L 8 KA 49/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 188/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KA 49/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erhöhung des Regelleistungsvolumens wegen Praxisbesonderheiten

1. Die Erhöhung des Regelleistungsvolumens wegen Praxisbesonderheiten (entsprechend Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008, DÄ 2008, A-1988, in der Fassung vom 15.01.2009, DÄ 2009, A-574) setzt nicht nur eine vom durchschnittlichen Spektrum der Fachgruppe abweichende Praxisausrichtung voraus, sondern auch, dass diese sicherstellungsrelevant ist und ein signifikantes Ausmaß aufweist.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens vor, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang eine Erhöhung vorzunehmen ist. Sie ist dabei nicht verpflichtet, die Praxisbesonderheiten betragsmäßig zu quantifizieren. Sie überschreitet ihren Ermessensspielraum auch nicht, wenn sie bei ihrer Entscheidung davon ausgeht, dass eine Erhöhung in einem Umfang, der auf eine Verschonung von jeglicher Leistungssteuerung hinausläuft, grundsätzlich ausscheidet.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.177,89 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Regelleistungsvolumina (RLV) für die Quartale I/2009 und II/2009.

Der Kläger war seit 1991 als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und nahm seit 1996 an der hausärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss hatte ihm für die Zeit bis 31.05.2009 die Erbringung und Abrechnung von 300 Gastroskopien je Quartal genehmigt. Zum 30.06.2010 verzichtete der Kläger auf seine Zulassung als Vertragsarzt.

Unter dem 29.12.2008 teilte die Beklagte dem Kläger das RLV für das Quartal I/2009 in Höhe von 62.779,02 EUR mit. Am 11.01.2009 beantragte er die Erhöhung des RLV für die ihm vom Zulassungsausschuss genehmigten 300 Gastroskopien. Mit Bescheid vom 13.05.2009 erhöhte die Beklagte das RLV für das Quartal I/2009 auf 69.427,78 EUR und setzte das RLV für das Quartal II/2009 auf 64.867,26 EUR fest. Die genehmigten Gastroskopien stellten eine Praxisbesonderheit dar, die eine abweichende Festsetzung des RLV erlaube. Da die Genehmigung aus Sicherstellungsgründen erfolgt sei, werde im Wege einer Einzelfallentscheidung nach Abzug eines Schwellenwerts von 10 % eine Steigerung des dem RLV zugrunde liegenden Fallwerts um 10,59 % zuerkannt. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Erhöhung um 6.648,34 EUR (für das Quartal I/2009) werde seinem Leistungsbedarf nicht gerecht. Unter Zugrundelegung der Bewertung der Gastroskopie im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) ergebe sich ein zusätzlicher Leistungsbedarf von 24.780,00 EUR. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2009 zurück. Gastroskopien gehörten nicht zu den vom RLV ausgenommenen Leistungen. Es liege vielmehr eine Praxisbesonderheit vor. Auch wenn in den Fallwert der Vergleichsgruppe von 38,25 EUR keine Gastroskopien eingeflossen seien, müsse der Fallwert des Klägers nicht zwangsläufig darüber liegen, da er dies möglicherweise durch unterdurchschnittliche Leistungserbringung in anderen Bereichen kompensiere. Zudem liege der Fallwert der fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie bei nur 34,21 EUR. Eine Pflicht, jegliche Überschreitung ohne Schwellenwerte in vollem Umfang zu berücksichtigen, bestehe nicht.

Am 01.12.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Weil mit jeder Gastroskopie untrennbar weitere Leistungen verbunden seien, ergäbe sich ein Honorar von deutlich über 100,00 EUR je Patient; damit habe er den Fallwert der Vergleichsgruppe um das 2,5fache überschritten. Für die 300 gastroskopierten Patienten müsse ihm der Überschreitungsbetrag vollständig vergütet werden, da er diese ausschließlich aus Sicherstellungsgründen behandelt habe. Zumindest müsste ihm der Differenzbetrag zwischen dem Fallwert von 38,25 EUR und 82,60 EUR gewährt werden. Die Beklagte hat erwidert, die von ihr vergüteten Leistungen würden durchweg zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und seien trotzdem bis auf einzelne Ausnahmen nicht vom RLV ausgenommen.

Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die von der Beklagten dem Kläger für die Quartale I/2009 und II/2009 zugewiesenen RLV seien nicht zu beanstanden. Der Kläger gehöre als hausärztlicher Internist zu den Ärzten, die nach der Honorarverteilungsvereinbarung (HVV) einer Leistungssteuerung mit RLV unterlägen. Die HVV-Regelung über die Regelbemessung des RLV, die die Beklagte zutreffend angewandt habe, entspreche den Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses, die ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar seien. Gleiches gelte für die Ausnahmentatbestände zur Erhöhung des RLV in § 8 Abs. 13 bis 15 HVV. Die auf der Grundlage des § 8 Abs. 14 HVV erfolgte Erhöhung des RLV sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die dem Kläger vom Zulassungsausschuss erteilte Ausnahmegenehmigung, als hausärztlicher Internist die dem fachärztlichen Versorgungsbereich vorbehaltenen Gastroskopien erbringen zu können, zu Recht als Praxisbesonderheit gewertet. Zwar habe der Kläger den vergleichsgruppenspezifischen Fallwert nicht um 30 % überschritten, sondern nur um 20,59 % (Quartal I/2009) bzw. 23,78 % (Quartal II/2009). Doch habe die Beklagte aus Gründen der Sicherstellung eine Erhöhung des RLV gewährt und hierfür den Schwellenwert von 30 % auf 10 % reduziert. Eine darüber hinausgehende Erhöhung des RLV könne der Kläger nicht beanspruchen. Gastroskopien gehörten nicht zu den Leistungen, die außerhalb des RLV zu vergüten seien. Diese Leistungen seien auch bei den fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie in das RLV einbezogen. Würden die Gastroskopien mit dem Fallwert der fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie angesetzt, ergäbe sich für den Kläger ein deutlich niedrigeres RLV.

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner am 09.11.2011 eingelegten Berufung. In der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2014 hat die Beklagte sich in einem Teilvergleich verpflichtet, den Fallwert für das RLV des Klägers für das Quartal II/2009 nicht nur um 10,59 %, sondern um 13,78 % zu erhöhen.

Der Kläger bringt vor, der Fallwert der fachärztlichen Gastroenterologen sei deswegen so niedrig, weil ein Großteil der von ihnen erbrachten Leistungen extrabudgetär vergütet werde (Koloskopien usw.). Da sie bei diesen Patienten den Fallwert nicht ausnutzten, könnten sie den Differenzbetrag mit Überschreitungen bei Gastroskopie-Patienten verrechnen. Er besitze derartige Verrechnungsmöglichkeiten aber nicht, sondern liege bei jedem von ihm gastroskopierten Patienten automatisch über dem ihm zugewiesenen Budget. Die tatsächliche Höhe der Vergütung für die Gastroskopien lasse sich aus dem dafür ab dem Quartal III/2010 eingeführten qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) ableiten, das bei den fachärztlichen Gastroenterologen zwischen 66,80 EUR und 75,64 EUR gelegen habe. Werde hierzu noch der RLV-Fallwert addiert, ergäben sich für die Gastroskopie-Patienten Fallwerte zwischen 84,44 EUR und 94,61 EUR.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagten unter Abänderung ihres Bescheides vom 13. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 zu verpflichten, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für die Quartale I/2009 und II/2009 ein höheres Regelleistungsvolumen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger könne nicht wegen einer Abrechnungsgenehmigung von 300 Gastroskopien verlangen, mit den Verdienstmöglichkeiten gleichgestellt zu werden, die die Gastroenterologen durch die Abrechnung anderer Leistungen erreichten. Auch sage die Höhe der späteren QZV über Verdienstmöglichkeiten im Jahr 2009 nichts aus.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

1. Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Die in § 87b Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) vorgeschriebene Zuweisung des RLV erfolgt in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar, der unabhängig vom Honorarbescheid anfechtbar ist. Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt zum einen, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann. Zum anderen ist (umgekehrt) für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum – und ein Rechtschutzbedürfnis gegeben – als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris RdNr. 10 ff. = SozR 4-2500 § 87b Nr. 1).

