Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 4074/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1042/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.01.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Kieferorthopäde streitig.
Der am 12.01.1978 geborene Kläger war nach Abschluss seiner Ausbildung zum Zahnarzt (Approbation als Zahnarzt am 15.12.2006) in der Zeit von 2007 bis zum 27.09.2012 als angestellter Zahnarzt in der Praxis Dres. S., H., W. & Kollegen in G. beschäftigt. Im Anschluss an seine Ausbildung zum Zahnarzt absolvierte der Kläger eine vierjährige Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie (Verleihung des Titels Fachzahnarzt für Kieferorthopädie durch die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg mit Urkunde vom 17.04.2012). Mit Beschluss des Zulassungsausschusses der Zahnärzte Baden-Württemberg - Regierungsbezirk S. - vom 21.09.2012 wurde der Kläger als Vertragszahnarzt in G.-Mitte beschränkt auf das Fachgebiet Kieferorthopädie zugelassen. Der Beschluss enthält den Zusatz, dass die vertragszahnärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses aufzunehmen ist.
Mit Schreiben vom 27.09.2012, bei der Beklagten am 28.09.2012 eingegangen, meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 28.09.2012 arbeitslos und beantragte die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses, da er ab dem 15.10.2012 in eigener Praxis als Kieferorthopäde in G. tätig sein werde. Ausweislich eines auf diesem Schreiben angebrachten Vermerks der Beklagten sei die Arbeitslosmeldung am 04.10.2012 erfolgt. Mit Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er nehme zum 15.10.2012 eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde auf. Am 08.10.2012 sprach der Kläger gegen 15 Uhr (außerhalb der Öffnungszeiten) in der Eingangszone der Beklagten vor und begehrte die Aushändigung eines Antragsformulars zur Beantragung des Gründungszuschusses. Dabei erhielt er den Hinweis, dass er den Antrag am nächsten Tag während der Öffnungszeiten stellen könne. Das ausgefüllte Antragsformular ging am 15.10.2012 bei der Beklagten ein. Dem Antrag waren eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (C. C. GmbH) über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 10.10.2012, in der die Tragfähigkeit der Existenzgründung bescheinigt wurde, eine Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens, ein Lebenslauf, ein Kapital- und Finanzierungsplan sowie eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, die für die Zeit von Oktober bis Dezember 2012 einen Gewinn vor Steuern von - 46.030,00 EUR, für das Jahr 2013 von - 38.260,00 EUR und für das Jahr 2014 von 59.680,00 EUR auswies. Ferner fügte er dem Antrag den Beschluss des Zulassungsausschusses für Zahnärzte Baden-Württemberg - Regierungsbezirk S. - vom 21.09.2012, die Verleihungsurkunde zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vom 17.04.2012 sowie die Approbationsurkunde zum Zahnarzt des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.12.2006 bei.
Der Kläger nahm die Tätigkeit als selbständiger Kieferorthopäde am 15.10.2012 auf.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie aus, auf dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. So seien der Arbeitsagentur G. sechs Stellen für Kieferorthopäde, Zahnarzt und Kinderzahnarzt gemeldet. Stellenangebote in diesem Umfang bestünden bereits seit geraumer Zeit und es sei nicht davon auszugehen, dass sich dieses Volumen in absehbarer Zeit nennenswert ändere. Darüber hinaus bestünden weitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da viele Stellen den Arbeitsagenturen nicht gemeldet seien. Im Falle des Klägers sei daher die Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorrangig (sog. Vermittlungsvorrang). Nach einer im Rahmen der Ermessensausübung sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte müssten die persönlichen Interessen des Klägers gegenüber denen der Beitragszahler zurücktreten.
Hiergegen legte der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Telefax vom 23.11.2012 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er unter Vorlage eines Ausdrucks der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit vortragen ließ, seine Entscheidung für die Selbständigkeit beruhe darauf, dass eine seiner Qualifikation als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie entsprechende Stelle insbesondere in Göppingen und Umgebung nicht zur Verfügung stehe. Er könne als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie nicht auf eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt verwiesen werden. Dies komme dem Verweis eines Facharztes für Chirurgie auf eine Tätigkeit als Allgemeinmediziner gleich. Das Leistungsspektrum eines Kieferorthopäden sei nicht mit dem eines Zahnarztes vergleichbar, was sich bereits aus der Weiterbildungsordnung für Zahnärzte ergebe, die eine Weiterbildung von vier Jahren für Kieferorthopäden erfordere. Der pauschale Hinweis der Beklagten, es bestünden viele Stellen, die ihr nicht gemeldet seien, lasse keine Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Stellen für Kieferorthopäden zu. Diese Äußerung der Beklagten stelle eine Vermutung "ins Blaue hinein" dar und entspreche nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung. Ferner führe die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dazu, dass er seinen Lebensunterhalt dauerhaft bestreiten könne und kein Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen müsse, was die Interessen der Beitragszahler wahre. Schließlich sei der angegriffene Bescheid nicht hinreichend begründet und lasse eine umfassende Interessenabwägung vermissen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Gewährung eines Gründungszuschusses handele es sich um eine Ermessensleistung. Auch bestehe nach § 4 Abs. 1 SGB III ein Vermittlungsvorrang. Bei der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass der Gründungszuschuss aus Haushaltsmitteln der Agentur für Arbeit finanziert werde, welche nur begrenzt zur Verfügung stünden und wirtschaftlich verwendet werden müssten. Ferner habe eine Prüfung der Agentur für Arbeit ergeben, dass der Kläger in naher Zukunft in ein Beschäftigungsverhältnis als Zahnarzt vermittelt werden könne. Im Tagespendelbereich seien mehrere offene Stellen gemeldet, bei denen die Arbeitgeber einen Zahnarzt suchten. Der Kläger verfüge über eine mehrjährige Berufserfahrung. Damit sei der Gründungszuschuss nicht erforderlich, den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch die Anerkennung des Klägers als Facharzt für Kieferorthopädie im April 2012 führe zu keinem anderen Ergebnis, da es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sei, dass viele Arbeitnehmer eine Beschäftigung unter ihrer nachgewiesenen Qualifikation ausübten. Schließlich sei berücksichtigt worden, dass der Kläger schon vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit, die nicht einmal einen Monat gedauert habe, alles in die Wege geleitet habe, um am 15.10.2012 seine selbständige Tätigkeit aufnehmen zu können. In solchen Fällen sei die Gewährung eines Gründungszuschusses lediglich ein Mitnahmeeffekt, was man seit der Gesetzesänderung am 28.12.2011 nicht mehr fördern wolle.
Dagegen erhob der Klägerbevollmächtigte am 21.12.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm. Zur Begründung trug er über seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren hinausgehend vor, die interne Genehmigungspraxis der Beklagten, welche im Wesentlichen auf deren Haushaltssituation beruhe, sei kein tragfähiger Grund zur Ablehnung eines Gründungszuschusses und könne somit auch der Ermessensentscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Entsprechendes gelte bezüglich der Berücksichtigung eines Mitnahmeeffekts. Ferner habe die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen.
