L 5 AS 400/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 3420/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 400/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 30/14 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. April 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich in drei Berufungsverfahren gegen die Anrechnung der Altersrente ihres Ehemanns auf ihren Hilfebedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). In dem Verfahren L 5 AS 400/11 geht es um die die Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe von 908,65 EUR für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009. In dem Verfahren L 5 AS 401/11 begehrt sie höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009 und in dem Verfahren L 5 AS 402/11 begehrt sie höhere Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2010. Die am ... 1963 geborene Klägerin und ihr am ... 1944 geborener Ehemann bewohnen eine gemeinsame Mietwohnung im Haus ihres Sohns. Das Eigentum wurde diesem im März 1999 notariell übertragen. Für die 68 qm große, mit Öl beheizte Wohnung war laut der Vermieterbescheinigung vom 14. April 2008 eine Gesamtmiete von 408,00 EUR (Kaltmiete 306,00 EUR, Heizkosten (Sammelheizung und Warmwasser) 102,00 EUR) zu entrichten. Nach dem Mietvertrag vom 1. Juli 2007 seien Betriebskosten i.H.v. 102 EUR/Monat zu entrichten gewesen. Die Miete sollte monatlich in bar zu zahlen sein.

Der Ehemann der Klägerin bezieht seit dem 1. Juni 2007 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Zahlbetrag betrug ab dem 1. Juli 2007 695,89 EUR/Monat. Für eine Kfz-Haftpflichtversicherung waren für 2008 222,38 EUR (=18,53 EUR/Monat) aufzubringen; ab Januar 2009 betrug der jährliche Betrag 169,02 EUR (=14,09 EUR/Monat) und ab Januar 2010 181,69 EUR (=15,14 EUR/Monat).

Der Beklagte hatte der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. September 2008 Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2008 bis Januar 2009 i.H.v. 536,24 EUR/Monat, für Februar 2009 i.H.v. 459,24 EUR und für März 2009 i.H.v. 453,24 EUR bewilligt. Dabei hatte er bis Februar 2009 als Kosten der Heizung einen Betrag von 90,61 EUR und ab März 2009 entsprechend seiner Richtlinie nur noch einen Betrag von 84,60 EUR berücksichtigt. Die Klägerin war im Bewilligungsbescheid vom 6. August 2008 entsprechend belehrt worden. Auf ihren Gesamtbedarf (Regelleistung, anteilige KdU, befristeter Zuschlag) hatte der Beklagte als Einkommen die Altersrente des Ehemanns in Höhe von 133,06 EUR bis Februar 2009 und in Höhe von 136,06 EUR ab März 2009 angerechnet. Er hatte von der Nettorente dessen fiktiven Hilfebedarf nach dem SGB II sowie den Pauschbetrag (30,00 EUR) und die Kfz-Haftpflichtversicherung (18,53 EUR) abgezogen.

In ihrem Weiterzahlungsantrag vom 2. März 2009 teilte die Klägerin mit, dass die Altersrente des Ehemanns mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 16. Oktober 2008 ab dem 1. Juni 2007 neu berechnet worden war. Ab dem 1. November 2008 betrug der Zahlbetrag 850,54 EUR. Für die Zeit ab 1. Juni 2007 war eine Nachzahlung von 2.625,96 EUR bewilligt worden. Die außergerichtlichen Kosten für die Überprüfung des Rentenbescheids bezifferte die Klägerin mit 975,80 EUR.

Mit bestandkräftigem Änderungsbescheid vom 13. März 2009 bewilligte der Beklagte wegen der Neufestsetzung der Rente für Oktober 2008 bis Januar 2009 nur noch 381,59 EUR/Monat, für Februar 2009 304,59 EUR und für März 2009 301,59 EUR.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2009 nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hörte der Beklagte die Klägerin wegen einer Überzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 in Höhe von 908,65 EUR an. Sie habe diese verursacht, weil sie pflichtwidrig eine erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen verspätet angezeigt habe.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. Juni 2009 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 teilweise in Höhe von 908,65 EUR auf. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2009 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe aufgrund der Neufestsetzung der Altersrente des Ehemanns ein höheres Einkommen erzielt. Das einmalige Einkommen aus dem Nachzahlungsbetrag sei im Oktober 2008 in Höhe von 141,40 EUR berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 174 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Ab dem 1. November 2008 sei die höhere laufende Rente zu berücksichtigen.

