L 2 RI 160/02

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 RI 160/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 15.4.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1952 geborene Sohn der Klägerin, der im Verlauf des Berufungsverfahrens am 2003 verstarb, hat den Beruf des Bäckers erlernt und 1974 die Meisterprüfung mit Erfolg abgeschlossen. In der Folge übernahm er nach dem Tode seines Vaters 1988 den elterlichen Betrieb, in dem außer ihm noch ein Geselle beschäftigt war. Im Jahr 1991 erfolgte die Eintragung in die Handwerksrolle. Nach seinen eigenen Angaben führte er lediglich die im Betrieb anfallenden handwerklichen Arbeiten, nicht jedoch die anfallenden Bürotätigkeiten, wie etwa Führung des Tageskassenbuches, Lohnabrechnung für den Gesellen, Warenbestellung und -entgegennahme aus. Diese wurden von der Klägerin im Zusammenwirken mit der Steuerberaterin erbracht.

Ab dem 1.1.1991 zahlte der Sohn der Klägerin als selbstständiger Bäckermeister freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von zunächst monatlich 105 DM. Am 17.1.1991 wurde er in die Handwerksrolle eingetragen. Mit Wirkung zum 31.3.1998 widerrief er die Ermächtigung zur Abbuchung der von ihm geleisteten freiwillige Beiträge. Die Beklagte beendete darauf hin mit Bescheid vom 24.4.1998 die freiwillige Versicherung. Am 27.4.1998 wurde der Handwerksbetrieb eingestellt.

Am 3. April 1998 beantragte der Sohn der Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit unter Berufung auf ein Attest der Ärzte für Allgemeinmedizin Dres. B vom 31.3.1998 sowie mehrere Arztbriefen, in denen über verschiedene Erkrankungen aus dem orthopädischen Formenkreis sowie über einen Blasentumor berichtet wurde.

Ein von der Beklagten veranlasstes, unter dem 13.5.1998 erstelltes allgemeinärztlich- sozialmedizinisches Gutachten ihrer Gutachterstelle (Dr. R) nannte folgende Gesundheitseinschränkungen:

1. Stadium der Heilungsbewährung bei Zustand nach Tumorresektion der Blase 11/97 bei Urothelcarzinom und Zustand nach Nachresektion 1/98 mit erneutem Tumorwachstum und zweiter Sicherungsresektion 3/98.

2. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II b.

3. Bluthochdruckleiden.

4. Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit mäßigen Bewegungseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen.

5. Coxarthrose 1. bis 2. Grades beidseits mit Innenrotationseinschränkung.

6. Mediale Gonarthrose beidseits mit Funktionsschmerzen ohne Bewegungseinschränkungen.

7. Hepathopathie, am ehesten äthyl-toxischer Genese.

8. Chronisch-venöse Insuffizienz mit leichten statischen Blutumlaufstörungen bei Zustand nach Varizenoperation beidseits 5/97.

9. Adipositas.

Hinsichtlich des dem Sohn der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögens wurde ausgeführt, dass er noch für leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten in Tagschicht, in Werkhallen und temperierten Räumen, in wechselnder Körperhaltung und ohne häufiges Knien, unter Ausschluss von Akkordarbeiten und Besteigen von Leitern und Gerüsten vollschichtig einsetzbar sei.

Mit Bescheid vom 19.6.1998 wurde der Antrag abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20.11.1998 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Sohn der Klägerin kein Rentenanspruch auf Gewährung einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente zukomme. Ihm stehe zwar der Berufsschutz eines Facharbeiters zu, er könne jedoch noch auf solche einem Facharbeiter zumutbare Tätigkeiten, wie das Bedienen gewisser Büromaschinen und Geräte und die Verwaltung und Ausgabe von Büromaterial und Reinigungsmitteln verwiesen werden.

Mit Schreiben vom 3.2.1999 wies die Beklagte den Sohn der Klägerin darauf hin, dass die Zeiten vom 1.4.1998 bis 31.12.1998 sowie vom 1.1.1999 bis laufend nicht mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt seien. Freiwillige Beiträge könnten für diese Zeiten noch bis zum 30.4.1999 gezahlt werden. Für das laufende Kalenderjahr sei eine Zahlung freiwilliger Beiträge bis zum 31.3.2000 zulässig. Ausweislich des Versicherungsverlaufs waren nach dem 31.3.1998 keine freiwilligen Beiträge mehr gezahlt worden.

