L 10 R 5252/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1171/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5252/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ersetzt die Behörde im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X den bestandskräftigen Bescheid (hier: Rente wegen voller Erwerbsminderung in bestimmter Höhe) in vollem Umfang und gewährt höhere Rente, entfaltet der bestandskräftige Bescheid keine Wirkung mehr, § 39 Abs. 2 SGB X; Rechtsgrundlage eines noch weitergehenden Begehrens des Klägers (hier: auf noch höhere Rente), als im ersetzenden Bescheid zugesprochen, ist dann nicht (mehr) § 44 SGB X, sondern die eigentliche materiell-rechtliche Regelung (hier: §§ 63 ff. SGB VI).
2. Die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X richtet sich nach dem Zeitpunkt des gestellten Antrages, nicht nach einem früheren, erledigten Zugunstenverfahren (BSG, Urteil vom 15.12.1992, 10 RKg 11/92 in SozR 3-5870 § 1 Nr. 2).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt im Rahmen eines sogenannten Zugunstenverfahrens höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und am 1970 in Deutschland geboren. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Hauptschule Mitte 1987 (Bl. 343 VA) besuchte er vom 28.09.1987 bis 14.03.1988 auch zur Erfüllung der Berufsschulpflicht die J.-G.-Schule in H. mit wöchentlich fünf Unterrichtstunden (jeweils montags, Bl. 345 VA). Im Juli 1988 wurde er bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt (u. a. Luxationsfraktur BWK 10/11 mit Lähmung der Beine, vgl. Bl. 363 ff. VA) und war bis Februar 1989 in stationärer Behandlung. Nach heutiger Auffassung der damals behandelnden Ärzte war von einer weiteren Arbeitsunfähigkeit für ein halbes Jahr auszugehen (Bl. 519 VA). Im Rahmen der Rehabilitation absolvierte er von August 1989 bis Juli 1991 ein Berufsvorbereitungsjahr (Bl. 347 VA). Anschließend, von September 1991 bis September 1995, durchlief er eine Berufsbildungsmaßnahme zum Nachrichtengerätemechaniker (Bl. 319 VA). Danach war er arbeitslos.

Mit Bescheid vom 24.07.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.12.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wobei der nachfolgend vom Kläger hinsichtlich der Rentenhöhe (385,38 DM) erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2002 zurückgewiesen wurde (Bl. 201 VA).

