folge eines Lohnsteuerklassenwechsels - auch optisch hervorgehoben - hingewiesen. Dies war bei den Merkblättern der Jahre 1998 und 1999, die der vom Klägervertreter zitierten Entscheidung des BSG zugrunde gelegen haben, noch nicht der Fall. Dass im ausgehändigten Merkblatt bedeutsame leistungsrelevante Hinweise enthalten sind, hätte sich dem Kläger schon deshalb aufdrängen müssen, weil er die Entgegennahme des Merkblatts und die Kenntnisnahme seines Inhalts sogar unterschriftlich im Antragsformular hatte bestätigen müssen.
Zudem ist jedenfalls im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 nochmals ein gesonderter individueller Hinweis auf die Gefahr finanzieller Nachteile durch einen Steuerklassenwechsel hingewiesen worden. So heißt es auf Seite 2 des Bescheides vom 14.04.2009 explizit " Nehmen Sie bitte stets vor einem Steuerklassenwechsel mit Ihrer Agentur für Arbeit Kontakt auf, damit Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen. Wir beraten Sie gerne."
Damit ist der Kläger nach Auffassung des Senats jedenfalls in Zusammenschau mit dem gesonderten individuellen Hinweis im Bewilligungsbescheid vom 14.04.2009 ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen worden. Da der Kläger nach eigenem Vorbringen sämtliche Hinweise im Merkblatt, vor allem aber diejenigen in dem ihm bekannt gegebenen Bewilligungsbescheid nicht gelesen hat, hat er die gebotene Sorgfalt auch in besonderem Maße verletzt; denn bei nahe liegender Überlegungen hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass in dem Merkblatt und im Bewilligungsbescheid für den Bezug von Alg relevante Hinweise enthalten sind. Wer die sogar drucktechnisch hervorgehobenen Belehrungen in dem extra gegen Unterschrift ausgehändigten Merkblatt nicht zur Kenntnis nimmt und deshalb notwendige Vorkehrungen zur Wahrung seiner Anzeigepflicht unterlässt, handelt grob fahrlässig.
Hinweise darauf, dass der Kläger nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Hinweise zu verstehen, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Das Lesen des Merkblatts und insbesondere des Bescheids hatte sich dem Kläger nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv aufgedrängt. Denn der Kläger war als Vertriebsleiter schon beruflich mit der Gestaltung von Verträgen befasst gewesen und hatte daher gewusst, dass Dokumente vollständig - einschließlich des "Kleingedruckten" und aller Anhänge - zu lesen und zu beachten sind. Dieser Erkenntnis hat sich der Kläger aber bewusst und gewollt verschlossen. Damit hat der Kläger nach Auffassung des Senats grob fahrlässig seine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen in seinen tatsächlichen Verhältnissen gegenüber der Beklagten verletzt (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.02.2009 – L 9 AL 87/07; juris Rn. 23). Entgegen der Ansicht des Klägers ist der vom Hessischen Landessozialgericht entschiedene und hier zitierte Fall mit dem vorliegenden vergleichbar. Auch dort ging es um einen vom Kläger gegenüber der Beklagten nicht mitgeteilten Wechsel der Lohnsteuerklasse. Zwar war dem dortigen Kläger schon bei der Beantragung von Arbeitslosengeld neben dem Merkblatt für Arbeitslose auch ein gesondertes Hinweisblatt ausgehändigt worden, in dem explizit auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels hingewiesen worden ist. Dies ändert jedoch nichts an der vorliegenden Beurteilung, dass die Beklagte mit den Hinweisen im Merkblatt und im Bewilligungsbescheid ihren Hinweis- und Beratungspflichten ausreichend Rechnung getragen hat. Der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts ist die Notwendigkeit eines gesonderten Hinweisblattes nicht zu entnehmen. Vielmehr ist im zitierten Urteil ausgeführt, dass selbst wenn der dortige Kläger wie behauptet das gesonderte Hinweisblatt nicht erhalten hätte, allein der deutliche Hinweis auf dem Bewilligungsbescheid als Warnhinweis und Hinweis auf eine Beratungsnotwendigkeit vor einem geplanten Lohnsteuerklassenwechsel im Sinne der Rechtsprechung des BSG ausreiche. Damit ist der Kläger von der Beklagten ausreichend auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen worden, welche er grob fahrlässig verletzt hat.
Die Beklagte hat zu Recht kein Ermessen ausgeübt, sondern gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III einen gebundenen Verwaltungsakt erlassen.
Damit hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 mit dem angegriffenen Bescheid vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 27.09.2011 dem Grunde nach zu Recht teilweise aufgehoben. Der Höhe nach ist die Aufhebung im Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2011 zumindest nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 ist die Aufhebung um täglich 0,40 EUR rechtswidrig.
Die Pflicht des Klägers zur Rückerstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben ist. Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosengeld um 144 EUR zu Unrecht, im Übrigen jedenfalls nicht zulasten des Klägers rechtswidrig aufgehoben. Die Erstattungsforderung ist daher in Höhe von 144 EUR auf 10.422 EUR zu reduzieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei ist es angesichts des verhältnismäßig geringen Obsiegens des Klägers nicht gerechtfertigt, der Beklagten Kosten aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weshalb dem Hilfsantrag des Klägers nicht gefolgt wurde.
Rechtskraft
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