Mit Urteil vom 16.01.2014 wies das Sozialgericht Ulm (SG) die Klage als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, der Kläger habe trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses. Bei der Gewährung eines Gründungszuschusses handele es sich um eine Ermessensleistung der Beklagten. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht ersichtlich, da die Gewährung des Gründungszuschusses nicht die einzig rechtmäßige Entscheidung der Beklagten sei. Weiter habe die Beklagte ermessensfehlerfrei den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss abgelehnt. Insbesondere habe sie das Ermessen nicht fehlerhaft gebraucht, in dem sie den Kläger auf den Vermittlungsvorrang gemäß § 4 Abs. 1 und 2 SGB III verwiesen habe. Hiernach habe die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung sei für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Dies sei hier nicht der Fall, da eine zumutbare Beschäftigung mit der Aussicht auf eine dauerhafte Eingliederung vorliege. Der Kläger verfüge über eine langjährige Berufserfahrung als Zahnarzt. Zudem fänden sich in der Verwaltungsakte mehr als sechs Stellenausschreibungen für Kieferorthopäden bzw. Allgemein- und Kinderzahnärzte im Tagespendelbereich des Klägers. Auch in der Gerichtsakte seien bereits acht Stellen für Zahnärzte zu finden. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass ihm eine Vermittlung in eine Tätigkeit als Zahnarzt unzumutbar sei, da das SGB III grundsätzlich keinen Berufsschutz kenne. Nach § 140 Abs. 1 SGB III seien einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstünden. Weiter sei eine Beschäftigung nach § 140 Abs. 5 SGB III nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehöre, für die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ausgebildet sei oder die sie oder er bisher ausgeübt habe. Im Fall des Klägers sei zu beachten, dass er lediglich auf die Tätigkeiten eines Zahnarztes verwiesen werde, womit im Vergleich zur Tätigkeit als Kieferorthopäde weder ein Ansehensverlust noch eine berufliche Statusminderung verbunden sei. Der Umstand, dass die Ausbildung zum Kieferorthopäden zusätzlich zu der allgemeinen Ausbildung als Zahnarzt noch eine weitere Ausbildung von vier Jahren erfordere, ändere nichts an der Gleichwertigkeit im Sinne des SGB III. Der Kläger unterfalle mit beiden Tätigkeiten bei einer fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes der Qualifikationsgruppe 1 des § 152 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, da beide Tätigkeiten eine Hochschulausbildung erforderten. Vermittlungshemmnisse seien beim Kläger, der über Berufserfahrung als Zahnarzt verfüge, nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehler ergebe sich auch nicht aus dem pauschalen Hinweis der Beklagten auf weitere freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt, welche bei ihr nicht gemeldet seien. Die Beklagte habe bereits acht freie zumutbare Stellen im ortsnahen Bereich des Klägers nachgewiesen und damit eine mögliche zeitnahe Vermittlung ausreichend belegt. Ferner habe der Kläger mit dem Argument, er entlaste die Gemeinschaft der Beitragszahler, indem er statt des Arbeitslosengeldes den Gründungszuschuss in Anspruch nehme, keinen Erfolg, da er von vornherein die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld gar nicht beabsichtigt habe, sondern unmittelbar in die Selbständigkeit habe wechseln wollen. Schließlich sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich im Rahmen der Ermessenserwägungen auf die Haushaltslage berufen habe. Zwar könne die Haushaltslage niemals einzige Ermessenserwägung sein, dürfe aber gemeinsam mit weiteren zutreffenden Ermessenserwägungen mit in die Ermessensentscheidung einfließen, was bereits aus § 7 Satz 1 SGB III folge. Damit habe die Beklagte ihr Ermessen in fehlerfreier Weise ausgeübt, indem sie den Antrag des Klägers auf Gewährung von Gründungszuschuss abgelehnt habe.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.02.2014 zugestellte Urteil des SG hat diese am 28.02.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ein Vermittlungsvorrang habe mangels geeigneter Vermittlungsmöglichkeiten nicht bestanden. Insbesondere sei dem Kläger eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt nicht zumutbar. Der Kläger habe im Rahmen seiner Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in den Jahren vor Antragstellung eine kieferorthopädische, nicht eine allgemein- oder kinderzahnärztliche Tätigkeit ausgeübt, auch wenn er sich noch nicht Facharzt für Kieferorthopädie habe nennen dürfen. Er habe während dieser Zeit mit den gängigen Tätigkeiten eines Allgemein- oder Kinderzahnarztes wie beispielsweise dem Legen von Füllungen nichts mehr zu tun gehabt. Daher sei davon auszugehen, dass er für diese Leistungen im Verhältnis zu einem Allgemein- oder Kinderzahnarzt ein Vielfaches an Zeit benötige, was dazu führe, dass Allgemein- oder Kinderzahnarztpraxen ihn gar nicht erst einstellen würden, da er nicht über die erforderlichen praktischen Fähigkeiten verfüge und die dort anfallenden Tätigkeiten nur extrem zeitaufwendig und damit höchst unwirtschaftlich durchführen könne. Eine geeignete Vermittlungsmöglichkeit bestehe folglich nur in eine Stelle als Kieferorthopäde. Eine kieferorthopädische Tätigkeit sei in den von der Beklagten vorgelegten Stellengesuchen gerade nicht enthalten gewesen. Die pauschalen Behauptungen der Beklagten, es seien sechs Stellen für Kieferorthopäde, Zahn- und Kinderzahnarzt sowie weitere geeignete Stellen, die bei ihr nicht gemeldet seien, bekannt, sei nicht zur Annahme geeigneter Vermittlungsmöglichkeiten geeignet und entspreche nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung. Damit sei die Ermessensentscheidung der Beklagten mangels Vorliegens eines Vermittlungsvorranges fehlerhaft. Weiter verkenne das erstinstanzliche Gericht, dass auch die Voraussetzung einer Ermessensreduktion auf Null gegeben seien. Mangels geeigneter Stellen für eine kieferorthopädische Tätigkeit wäre der Kläger langfristig arbeitslos geworden und hätte zu Lasten der Sozialkassen Arbeitslosengeld beziehen müssen. Es könne weder sachgerecht noch wirtschaftlich sein, dass der Kläger erst 12 Monate arbeitslos sein müsse, bis die Beklagte einsehe, dass geeignete Stellen nicht bestünden, um dann doch den Gründungszuschuss zu gewähren. Hierdurch entstehe eine doppelte Belastung der Solidargemeinschaft, was zu einer Ermessensreduktion auf Null führe. Die Beklagte habe durch ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid, dass die Agentur für Arbeit solche Neugründungen seit dem 28.12.2011 nicht mehr fördern wolle, da dies nur ein Mitnahmeeffekt sei, gezeigt, dass sie den Antrag des Klägers auf jeden Fall abgelehnt hätte. Dies entspreche einer pauschalen Ablehnungspraxis der Beklagten ohne sachgerechte Prüfung, welche in vielen völlig unterschiedlichen Fällen nahezu gleich formuliert vorgenommen werde. Zum Beweis hat er mehrere anonymisierte Ablehnungsbescheide vorgelegt. Ferner habe das Sozialgericht Mannheim in seinem Urteil vom 23.08.2012 - S 14 AL 2139/12 - ausgeführt, es sei erwiesen, dass die Prüfung des Gründungszuschussantrages einzig und allein auf eine Ablehnung ausgerichtet gewesen sei, ohne den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Wenn die Vermittlung in einen Beruf vereinbart oder gefordert werde, der typischerweise selbständig ausgeübt werde, so reduziere sich der Ermessensspielraum der Arbeitsagentur auf Null. Ein solcher Fall sei bei Zahnärzten und Kieferorthopäden anzunehmen. Das Sozialgericht Mannheim habe weiter unter Berufung auf eine Stellungnahme der Arbeitsagentur im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass der Vermittlungsvorrang in einem solchen Fall abwegig sei und der Gründungszuschuss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nach der Neuregelung eine Quasi-Pflichtleistung darstelle. Schließlich erhalte die Regelung zum Gründungszuschuss in der derzeit geltenden Fassung mit ihrer Ausgestaltung als Ermessensleistung keine eindeutigen Voraussetzungen für die Ablehnung bzw. Gewährung des Zuschusses mehr. Die Regelung sei daher als eine europarechtswidrige Norm zu Subventionsgewährung/-beihilfe einzustufen. Durch die ungleiche Behandlung bei der Vergabe des Gründungszuschusses würden einzelne Unternehmen benachteiligt, was zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung führe. Die Vorschrift des § 93 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III verstoße somit gegen Art. 2 und 12 des Grundgesetzes sowie gegen das Wettbewerbsrecht und europarechtliche Vorschriften, weshalb eine Klärung durch Vorlage zum EuGH angeregt werde.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.01.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 auf-zuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren,