Im Februar 2008 bat der Kläger um Überprüfung der Rentenhöhe (Bl. 279 VA), woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2008 mitteilte, dass es bei den mit Bescheid vom 24.07.2001 errechneten Entgeltpunkten und somit bei dem derzeitigen Rentenbetrag verbleibe (Bl. 283 VA). Im Dezember 2010 sprach der Kläger bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in H. vor und gab an, sein Versicherungsverlauf sei unvollständig, u. a. fehle eine Schulzeit (Bl. 535 VA). Eine konkrete Beratung war zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich, weil der Termin für den Kläger in M. gebucht worden war. Statt dessen erhielt er einen neuen Beratungstermin am 11.01.2011. In dieser Beratung machte er u. a. den Besuch einer Fachschule in der Zeit von Juli 1987 bis Juni 1988 und eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit von Juli 1988 bis August 1989 geltend (Bl. 299, 297 VA). Hinsichtlich des Schulbesuchs konkretisierte er seine Angaben später dahingehend, dass er die J.-G.-Schule bis 14.03.1988 besucht und einmal die Woche theoretischer Unterricht und viermal Praxisunterricht stattgefunden habe, eine Bescheinigung könne er aber nur für den theoretischen Unterricht vorlegen, weil das Klassenbuch für den Praxisunterricht nicht mehr auffindbar sei (Bl. 427/429 VA). Mit Bescheid vom 15.09.2011 (Bl. 455 ff. VA) stellte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest, nahm den Bescheid vom 24.07.2001 zurück und ersetzte ihn durch diesen Bescheid (Bl. 462 VA). Es blieb beim Rentenbeginn am 01.12.2000 und bei der Dauer bis längstens 31.01.2037 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze). Der monatliche Rentenbetrag wurde für die Zeit ab 01.11.2011 mit (brutto) 229,30 EUR festgesetzt, die Nachzahlung nach § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgehend von einer Antragsstellung im Januar 2011 auf die Zeit ab 01.01.2007 beschränkt (Nachzahlungsbetrag 786,22 EUR). Hinsichtlich der Rentenberechnung und sonstigen Regelungen im Einzelnen wird auf den Rentenbescheid Bezug genommen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, in dem der Kläger zusätzlich die Anerkennung seiner Krankheitszeit nach dem Unfall und einen früheren Beginn der rückwirkenden höheren Zahlungen im Hinblick auf den 2008 bereits gestellten Überprüfungsantrag begehrte, ersetzte die Beklagte den Bescheid vom 15.09.2011 durch den Bescheid vom 01.12.2011 (Bl. 553 ff., 557 VA). Es verblieb auch hier bei der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.12.2000, längstens bis zum 31.01.2037. Der Nachzahlungszeitraum wurde - nunmehr ausgehend von einem im Dezember 2010 gestellten Überprüfungsantrag - bis zum 01.01.2006 ausgeweitet (weiterer Nachzahlungsbetrag 161,48 EUR). Im Bescheid führte die Beklagte u.a. aus, dass die geltend gemachte Krankheitszeit vom 25.07.1988 bis 22.08.1989 nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden könne, weil Arbeitsunfähigkeit mangels zuvor ausgeübter Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit nicht vorgelegen habe. Ebenso abgelehnt wurde - wie schon im Bescheid vom 15.09.2011 - die Berücksichtigung der Zeit vom 28.09.1987 bis 22.07.1988 als Anrechnungszeit, weil angesichts nur montags erteiltem theoretischen Unterricht kein Fachschulbesuch vorliege. Hinsichtlich der Einzelheiten, auch der Rentenberechnung, wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Hinblick auf den im Februar 2008 gestellten Überprüfungsantrag führte sie aus, dass hierüber mit Bescheid vom 22.02.2008 bereits entschieden worden sei, auch wenn dieses Schreiben weder mit "Bescheid" überschrieben noch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden sei. Hinsichtlich der Zeit des Schulbesuchs von September 1987 bis März 1988 führte sie aus, dass zum einen über den praktischen Teil der Ausbildung kein Nachweis vorgelegt worden sei und hinsichtlich der theoretischen Ausbildung nur fünf Unterrichtsstunden wöchentlich, jeweils montags, absolviert worden seien. Eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit des Fachschulbesuchs sei daher nicht möglich. Hinsichtlich der Krankheitszeit von Juli 1988 bis August 1989 sei der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt, weil zuvor gerade keine Berufstätigkeit ausgeübt worden und damit keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten sei. Eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), der durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001 (BGBl. I, S. 403) mit Wirkung vom 01.01.2002 eingeführt worden sei, sei ebenfalls nicht möglich, weil nach § 300 Abs. 1 und 3 SGB VI auch bei Neufeststellungen von Renten das Recht maßgebend sei, das bei der Erstfeststellung anzuwenden gewesen sei. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB VI sei aber erst nach Beginn der bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Kraft getreten und daher nicht zu berücksichtigen, anders als eventuell für eine nachfolgende Rente, zum Beispiel wegen Alters.

Das hiergegen am 12.04.2012 angerufene Sozialgericht Mannheim hat eine Auskunft des Schulleiters der J.-G.-Schule H. eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 28.09.1987 bis 14.03.1988 eine sogenannte Jungarbeiterklasse besucht habe, in der noch schulpflichtige Jugendliche unterrichtet worden seien. Mit den fünf Unterrichtsstunden, die einmal wöchentlich erteilt worden seien (Deutsch drei Stunden, Rechnen zwei Stunden), sei die Berufsschulpflicht erfüllt gewesen. Was die Schüler in der verbleibenden Zeit getan hätten, entziehe sich der Kenntnis der Schule. Hierüber seien die Schüler keine Rechenschaft schuldig gewesen.

