Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AL 418/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 264/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 65 Abs. 1 SGB III (in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung) findet auch dann Anwendung, wenn der Wohnort des oder der Auszubildenden mit dem Ort der Ausbildungsstätte identisch ist und deshalb keine im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe erstattungsfähigen Fahrkosten anfallen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.09.2014 abgeändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 für die Zeit ab September 2014 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ratenfreie Prozesskostenhilfe ab dem 29.10.2014 bewilligt und Rechtsanwältin M, H, beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgemäße Beschwerde der Antragsgegnerin vom 02.10.2014, eingegangen am 06.10.2014, gegen den ihr am 12.09.2014 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.09.2014, ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.08.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 ab September 2014 angeordnet bzw. wiederhergestellt. Der entsprechende, sinngemäße Antrag des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
1.) Die Antragsgegnerin und das Sozialgericht haben den am 26.08.2014 bei dem Sozialgericht eingegangenen Eilantrag des Antragstellers zu Recht als Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 angesehen, mit welchem diese dem Antragsteller Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe von monatlich 457,00 EUR in der Zeit vom 10.09.2013 bis 31.01.2014 sowie monatlich 331,00 EUR in der Zeit vom 01.02.2014 bis 09.03.2015 bewilligt und den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.01.2014 insoweit teilweise ab dem 01.02.2014 gemäß § 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufgehoben hat.
a) Das Sozialgericht hat den Eilantrag des Antragstellers in verständiger Auslegung seines Begehrens (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) zutreffend als solchen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.06.2014 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG qualifiziert. Dieser ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn der Antragsteller begehrt in der (Haupt-)Sache die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 03.06.2014, soweit dieser unter teilweiser Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 die dem Kläger monatlich gewährte BAB für die Zeit ab dem 01.02.2014 bis zum 09.03.2015 von 457,00 EUR auf 331,00 EUR monatlich absenkt. Der Art nach würde es sich in einem nachfolgenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren um eine "reine" Anfechtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG mit dem Ziel handeln, durch teilweise Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2014 das Wiederaufleben des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 für die Zeit ab dem 01.02.2014 zu erreichen (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X).
b) Dem Widerspruch des Antragstellers ist nicht schon deswegen die aufschiebende Wirkung zu versagen, weil der angegriffene Bescheid vom 03.06.2014 bestandskräftig und damit bindend geworden wäre (vgl. § 77 SGG). Denn ein den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist auslösender Zugang dieses Bescheides (s. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) bei dem Antragsteller vor dem 26.08.2014, als der Bevollmächtigten des Antragstellers eine Zweitschrift des BAB-Bescheides übersendet worden ist, kann nach Aktenlage nicht festgestellt werden. Da der Antragsteller geltend gemacht hat, dass ihm der Bescheid vom 03.06.2014 zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden sei und diesem ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin als "Entwurf" bezeichneten Bescheid kein sog. Ab-Vermerk mit dem Handzeichen des zuständigen Sachbearbeiters zu entnehmen ist, kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die "3-Tages-Fiktion" des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen und bleibt insoweit gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 SGB X materiell beweisbelastet.
c) Der Widerspruch des Antragstellers hat jedoch wegen § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, auf den § 336a Satz 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ausdrücklich verweist, abweichend von der Grundregel des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung u.a. in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Der Begriff des "Entziehens" ist weit zu verstehen und beschränkt sich nicht auf Verwaltungsakte nach § 66 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), sondern umfasst auch die Aufhebung einer bewilligten Leistung, wie sie hier - teilweise - erfolgt ist (Senat, Beschl. v. 17.02.2012 - L 9 AL 370/11 B ER -, juris Rn. 6; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86a Rn. 14).