hilfsweise den Antrag vom 27.09.2012 auf die Gewährung eines Gründungs-zuschusses unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu be-scheiden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie sei zu Recht von einem Vermittlungsvorrang ausgegangen. Der Kläger habe am 15.12.2006 die Approbation zum Zahnarzt erhalten, weshalb er auf diesem Berufsfeld auch vermittelt werden dürfe. Die Auffassung, es müsse eine Arbeitsvermittlung als Kieferorthopäde vorrangig sein, sei unzutreffend. Zudem enthalte ein Stellenangebot ausdrücklich auch eine Stelle als Kieferorthopäde. Die weiteren Stellenangebote seien auf approbierte Zahnärzte zugeschnitten. Es liege keinesfalls eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Gründungszuschuss solle den Existenzgründern gewährt werden, bei denen eine nachhaltige Integration innerhalb von sechs Monaten im zumutbaren Arbeits- und Pendelbereich nicht zu erwarten sei (Vermittlungsvorrang). Eine zeitnahe Arbeitsvermittlung sei nach ihrer Auffassung möglich gewesen. Dieser habe jedoch der alleinige Wunsch des Klägers, sich selbständig machen zu wollen, entgegengestanden. Dies führe nicht zu einem Anspruch auf Gründungszuschuss. Ein Wahlrecht zwischen Arbeitslosengeld und Gründungszuschuss räume der Gesetzgeber nicht ein. Auch der zeitliche Ablauf zeige, dass eine Arbeitsvermittlung vom Kläger gar nicht erwünscht gewesen sei. Die Kassenzulassung des Klägers sei am 21.09.2012 mit der Auflage erfolgt, die kassenzahnärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger noch als Zahnarzt tätig gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei erst zum 27.09.2012 gekündigt worden. Der Kläger habe sich am 04.10.2012 erstmals bei der Beklagten gemeldet und bereits bei diesem ersten Gespräch mitgeteilt, sich zum 15.10.2012 selbständig machen zu wollen. Vorarbeiten wie beispielsweise die Beantragung der Kassenzulassung und die Anmietung der Räumlichkeiten usw. müssten zwingend vorher erfolgt sein. In der Folge sei es auch zu keiner Eingliederungsvereinbarung oder einem Termin beim zuständigen Arbeitsvermittler mehr gekommen. Im Ergebnis habe das Sozialgericht Ulm die Klage mangels Anspruchs auf Gründungszuschuss zu Recht abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im Haupt- (1.) wie auch im Hilfsantrag (2.) nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG Ulm vom 16.01.2014 ist nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 93 Abs. 1 SGB III (in der seit 01.04.2012 geltenden Fassung) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 S. 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, (2.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (3.) ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 S. 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird der Gründungszuschuss nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Die Förderung ist ausgeschlossen (§ 93 Abs. 4 SGB III), wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(1.) Die Berufung ist im Hauptantrag unbegründet, da kein Anspruch des Klägers auf Gewährung des begehrten Gründungszuschusses besteht. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger entsprechend § 93 Abs. 1 S. 1 SGB III durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als Kieferorthopäde zum 15.10.2012 seine Arbeitslosigkeit beendet hat. Insoweit ist es mangels einer entsprechenden gesetzlichen Begrenzung grundsätzlich zwar ausreichend, wenn die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (nur) an einem Tag gegeben sind. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger diese Mindestvoraussetzungen erfüllt und wenigstens an einem Tag in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von seiner schriftlichen Arbeitslosmeldung am 28.09.2012 bzw. seiner persönlichen Arbeitslosmeldung am 04.10.2012 an bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit am 15.10.2012 bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nrn. 1 und 3 SGB III; sog. subjektive Verfügbarkeit). So hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 27.09.2012 mitgeteilt, er werde zum 15.10.2012 in eigener Praxis als Kieferorthopäde tätig sein. Kurz darauf hat er in der Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012 angegeben, er nehme ab 15.10.2012 eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde auf. Für den Kläger war also von Anfang an klar, dass er unmittelbar nach der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses in der Praxis Dres. S., H., W. und Kollegen zum 27.09.2012 dann ab dem 15.10.2012 eine kieferorthopädische Praxis eröffnet (in einem vergleichbaren Fall zweifelnd an der subjektiven Verfügbarkeit vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R -, SozR 4-4300 § 133 Nr. 6). Dementsprechend vergab die Beklagte auch weder einen Termin bei einem Arbeitsvermittler, noch unterbreitete sie dem Kläger Stellenangebote oder schloss mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung ab. Es wurde auch kein Arbeitslosengeld bewilligt (vgl. den Vermerk auf der Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012, Blatt 85 der SG-Akte). Zudem hatte der Kläger bereits im Vorfeld der Eröffnung seiner kieferorthopädischen Praxis entsprechende Vorbereitungshandlungen unternommen. So ergibt sich aus der Stellungnahme der C. C. GmbH als fachkundiger Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 10.10.2012, dass der Kläger gemeinsam mit einem ortsansässigen Dentaldepot und dem Vermieter die Räume selbst geplant und eingerichtet hatte, sich parallel zu seiner bisherigen angestellten Tätigkeit schon einen eigenen Patientenstamm aufgebaut hatte sowie eine Marketingfirma mit der Erstellung eines Konzeptes und einer zugehörigen Homepage beauftragt hatte.
Nach alledem spricht einiges dafür, dass dem Kläger bereits deshalb kein Anspruch auf Gründungszuschuss zusteht, weil er durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht entsprechend § 93 Abs. 1 S. 1 SGB III seine Arbeitslosigkeit beendet hatte. Weiter würde es dann an der Tatbestandsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III (bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht) fehlen.
Die Erfüllung der ermessensöffnenden Tatbestandsvoraussetzungen kann indes offen bleiben, da sich unabhängig hiervon selbst bei Annahme einer Beendigung der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die ablehnende Entscheidung der Beklagten ohnehin deshalb als rechtmäßig erweist, weil keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und sie das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB III) (dazu unter 2.).
Zwar war der Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 1 SGB III zunächst als Anspruchsleistung ausgestaltet (vgl. § 57 SGB III in der bis 27.12.2011 geltenden Fassung). Jedoch wurde bereits vor dem 01.04.2012, nämlich zum 28.12.2011 § 57 SGB III als reine Ermessensleistung ausgestaltet (vgl. Art 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I S. 2854; ebenso Hassel in Brand, SGB III, 6. Auflage, § 93 RdNr. 6). Diese Ausgestaltung hat der Gründungszuschuss auch nach dem 01.04.2012 beibehalten (vgl. § 93 SGB III; Hassel a.a.O.; Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage, § 93 RdNR. 66; so jedenfalls für die Zeit ab 01.04.2012 auch BSG 17.08.2012 - B 11 AL 40/12 B -, juris RdNr. 5).
Das SG hat ausführlich und zutreffend begründet, dass kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null dahin, dass die Beklagte gebunden wäre, dem Kläger den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren, vorliegt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und schließt sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen der Begründung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers anführt, der Kläger sei mangels geeigneter Stellen für eine kieferorthopädische Tätigkeit langfristig arbeitslos geworden und hätte Arbeitslosengeld beziehen müssen, was zu Lasten der öffentlichen Kassen gegangen wäre, ist auszuführen, dass bereits erhebliche Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers als Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen (siehe oben). Weiter wäre eine kurzfristige Vermittlung des Klägers in eine abhängige Beschäftigung durchaus möglich gewesen (siehe unten).
Soweit sich der Kläger ferner darauf beruft, die Beklagte betreibe eine standardisierte generalisierte Ablehnungspraxis und benutze dazu formelhafte Bescheide, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen würde, sondern lediglich zu einem Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls und in der Folge zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags auf Gründungszuschuss. Im Übrigen ist dies nicht der Fall, da sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden sehr wohl individuell mit dem Fall des Klägers auseinandergesetzt hat, was insbesondere die individuell auf den Kläger zugeschnittenen Ausführungen auf Seite 3 des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 deutlich machen.