Am 18.6.1999 beantragte der Sohn der Klägerin erneut unter Vorlage eines ärztlichen Attests der Dres. B , in dem diese unter Hinweis auf die Polymorbidität des Antragstellers eine vollschichtige Einsatzfähigkeit verneinten, die Gewährung einer Versichertenrente. Ein auf Veranlassung der Beklagten von ihrer Gutachterstelle unter dem 11.8.1999 erstelltes allgemeinärztlich-sozialmedizinisches Gutachten (Dr. M ) stellte im Wesentlichen übereinstimmende Gesundheitsstörungen mit dem Gutachten vom 13.5.1998 fest. Dr. M führte aus, dass gegenüber der Voruntersuchung ein entscheidender Befundwandel zum Schlechteren nicht eingetreten sei, wenngleich zwischenzeitlich der Diabetes mellitus insulinpflichtig geworden sei. Der Blutzucker erweise sich jedoch als ausreichend eingestellt. Aus dem Diabetes resultiere, dass der Sohn der Klägerin nicht mehr für Tätigkeiten unter Leistungsdruck, in Schichtarbeit und unter Akkordbedingungen einsatzfähig sei. Er könne jedoch noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten, wobei diese in gut temperierten und gelüfteten Räumen erfolgen sollten. Das Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit Gefährdungsrisiken seien jedoch zu meiden.

Mit Bescheid vom 2.12.1999 wurde der Antrag abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 8.5.2000 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Sohn der Klägerin als Facharbeiter auf die Tätigkeit einer Bürohilfskraft nach der Vergütungsgruppe BAT VIII verwiesen werden könne, die als körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel der Körperhaltungen und in temperierten Räumen ausgeübt werde und ihm aufgrund des verbliebenen Leistungsvermögens objektiv zumutbar sei. Er könne sich auch innerhalb von drei Monaten in diese Tätigkeit einarbeiten.

Der Sohn der Klägerin hat am 29.5.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat, dass ihm zumindest eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zustehe, da er nicht auf die Tätigkeit einer Bürohilfskraft verwiesen werden könne. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass er keinerlei kaufmännische Kenntnisse besitze, da er lediglich als Handwerker in seinem Betrieb gearbeitet habe. Im Übrigen ergebe sich aus einem Attest der Ärzte Dres. B vom 12.3.2002, dass ihm längeres Gehen und Stehen nicht zumutbar sei.

Durch Urteil vom 15.4.2002 hat das SG die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit "gemäß den gesetzlichen Vorschriften" verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die allein auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente gerichtete Klage schon deshalb Erfolg haben müsse, weil der Sohn der Klägerin ungeachtet der Frage, ob er eine Tätigkeit als Bürohilfskraft auf Grund seines Leistungsvermögens ausüben könne, auf die benannte Verweisungstätigkeit nicht zu verweisen sei, weil es ihm an den entsprechenden Vorkenntnissen mangele. Zwar treffe es zu, dass selbstständig Tätige mit Meisterbrief aufgrund der während ihrer Ausbildungszeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf die benannte Verweisungstätigkeit verwiesen werden könnten. Die vom Sohn der Klägerin ausgeübte Tätigkeit sei jedoch dadurch gekennzeichnet gewesen, dass dieser lediglich Backwaren hergestellt und sich nicht um den Vertrieb bzw. die damit anfallenden kaufmännischen Dinge und Schreibarbeiten gekümmert habe. Diese habe vielmehr seine Mutter übernommen. Im Übrigen sei es von Bedeutung, dass der Sohn der Klägerin die Meisterprüfung vor 28 Jahren abgelegt und - wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben habe - keine Kenntnisse im Bedienen oder Benutzen von Personalcomputern habe. Er könne sich daher nicht binnen drei Monaten in die von einer Bürohilfskraft auszuübenden Tätigkeiten einarbeiten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung im April 1998 vorgelegen.

