L 15 SF 209/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 209/14
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es ist nicht zulässig, die Entschädigung wegen Fahrtkosten bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Betrag zu beschränken, der bei Anschaffung der günstigsten Fahrkarte angefallen wäre.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins zur Begutachtung am 24.02.2014 wird auf 35,60 EUR festgesetzt.



Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt einen Fahrtkostenersatz wegen der Wahrnehmung eines gerichtlich angeordneten Begutachtungstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 19 R 956/11 geführten Rechtsstreit wurde der dortige Kläger und jetzige Antragsteller am 24.02.2014 im Rahmen einer von Amts wegen angeordneten Begutachtung von der ärztlichen Sachverständigen Dr. O. untersucht.

Mit auf den 24.02.2014 datiertem Entschädigungsantrag, bei Gericht eingegangen am 03.03.2014, beantragte der Antragsteller Fahrtkostenersatz wegen des Erscheinens zur gutachtlichen Untersuchung am 24.02.2014 (Anmerkung des Senats: Sofern der Kläger eine Entschädigung für den "23.2.2014" beantragt, liegt ein offensichtlicher Schreibfehler vor.). Er machte Kosten in Höhe von 35,60 EUR geltend und legte dazu zwei Zugfahrkarten (2. Klasse) von B. nach E. (Ort der Begutachtung) und zurück zu je 12,50 EUR und zwei Busfahrkarten von seinem Wohnort nach B. und zurück zu je 5,30 EUR vor.

Mit Schreiben vom 13.03.2014 bewilligte die Kostenbeamtin des LSG als Fahrtkostenersatz 17,50 EUR, was dem Preis einer VGN Tagesfahrkarte entspricht, mit der eine Reise vom Wohnort zum Ort der Begutachtung und zurück ohne weitere Busfahrkarten möglich gewesen wäre.

Mit beim LSG am 28.07.2014 eingegangenem Schreiben hat die Antragsteller "Widerspruch" gegen die Abrechnung erhoben. Er - so der Antragsteller - sei gezwungen gewesen, Busfahrkarten vom Wohnort nach B. und zurück zu kaufen, da er nur von dort mit dem Zug weiter fahren könne.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit am 28.07.2014 eingegangenem Schreiben sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Der Fahrtkostenersatz wegen der Wahrnehmung des Begutachtungstermins am 24.02.2014 ist antragsgemäß auf 35,60 EUR festzusetzen.

Beteiligte eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz -
2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn der Antragsteller als Berechtigter ist nach dem gemäß Art. 55
2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.

3. Fahrtkostenersatz für Bus und Bahn

Für Fahrtkosten (Bus und Bahn) ist ein Ersatz gemäß § 5 JVEG in Höhe von insgesamt 35,60 EUR zu leisten.

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 JVEG dem Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit einem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Beteiligte wie hier die Anreise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt. Voraussetzung ist immer, dass die durchgeführte Fahrt auch objektiv notwendig war, um den gerichtlich angeordneten Termin wahr zu nehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13). Die entstandenen Kosten sind nachzuweisen (zur Nachweisführung: vgl. Beschluss des Senats vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B).

3.1. Buskosten

Objektiv erforderlich waren beide Busfahrten am 24.02.2014 vom Wohnort des Antragstellers nach B. und zurück, die mit Kosten in Höhe von insgesamt 10,60 EUR verbunden waren. Die Kosten sind durch die Vorlage der Fahrkarten belegt.

3.2. Bahnkosten

Objektiv erforderlich waren auch die beiden Zugfahrten am 24.02.2014 von B. nach E. und zurück, die mit Kosten in Höhe von insgesamt 25,- EUR verbunden waren. Diese Kosten sind ebenfalls durch die Vorlage der Fahrkarten belegt.

3.3. Keine Begrenzung der Entschädigung auf die kostengünstigste Fahrkarte

Es ist nicht zulässig, den Fahrtkostenersatz auf den Betrag zu beschränken, der bei Anschaffung der kostengünstigsten Fahrkarte angefallen wäre.

Zwar ist wegen des allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Bundeshaushaltsordnung; Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung) im Bereich der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten und ehrenamtlichen Richtern das im gesamten Bereich des Kostenrechts geltende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung zu beachten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; vgl. auch vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 5, Rdnr. 2; Hartmann, a.a.O., § 5 JVEG, Rdnr. 2). Dies kann aber nicht dazu führen, dass dadurch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Maßgaben für die Entschädigung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus verschärft würden. Darauf, ob ein Antragsteller durch geschickte Auswahl der Fahrkarten eine weitere Reduzierung der Kosten erreichen hätte können, kommt es bei der Entschädigung nicht an, solange sich die tatsächlich entstandenen Kosten in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen halten. Die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht findet insofern ihre Grenze an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 JVEG (vgl. Beschluss des Senats vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13).

Diesen Rahmen hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 JVEG wie folgt gesetzt:
"bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks".
Irgendwelche weitergehenden Einschränkungen hat der Gesetzgeber nicht gemacht.

In diesem vorgegebenen Rahmen halten sich die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten, wie sie sich aus den vorlegten Fahrkarten für die Benutzung des Busses und der Bahn mit der zweiten Wagenklasse ergeben. Dass der Antragsteller günstiger anreisen hätte können, wenn er ein Verbund-Tagesticket gewählt hätte, ist für die Bemessung der Entschädigung ohne rechtliche Bedeutung.

Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme am Begutachtungstermin am 24.02.2014 ist daher auf 35,60 EUR festzusetzen.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4
Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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