Der angegriffene Bescheid vom 03.06.2014 entzieht eine laufende Leistung, soweit der Zahlbetrag der BAB von 457,00 EUR auf 331,00 EUR für die Zeit vom 01.02.2014 bis 09.03.2015 abgesenkt worden ist. Insoweit kann dahinstehen, ob der Begriff der "laufenden Leistung" als Gegensatz zur einmaligen Leistung zu verstehen ist und wiederkehrende Leistungen, gleichgültig ob sie nur in der Vergangenheit geleistet wurden oder auch für die Zukunft entzogen werden, meint (so LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2003 - L 13 AL 4260/02 ER-B -, juris Rn. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rn. 14) oder für die Entziehung einer laufenden Leistung zu verlangen ist, dass die Leistung im Zeitpunkt der Klage oder des Widerspruchs noch läuft, also die Beseitigung der Leistung zumindest auch (in diesem Sinne LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.01.2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B -, juris Rn. 5; Beschl. v. 20.03.2003 - L 13 AL 3445/03 ER-B -, juris Rn. 4; HessLSG, Beschl. v. 17.11.2004 - L 6 AL 116/04 ER -, juris Rn. 29) oder sogar ausschließlich (so Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: Nov. 2011, § 336a Rn. 39) mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Die Leistungen der BAB, die aufgrund des teilweise ab dem 01.02.2014 aufgehobenen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 zu erbringen gewesen wären, sind in jedem Fall laufende Leistungen i.S.d. § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, weil die Antragsgegnerin ohne diese Aufhebung BAB-Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe von 457,00 EUR bis 09.03.2015 hätte zahlen müssen. Auch handelt es sich hierbei nicht um einmalige, sondern wiederkehrende Leistungen zur Deckung des lfd. Lebensunterhaltes sowie der Ausbildungskosten bei einer Berufsausbildung (vgl. § 61 SGB III).
2.) Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die das Sozialgericht als solche zutreffend dargestellt hat, so dass insoweit auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG), liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des die teilweise Aufhebung beinhaltenden Bescheides vom 03.06.2014 das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Denn der angegriffene Bescheid erweist sich auch insoweit als rechtmäßig.
a) Die Antragsgegnerin hat die im Grundsatz als Bedarf nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB III anerkennungsfähigen Fahrkosten des Antragstellers ab dem 01.02.2014 zu Recht nicht mehr berücksichtigt. Denn in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 vorgelegen haben, ist insoweit eine Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, als der Antragsteller im Februar 2014 nach Geldern und damit an den Ort seiner Ausbildungsstätte verzogen ist und ihm seit diesem Umzug nach Lage der Akten keine regelmäßigen Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Ausbildungsstätte entstehen. Soweit der Antragsteller weiterhin die Fahrtkosten für den Weg vom Wohnort zur in Düsseldorf gelegenen Stätte des in Blockform abgehaltenen Berufsschulunterrichts geltend macht, steht dem die seit dem 01.04.2012 gültige Regelung des § 65 Abs. 1 SGB III entgegen. Danach wird für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform ein Bedarf zugrunde gelegt, der für Zeiten ohne Berufsschulunterricht zugrunde zu legen wäre. Daraus folgt, dass bei der Bedarfsbestimmung allein und - für die Zeiten des Berufsschulunterrichts in Blockform - fiktiv auf die Fahrkosten zur Ausbildungsstelle und eben nicht auch die Berufsschule abzustellen ist (jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 2; vgl. auch Hassel, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 65 Rn. 2).
b) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist § 65 Abs. 1 SGB III angesichts seines eindeutigen Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Norm auch auf den Antragsteller anzuwenden. Jede andere Entscheidung, etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Auch bestehen gegen die Anwendung der Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach dem im Wortlaut des § 65 Abs. 1 SGB III niedergelegten und in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6277, S. 98 f.) eindeutig zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers stellt die am 01.04.2012 in Kraft getretene Neufassung der Vorschrift durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I, S. 2854) eine klarstellende Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zu § 73 Abs. 1a SGB III a.F. dar, wonach die Bundesagentur einen von Anfang an bekannten und feststehenden Bedarf für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform jedenfalls dann nicht unberücksichtigt lassen durfte, wenn sie ohnehin im Fall der BAB-Bewilligung Berechnungen für Fahrkosten durchführte oder diese Berechnungen änderte (BSG, Urt. v. 06.05.2009 - B 11 AL 37/07 R -, juris Rn. 21). Nach dem auch vom Sozialgericht zur Kenntnis genommenen, wörtlich zitierten und insoweit eindeutigen Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 65 Abs. 1 SGB III n.F., wonach im Sinne der Verwaltungsvereinfachung sowie einer bundeseinheitlichen Förderungspraxis unter Berücksichtigung der verfassungsgemäßen Zuständigkeit der Länder für die Organisation des Berufsschulunterrichts BAB ohne Berücksichtigung des Berufsschulunterrichts in Blockform geleistet wird (BT-Drs. 17/6277, S. 99), ist diese Rechtsprechung des BSG nicht mehr, auch nicht mehr entsprechend, heranzuziehen (ebenso Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 63 Rn. 9; jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 13; vgl. auch Hassel, in: Brand, a.a.O., § 65 Rn. 3). Damit ist ein besonderer Bedarf für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn ein solcher Bedarf bereits - wie hier - bei der erstmaligen Bewilligung bekannt ist (jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 13).
Die Sozialgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des § 65 Abs. 1 SGB III diesen eindeutigen gesetzgeberischen Willen im Rahmen ihrer Bindung an Recht und Gesetz hinzunehmen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Begründung des Gesetzgebers für den generellen Ausschluss der Berücksichtigung von Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform "überzeugt" oder nicht. Insoweit ist für eine von dem Sozialgericht angedeutete teleologische Reduktion der Vorschrift auch für den Fall kein Raum, dass - wie bei dem Antragsteller - der Wohnort mit dem Ort der Ausbildungsstätte identisch ist, so dass keine erstattungsfähigen Fahrkosten mehr anfallen. Den hieraus in diesem Einzelfall folgenden, völligen Ausschluss einer Berücksichtigung von Fahrkosten mag der Antragsteller aus seiner verständlichen subjektiven Sicht als ungerecht empfinden. Dies kann aber nicht dazu führen, die gerade aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung geschaffene Regelung des § 65 Abs. 1 SGB III entgegen dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen und damit contra legem nicht anzuwenden. Dies wäre - im Rahmen eines Eilverfahrens - allenfalls denkbar, wenn greifbare Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen würden und das Verfahren in der Hauptsache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift einzuholen wäre. Anhaltspunkte, an der Verfassungsmäßigkeit des § 65 Abs. 1 SGB III, etwa im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und/oder Art. 12 Abs. 1 GG, zu zweifeln, hat der Senat jedoch nicht. Bei der Festlegung der Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe kommt dem Gesetzgeber wie in anderen Bereichen der gewährenden Staatstätigkeit ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 09.11.2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 10 m.w.N.), den er mit der Nichtberücksichtigung des Berufsschulunterrichts in Blockform nicht überschritten hat. Vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber hervorgehobenen, legitimen Ziels der Verwaltungsvereinfachung sowie der nachvollziehbaren Erwägung, dass die Mehrkosten, die durch die von den Ländern bewusst getroffene Entscheidung der Organisation des Berufsschulunterrichts im Blockform verursacht werden, nicht auf die Beitragszahler zur Arbeitsförderung übertragen werden können (BT-Drs. 17/6277, S. 99), ist für eine etwaige Überschreitung dieses gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nichts ersichtlich. Auch ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade im Bereich des Sozialrechts schon lange anerkannt, dass im Einzelfall auftretende Härten bei der Anwendung von typisierenden und pauschalisierenden Regelungen wie hier § 65 Abs. 1 SGB III an deren Verfassungsmäßigkeit nichts zu ändern vermögen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 16.07.2012 - 1 BvR 2983/10 -, juris Rn. 49 m.w.N.).