Schließlich rechtfertigt das vom Klägervertreter in der Berufungsbegründung angeführte Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.08.2012 - S 14 AL 2139/12 - keine andere Beurteilung im Sinne einer Ermessenreduzierung auf Null. In diesem Urteil hat es das Sozialgericht Mannheim für ermessensfehlerhaft erachtet, einen Gründungszuschuss wegen des Vorrangs der Vermittlung gemäß § 4 Abs. 2 SGB III abzulehnen, wenn in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die Tätigkeit als Golflehrer vereinbart worden ist. Es hat deswegen eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte Ermessenserwägungen einstellen könne, die dazu führten, dass sie rechtmäßig die Bewilligung eines Gründungszuschusses ablehnen könne. Das Urteil des SG Mannheim kann bereits deswegen nicht auf den zu entscheidenden Rechtsstreit übertragen werden, da der vorliegende Fall dem Sachverhalt nach anders gelagert ist. Hier wurde mit dem Kläger auf Grund der Tatsache, dass der Kläger bereits von Anfang an fest beabsichtigte, eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde zum 15.10.2012 aufzunehmen, erst gar keine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Soweit der Kläger mit dem Berufungsvorbringen weiter unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Mannheim darauf verweist, dass die Agentur für Arbeit in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages davon ausgegangen ist, dass der Gründungszuschuss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nach der Neuregelung eine Quasi- Pflichtleistung darstelle und eine Ablehnung wenig realistisch sei, ist dem zu entgegnen, dass es sich hierbei lediglich um eine Stellungnahme einer Fachbehörde im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens handelt, aus der der Kläger keine Rechte herleiten kann. Im Übrigen hat die Auffassung der Arbeitsagentur in der zitierten Stellungnahme durch den Gesetzgeber keinen Niederschlag gefunden, da der Gesetzestext nunmehr von einer Kannleistung spricht und der Gründungszuschuss wie oben ausgeführt somit als Ermessensleistung ausgestaltet worden ist.
Damit sind keine Gründe ersichtlich, die das Ermessen der Beklagten auf Null dahingehend reduzieren könnten, den beantragten Gründungszuschuss zu bewilligen.
Die Berufung des Klägers war deshalb im Hauptantrag zurückzuweisen.
(2.) Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet, denn die Beklagte hat ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Ein Ermessensfehler, der es im Sinne des Hilfsantrags rechtfertigt, die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, liegt nicht vor.
Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, dass in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist (§ 40 Abs. 2 SGB I). Dabei hatte die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Ermessensausübung unterliegt, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Das SG hat die dabei anzuwendenden Prüfkriterien in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt, worauf der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Danach sind die im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 24.10.2012 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2012 berücksichtigten Ermessungsgesichtspunkte, nämlich Vermittlungsvorrang, Abwägung des Individualinteresses mit dem hier vorzugswürdigen öffentlichen Interesse an sparsamer Mittelverwendung und die Vermeidung von Mitnahmeeffekten, im gerichtlich prüfbaren Rahmen rechtsfehlerfrei gewürdigt worden.
Die Beklagte hat das ihr eröffnete Entschließungsermessen erkannt und ausgeübt. Dabei hat sie im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids die für die Entscheidung maßgeblichen Ermessensgründe formellrechtlich ordnungsgemäß dargelegt. Dafür, dass die Beklagte überhaupt kein Ermessen ausgeübt, sondern eine vorgefasste Entscheidung mittels standardisierter Begründung getroffen hat, gibt es wie oben ausgeführt keine Anhaltspunkte. Dem stehen die einzelfallbezogenen Ermessensausführungen im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids entgegen. Diese Ausführungen sind vom Senat daraufhin zu überprüfen, ob Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Im Übrigen lassen die vorgelegten Bescheide zu anderen Antragsverfahren bei Fällen mit jeweils annähernd gleichem Sachverhalt eine solche Verfahrensweise nicht erkennen.
Davon konnte sich der Senat auch in Ansehung der Berufungsbegründung jedoch nicht überzeugen. Insbesondere liegt kein Ermessensfehlgebrauch hinsichtlich der Ermessenserwägung der Beklagten zum Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs. 2 SGB III vor. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand die Möglichkeit, den Kläger zeitnah in eine ihm zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln. Der Kläger hat am 15.12.2006 die Approbation als Zahnarzt erhalten und war bereits mehrere Jahre als angestellter Zahnarzt berufstätig. Soweit der Kläger nun vorträgt, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und habe bereits in all den Jahren seiner Weiterbildung zum Fachzahnarzt eine kieferorthopädische, nicht allgemein - oder kinderzahnärztliche Tätigkeit ausgeübt und sei deswegen nicht mehr zumutbar in eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt vermittelbar, ist auszuführen, dass nach § 140 Abs. 1 SGB III einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar sind, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. Vorliegend ist für den Senat nicht ersichtlich, dass personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung als Allgemeinzahnarzt entgegenstehen. Der Kläger war jahrelang als angestellter Zahnarzt tätig. Wie sich aus der Tätigkeitsbeschreibung eines Zahnarztes und eines Kieferorthopäden ergibt (www.berufenet.de) bestehen zwischen diesen beiden Tätigkeitsfeldern teilweise Überschneidungen. Der Kläger hat eine Grundausbildung zum Zahnarzt absolviert und sich dann zum Facharzt für Kieferorthopädie weitergebildet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Ausbildungsberuf als Zahnarzt nicht mehr ausüben könnte. Entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung bestanden auch genügend offene Stellen als Zahnarzt, in die der Kläger hätte vermittelt werden können. So finden sich allein in der Verwaltungsakte (Bl. 53 ff.) zumindest vier zumutbare Stellenangebote als Zahnarzt im Tagespendelbereich des Klägers. Ferner ist, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, nach § 140 Abs. 5 SGB III eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ausgebildet ist, oder die sie oder er bisher ausgeübt hat. Ausnahmen regelt § 140 in seinen Absätzen 2-4. Dort sind in einem nicht abschließenden Katalog allgemeine bzw. personenbezogene Gründe festgelegt, aus denen eine Beschäftigung im Einzelfall unzumutbar sein kann. Solche liegen aber wie ausgeführt, nicht vor. Einen besonderen Berufsschutz gibt es mithin im SGB III nicht (Brandt, SGB III, 6. Auflage 2012, § 140 Rn. 8a und 11). Damit ist der Kläger auch auf die Tätigkeit eines Zahnarztes verweisbar. Der Senat schließt sich hier den zutreffenden Entscheidungsgründen des SG zwecks Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich führt der klägerische Vortrag, es handele sich beim Gründungszuschuss um eine europarechtswidrige Norm zur Subventionsgewährung/Beihilfe, da keine eindeutig ersichtlichen Voraussetzungen für die Ablehnung bzw. Gewährung des Zuschusses enthalten seien und somit durch die ungleiche Behandlung bei der Vergabe einzelne Unternehmen benachteiligt würden, zu keinem anderen Ergebnis. Sofern insoweit Nichtigkeit wegen des Verstoßes gegen supranationales Recht anzunehmen sei, ergäbe sich daher mangels Rechtsgrundlage auch kein Anspruch. Darüber hinaus enthält § 93 SGB III zwar keine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses, sondern stellt die Gewährung in das Ermessen der Behörde. Die Agentur für Arbeit ist jedoch gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden, womit ihr eine gleichheitswidrige gegen Art. 3 Grundgesetz verstoßende Gewährung von Gründungszuschuss verwehrt ist. In der Praxis wird dies durch den Erlass sogenannter ermessenslenkender Vorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen und zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, gewährleistet. Der Senat vermag aus denselben Gründen keinen Verstoß gegen Art. 2 und 12 Grundgesetz sowie gegen das Wettbewerbsrecht und "europarechtliche Vorschriften" zu erkennen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers auch im Hilfsantrag zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Kieferorthopäde streitig.