Dagegen hat die Klägerin am 12. Oktober 2009 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben (S 12 AS 3420/09). Sie hat geltend gemacht, die Berücksichtigung eines Einkommensüberhangs aus der Altersrente ihres Ehemanns sei verfassungswidrig. Diese sei ein Äquivalent seiner Lebensarbeitsleistung und müsse ihm ganz verbleiben. Im Übrigen hat sie die Verfassungswidrigkeit der Höhe des Regelsatzes gerügt.

Für den Zeitraum u.a. vom 1. Juni bis 30. September 2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13. März 2009 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2009 Leistungen i.H.v. 297,15 EUR für Juni 2009 und i.H.v. 307,15 EUR/Monat ab Juli 2009. Mit Änderungsbescheid vom 13. Oktober 2009 bewilligte er wegen der Erhöhung der Altersrente auf 873,61 EUR/Monat ab 1. Juli 2009 nur noch 291,08 EUR/Monat. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück. Er stellte einen Gesamtbedarf der Klägerin i.H.v. 521,30 EUR/Monat fest. Er zog von der Nettorente den fiktiven Hilfebedarf des Ehemanns nach dem SGB II sowie den Pauschbetrag (30,00 EUR) und die Kfz-Haftpflichtversicherung (14,09 EUR) ab.

Dagegen hat die Klägerin am 16. November 2009 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben (S 12 AS 3819/09) erhoben und diese wie zuvor begründet.

Für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10. März 2010 monatlich 212,84 EUR. Er nahm eine Anrechnung der Altersrente des Ehemanns wie in dem vorangegangenen Bescheid vor. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 26. April 2010 wiederum Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben (S 12 AS 1316/10) erhoben und diese wie zuvor begründet.

Das Sozialgericht hat die drei Klagen mit Urteilen ohne mündliche Verhandlung vom 1. April 2011 abgewiesen. Hinsichtlich der teilweisen Aufhebung und Rückforderung von 908,65 EUR für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 hat es ausgeführt: Dem Begehren der Klägerin stehe nicht die Bestandskraft des Änderungsbescheids vom 13. März 2009 entgegen. Denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. Juni 2009 sei ein Zweitbescheid. Dieser sei gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X rechtmäßig. Er sei hinreichend bestimmt. Zwar sei im Ausgangsbescheid die Leistungsaufhebung für den gesamten Zeitraum einheitlich angegeben worden. Im Widerspruchsbescheid sei die Forderung jedoch monatsweise konkretisiert worden. Die Entscheidung des Beklagten sei auch materiell rechtmäßig. Die Klägerin sei dem Grunde nach leistungsberechtigt gewesen. Der Gesamthilfebedarf sei zutreffend ermittelt worden. Darauf sei die Altersrente ihres Ehemanns anzurechnen gewesen. Diese zähle nicht zu den in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II privilegierten Einkommensarten. Zutreffend habe der Beklagte den Zahlbetrag der Altersrente nach Abzug der Versicherungspauschale und seines fiktiven Eigenbedarfs nach dem SGB II als Einkommensüberhang auf den Gesamtbedarf der Klägerin angerechnet. Ferner sei ein Betrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung i.H.v. 18,53 EUR abgesetzt worden. Der um 3,00 EUR erhöhte Einkommensüberhang im März 2009 ergebe sich aus dem geringeren fiktiven Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Die Anrechnung der Altersrente begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar unterfalle der Rentenanspruch der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Zugriffs in diese geschützte Rechtsposition ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 GG. Sowohl die nur teilweise Berücksichtigung des Nachzahlungsbetrags im Oktober 2008 als auch die Anrechnung der monatlichen Rente ab November 2008 seien nicht zu beanstanden. Die Rüge der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistungen greife nicht durch. Denn bis zur dem Gesetzgeber aufgegebenen Neuregelung zum 31. Dezember 2010 bleibe es bei den bisherigen Sätzen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 9. Februar 2012). Aufgrund der Erhöhung des Rentenanspruchs habe sich der Leistungsanspruch der Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemindert. Daher sei die Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung an teilweise aufzuheben gewesen. Einen Ermessensspielraum habe der Beklagte nicht gehabt. Daher seien die Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Höhe von 908,65 EUR zu erstatten.

Hinsichtlich der begehrten Bewilligung höherer Leistungen vom 1. Juli bis 30. September 2009 hat das Sozialgericht ausgeführt: Der Änderungsbescheid vom 13. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2009 sei gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht zu beanstanden. Mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2009 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Das Sozialgericht hat wiederum Ausführungen zum Gesamtbedarf der Klägerin, zur Höhe der Anrechnung der Altersrente sowie zu deren Verfassungsmäßigkeit gemacht. Die Leistungsbewilligung sei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an teilweise aufzuheben gewesen, einen Ermessenspielraum habe der Beklagte nicht gehabt. Von einer Anhörung habe dieser nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X absehen können, weil eine einkommensabhängige Leistung den geänderten Verhältnissen angepasst worden sei.