3.) Dem Antragsteller war hingegen für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu bewilligen. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Antragstellers war vorliegend nicht zu prüfen, weil die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Der Antragsteller ist auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder teilweise aus seinem Einkommen oder Vermögen aufzubringen (§ 115 ZPO).
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5.) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgemäße Beschwerde der Antragsgegnerin vom 02.10.2014, eingegangen am 06.10.2014, gegen den ihr am 12.09.2014 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.09.2014, ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.08.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 ab September 2014 angeordnet bzw. wiederhergestellt. Der entsprechende, sinngemäße Antrag des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
1.) Die Antragsgegnerin und das Sozialgericht haben den am 26.08.2014 bei dem Sozialgericht eingegangenen Eilantrag des Antragstellers zu Recht als Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 angesehen, mit welchem diese dem Antragsteller Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe von monatlich 457,00 EUR in der Zeit vom 10.09.2013 bis 31.01.2014 sowie monatlich 331,00 EUR in der Zeit vom 01.02.2014 bis 09.03.2015 bewilligt und den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.01.2014 insoweit teilweise ab dem 01.02.2014 gemäß § 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufgehoben hat.
a) Das Sozialgericht hat den Eilantrag des Antragstellers in verständiger Auslegung seines Begehrens (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) zutreffend als solchen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.06.2014 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG qualifiziert. Dieser ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn der Antragsteller begehrt in der (Haupt-)Sache die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 03.06.2014, soweit dieser unter teilweiser Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 die dem Kläger monatlich gewährte BAB für die Zeit ab dem 01.02.2014 bis zum 09.03.2015 von 457,00 EUR auf 331,00 EUR monatlich absenkt. Der Art nach würde es sich in einem nachfolgenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren um eine "reine" Anfechtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG mit dem Ziel handeln, durch teilweise Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2014 das Wiederaufleben des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 für die Zeit ab dem 01.02.2014 zu erreichen (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X).
b) Dem Widerspruch des Antragstellers ist nicht schon deswegen die aufschiebende Wirkung zu versagen, weil der angegriffene Bescheid vom 03.06.2014 bestandskräftig und damit bindend geworden wäre (vgl. § 77 SGG). Denn ein den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist auslösender Zugang dieses Bescheides (s. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) bei dem Antragsteller vor dem 26.08.2014, als der Bevollmächtigten des Antragstellers eine Zweitschrift des BAB-Bescheides übersendet worden ist, kann nach Aktenlage nicht festgestellt werden. Da der Antragsteller geltend gemacht hat, dass ihm der Bescheid vom 03.06.2014 zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden sei und diesem ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin als "Entwurf" bezeichneten Bescheid kein sog. Ab-Vermerk mit dem Handzeichen des zuständigen Sachbearbeiters zu entnehmen ist, kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die "3-Tages-Fiktion" des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen und bleibt insoweit gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 SGB X materiell beweisbelastet.
c) Der Widerspruch des Antragstellers hat jedoch wegen § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, auf den § 336a Satz 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ausdrücklich verweist, abweichend von der Grundregel des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung u.a. in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Der Begriff des "Entziehens" ist weit zu verstehen und beschränkt sich nicht auf Verwaltungsakte nach § 66 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), sondern umfasst auch die Aufhebung einer bewilligten Leistung, wie sie hier - teilweise - erfolgt ist (Senat, Beschl. v. 17.02.2012 - L 9 AL 370/11 B ER -, juris Rn. 6; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86a Rn. 14).