Der am 12.01.1978 geborene Kläger war nach Abschluss seiner Ausbildung zum Zahnarzt (Approbation als Zahnarzt am 15.12.2006) in der Zeit von 2007 bis zum 27.09.2012 als angestellter Zahnarzt in der Praxis Dres. S., H., W. & Kollegen in G. beschäftigt. Im Anschluss an seine Ausbildung zum Zahnarzt absolvierte der Kläger eine vierjährige Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie (Verleihung des Titels Fachzahnarzt für Kieferorthopädie durch die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg mit Urkunde vom 17.04.2012). Mit Beschluss des Zulassungsausschusses der Zahnärzte Baden-Württemberg - Regierungsbezirk S. - vom 21.09.2012 wurde der Kläger als Vertragszahnarzt in G.-Mitte beschränkt auf das Fachgebiet Kieferorthopädie zugelassen. Der Beschluss enthält den Zusatz, dass die vertragszahnärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses aufzunehmen ist.
Mit Schreiben vom 27.09.2012, bei der Beklagten am 28.09.2012 eingegangen, meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 28.09.2012 arbeitslos und beantragte die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses, da er ab dem 15.10.2012 in eigener Praxis als Kieferorthopäde in G. tätig sein werde. Ausweislich eines auf diesem Schreiben angebrachten Vermerks der Beklagten sei die Arbeitslosmeldung am 04.10.2012 erfolgt. Mit Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er nehme zum 15.10.2012 eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde auf. Am 08.10.2012 sprach der Kläger gegen 15 Uhr (außerhalb der Öffnungszeiten) in der Eingangszone der Beklagten vor und begehrte die Aushändigung eines Antragsformulars zur Beantragung des Gründungszuschusses. Dabei erhielt er den Hinweis, dass er den Antrag am nächsten Tag während der Öffnungszeiten stellen könne. Das ausgefüllte Antragsformular ging am 15.10.2012 bei der Beklagten ein. Dem Antrag waren eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (C. C. GmbH) über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 10.10.2012, in der die Tragfähigkeit der Existenzgründung bescheinigt wurde, eine Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens, ein Lebenslauf, ein Kapital- und Finanzierungsplan sowie eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, die für die Zeit von Oktober bis Dezember 2012 einen Gewinn vor Steuern von - 46.030,00 EUR, für das Jahr 2013 von - 38.260,00 EUR und für das Jahr 2014 von 59.680,00 EUR auswies. Ferner fügte er dem Antrag den Beschluss des Zulassungsausschusses für Zahnärzte Baden-Württemberg - Regierungsbezirk S. - vom 21.09.2012, die Verleihungsurkunde zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vom 17.04.2012 sowie die Approbationsurkunde zum Zahnarzt des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.12.2006 bei.
Der Kläger nahm die Tätigkeit als selbständiger Kieferorthopäde am 15.10.2012 auf.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie aus, auf dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. So seien der Arbeitsagentur G. sechs Stellen für Kieferorthopäde, Zahnarzt und Kinderzahnarzt gemeldet. Stellenangebote in diesem Umfang bestünden bereits seit geraumer Zeit und es sei nicht davon auszugehen, dass sich dieses Volumen in absehbarer Zeit nennenswert ändere. Darüber hinaus bestünden weitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da viele Stellen den Arbeitsagenturen nicht gemeldet seien. Im Falle des Klägers sei daher die Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorrangig (sog. Vermittlungsvorrang). Nach einer im Rahmen der Ermessensausübung sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte müssten die persönlichen Interessen des Klägers gegenüber denen der Beitragszahler zurücktreten.
Hiergegen legte der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Telefax vom 23.11.2012 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er unter Vorlage eines Ausdrucks der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit vortragen ließ, seine Entscheidung für die Selbständigkeit beruhe darauf, dass eine seiner Qualifikation als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie entsprechende Stelle insbesondere in Göppingen und Umgebung nicht zur Verfügung stehe. Er könne als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie nicht auf eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt verwiesen werden. Dies komme dem Verweis eines Facharztes für Chirurgie auf eine Tätigkeit als Allgemeinmediziner gleich. Das Leistungsspektrum eines Kieferorthopäden sei nicht mit dem eines Zahnarztes vergleichbar, was sich bereits aus der Weiterbildungsordnung für Zahnärzte ergebe, die eine Weiterbildung von vier Jahren für Kieferorthopäden erfordere. Der pauschale Hinweis der Beklagten, es bestünden viele Stellen, die ihr nicht gemeldet seien, lasse keine Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Stellen für Kieferorthopäden zu. Diese Äußerung der Beklagten stelle eine Vermutung "ins Blaue hinein" dar und entspreche nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung. Ferner führe die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dazu, dass er seinen Lebensunterhalt dauerhaft bestreiten könne und kein Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen müsse, was die Interessen der Beitragszahler wahre. Schließlich sei der angegriffene Bescheid nicht hinreichend begründet und lasse eine umfassende Interessenabwägung vermissen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Gewährung eines Gründungszuschusses handele es sich um eine Ermessensleistung. Auch bestehe nach § 4 Abs. 1 SGB III ein Vermittlungsvorrang. Bei der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass der Gründungszuschuss aus Haushaltsmitteln der Agentur für Arbeit finanziert werde, welche nur begrenzt zur Verfügung stünden und wirtschaftlich verwendet werden müssten. Ferner habe eine Prüfung der Agentur für Arbeit ergeben, dass der Kläger in naher Zukunft in ein Beschäftigungsverhältnis als Zahnarzt vermittelt werden könne. Im Tagespendelbereich seien mehrere offene Stellen gemeldet, bei denen die Arbeitgeber einen Zahnarzt suchten. Der Kläger verfüge über eine mehrjährige Berufserfahrung. Damit sei der Gründungszuschuss nicht erforderlich, den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch die Anerkennung des Klägers als Facharzt für Kieferorthopädie im April 2012 führe zu keinem anderen Ergebnis, da es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sei, dass viele Arbeitnehmer eine Beschäftigung unter ihrer nachgewiesenen Qualifikation ausübten. Schließlich sei berücksichtigt worden, dass der Kläger schon vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit, die nicht einmal einen Monat gedauert habe, alles in die Wege geleitet habe, um am 15.10.2012 seine selbständige Tätigkeit aufnehmen zu können. In solchen Fällen sei die Gewährung eines Gründungszuschusses lediglich ein Mitnahmeeffekt, was man seit der Gesetzesänderung am 28.12.2011 nicht mehr fördern wolle.
Dagegen erhob der Klägerbevollmächtigte am 21.12.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm. Zur Begründung trug er über seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren hinausgehend vor, die interne Genehmigungspraxis der Beklagten, welche im Wesentlichen auf deren Haushaltssituation beruhe, sei kein tragfähiger Grund zur Ablehnung eines Gründungszuschusses und könne somit auch der Ermessensentscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Entsprechendes gelte bezüglich der Berücksichtigung eines Mitnahmeeffekts. Ferner habe die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen.