Hinsichtlich der begehrten Bewilligung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2010 hat das Sozialgericht wiederum Ausführungen zum Gesamtbedarf der Klägerin, zur Höhe der Anrechnung der Altersrente sowie zu deren Verfassungsmäßigkeit gemacht. Der Bescheid vom 10. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2010 sei nicht zu beanstanden.

Gegen die ihr am 1. September 2011 zugestellten Urteile hat die Klägerin am 4. Oktober 2011 Berufung eingelegt. In der Sache macht sie geltend: Sie greife nur die Ausführungen des Sozialgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung von Ehegattenrenten an. Der Rentenanspruch falle unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Eine Eingriffsbefugnis ergebe sich nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Für Fälle, in denen keine Rechtfertigung vorliege, sei die Härteklausel des § 1587c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeführt worden. Zur Vermeidung von Grundrechtsverletzungen seien § 1579 BGB und der Selbstbehalt in Scheidungs- und Trennungsangelegenheiten von 1.000 EUR eingeführt worden. Aus familienrechtlicher Sicht würde sich kein Unterhaltsanspruch der Klägerin ergeben. Eine entsprechende Regelung finde sich im SGB II nicht. Außerdem stehe der Rentner wesentlich schlechter als ein Arbeitnehmer, da es für ihn keine Freibeträge nach § 11 SGB II gebe. Würde der Ehemann sich von ihr trennen, dürfte er seine Rente behalten. Es liege hier eine Diskriminierung der Ehe vor. Grundgesetzlich müssten zumindest gewisse Freibeträge für den Ehemann berücksichtigt werden. Daher seien ihr die Leistungen in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren.

In dem Rechtsstreit L 5 AS 400/11 sind mit rechtlichem Hinweis vom 30. September 2013 Unterlagen hinsichtlich der KdU, zu den Eigentumsverhältnissen an dem Einfamilienhaus und zu nach Angaben der Klägerin an den Sohn abgetretenen Vermögenswerten aus einem Bausparvertrag angefordert worden.

Daraufhin hat die zu diesem Zeitpunkt noch prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin ausgeführt, die Klägerin wünsche keine Stellungnahme zu der Anfrage vom 30. September 2013. Diese hat selbst unter dem 25. November 2013 angegeben: Die angefragten Informationen seien schon aus dem Vorverfahren bekannt. Die Mietnebenkosten zu den beiden Wohnungen seien gemeinschaftlich aufgeteilt und finanziert worden.

Mit Schreiben vom 28. November 2013, der zu diesen Zeiten noch prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin zugegangen am 6. Dezember 2013, ist unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 106a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Frist von zwei Wochen zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Beantwortung der Anfrage gesetzt worden. Daraufhin hat die Klägerin unter dem 13. Dezember 2013 das Mandat ihrer Prozessbevollmächtigten beendet. Gegen das Schreiben des Gerichts vom 28. November 2013 lege sie Beschwerde ein.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. April 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2009 in der Gestalt Widerspruchsbescheids vom 14. September 2009 aufzuheben, sowie die Bescheide des Beklagten vom 13. März 2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 6. Juni und 13. Oktober 2009, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2009, sowie den Bescheid des Beklagten vom 10. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2010 abzuändern und ihr für die Zeiträume vom 1. Juli bis 30. September 2009 und 1. April bis 30. September 2010 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der Altersrente ihres Ehemanns zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Urteile für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Danach komme es im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II gerade nicht auf den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt an. Für die Berücksichtigung von Freibeträgen im Fall des Bezugs einer Altersrente finde sich keine gesetzliche Regelung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1.

Der Senat durfte die drei Berufungsverfahren gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich hält.

Die Beteiligten sind zuvor mit Schreiben vom 17. Juli 2013 gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG gehört worden.

2.

Die Berufungen sind rechtzeitig erhoben und zulässig (§ 151 SGG). Die Urteile sind der Klägerin am 1. September 2011 zugestellt worden, weshalb die Berufungsfrist bis zum 1. Oktober 2011 lief. Da dies ein Samstag war, endete die Berufungsfrist gemäß § 64 Abs. 2, 3 SGG am darauf folgenden Werktag, dem 4. Oktober 2011.