Mit Urteil vom 10.10.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat u.a. darauf hingewiesen, dass die Arbeitskraft des Klägers durch den Besuch der J.-G.-Schule in H. nicht überwiegend in Anspruch genommen worden sei, weil lediglich einmal wöchentlich im Umfang von fünf Stunden Unterricht stattgefunden habe. Auch eine weitergehende Nachzahlung hat es unter Hinweis auf § 44 Abs. 4 SGB X abgelehnt, weil auf den vom Kläger im Dezember 2010 gestellten Antrag abzustellen sei. Der im Februar 2008 zuvor bereits gestellte Antrag auf Neufeststellung der Rente sei durch das als Bescheid zu wertende Schreiben der Beklagten vom 22.08.2008 mit dessen Bestandskraft abgeschlossen.

Gegen das ihm am 31.10.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.11.2013 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe jeweils die ganze Woche die Schule besucht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012 zu verurteilen, höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab einem früheren Zeitpunkt als dem 01.01.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil als zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 01.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012. Nicht mehr Gegenstand ist dagegen - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - der Bescheid vom 15.09.2011. Zwar gab die Beklagte mit dem Bescheid vom 15.09.2011 einem Antrag des Klägers nach § 44 SGB X auf Neuberechnung einer Rente teilweise statt. Indessen wurde dieser Bescheid durch den nachfolgend ergangenen Bescheid vom 01.12.2011 - so ausdrücklich die Regelung auf Seite 3 des Bescheides vom 01.12.2011 (Bl. 557 VA) - ersetzt. Dementsprechend entfaltet der ursprüngliche Bescheid vom 15.09.2011 gemäß § 39 Abs. 2 SGB X keinerlei Wirksamkeit mehr.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die ursprüngliche rechtliche Grundlage für das Begehren des Klägers auf Neuberechnung der ihm zuerkannten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Rentenbeginn dargestellt (§ 44 SGB X). Hierauf nimmt der Senat Bezug. Indessen stellt diese Regelung im vorliegenden Rechtsstreit anders als im Verwaltungsverfahren - nicht (mehr) die maßgebende rechtliche Grundlage für das prozessuale Begehren des Klägers dar. Denn diesen Anspruch nach § 44 SGB X erfüllte die Beklagte bereits mit dem ursprünglichen Bescheid vom 15.09.2011. Mit diesem Bescheid - so wiederum die ausdrückliche Regelungen auf Seite 8 des Bescheides vom 15.09.2011 (Bl. 461 VA) - ersetzte die Beklagte jedenfalls im Hinblick auf die hier allein streitige Rentenhöhe den ursprünglichen Rentenbewilligungsbescheid vom 24.07.2001. Dementsprechend entfaltet dieser Bescheid vom 24.07.2001 - jedenfalls hinsichtlich der hier streitigen Rentenhöhe - gemäß § 39 Abs. 2 SGB X ebenfalls keine Wirkung mehr. Damit erledigte sich auch das Begehren des Klägers auf Neufeststellung der Rente nach § 44 SGB X. Statt dessen wandte und wendet sich der Kläger nunmehr unmittelbar gegen die neu festgestellte Rente (im Widerspruch zunächst gegen den Bescheid vom 15.09.2011, im Klageverfahren schließlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den den Bescheid vom 15.09.2011 wiederum ersetzenden Bescheid vom 01.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012) mit dem Ziel, die Beklagte zur Gewährung höherer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu verurteilen. Darüber hinaus macht der Kläger seinen höheren Rentenanspruch bzw. dessen Auszahlung ab einem früheren Zeitraum geltend.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind die Regelungen der §§ 63 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 und § 66 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI fließen Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten, wozu auch Anrechnungszeiten gehören (§ 54 Abs. 3 und 4 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Anrechnungszeiten auf die Höhe der Rente aus.

Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass beim Kläger die geltend gemachten weiteren Anrechnungszeiten nicht vorliegen bzw. nicht berücksichtigt werden können.