Mit Urteil vom 16.01.2014 wies das Sozialgericht Ulm (SG) die Klage als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, der Kläger habe trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses. Bei der Gewährung eines Gründungszuschusses handele es sich um eine Ermessensleistung der Beklagten. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht ersichtlich, da die Gewährung des Gründungszuschusses nicht die einzig rechtmäßige Entscheidung der Beklagten sei. Weiter habe die Beklagte ermessensfehlerfrei den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss abgelehnt. Insbesondere habe sie das Ermessen nicht fehlerhaft gebraucht, in dem sie den Kläger auf den Vermittlungsvorrang gemäß § 4 Abs. 1 und 2 SGB III verwiesen habe. Hiernach habe die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung sei für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Dies sei hier nicht der Fall, da eine zumutbare Beschäftigung mit der Aussicht auf eine dauerhafte Eingliederung vorliege. Der Kläger verfüge über eine langjährige Berufserfahrung als Zahnarzt. Zudem fänden sich in der Verwaltungsakte mehr als sechs Stellenausschreibungen für Kieferorthopäden bzw. Allgemein- und Kinderzahnärzte im Tagespendelbereich des Klägers. Auch in der Gerichtsakte seien bereits acht Stellen für Zahnärzte zu finden. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass ihm eine Vermittlung in eine Tätigkeit als Zahnarzt unzumutbar sei, da das SGB III grundsätzlich keinen Berufsschutz kenne. Nach § 140 Abs. 1 SGB III seien einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstünden. Weiter sei eine Beschäftigung nach § 140 Abs. 5 SGB III nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehöre, für die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ausgebildet sei oder die sie oder er bisher ausgeübt habe. Im Fall des Klägers sei zu beachten, dass er lediglich auf die Tätigkeiten eines Zahnarztes verwiesen werde, womit im Vergleich zur Tätigkeit als Kieferorthopäde weder ein Ansehensverlust noch eine berufliche Statusminderung verbunden sei. Der Umstand, dass die Ausbildung zum Kieferorthopäden zusätzlich zu der allgemeinen Ausbildung als Zahnarzt noch eine weitere Ausbildung von vier Jahren erfordere, ändere nichts an der Gleichwertigkeit im Sinne des SGB III. Der Kläger unterfalle mit beiden Tätigkeiten bei einer fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes der Qualifikationsgruppe 1 des § 152 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, da beide Tätigkeiten eine Hochschulausbildung erforderten. Vermittlungshemmnisse seien beim Kläger, der über Berufserfahrung als Zahnarzt verfüge, nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehler ergebe sich auch nicht aus dem pauschalen Hinweis der Beklagten auf weitere freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt, welche bei ihr nicht gemeldet seien. Die Beklagte habe bereits acht freie zumutbare Stellen im ortsnahen Bereich des Klägers nachgewiesen und damit eine mögliche zeitnahe Vermittlung ausreichend belegt. Ferner habe der Kläger mit dem Argument, er entlaste die Gemeinschaft der Beitragszahler, indem er statt des Arbeitslosengeldes den Gründungszuschuss in Anspruch nehme, keinen Erfolg, da er von vornherein die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld gar nicht beabsichtigt habe, sondern unmittelbar in die Selbständigkeit habe wechseln wollen. Schließlich sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich im Rahmen der Ermessenserwägungen auf die Haushaltslage berufen habe. Zwar könne die Haushaltslage niemals einzige Ermessenserwägung sein, dürfe aber gemeinsam mit weiteren zutreffenden Ermessenserwägungen mit in die Ermessensentscheidung einfließen, was bereits aus § 7 Satz 1 SGB III folge. Damit habe die Beklagte ihr Ermessen in fehlerfreier Weise ausgeübt, indem sie den Antrag des Klägers auf Gewährung von Gründungszuschuss abgelehnt habe.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.02.2014 zugestellte Urteil des SG hat diese am 28.02.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ein Vermittlungsvorrang habe mangels geeigneter Vermittlungsmöglichkeiten nicht bestanden. Insbesondere sei dem Kläger eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt nicht zumutbar. Der Kläger habe im Rahmen seiner Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in den Jahren vor Antragstellung eine kieferorthopädische, nicht eine allgemein- oder kinderzahnärztliche Tätigkeit ausgeübt, auch wenn er sich noch nicht Facharzt für Kieferorthopädie habe nennen dürfen. Er habe während dieser Zeit mit den gängigen Tätigkeiten eines Allgemein- oder Kinderzahnarztes wie beispielsweise dem Legen von Füllungen nichts mehr zu tun gehabt. Daher sei davon auszugehen, dass er für diese Leistungen im Verhältnis zu einem Allgemein- oder Kinderzahnarzt ein Vielfaches an Zeit benötige, was dazu führe, dass Allgemein- oder Kinderzahnarztpraxen ihn gar nicht erst einstellen würden, da er nicht über die erforderlichen praktischen Fähigkeiten verfüge und die dort anfallenden Tätigkeiten nur extrem zeitaufwendig und damit höchst unwirtschaftlich durchführen könne. Eine geeignete Vermittlungsmöglichkeit bestehe folglich nur in eine Stelle als Kieferorthopäde. Eine kieferorthopädische Tätigkeit sei in den von der Beklagten vorgelegten Stellengesuchen gerade nicht enthalten gewesen. Die pauschalen Behauptungen der Beklagten, es seien sechs Stellen für Kieferorthopäde, Zahn- und Kinderzahnarzt sowie weitere geeignete Stellen, die bei ihr nicht gemeldet seien, bekannt, sei nicht zur Annahme geeigneter Vermittlungsmöglichkeiten geeignet und entspreche nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung. Damit sei die Ermessensentscheidung der Beklagten mangels Vorliegens eines Vermittlungsvorranges fehlerhaft. Weiter verkenne das erstinstanzliche Gericht, dass auch die Voraussetzung einer Ermessensreduktion auf Null gegeben seien. Mangels geeigneter Stellen für eine kieferorthopädische Tätigkeit wäre der Kläger langfristig arbeitslos geworden und hätte zu Lasten der Sozialkassen Arbeitslosengeld beziehen müssen. Es könne weder sachgerecht noch wirtschaftlich sein, dass der Kläger erst 12 Monate arbeitslos sein müsse, bis die Beklagte einsehe, dass geeignete Stellen nicht bestünden, um dann doch den Gründungszuschuss zu gewähren. Hierdurch entstehe eine doppelte Belastung der Solidargemeinschaft, was zu einer Ermessensreduktion auf Null führe. Die Beklagte habe durch ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid, dass die Agentur für Arbeit solche Neugründungen seit dem 28.12.2011 nicht mehr fördern wolle, da dies nur ein Mitnahmeeffekt sei, gezeigt, dass sie den Antrag des Klägers auf jeden Fall abgelehnt hätte. Dies entspreche einer pauschalen Ablehnungspraxis der Beklagten ohne sachgerechte Prüfung, welche in vielen völlig unterschiedlichen Fällen nahezu gleich formuliert vorgenommen werde. Zum Beweis hat er mehrere anonymisierte Ablehnungsbescheide vorgelegt. Ferner habe das Sozialgericht Mannheim in seinem Urteil vom 23.08.2012 - S 14 AL 2139/12 - ausgeführt, es sei erwiesen, dass die Prüfung des Gründungszuschussantrages einzig und allein auf eine Ablehnung ausgerichtet gewesen sei, ohne den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Wenn die Vermittlung in einen Beruf vereinbart oder gefordert werde, der typischerweise selbständig ausgeübt werde, so reduziere sich der Ermessensspielraum der Arbeitsagentur auf Null. Ein solcher Fall sei bei Zahnärzten und Kieferorthopäden anzunehmen. Das Sozialgericht Mannheim habe weiter unter Berufung auf eine Stellungnahme der Arbeitsagentur im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass der Vermittlungsvorrang in einem solchen Fall abwegig sei und der Gründungszuschuss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nach der Neuregelung eine Quasi-Pflichtleistung darstelle. Schließlich erhalte die Regelung zum Gründungszuschuss in der derzeit geltenden Fassung mit ihrer Ausgestaltung als Ermessensleistung keine eindeutigen Voraussetzungen für die Ablehnung bzw. Gewährung des Zuschusses mehr. Die Regelung sei daher als eine europarechtswidrige Norm zu Subventionsgewährung/-beihilfe einzustufen. Durch die ungleiche Behandlung bei der Vergabe des Gründungszuschusses würden einzelne Unternehmen benachteiligt, was zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung führe. Die Vorschrift des § 93 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III verstoße somit gegen Art. 2 und 12 des Grundgesetzes sowie gegen das Wettbewerbsrecht und europarechtliche Vorschriften, weshalb eine Klärung durch Vorlage zum EuGH angeregt werde.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.01.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 auf-zuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren,