Im vorliegenden Fall fehlt der Klage gegen den RLV-Bescheid für die Quartale I/2009 und II/2009 nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Eintritt der Bestandskraft der Honorarbescheide für den von der RLV-Festsetzung betroffenen Zeitraum muss nicht dadurch verhindert werden, dass der Vertragsarzt gegen die Honorarbescheide Widerspruch einlegt. Vielmehr reicht es aus, wenn die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gegenüber Vertragsärzten, deren RLV noch im Streit steht, die Verpflichtung übernimmt, den Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen oder generell verlautbart, dass sie neue Honorarbescheide erlassen wird, wenn sich beim einzelnen Arzt Änderungen bei dem RLV ergeben; darüber hinaus kann bei Honorarbescheiden, die bis 2012 ergangen sind, Vertrauensschutz zu gewähren sein (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris RdNr. 15 f. = SozR 4-2500 § 87b Nr. 1). Hier hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, dass nach ihrer Verwaltungspraxis ein Verfahren gegen das RLV reiche, damit sie sich nicht auf die Bestandskraft des betreffenden Honorarbescheides berufe.

2. Der angefochtene Bescheid über die RLV des Klägers für die Quartale I/2009 und II/2009 ist in der Gestalt des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleichs rechtmäßig. Weder wird der Kläger durch die Regelbemessung seines RLV in seinen Rechten verletzt (dazu a) noch steht ihm ausnahmsweise ein Anspruch auf Zuweisung eines höheren als des ihm von der Beklagten zuerkannten RLV zu (dazu b).

a) Die Regelbemessung der RLV des Klägers für die streitigen Quartale I/2009 und II/2009 ist nicht zu beanstanden.

Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung des GKV-WSG) werden die vertragsärztlichen Leistungen abweichend von § 85 SGB V von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind gemäß § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Dabei definiert § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V ein RLV als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V). Weitere Vorgaben zur Ausgestaltung der RLV macht das Gesetz in § 87b Abs. 2 Sätze 4 bis 7 und Abs. 3 SGB V.

Nach § 87b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V sowie Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V. Diesem Auftrag ist der (Erweiterte) Bewertungsausschuss durch Beschlüsse vom 27./28.08.2008 (DÄ 2008, A-1988), 17.10.2008 (DÄ 2008, A-2607) und 23.10.2008 (DÄ 2008, A-2602) nachgekommen. Danach ist für die Bemessung des RLV der zum jeweiligen Zeitpunkt gültige arztgruppenspezifische Fallwert und die Fallzahl des jeweiligen Arztes im Vorjahresquartal maßgebend (Teil F Nr. 3.2.1 Satz 2), hat bei Überschreitung der fachgruppendurchschnittlichen Fallzahl um mehr als 50 % eine Abstaffelung des Fallwerts stattzufinden (Teil F Nr. 3.2.1 Satz 3) und können Ausnahmen hiervon bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geregelt werden (Teil F Nr. 3.4). An diesen Vorgaben orientierten sich die Gesamtvertragsparteien im Bezirk der beklagten KÄV bei der Ausformung des HVV. Danach ergibt sich die Höhe des RLV eines Vertragsarztes aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KÄV-bezogenen vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal (§ 8 Abs. 2 Satz 2 HVV). Relevant für die Ermittlung der arztindividuellen Fallzahl sind nur die kurativ-ambulanten Arzt- und Behandlungsfälle mit Ausnahme der Notfälle im organisierten Notfalldienst, bestimmter Überweisungsfälle und der Fälle von aus dem RLV ausgenommenen Leistungen (§ 8 Abs. 5 Satz 1 HVV). Die Berechnung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts erfolgt mittels Division des RLV-Vergütungsvolumens der Vergleichsgruppe durch die aufsummierten, ggf. abgestaffelten Fallzahlen der Ärzte der Vergleichsgruppe (§ 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Anlage 7 HVV). Der für einen Arzt zutreffende vergleichsgruppenspezifische Fallwert unterliegt ab einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 150 % einer abgestaffelten Minderung – um 25 % für Fälle über 150 % bis 170 % des Fallzahldurchschnitts, um 50 % für Fälle über 170 % bis 200 % des Fallzahldurchschnitts und um 75 % für Fälle über 200 % des Fallzahldurchschnitts (§ 8 Abs. 2 Satz 4 HVV). Die Vorgaben des Bewertungsausschusses und ihre Ausformung im HVV stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Dies gilt insbesondere für die vom Gesetz selbst (§ 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V) vorgeschriebene Abstaffelungsregelung. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die entsprechenden Ausführungen in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des SG verwiesen.