Die Berufungen sind auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR wird jeweils überschritten. In dem Verfahren L 5 AS 400/11 wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung und Erstattung eines Betrags von 908,65 EUR. In dem Verfahren L 5 AS 401/11 begehrt sie ungekürzte Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von monatlich 308,22 EUR für drei Monate. In dem Verfahren L 5 AS 402/11 begehrt sie ebenfalls ungekürzte Leistungen ohne Anrechnung von 308,34 EUR/Monat für sechs Monate.

3.

Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Anrechnung der Altersrente ihres Ehemanns als Einkommen auf ihren Hilfebedarf nach dem SGB II. Dabei stützt sie sich auch in ihrer Berufungsschrift nur auf die Verfassungswidrigkeit der Anrechnung der Altersrente.

a.

In dem Rechtsstreit L 5 AS 400/11 hat das Sozialgericht zu Recht die formelle Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2009 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 festgestellt. Insoweit verweist der Senat auf die ausführlichen Darlegungen des Sozialgerichts und macht sich diese zu Eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

In materiellrechtlicher Hinsicht konnte sich der Senat sich ebenfalls nicht davon überzeugen, dass die Leistungsaufhebung der Höhe nach unrichtig gewesen wäre.

Offen bleiben kann zunächst, ob der Beklagte die Rentennachzahlung nach § 2 Abs. 4 Alg II-V rechtmäßig auf die Monate ab Juni 2007 aufgeteilt hat. Eine Aufteilung der einmaligen Einnahme ab Oktober 2008 hätte zu einem höheren als vom Beklagten angenommenen Einkommen geführt, so dass er im streitgegenständlichen Zeitraum einen höheren Betrag aufheben und zur Erstattung hätte stellen können. Die Klägerin wird hierdurch nicht beschwert. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beklagte auch für die Monate Januar bis März 2009 einen Kfz-Versicherungsbeitrag i.H.v. V8,53 EUR einkommensmindernd berücksichtigte. Tatsächlich lag dieser jedoch ab Januar 2009 bei nur 14,09 EUR/Monat.

Auch hinsichtlich der streitigen Zeiträume 1. Juli bis 30. September 2009 und 1. April bis 30. September 2010 kann nicht festgestellt werden, dass die bewilligten Leistungen fehlerhaft zu gering bemessen worden wären.

Für die Zeit ab 1. Januar 2010 hat der Beklagte zwar nicht den tatsächlichen Kfz-Versicherungsbeitrag i.H.v. 15,14 EUR/Monat, sondern weiterhin nur 14,09 EUR/Monat von dem anzurechnenden Einkommen abgezogen. Insoweit war die Einkommensanrechnung fehlerhaft.

Dies führt allerdings nicht dazu, dass der Klägerin für den Zeitraum ab 1. Januar 2010 höhere Leistungen zu bewilligen waren. Denn der Senat konnte ihren tatsächlichen Gesamthilfebedarf für diesen Zeitraum nicht ermitteln. Insbesondere waren Feststellungen zu den tatsächlichen KdU nicht möglich. Zwar bestanden hier zunächst Anhaltspunkte für eine fehlerhafte, zu geringe Leistungsbewilligung hinsichtlich der KdU, da der Beklagte ab März 2009 nur noch begrenzt Heizkosten übernommen hatte.

Andererseits sind die Angaben der Klägerin sowie des Vermieters zur mietvertraglichen Zahlungsverpflichtung widersprüchlich. So sollten laut Mietvertrag Abschläge für die Nebenkosten i.H.v. 102 EUR/Monat zu zahlen gewesen sein. Nach der Vermieterbescheinigung vom 4. April 2008 sollte hingegen dieser Betrag allein für Heizkosten und Warmwasserbereitung vorgesehen gewesen sein; die Betriebskosten hätten die Klägerin und ihr Mann selbst zu tragen gehabt. Dem gegenüber waren in der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 u.a. geleistete Abschläge i.H.v. 102 EUR/Monat für Trinkwasser, Abwasser und Heizenergie angeführt. Zu guter Letzt hat die Klägerin im Berufungsverfahren unter dem 25. November 2013 angegeben, die Mietnebenkosten zu den beiden Wohnungen seien gemeinschaftlich aufgeteilt und finanziert worden. Dieser Vortrag widerspricht wiederum sowohl dem Mietvertrag als auch der Vermieterbescheinigung. Zweifel an der Ernsthaftigkeit des vorgelegten Mietvertrags ergeben sich für den Senat schließlich auch daraus, dass verschiedene in der Verwaltungsakte enthaltene Rechnungen für die laufenden Kosten des Hauses teilweise an die Klägerin oder deren Ehemann und teilweise an den Sohn gerichtet waren.

