L 12 SF 1021/14 E

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SF 1021/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung der Antragstellerin für das in dem Rechtsstreit L 11 R 2862/13 erstattete Zusatzgutachten vom *568,95 EUR wird auf **418,95 EUR festgesetzt. *28.12.2013 ** 568,95 EUR Berichtigt gemäß Berichtiungsbeschluss vom 21.11.2014 Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängig gewesenen Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen R 11 R 2862/13 ging es um die Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das LSG ernannte mit Schreiben vom 13.08.2013 Prof. Dr. S.zum Sachverständigen und bat ihn um Erstattung eines schriftlichen Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Dieser holte mit Einverständnis des Gerichts ein Zusatzgutachten bei der Antragstellerin ein. Das Gutachten vom 28.12.2013 umfasst 10 Seiten und 17.197 Zeichen.

Mit Rechnung vom 17.12.2013 hat die Antragstellerin dafür eine Vergütung von insgesamt 568,95 EUR verlangt. Sie hat einen Stundensatz von 75,00 EUR nach der Honorargruppe M 2 zugrunde gelegt und einen Zeitaufwand von 8 Stunden angegeben.

Die Kostenbeamtin hat mit Schreiben vom 06.02.2014 eine Vergütung von insgesamt 418,95 EUR errechnet. Mit näheren Ausführungen zur Plausibilitätsprüfung des geltend gemachten Zeitaufwands hat sie insgesamt 5,5 Stunden zugrunde gelegt.

Einzelnen stehen sich folgende Bewertungen gegenüber: Antragstellerin Kostenbeamtin Untersuchung mit Anamnese 2,0 h 2,0 h Auswertung Untersuchungsergebnisse 1,0 h 0,5 h Niederschrift Untersuchungsergebnisse / Abfassung, Diktat 2,5 h 0,7 h Beurteilung 0,4 h Korrektur 1,0 h 0,5 h Anfahrt in die Klinik 1,0 h 1,0 h Gesamtzeitaufwand (gerundet) 8,0 h 5,5 h

Mit Schreiben vom 18.02.2014 beantragte die Antragstellerin die richterliche Festsetzung der Erstattung. Er habe Gesundheitsstörungen der Haltungs- und Bewegungsorgane wie auch seelische Gesundheitsstörungen erfassen, zusammenführen und bewerten müssen. Dies entspreche einem hohen Schwierigkeitsgrad. Die Bilddokumentation unterstütze den Text.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn - wie hier - der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt Der Senat entscheidet darüber nach § 4 Absatz 7 Satz 1 JVEG durch den Berichterstatter; Gründe für eine Übertragung des Verfah¬rens auf den Senat liegen nicht vor.

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Absatz 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kos-tenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine ledig-lich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68; Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2014 - L 15 SF 123/14 juris). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/B ach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rn. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädi-gungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kos-tenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der re-formatio in peius gilt nicht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2014 - L 15 SF 123/14 -juris; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, 26. Aufl. 2014, § 4, Rn. 12 - m.w.N.).

Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9 JVEG. Gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 i.V.m. § 9 Absatz 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorar-gruppe (§ 9 Absatz 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Absatz 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Ab-satz 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt.

Das Gutachten vom 28.12.2013 ist antragsgemäß nach der Honorargruppe M 2 mit einem Stun-densatz von 75,00 EUR zu vergüten. Streitig ist vorliegenden Fall lediglich der Zeitaufwand - für die Arbeitsschritte "Auswertung Untersuchungsergebnisse", "Niederschrift Untersuchungser-gebnisse" sowie "Durchsicht/Korrektur". Nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 JVEG erhält der Sach-verständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen zu bemes-sen ist. Dementsprechend wird es gemäß § 8 Ab-satz 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit ein Honorar gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls be¬trägt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages. Für die Ermitt¬lung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es nicht auf die vom Sachverständigen tat-sächlich aufgewandten Stunden an. Die Zeit, die erforderlich ist, hängt nicht von der individuel-len Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Ma߬stab zu bestimmen (Meyer/Höver/Bach, JVEG, 26. Aufl., § 8 Rn. 13).