Gegen das ihr am 2.5.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.5.2002 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der Sohn der Klägerin nicht berufsunfähig sei, da er sehr wohl auf die Tätigkeit in einer Poststelle als leichte Bürotätigkeit gehobener Art nach BAT VIII verwiesen werden könne. Diese Tätigkeit sei ihm von seinem körperlichen Leistungsvermögen her zuzumuten. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Sohn, der über einen Meisterbrief und damit über hinreichende kaufmännische Grundkenntnisse verfüge, in diese Tätigkeiten nicht binnen drei Monaten einarbeiten könne. Im Übrigen entspreche das bei ihm gegebene Restleistungsvermögen demjenigen eines Kassierers an Selbstbedienungstankstellen, so dass auch diese Verweisungstätigkeit benannt werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 15.4.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass ihr Sohn nicht mit kaufmännisch- buchhalterischen Tätigkeiten befasst gewesen sei. Zu seinen Aufgaben im Betrieb habe lediglich die Produktion und Auslieferung der Ware gehört. Soweit § 4 der maßgeblichen Meisterprüfungsordnung Kenntnisse im Rechnungswesen, der Wirtschaftslehre und im Rechts- und Sozialwesen verlange, seien diese "angeblich prüfungsrelevanten Themen der Meisterprüfung" eher als "Wunschdenken des Verordnungsgebers und der Funktionäre der Bäckerinnung" anzusehen.

Der Senat hat das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland um Stellungnahme zu der Frage ersucht, ob die Tätigkeit in einer Poststelle einer allgemeinen Verwaltung als gehobene Bürohilfskrafttätigkeit nach Maßgabe der Vergütungsgruppe BAT VIII Fallgruppe 1 a voraussetze, dass ein Bewerber über Computerkenntnisse verfügt. Das Landesarbeitsamt hat hierzu mitgeteilt, dass inzwischen aufgrund der technischen Entwicklung im Bereich der Bürotätigkeiten für eine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe BAT VIII Fallgruppe 1 a Computerkenntnisse allgemein erforderlich geworden seien. Insoweit würden Grundkenntnisse im Bereich von Microsoft Windows und Microsoft Office (typischerweise Standardausstattung) verlangt. Der Vertiefungsgrad in den einzelnen Anwendungen (Word, Excel, Access und Outlook) richte sich nach dem entsprechenden Einsatzgebiet. Bei einem Bewerber mit durchschnittlichem allgemeinen intellektuellen Leistungsvermögen und durchschnittlicher Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit sei davon auszugehen, dass dieser sich die fehlenden Computerkenntnisse in einer längstens bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung unter Anleitung aneignen könne. Auf die weitere Anfrage des Senats, ob sich die Ausführungen des Landesarbeitsamtes auch auf die Tätigkeit in der Poststelle einer allgemeinen Verwaltung bezögen und unter Hinweis auf § 3 a des Verwaltungsverfahrensgesetzes i. d. F. des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21.8.2002 (BGBl I 3322, 3323), hat dieses mitgeteilt, das sich seine Ausführungen auch auf eine schwierige Tätigkeit in einer Poststelle nach Vergütungsgruppe BAT VIII Fallgruppe 1 a bezögen. Nach Recherchen und täglichen Kontakten mit den unterschiedlichsten Dienststellen seien keine Bundes- und landesweiten Behörden bekannt, die den Zugang zur Übermittlung elektronischer Dokumente nicht ermöglichten.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass jedenfalls in ihrer Behördenorganisation die Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung von Dokumenten noch nicht derart geschaffen seien, wie es die Stellungnahme des Landesarbeitsamtes anklingen lasse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache zum Erfolg. Entgegen der Auffassung des SG war der Sohn der Klägerin, die als dessen Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 SGB I) in das Verfahren eingetreten ist, nicht berufsunfähig nach § 43 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum 31.12. 2000 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 300 Abs. 2 SGB VI. Dem Sohn der Klägerin, der zuletzt als selbstständiger Bäckermeister tätig war, in dessen Betrieb außer ihm noch ein Geselle und damit nur ein Facharbeiter beschäftigt war, kommt allein der Berufsschutz eines Facharbeiters zu. Der Berufsschutz bestimmt sich nach der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit. Bereits von daher kommt der zuletzt verrichteten Tätigkeit als selbstständiger Bäckermeister für die Frage des Berufsschutzes keine Bedeutung zu. Dessen ungeachtet fehlt es für den Berufsschutz eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion jedoch an der erforderlichen Weisungsbefugnis gegenüber mehreren Facharbeitern. Da der Sohn der Klägerin ersichtlich die gleiche Arbeit wie ein Facharbeiter verrichtet hat, vermag er auch nicht den Berufsschutz eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters in Anspruch zu nehmen.