Der Kläger gehört als hausärztlicher Internist zu den Ärzten, die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage 2a HVV einer Leistungssteuerung mit RLV unterliegen. Der Fallwert seiner Vergleichsgruppe (Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin, Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte, Fachärzte für Innere Medizin, die dem hausärztlichen Versorgungsbereich angehören) betrug 38,25 EUR im Quartal I/2009 und 37,19 EUR im Quartal II/2009. Die durchschnittlichen Fallzahlen der Vergleichsgruppe lagen in den maßgeblichen Vorjahresquartalen bei 952,30 (Quartal I/2008) und 937,00 (Quartal II/2008). Da der Kläger mit Fallzahlen von 1.792 (Quartal I/2008) bzw. 1.668 (Quartal II/2008) den Vergleichsgruppendurchschnitt um 188,2 % (Quartal I/2008) bzw. 178,0 % (Quartal II/2008) überschritt, kam bei ihm die Abstaffelungsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 4 HVV zu Anwendung. Ausgehend hiervon ergibt sich – unter Berücksichtigung des morbiditätsbezogenen Faktors von 0,9900 (Quartal I/2009) bzw. 0,9959 (Quartal II/2009) – eine Regelbemessung des RLV für das Quartal I/2009 auf 62.779,02 EUR und für das Quartal II/2009 auf 58.651,78 EUR.

b) Diese RLV hat die Beklagte in dem mit der Klage angefochtenen Bescheid für das Quartal I/2009 auf 69.427,78 EUR und für das Quartal II/2009 auf 64.867,26 EUR erhöht – jeweils unter Zugrundelegung eines um 10,59 % erhöhten Fallwerts (von 38,25 EUR auf 42,30 EUR im Quartal I/2009 und von 37,19 EUR auf 41,13 EUR im Quartal II/2009). Ferner hat sich die Beklagte in dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleich verpflichtet, den Fallwert für das Quartal II/2009 nicht nur – wie im angefochtenen Bescheid – um 10,59 % (von 37,19 EUR auf 41,13 EUR), sondern um 13,78 % (von 37,19 EUR auf 42,31 EUR) zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung seiner RLV kann der Kläger nicht beanspruchen.

Rechtsgrundlage für die Erhöhung eines nach den allgemeinen Regeln bemessenen RLV ist § 8 Abs. 13 bis 15 HVV. Danach kann das RLV bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten (§ 8 Abs. 13 HVV) oder bei Praxisbesonderheiten (§ 8 Abs. 14 HVV) abweichend festgesetzt werden; ferner können überproportionale Honorarverluste ausgeglichen werden (§ 8 Abs. 15 HVV). Diese Ausnahmeregelungen entsprechen den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses in dessen Beschlüssen vom 27./28.08.2008 (DÄ 2008, A-1988) und 15.01.2009 (DÄ 2009, A-574), der damit seinerseits den gesetzlichen Regelungsaufträgen in § 87b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, Abs. 3 Satz 3 SGB V nachgekommen ist.

Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers nur eine Ausnahme nach § 8 Abs. 14 HVV in Betracht kommt. Dort ist (in der Fassung des 1. Nachtrages vom 16.06.2009) bestimmt: "Auf Antrag des Arztes kann der bei der Berechnung des RLV anzuwendende vergleichsgruppenspezifische Fallwert bei Vorliegen der u. g. Umstände abweichend von den allgemeinen Regelungen festgesetzt werden. Praxisbesonderheiten ergeben sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung. Zusätzlich ist eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30% erforderlich. In Einzelfällen können aus Gründen der Sicherstellung Praxisbesonderheiten anerkannt werden, wenn die Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwertes geringer als in Satz 3 ausfällt. Die KV Sachsen prüft und entscheidet über den Antrag des Arztes. Die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen in Sachsen werden über die Entscheidungen kurzfristig informiert. Das Verfahren wird von den Vertragspartnern in einer Durchführungsvereinbarung geregelt." Auf Tatbestandsseite muss also eine Praxisbesonderheit vorliegen. Ist dies der Fall, räumt § 8 Abs. 14 HVV auf Rechtsfolgenseite der Beklagten Ermessen ein.