hilfsweise den Antrag vom 27.09.2012 auf die Gewährung eines Gründungs-zuschusses unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu be-scheiden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie sei zu Recht von einem Vermittlungsvorrang ausgegangen. Der Kläger habe am 15.12.2006 die Approbation zum Zahnarzt erhalten, weshalb er auf diesem Berufsfeld auch vermittelt werden dürfe. Die Auffassung, es müsse eine Arbeitsvermittlung als Kieferorthopäde vorrangig sein, sei unzutreffend. Zudem enthalte ein Stellenangebot ausdrücklich auch eine Stelle als Kieferorthopäde. Die weiteren Stellenangebote seien auf approbierte Zahnärzte zugeschnitten. Es liege keinesfalls eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Gründungszuschuss solle den Existenzgründern gewährt werden, bei denen eine nachhaltige Integration innerhalb von sechs Monaten im zumutbaren Arbeits- und Pendelbereich nicht zu erwarten sei (Vermittlungsvorrang). Eine zeitnahe Arbeitsvermittlung sei nach ihrer Auffassung möglich gewesen. Dieser habe jedoch der alleinige Wunsch des Klägers, sich selbständig machen zu wollen, entgegengestanden. Dies führe nicht zu einem Anspruch auf Gründungszuschuss. Ein Wahlrecht zwischen Arbeitslosengeld und Gründungszuschuss räume der Gesetzgeber nicht ein. Auch der zeitliche Ablauf zeige, dass eine Arbeitsvermittlung vom Kläger gar nicht erwünscht gewesen sei. Die Kassenzulassung des Klägers sei am 21.09.2012 mit der Auflage erfolgt, die kassenzahnärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger noch als Zahnarzt tätig gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei erst zum 27.09.2012 gekündigt worden. Der Kläger habe sich am 04.10.2012 erstmals bei der Beklagten gemeldet und bereits bei diesem ersten Gespräch mitgeteilt, sich zum 15.10.2012 selbständig machen zu wollen. Vorarbeiten wie beispielsweise die Beantragung der Kassenzulassung und die Anmietung der Räumlichkeiten usw. müssten zwingend vorher erfolgt sein. In der Folge sei es auch zu keiner Eingliederungsvereinbarung oder einem Termin beim zuständigen Arbeitsvermittler mehr gekommen. Im Ergebnis habe das Sozialgericht Ulm die Klage mangels Anspruchs auf Gründungszuschuss zu Recht abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im Haupt- (1.) wie auch im Hilfsantrag (2.) nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG Ulm vom 16.01.2014 ist nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 93 Abs. 1 SGB III (in der seit 01.04.2012 geltenden Fassung) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 S. 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, (2.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (3.) ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 S. 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird der Gründungszuschuss nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Die Förderung ist ausgeschlossen (§ 93 Abs. 4 SGB III), wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(1.) Die Berufung ist im Hauptantrag unbegründet, da kein Anspruch des Klägers auf Gewährung des begehrten Gründungszuschusses besteht. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger entsprechend § 93 Abs. 1 S. 1 SGB III durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als Kieferorthopäde zum 15.10.2012 seine Arbeitslosigkeit beendet hat. Insoweit ist es mangels einer entsprechenden gesetzlichen Begrenzung grundsätzlich zwar ausreichend, wenn die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (nur) an einem Tag gegeben sind. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger diese Mindestvoraussetzungen erfüllt und wenigstens an einem Tag in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von seiner schriftlichen Arbeitslosmeldung am 28.09.2012 bzw. seiner persönlichen Arbeitslosmeldung am 04.10.2012 an bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit am 15.10.2012 bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nrn. 1 und 3 SGB III; sog. subjektive Verfügbarkeit). So hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 27.09.2012 mitgeteilt, er werde zum 15.10.2012 in eigener Praxis als Kieferorthopäde tätig sein. Kurz darauf hat er in der Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012 angegeben, er nehme ab 15.10.2012 eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde auf. Für den Kläger war also von Anfang an klar, dass er unmittelbar nach der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses in der Praxis Dres. S., H., W. und Kollegen zum 27.09.2012 dann ab dem 15.10.2012 eine kieferorthopädische Praxis eröffnet (in einem vergleichbaren Fall zweifelnd an der subjektiven Verfügbarkeit vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R -, SozR 4-4300 § 133 Nr. 6). Dementsprechend vergab die Beklagte auch weder einen Termin bei einem Arbeitsvermittler, noch unterbreitete sie dem Kläger Stellenangebote oder schloss mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung ab. Es wurde auch kein Arbeitslosengeld bewilligt (vgl. den Vermerk auf der Veränderungsmitteilung vom 04.10.2012, Blatt 85 der SG-Akte). Zudem hatte der Kläger bereits im Vorfeld der Eröffnung seiner kieferorthopädischen Praxis entsprechende Vorbereitungshandlungen unternommen. So ergibt sich aus der Stellungnahme der C. C. GmbH als fachkundiger Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 10.10.2012, dass der Kläger gemeinsam mit einem ortsansässigen Dentaldepot und dem Vermieter die Räume selbst geplant und eingerichtet hatte, sich parallel zu seiner bisherigen angestellten Tätigkeit schon einen eigenen Patientenstamm aufgebaut hatte sowie eine Marketingfirma mit der Erstellung eines Konzeptes und einer zugehörigen Homepage beauftragt hatte.
Nach alledem spricht einiges dafür, dass dem Kläger bereits deshalb kein Anspruch auf Gründungszuschuss zusteht, weil er durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht entsprechend § 93 Abs. 1 S. 1 SGB III seine Arbeitslosigkeit beendet hatte. Weiter würde es dann an der Tatbestandsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III (bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht) fehlen.
Die Erfüllung der ermessensöffnenden Tatbestandsvoraussetzungen kann indes offen bleiben, da sich unabhängig hiervon selbst bei Annahme einer Beendigung der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die ablehnende Entscheidung der Beklagten ohnehin deshalb als rechtmäßig erweist, weil keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und sie das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB III) (dazu unter 2.).
Zwar war der Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 1 SGB III zunächst als Anspruchsleistung ausgestaltet (vgl. § 57 SGB III in der bis 27.12.2011 geltenden Fassung). Jedoch wurde bereits vor dem 01.04.2012, nämlich zum 28.12.2011 § 57 SGB III als reine Ermessensleistung ausgestaltet (vgl. Art 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I S. 2854; ebenso Hassel in Brand, SGB III, 6. Auflage, § 93 RdNr. 6). Diese Ausgestaltung hat der Gründungszuschuss auch nach dem 01.04.2012 beibehalten (vgl. § 93 SGB III; Hassel a.a.O.; Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage, § 93 RdNR. 66; so jedenfalls für die Zeit ab 01.04.2012 auch BSG 17.08.2012 - B 11 AL 40/12 B -, juris RdNr. 5).
Das SG hat ausführlich und zutreffend begründet, dass kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null dahin, dass die Beklagte gebunden wäre, dem Kläger den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren, vorliegt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und schließt sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen der Begründung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers anführt, der Kläger sei mangels geeigneter Stellen für eine kieferorthopädische Tätigkeit langfristig arbeitslos geworden und hätte Arbeitslosengeld beziehen müssen, was zu Lasten der öffentlichen Kassen gegangen wäre, ist auszuführen, dass bereits erhebliche Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers als Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen (siehe oben). Weiter wäre eine kurzfristige Vermittlung des Klägers in eine abhängige Beschäftigung durchaus möglich gewesen (siehe unten).
Soweit sich der Kläger ferner darauf beruft, die Beklagte betreibe eine standardisierte generalisierte Ablehnungspraxis und benutze dazu formelhafte Bescheide, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen würde, sondern lediglich zu einem Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls und in der Folge zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags auf Gründungszuschuss. Im Übrigen ist dies nicht der Fall, da sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden sehr wohl individuell mit dem Fall des Klägers auseinandergesetzt hat, was insbesondere die individuell auf den Kläger zugeschnittenen Ausführungen auf Seite 3 des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2012 deutlich machen.