Als Facharbeiter konnte er noch auf die ihm von der Beklagten benannte Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle einer Behörde verwiesen werden. Hierzu im Einzelnen:

Sogenannte gehobene Büro- (Hilfskraft-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe BAT VIII, Fallgruppe 1 a, wie z. B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde, oder auch die Tätigkeit einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation der Beklagten, sind einem Facharbeiter nach ständiger Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz grundsätzlich zumutbar (vgl. etwa LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.6.1995 – L 2 I 248/94 - ; Urteil vom 26.5.1997 – L 2 I 47/95 -; Urteil vom 2.8.1999 – L 2 RI 30/99 -). Die Tätigkeit eines Mitarbeiters beispielsweise in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde umfasst folgende Aufgaben:

1. Öffnen der eingegangenen Post und Eingangsstempel anbringen.

2. Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt.

3. Richten von abgehenden Sammelsendungen.

4. Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen.

5. Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter.

6. Erfassung der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter.

7. Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters, von und zum Postamt mit anstaltseigenem Fahrzeug.

Einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation obliegen folgende Aufgaben:

1. Posteingang den Akten beifügen und auf den Bearbeiter auszeichnen.

2. Ärztliche Gutachten heften und nummerieren.

3. Datensichtgerät im Rahmen der übertragenen Aufgaben bedienen.

4. Maßnahmebewilligungsbescheide expedieren, Durchschriften in der Akte abheften und nummerieren.

5. Akten einsortieren.

6. Termine überwachen.

7. Mitwirkung nach Weisung des Abschnittsleiters, Hilfsreferenten, Referenten, Abteilungsleiters.

Bei allen diesen Tätigkeiten handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten, die ein Heben und Tragen von Gegenständen von 5 Kilogramm Gewicht nicht verlangen und im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden können, wobei die sitzende Tätigkeit überwiegt. Schließlich muss der Mitarbeiter einer Poststelle nur durchschnittlichen Anforderungen an die geistige Beweglichkeit und die Reaktionsfähigkeit genügen (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.9.1999 - L 6 RI 93/99 -).

Dass der Sohn der Klägerin dem vorstehend dargelegten Anforderungsprofil der benannten Verweisungstätigkeit genügen konnte, steht zur Überzeugung des Senats nach umfassender Würdigung aller vorliegenden Erkenntnismittel, insbesondere aufgrund der Feststellungen der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr.R und Dr. M , fest. Die von diesen erstellten Gutachten haben seine Leistungsfähigkeit schlüssig und nachvollziehbar bewertet. So sind keine Leistungseinschränkungen erkennbar, die ihm unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen daran gehindert hätten, den Verweisungsberuf auszuüben.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommen jedoch Versicherte, die in ihrem beruflichen Leben ausschließlich im gewerblich-handwerklichen Bereich tätig waren, für gehobene Bürohilfskrafttätigkeiten nach BAT VIII regelmäßig nicht in Betracht, weil es diesen an den hierfür erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnissen ermangelt. Diese sind Voraussetzung dafür, dass sich ein Versicherter innerhalb einer Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten in die Verweisungstätigkeit einarbeiten kann. Der Senat stützt sich hierbei auf die den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Ermittlungen, die wesentlich auf Recherchen der Beklagten in ihrer eigenen Behörde beruhen, konkret auf einer Stellungnahme ihrer Personalverwaltung vom 27.4.1995. Diese Ermittlungen sind in die Rechtsprechung der für die Arbeiterrentenversicherung zuständigen Senate des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz eingeflossen. Zwar dürfen bezogen auf das Anforderungsprofil der vorstehenden Verweisungstätigkeiten die Anforderungen an die kaufmännischen Grundkenntnisse nicht überspannt werden. Kaufmännische Grundkenntnisse können aber nicht allein durch das schlichte Verfertigen sog. Montageberichte, Rapportzettel (Tagesberichte) oder ähnlicher Papiere erworben werden. Vielmehr ist hierfür erforderlich, dass der betreffende Versicherte kaufmännische Grundkenntnisse in seiner Ausbildung oder im Verlaufe seines beruflichen Werdeganges und der dabei von ihm ausgeübten Tätigkeiten erworben hat. Vom Vorliegen kaufmännischer Grundkenntnisse im vorstehenden Sinne kann beispielsweise dann ausgegangen werden, wenn ein Versicherter als Selbstständiger einen (Klein-) Betrieb geführt hat (Urteil des Senats vom 26.5.1997 – L 2 RI 47/95 - mehrjährige Tätigkeit als selbstständiger Betreiber einer Imbissstube und Gaststätte) oder aber im Verlaufe seiner beruflichen Tätigkeit mit der Wahrnehmung von Bürotätigkeiten betraut worden ist (Urteil des Senats vom 28.4.2000 – L 2 RI 45/99 - Fernmeldehandwerker, der bei der Deutschen Telekom AG zuletzt im Bereich des Rechnungswesens tätig war). Auch selbstständige Handwerksmeister, die eine Meisterprüfung nach der Verordnung über die gemeinsamen Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vom 12.12.1972 (BGBl I S. 2381) abgelegt haben, verfügen nach ständiger Rechtsprechung des Landessozialgerichts über die notwendigen kaufmännischen Grundkenntnisse. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 der vorbezeichnete Verordnung u.a. Kenntnisse in den Bereichen Buchhaltung und Bilanz, Kostenrechnung und betriebswirtschaftliche Auswertung von Buchhaltung nachzuweisen sind (Urteil des Senats vom 2.8.9.99 – L 2 RI 30/99).