Der angegriffene Bescheid vom 03.06.2014 entzieht eine laufende Leistung, soweit der Zahlbetrag der BAB von 457,00 EUR auf 331,00 EUR für die Zeit vom 01.02.2014 bis 09.03.2015 abgesenkt worden ist. Insoweit kann dahinstehen, ob der Begriff der "laufenden Leistung" als Gegensatz zur einmaligen Leistung zu verstehen ist und wiederkehrende Leistungen, gleichgültig ob sie nur in der Vergangenheit geleistet wurden oder auch für die Zukunft entzogen werden, meint (so LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2003 - L 13 AL 4260/02 ER-B -, juris Rn. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rn. 14) oder für die Entziehung einer laufenden Leistung zu verlangen ist, dass die Leistung im Zeitpunkt der Klage oder des Widerspruchs noch läuft, also die Beseitigung der Leistung zumindest auch (in diesem Sinne LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.01.2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B -, juris Rn. 5; Beschl. v. 20.03.2003 - L 13 AL 3445/03 ER-B -, juris Rn. 4; HessLSG, Beschl. v. 17.11.2004 - L 6 AL 116/04 ER -, juris Rn. 29) oder sogar ausschließlich (so Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: Nov. 2011, § 336a Rn. 39) mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Die Leistungen der BAB, die aufgrund des teilweise ab dem 01.02.2014 aufgehobenen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 zu erbringen gewesen wären, sind in jedem Fall laufende Leistungen i.S.d. § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, weil die Antragsgegnerin ohne diese Aufhebung BAB-Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe von 457,00 EUR bis 09.03.2015 hätte zahlen müssen. Auch handelt es sich hierbei nicht um einmalige, sondern wiederkehrende Leistungen zur Deckung des lfd. Lebensunterhaltes sowie der Ausbildungskosten bei einer Berufsausbildung (vgl. § 61 SGB III).
2.) Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die das Sozialgericht als solche zutreffend dargestellt hat, so dass insoweit auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG), liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des die teilweise Aufhebung beinhaltenden Bescheides vom 03.06.2014 das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Denn der angegriffene Bescheid erweist sich auch insoweit als rechtmäßig.
a) Die Antragsgegnerin hat die im Grundsatz als Bedarf nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB III anerkennungsfähigen Fahrkosten des Antragstellers ab dem 01.02.2014 zu Recht nicht mehr berücksichtigt. Denn in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 20.01.2014 vorgelegen haben, ist insoweit eine Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, als der Antragsteller im Februar 2014 nach Geldern und damit an den Ort seiner Ausbildungsstätte verzogen ist und ihm seit diesem Umzug nach Lage der Akten keine regelmäßigen Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Ausbildungsstätte entstehen. Soweit der Antragsteller weiterhin die Fahrtkosten für den Weg vom Wohnort zur in Düsseldorf gelegenen Stätte des in Blockform abgehaltenen Berufsschulunterrichts geltend macht, steht dem die seit dem 01.04.2012 gültige Regelung des § 65 Abs. 1 SGB III entgegen. Danach wird für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform ein Bedarf zugrunde gelegt, der für Zeiten ohne Berufsschulunterricht zugrunde zu legen wäre. Daraus folgt, dass bei der Bedarfsbestimmung allein und - für die Zeiten des Berufsschulunterrichts in Blockform - fiktiv auf die Fahrkosten zur Ausbildungsstelle und eben nicht auch die Berufsschule abzustellen ist (jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 2; vgl. auch Hassel, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 65 Rn. 2).
b) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist § 65 Abs. 1 SGB III angesichts seines eindeutigen Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Norm auch auf den Antragsteller anzuwenden. Jede andere Entscheidung, etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Auch bestehen gegen die Anwendung der Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach dem im Wortlaut des § 65 Abs. 1 SGB III niedergelegten und in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6277, S. 98 f.) eindeutig zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers stellt die am 01.04.2012 in Kraft getretene Neufassung der Vorschrift durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I, S. 2854) eine klarstellende Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zu § 73 Abs. 1a SGB III a.F. dar, wonach die Bundesagentur einen von Anfang an bekannten und feststehenden Bedarf für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform jedenfalls dann nicht unberücksichtigt lassen durfte, wenn sie ohnehin im Fall der BAB-Bewilligung Berechnungen für Fahrkosten durchführte oder diese Berechnungen änderte (BSG, Urt. v. 06.05.2009 - B 11 AL 37/07 R -, juris Rn. 21). Nach dem auch vom Sozialgericht zur Kenntnis genommenen, wörtlich zitierten und insoweit eindeutigen Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 65 Abs. 1 SGB III n.F., wonach im Sinne der Verwaltungsvereinfachung sowie einer bundeseinheitlichen Förderungspraxis unter Berücksichtigung der verfassungsgemäßen Zuständigkeit der Länder für die Organisation des Berufsschulunterrichts BAB ohne Berücksichtigung des Berufsschulunterrichts in Blockform geleistet wird (BT-Drs. 17/6277, S. 99), ist diese Rechtsprechung des BSG nicht mehr, auch nicht mehr entsprechend, heranzuziehen (ebenso Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 63 Rn. 9; jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 13; vgl. auch Hassel, in: Brand, a.a.O., § 65 Rn. 3). Damit ist ein besonderer Bedarf für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn ein solcher Bedarf bereits - wie hier - bei der erstmaligen Bewilligung bekannt ist (jurisPK-SGB III/Herbst, § 65 Rn. 13).
Die Sozialgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des § 65 Abs. 1 SGB III diesen eindeutigen gesetzgeberischen Willen im Rahmen ihrer Bindung an Recht und Gesetz hinzunehmen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Begründung des Gesetzgebers für den generellen Ausschluss der Berücksichtigung von Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform "überzeugt" oder nicht. Insoweit ist für eine von dem Sozialgericht angedeutete teleologische Reduktion der Vorschrift auch für den Fall kein Raum, dass - wie bei dem Antragsteller - der Wohnort mit dem Ort der Ausbildungsstätte identisch ist, so dass keine erstattungsfähigen Fahrkosten mehr anfallen. Den hieraus in diesem Einzelfall folgenden, völligen Ausschluss einer Berücksichtigung von Fahrkosten mag der Antragsteller aus seiner verständlichen subjektiven Sicht als ungerecht empfinden. Dies kann aber nicht dazu führen, die gerade aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung geschaffene Regelung des § 65 Abs. 1 SGB III entgegen dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen und damit contra legem nicht anzuwenden. Dies wäre - im Rahmen eines Eilverfahrens - allenfalls denkbar, wenn greifbare Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen würden und das Verfahren in der Hauptsache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift einzuholen wäre. Anhaltspunkte, an der Verfassungsmäßigkeit des § 65 Abs. 1 SGB III, etwa im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und/oder Art. 12 Abs. 1 GG, zu zweifeln, hat der Senat jedoch nicht. Bei der Festlegung der Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe kommt dem Gesetzgeber wie in anderen Bereichen der gewährenden Staatstätigkeit ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 09.11.2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 10 m.w.N.), den er mit der Nichtberücksichtigung des Berufsschulunterrichts in Blockform nicht überschritten hat. Vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber hervorgehobenen, legitimen Ziels der Verwaltungsvereinfachung sowie der nachvollziehbaren Erwägung, dass die Mehrkosten, die durch die von den Ländern bewusst getroffene Entscheidung der Organisation des Berufsschulunterrichts im Blockform verursacht werden, nicht auf die Beitragszahler zur Arbeitsförderung übertragen werden können (BT-Drs. 17/6277, S. 99), ist für eine etwaige Überschreitung dieses gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nichts ersichtlich. Auch ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade im Bereich des Sozialrechts schon lange anerkannt, dass im Einzelfall auftretende Härten bei der Anwendung von typisierenden und pauschalisierenden Regelungen wie hier § 65 Abs. 1 SGB III an deren Verfassungsmäßigkeit nichts zu ändern vermögen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 16.07.2012 - 1 BvR 2983/10 -, juris Rn. 49 m.w.N.).
3.) Dem Antragsteller war hingegen für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu bewilligen. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Antragstellers war vorliegend nicht zu prüfen, weil die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Der Antragsteller ist auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder teilweise aus seinem Einkommen oder Vermögen aufzubringen (§ 115 ZPO).
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5.) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
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