Da die Klägerin der Aufforderung vom 30. September 2013, die tatsächlich aufgewendeten Unterkunftskosten für die streitigen Zeiträume zu belegen, nicht nachgekommen ist, vermag der Senat eine fehlerhafte Bewilligung für die tatsächlich angefallenen KdU nicht festzustellen. Somit ist auch keine Feststellung des Gesamthilfebedarfs der Klägerin, bestehend aus Regelleistung und anteiligen KdU, möglich.

Der Umstand, dass der Beklagte für die Zeit ab Januar 2010 einen um 1,05 EUR/Monat zu geringen Abzug vom anzurechnenden Einkommen des Ehemanns vorgenommen hat, führt daher nicht zu einem höheren Leistungsanspruch der Klägerin.

Da die Klägerin schon keinen Anspruch auf höhere als die bewilligten Leistungen nachgewiesen hat, konnte der Senat auch offen lassen, ob sie wegen zumutbar einzusetzendes Vermögens gemäß § 12 SGB II überhaupt leistungsberechtigt gewesen war.

b.

Der Senat hat aber auch in den Verfahren L 5 AS 401/11 und L 5 AS 402/11 - wie das Sozialgericht - keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anrechnung der Altersrente des Ehemanns der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach für die weiteren streitigen Zeiträume vom 1. Juli bis zum 30. September 2009 und 1. April bis zum 30. September 2010.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II war das Einkommen des Ehemannes der Klägerin bei dieser als Einkommen zu berücksichtigen, soweit diese Rente den fiktiven Bedarf des Ehemanns nach dem SGB II abzüglich der Absetzbeträge überstieg. Auch insoweit hat die Klägerin keine Einwände geltend gemacht. Daher bezieht sich der Senat auf die ausführlichen Ausführungen des Sozialgerichts und macht sich diese ebenfalls zu Eigen.

Der Senat teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin. Er hat hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Anrechnungsvorschriften keine Bedenken und hält die Regelungen für grundgesetzkonform.

Schon in der Vergangenheit hatte das BSG ausgeführt, dass für die Bestimmung des Bedarfs des unterhaltspflichtigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft nicht dessen unterhaltsrechtlicher Selbstbehalt maßgeblich ist, sondern der zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorgesehene Betrag (BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R).

Die später ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteile vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Klägerin steht danach ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Dem Gesetzgeber steht jedoch bei der Ausgestaltung und Bezifferung des grundrechtlich zu gewährenden Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Dabei darf davon ausgegangen werden, dass ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II zunächst Hilfe von anderen zu beanspruchen hat. Dies folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht gehalten, insoweit an die Regelung des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts anzuknüpfen. Unerheblich ist, dass der zivilrechtliche Selbstbehalt des Ehemanns der Klägerin wohl über dem Zahlbetrag seiner Rente gelegen hat. Der Gesetzgeber durfte, abweichend von den Regelungen des Unterhaltsrechts, typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige sich gegenseitig unterstützen und den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Auch das Grundrecht des Ehemanns der Klägerin zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wird durch diese Regelung nicht verletzt. Denn bei seiner Altersrente ist ein fürsorgerechtlicher Selbstbehalt berücksichtigt worden, der dem Existenzminimum im SGB II entspricht.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist gegenüber getrennt lebenden Eheleuten nicht erkennbar. Der Gesetzgeber knüpft bei der Regelung des § 9 Abs. 2 SGB II an ein Zusammenleben in einem Haushalt an, für das typisierend ein Einstandswille angenommen wird. Gegenüber Eheleuten, die getrennt oder in Scheidung leben, bestehen aufgrund des dann fehlenden Einstandswillens erhebliche Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Die Berücksichtigung der Altersrente des Ehemanns der Klägerin als Einkommen verstößt auch nicht gegen dessen Grundrecht aus Art. 14 GG. Denn der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ist nicht berührt. Die geforderte Unterstützung der Klägerin mit seiner Altersrente berührt allenfalls dessen Vermögen. Sie führt jedoch nicht zu einer Gefährdung der Substanz der eigentumsgeschützten Rentenanwartschaften (vgl. zum Vorstehendem: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 51/09 R (15 f.)).

Schließlich ist es nach Auffassung des Senats auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Altersrente des Ehemanns der Klägerin mit Freibeträgen entsprechend den Einkommen aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Tätigkeit nach § 11 SGB II zu privilegieren. Es handelt sich um eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Einkommensbeziehern (so auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. März 2011, 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 (33 f.) zur Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf den eigenen Hilfebedarf).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Revisionsgründe vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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