Schließlich rechtfertigt das vom Klägervertreter in der Berufungsbegründung angeführte Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.08.2012 - S 14 AL 2139/12 - keine andere Beurteilung im Sinne einer Ermessenreduzierung auf Null. In diesem Urteil hat es das Sozialgericht Mannheim für ermessensfehlerhaft erachtet, einen Gründungszuschuss wegen des Vorrangs der Vermittlung gemäß § 4 Abs. 2 SGB III abzulehnen, wenn in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die Tätigkeit als Golflehrer vereinbart worden ist. Es hat deswegen eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte Ermessenserwägungen einstellen könne, die dazu führten, dass sie rechtmäßig die Bewilligung eines Gründungszuschusses ablehnen könne. Das Urteil des SG Mannheim kann bereits deswegen nicht auf den zu entscheidenden Rechtsstreit übertragen werden, da der vorliegende Fall dem Sachverhalt nach anders gelagert ist. Hier wurde mit dem Kläger auf Grund der Tatsache, dass der Kläger bereits von Anfang an fest beabsichtigte, eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde zum 15.10.2012 aufzunehmen, erst gar keine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Soweit der Kläger mit dem Berufungsvorbringen weiter unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Mannheim darauf verweist, dass die Agentur für Arbeit in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages davon ausgegangen ist, dass der Gründungszuschuss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nach der Neuregelung eine Quasi- Pflichtleistung darstelle und eine Ablehnung wenig realistisch sei, ist dem zu entgegnen, dass es sich hierbei lediglich um eine Stellungnahme einer Fachbehörde im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens handelt, aus der der Kläger keine Rechte herleiten kann. Im Übrigen hat die Auffassung der Arbeitsagentur in der zitierten Stellungnahme durch den Gesetzgeber keinen Niederschlag gefunden, da der Gesetzestext nunmehr von einer Kannleistung spricht und der Gründungszuschuss wie oben ausgeführt somit als Ermessensleistung ausgestaltet worden ist.
Damit sind keine Gründe ersichtlich, die das Ermessen der Beklagten auf Null dahingehend reduzieren könnten, den beantragten Gründungszuschuss zu bewilligen.
Die Berufung des Klägers war deshalb im Hauptantrag zurückzuweisen.
(2.) Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet, denn die Beklagte hat ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Ein Ermessensfehler, der es im Sinne des Hilfsantrags rechtfertigt, die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, liegt nicht vor.
Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, dass in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist (§ 40 Abs. 2 SGB I). Dabei hatte die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Ermessensausübung unterliegt, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Das SG hat die dabei anzuwendenden Prüfkriterien in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt, worauf der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Danach sind die im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 24.10.2012 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2012 berücksichtigten Ermessungsgesichtspunkte, nämlich Vermittlungsvorrang, Abwägung des Individualinteresses mit dem hier vorzugswürdigen öffentlichen Interesse an sparsamer Mittelverwendung und die Vermeidung von Mitnahmeeffekten, im gerichtlich prüfbaren Rahmen rechtsfehlerfrei gewürdigt worden.
Die Beklagte hat das ihr eröffnete Entschließungsermessen erkannt und ausgeübt. Dabei hat sie im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids die für die Entscheidung maßgeblichen Ermessensgründe formellrechtlich ordnungsgemäß dargelegt. Dafür, dass die Beklagte überhaupt kein Ermessen ausgeübt, sondern eine vorgefasste Entscheidung mittels standardisierter Begründung getroffen hat, gibt es wie oben ausgeführt keine Anhaltspunkte. Dem stehen die einzelfallbezogenen Ermessensausführungen im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids entgegen. Diese Ausführungen sind vom Senat daraufhin zu überprüfen, ob Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Im Übrigen lassen die vorgelegten Bescheide zu anderen Antragsverfahren bei Fällen mit jeweils annähernd gleichem Sachverhalt eine solche Verfahrensweise nicht erkennen.
Davon konnte sich der Senat auch in Ansehung der Berufungsbegründung jedoch nicht überzeugen. Insbesondere liegt kein Ermessensfehlgebrauch hinsichtlich der Ermessenserwägung der Beklagten zum Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs. 2 SGB III vor. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand die Möglichkeit, den Kläger zeitnah in eine ihm zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln. Der Kläger hat am 15.12.2006 die Approbation als Zahnarzt erhalten und war bereits mehrere Jahre als angestellter Zahnarzt berufstätig. Soweit der Kläger nun vorträgt, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und habe bereits in all den Jahren seiner Weiterbildung zum Fachzahnarzt eine kieferorthopädische, nicht allgemein - oder kinderzahnärztliche Tätigkeit ausgeübt und sei deswegen nicht mehr zumutbar in eine Tätigkeit als Allgemein- oder Kinderzahnarzt vermittelbar, ist auszuführen, dass nach § 140 Abs. 1 SGB III einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar sind, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. Vorliegend ist für den Senat nicht ersichtlich, dass personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung als Allgemeinzahnarzt entgegenstehen. Der Kläger war jahrelang als angestellter Zahnarzt tätig. Wie sich aus der Tätigkeitsbeschreibung eines Zahnarztes und eines Kieferorthopäden ergibt (www.berufenet.de) bestehen zwischen diesen beiden Tätigkeitsfeldern teilweise Überschneidungen. Der Kläger hat eine Grundausbildung zum Zahnarzt absolviert und sich dann zum Facharzt für Kieferorthopädie weitergebildet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Ausbildungsberuf als Zahnarzt nicht mehr ausüben könnte. Entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung bestanden auch genügend offene Stellen als Zahnarzt, in die der Kläger hätte vermittelt werden können. So finden sich allein in der Verwaltungsakte (Bl. 53 ff.) zumindest vier zumutbare Stellenangebote als Zahnarzt im Tagespendelbereich des Klägers. Ferner ist, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, nach § 140 Abs. 5 SGB III eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ausgebildet ist, oder die sie oder er bisher ausgeübt hat. Ausnahmen regelt § 140 in seinen Absätzen 2-4. Dort sind in einem nicht abschließenden Katalog allgemeine bzw. personenbezogene Gründe festgelegt, aus denen eine Beschäftigung im Einzelfall unzumutbar sein kann. Solche liegen aber wie ausgeführt, nicht vor. Einen besonderen Berufsschutz gibt es mithin im SGB III nicht (Brandt, SGB III, 6. Auflage 2012, § 140 Rn. 8a und 11). Damit ist der Kläger auch auf die Tätigkeit eines Zahnarztes verweisbar. Der Senat schließt sich hier den zutreffenden Entscheidungsgründen des SG zwecks Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich führt der klägerische Vortrag, es handele sich beim Gründungszuschuss um eine europarechtswidrige Norm zur Subventionsgewährung/Beihilfe, da keine eindeutig ersichtlichen Voraussetzungen für die Ablehnung bzw. Gewährung des Zuschusses enthalten seien und somit durch die ungleiche Behandlung bei der Vergabe einzelne Unternehmen benachteiligt würden, zu keinem anderen Ergebnis. Sofern insoweit Nichtigkeit wegen des Verstoßes gegen supranationales Recht anzunehmen sei, ergäbe sich daher mangels Rechtsgrundlage auch kein Anspruch. Darüber hinaus enthält § 93 SGB III zwar keine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses, sondern stellt die Gewährung in das Ermessen der Behörde. Die Agentur für Arbeit ist jedoch gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden, womit ihr eine gleichheitswidrige gegen Art. 3 Grundgesetz verstoßende Gewährung von Gründungszuschuss verwehrt ist. In der Praxis wird dies durch den Erlass sogenannter ermessenslenkender Vorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen und zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, gewährleistet. Der Senat vermag aus denselben Gründen keinen Verstoß gegen Art. 2 und 12 Grundgesetz sowie gegen das Wettbewerbsrecht und "europarechtliche Vorschriften" zu erkennen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers auch im Hilfsantrag zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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