Hiernach verfügte der Sohn der Klägerin über die erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnisse. Seine Meisterprüfung wurde 1974 absolviert. Sicherlich verfügte der Sohn der Klägerin nicht mehr über sämtliche erworbenen Kenntnisse der Meisterprüfung. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm die erworbenen Kenntnisse nicht mehr in ihren Grundzügen verfügbar gewesen sind. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Begriff der kaufmännischen Grundkenntnisse - wie oben dargelegt - nicht mit den nach § 4 Abs. 1 Nr. der Verordnung über die gemeinsamen Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk geforderten Kenntnissen gleichzusetzen ist. Daher besaß der Sohn der Klägerin kaufmännische Grundkenntnisse, die es ihm ermöglicht hätten, sich in die nach BAT VIII Fallgruppe 1 a bezahlte Tätigkeit eines Mitarbeiters einer Poststelle in der allgemeinen Verwaltung oder einer Registraturkraft in der Abteilung medizinische Rehabilitation der Beklagten einzuarbeiten.

Anhaltspunkte für eine unzureichende geistige Leistungsfähigkeit und damit eine fehlende Umstellungsfähigkeit sind nicht ersichtlich. So hat Dr. R in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 13.5.1998 ausgeführt, dass der Sohn der Klägerin bewusstseinsklar und allseits orientiert aufgetreten sei. Im sozialmedizinischen Gutachten des Dr. M wird festgehalten, dass keine Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen zu verzeichnen seien. Auch wurden keine Hinweise für eine depressiv gedeckte Stimmungslage oder veränderte Grundstimmung festgestellt. Weiter wurden dem Sohn der Klägerin ein ausreichend situationsgerechtes Verhalten bei normaler Zuwendung und Öffnung gegenüber dem untersuchenden Arzt attestiert. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Sohn der Klägerin in der Lage gewesen wäre, sich innerhalb von drei Monaten in die benannte Verweisungstätigkeit einzuarbeiten.

Zu keiner anderen rechtlichen Bewertung vermag die Auskunft des Landesarbeitsamtes betreffend die Erforderlichkeit von Computerkenntnissen für die hier maßgebliche Verweisungstätigkeit zu führen. Der Senat kann offen lassen, ob - wie das Landesarbeitsamt ohne nähere substantiierte Darlegung meint - inzwischen aufgrund der technischen Entwicklung im Bereich der Bürotätigkeiten auch in einer Poststelle Computerkenntnisse "allgemein erforderlich" geworden sind. Selbst wenn man derartige Computerkenntnisse auch für Mitarbeiter einer Poststelle für notwendig erachten wollte, so handelt es sich hierbei nach Auskunft des Landesarbeitsamtes um Grundkenntnisse im Bereich von Microsoft Windows und Microsoft Office, wobei sich der Vertiefungsgrad in den einzelnen Anwendungen nach dem entsprechenden Einsatzgebiet richtet. Bei einem Bewerber mit durchschnittlichem allgemeinen intellektuellen Leistungsvermögen und durchschnittlicher Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit ist nach der Auskunft davon auszugehen, dass dieser sich die fehlenden Computerkenntnisse in einer längstens bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung unter Anleitung aneignen kann. Dass beim Sohn der Klägerin eine unzureichende geistige Leistungsfähigkeit und damit eine fehlende Umstellungsfähigkeit vorhanden gewesen wäre, ist für den Senat - wie bereits oben dargelegt - nicht erkennbar.

Nach alledem war der Sohn der Klägerin nicht berufsunfähig, so dass der Berufung der Beklagten stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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