Der Zeitraum, in dem sich der Kläger wegen der Folgen des Verkehrsunfalls in stationärer Behandlung befand (25.07.1988 bis 09.02.1989) und danach krankheitsbedingt nicht in der Lage war, eine Tätigkeit auszuüben, stellt keine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit dar. Zwar sieht § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB X als Anrechnungszeiten auch Zeiten vor, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind. Indessen war der Kläger während dieses Zeitraumes mangels einer zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht arbeitsunfähig. Dies legte die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich und zutreffend dar. Ebenso zutreffend wies die Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf hin, dass diese Krankheitszeit des Klägers ggf. unter den Tatbestand des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB X fällt. Danach sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. und vor dem 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind. Die Vorschrift dient der Beseitigung von Defiziten in der Alterssicherung für jüngere Versicherte, wenn sich deren Eintritt in das Erwerbsleben und damit die erstmalige Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung verzögert (Gürtner in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 58 SGB VI Rdnr. 9) und trifft im Grunde gerade den Fall des Klägers. Allerdings ist diese Regelung im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie erst mit Wirkung zum 01.01.2002 eingeführt wurde und somit nach § 300 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI für zuvor bewilligte Renten im Rahmen deren Neufeststellung nicht berücksichtigt werden kann. Auch dies hat die Beklagte ausführlich und zutreffend im Widerspruchsbescheid dargelegt. Der Senat sieht deshalb gemäß dem über § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren anwendbaren § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der Begründung des Widerspruchsbescheides.

Der in der Zeit vom 28.09.1987 bis 14.03.1988 - darüber hinaus behauptet der Kläger keinen Schulbesuch (vgl. u.a. Bl. 427, 515 VA) - erfolgte Besuch der J.-G.-Schule in H. stellt keine Fachschulausbildung dar. Insoweit hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargestellt, dass Voraussetzung hierfür u. a. die überwiegende Inanspruchnahme der Zeit und Arbeitskraft durch die schulische Ausbildung wäre, der Kläger jedoch nur einmal wöchentlich in einem Umfang von fünf Stunden am Unterricht teilnahm. Der Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, wobei der Senat ergänzend darauf hinweist, dass die vom Sozialgericht vertretene Rechtsauffassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht (u.a. BSG, Urteil vom 09.06.1988, 4/11a RA 68/87 m.w.N.). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen, dass nach der vom Kläger selbst vorgelegen Bestätigung der J.-G.-Schule lediglich montags fünf Unterrichtsstunden gehalten wurden. Dies hat die Schule in ihrer Auskunft gegenüber dem Sozialgericht ausdrücklich bestätigt und sinngemäß die Durchführung praktischer Ausbildungskurse an den übrigen Tagen verneint. Soweit der Kläger in Bezug auf die in der Auskunft gegenüber dem Sozialgericht von der Schule angestellte Vermutung, die Schüler seien in der übrigen Zeit Hilfs- oder Gelegenheitsarbeiten nachgegangen, unter Hinweis darauf in Abrede stellt, er habe kein Geld verdient, ist dies ohne rechtliche Relevanz. Denn nicht maßgebend ist, ob der Kläger derartige Arbeiten ausübte, allein maßgebend ist, ob sich ein Schulbesuch im erforderlichen Umfang nachweisen lässt. Dies ist jedoch weder anhand der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung noch mittels der Auskunft der Schule gegenüber dem Sozialgericht erfolgt. Diese Nichterweislichkeit geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast, wonach derjenige, der aus einem behaupteten Sachverhalt Rechte herleitet, den Nachteil bei fehlendem Nachweis des Sachverhalts zu tragen hat (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11), zu Lasten des Klägers.

Auch soweit der Kläger eine frühere Auszahlung der neu festgestellten Rente beantragt, bleibt die Berufung ohne Erfolg. Zutreffend hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X dargelegt, dass der maßgebende Antrag auf Neufeststellung der Rente im Dezember 2010 gestellt wurde, sodass sich angesichts der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X ein Nachzahlungszeitraum ab dem 01.01.2006 ergibt, für den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.12.2011 die höhere Rente auch nachzahlte. Soweit der Kläger auf seinen früher, im Februar 2008, gestellten Überprüfungsantrag hinweist, hat das Sozialgericht zu Recht die Auffassung vertreten, dass dieser Überprüfungsantrag durch das als Bescheid zu wertende Schreiben der Beklagten vom 22.02.2008 schlussendlich bestandskräftig erledigt wurde. Der Senat sieht deshalb auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend ist nur darauf hinzuweisen, dass es der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht, wenn die Frist nach § 44 Abs. 4 SGB X ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Rücknahmebescheides bzw. des hierzu führenden Antrags und nicht nach einem früheren erledigten Zugunstenverfahren berechnet wird (BSG, Urteil vom 15.12.1992, 10 RKg 11/92 in SozR 3-5870 § 1 Nr. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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