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig nur eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfah-rungswerte statt (Beschluss des Senats vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A). Zu-sammenfassend gestaltet sich die kostenrechtliche Prüfling demnach so, dass in einem ersten Schritt im Ralimen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf soge-nannte Standardseiten mit 2.700 Anschlägen je Seite umgerechnet wird und anhand von Erfah-rungswerten (Blätter je Stunde im Fall der Aktendurchsicht bzw. Seiten je Stunde) für die jewei-lige Tätigkeit (Aktendurchsicht, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung einschließlich Beantwortung der Beweisfragen, Korrektur) ein Zeitaufwand ermittelt wird, der im Fall eines Routinegutachtens zu erwarten ist (Beschluss des Senats vom 5. April 2005 - L 12 SB 795/05 KO-A - Juris). Überschreitet der Sachverständige mit seinem geltend gemachten Zeitaufwand das Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich - insbe-sondere aus dem Gutachten selbst unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zeitaufwandes und ggf. vom Sachverständigen dargelegter Umstände - Hinweise ergeben, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung rechtfertigen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Kostenrechnung vorlegt, anhand derer eine solche Prüfung vorgenommen werden kann. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Sachverständige die Kostenrech-nung unter Mitteilung seines tatsächlichen Zeitaufwandes entsprechend der Vorgaben verfasst, wie sie ihm im Hinweisblatt mitgeteilt worden sind. Das vorliegende Gutachten mit 17.197 Anschlägen entspricht 6,37 Standardseiten mit 2.700 An-schlägen. Hierbei legt der Senat hinsichtlich der Zeichendichte die vom Gesetzgeber für die Schreibgebühren vorgegebenen Grundsätze (ca. 2.700 Anschläge einschließlich Leerzeichen pro Seite, vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 184) zu Grunde. Auch wenn eine Standardseite mit weniger An-schlägen berechnet würde, würde sich am Ergebnis der Plausibilitätsprüfung nichts ändern, weil dann entsprechend den Erfahrungswerten des Senats die leistbare Seitenzahl je Stunde anzuhe-ben wäre, tm Einzelnen ergibt sich: 1. Aktendurchsicht einschließlich Diktat Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist (Beschluss des Senats vom 5. April 2005 - L 12 SB 795/05 KO-A - Juris) ist hier eine Stunde für 200 Seiten mit bis zu 50 % gutachtensrelevan-tem Anteil anzusetzen, so dass sich für 500 Seiten ein Zeitaufwand von 2,5 Stunden errechnet. 2. Untersuchung Hier sind ebenfalls die geltend gemachten Stunden anzusetzen. 3. Diktat Anamnese und Befunde Hinsichtlich des zeitlichen Aufwands ist zu differenzieren zwischen dem Diktat der Anamnese und der Befunde einerseits und der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen anderer-seits. Denn anders als das Diktat von Anamnese und Befunden stellt die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen die eigentliche Gedankenarbeit mit der Auswertung der Befun-de und deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen dar. Dementsprechend ist. der zeitli-che Aufwand für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat wesentlich höher anzunehmen, als die Wiedergabe von Anamnese und erhobenen Befunden. Auch insoweit verfügt der Senat über Erfahrungswerte und hält beim außerhalb der Untersu-chung erfolgtem Diktat von Anamnese und Befunden einen zeitlichen Aufwand von einer Stun-de für acht Seiten im Falle der Darstellung standardisiert erhobener Anamnese und Befunde (häufig in orthopädischen Gutachten) bzw. einen zeitlichen Aufwand von einer Stunde für sechs Seiten bei ausführlicher und komplizierterer Darstellung (beispielsweise in psychiatrischen Gut-achten) für akzeptabel. Anamnese und Befunde nehmen insgesamt 4,14 Standardseiten ein, wo-raus sich somit ein Zeitaufwand von 0,7 Stunden für diesen Arbeitsschritt errechnet.

4. Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat Beim Arbeitsschritt Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen hält der Senat nach noch-maliger Überprüfung den bisher angesetzten Erfahrungswert von einer Stunde für 2,5 Seiten (Standardseiten) für zu knapp bemessen (Beschluss des Senats vom 14. Januar 2014 - L 12 KO 4491/12 B - juris). Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat sowohl nach eigener Einschätzung als auch nach einem Vergleich mit der Rechtsprechung der anderen Landessozialgerichte. So¬weit die veröffentlichte Rechtsprechung dazu Erfahrungswerte zugrunde legt, wird für die Beur-teilung und Beantwortung der Beweisfragen ganz überwiegend eine Stunde für eine Seite ange-setzt (Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Mai 2012 - L 15 SF 104/11 -NZS 2012, 959; LSG Hessen, Beschluss vom 11. April 2005 - L 2/9 SF 82/04 - Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Be¬schluss vom 16. November 2011 - L 5 PE 55/10, Juris; eine Stunde für 1,5 Seiten: Thüringer LSG, Beschluss vom 03. April 2012 - L 6 SF 306/12 B - Juris). Auch hier gibt es Unterschiede in den Einzelheiten. Vergleicht man die zitierte Rechtsprechung mit dem vom Senat bisher ange¬setzten Erfahrungswert von einer Stunde für 2,5 Standardseiten, ist zudem zu berücksichtigen, dass die genannten Entscheidungen bei der Bestimmung der maßgeblichen Seitenzahl entweder eine Umrechnung in Standardseiten ablehnen (Thüringer LSG, LSG Rheinland-Pfalz) oder die Standardseite mit 1800 Anschlägen (Bayerisches LSG, LSG Hessen) oder 2000 Anschlägen (Schleswig Holsteinisches LSG) ansetzen; ferner wird das Diktat einem anderen Arbeitsschritt zugerechnet, d. h. extra vergütet. Der Senat hält deshalb auch hier eine gewisse Annäherung für gerechtfertigt und setzt - ohne Änderung seiner Rechtsprechung im übrigen - für 1,5 Standard- Seiten einen erforderlichen Zeitaufwand von einer Stunde an (Beschluss vom 14. Januar 2014 -L 12 KO 4491/12 B - juris). Somit sind für die 1 Seiten (0,64 Standardseiten) in diesem Arbeits-schritt 0,4 Stunden anzusetzen.

5. Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht Für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht sieht der Senat unter Berücksichti-gung der o.g. Kriterien einen Zeitaufwand von einer Stunde für zwölf Seiten als angemessen an. So dass die seitens der Kostenbeamtin angesetzten 0,5 Stunden nicht zu beanstanden sind.

Nicht zu beanstanden ist die Abrechnung der Anfahrt in die Klinik, da die Klägerin im Aus-gangsverfahren dort begutachtet werden sollte.

Insgesamt ergibt also folgende Stundenzahl:

Aktenstudium 2,5 h Untersuchung mit Anamnese 2,0 h Auswertung Untersuchungsergebnisse 0,5 h Niederschrift Untersuchungsergebnisse / Abfassung, Diktat 0,7 h Beurteilung 0,4 h Korrektur 0,5 h Anfahrt in die Klinik 1,0 h Gesamtzeitaufwand (gerundet) 8,0 h

Dies entspricht dem von der Antragstellerin geltend gemachten Zeitaufwand. Da die anderen Posten nicht zu beanstanden sind, ist der beantragte Betrag von 568,95 EUR festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Ab-satz 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Absatz 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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