Die tatbestandlich vorausgesetzte Praxisbesonderheit war in § 8 Abs. 14 HVV ursprünglich (in der Fassung vom 15.11.2008) entsprechend dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 (Teil F Nr. 3.6) eng definiert durch einen besonderen Versorgungsauftrag oder eine besondere versorgungsrelevante Spezialisierung auf der einen Seite (Satz 2) und eine erhebliche (mindestens 30 %-ige) Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts auf der anderen Seite (Satz 3). Infolge des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15.01.2009 (Teil A Nr. 4) wurde diese enge Fassung erweitert und durch den 1. Nachtrag vom 16.06.2009 in § 8 Abs. 14 HVV die Anerkennung von Praxisbesonderheiten auch bei einer geringeren Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts ermöglicht (neuer Satz 4).

Diese ab dem 01.01.2009 geltende Regelung über die Erhöhung des RLV wegen Praxisbesonderheiten lehnt sich an die bis zum 30.06.2003 geltende Regelung über die Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets und die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG an. Eine solche Budgeterweiterung war nach Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B EBM-Ä "im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" möglich. Dies setzte nach der Rechtsprechung des BSG eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung mit messbarem Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl der Praxis voraus (BSG, Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 50/07 R - juris RdNr. 36 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 17; Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - juris RdNr. 15 f. = SozR 4-2500 § 87 Nr. 12; Urteil vom 02.04.2003 - B 6 KA 48/02 R - juris RdNr. 23 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 1; Urteil vom 16.05.2001 - B 6 KA 53/00 R - juris RdNr. 25 und 27 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 31). Dabei wurde als mögliches Indiz für eine Atypik im Vergleich zur Fachgruppe eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet angesehen. Zusätzlich wurde eine überdurchschnittlich niedrige Honorierungsquote für die Spezialleistungen und ein überdurchschnittlich hohes Gesamtleistungsvolumen verlangt (siehe nur BSG, Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 50/07 R - juris RdNr. 36 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 17). Rückschlüsse auf einen besonderen Versorgungsbedarf sollte ein besonders hoher – nämlich mindestens 20 %-iger – Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 40/99 R - juris RdNr. 22 = BSGE 87, 112; Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 26/08 R - juris RdNr. 17= SozR 4-2500 § 87 Nr. 19). Dieser Rechtsprechung entspricht es, wenn der Erweiterte Bewertungsausschuss in seinem Beschluss vom 27./28.08.2008 (Teil F Nr. 3.6) und ihm folgend die Gesamtvertragsparteien in § 8 Abs. 14 HVV als Voraussetzung für eine Erhöhung des RLV nicht nur eine von der Fachgruppentypik abweichende Praxisausrichtung, mithin eine Praxisbesonderheit, verlangen, sondern auch, dass diese Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt ein signifikantes Ausmaß aufweist. Soweit dabei aber für eine RLV-Erhöhung ursprünglich zwingend eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Fachgruppe um mindestens 30 % verlangt wurde, waren die Voraussetzungen deutlich enger gefasst, als sie es nach der Rechtsprechung des BSG für die Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets waren. Denn darin war nicht allein von einem geringeren Mindestprozentsatz die Rede – nämlich von 20 % –, vielmehr hatte dieser auch einen anderen Bezugspunkt – nämlich den Anteil der Spezialleistungen und nicht die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts. Diese enge Fassung der Voraussetzungen wurde aber durch den Erweiterten Bewertungsausschuss und die Gesamtvertragsparteien alsbald wieder erweitert und die Anerkennung einer Praxisbesonderheit im Einzelfall aus Sicherstellungsgründen auch bei einer geringeren Fallwertüberschreitung erlaubt. Die Formulierung ("im Einzelfall aus Gründen des Sicherstellung") rückt die Regelung über die RLV-Erhöhung wieder näher an diejenige über die Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets ("im Einzelfall zur Sicherstellung") heran. Folglich setzt die Erhöhung des RLV nicht nur eine vom durchschnittlichen Spektrum der Fachgruppe abweichende Praxisausrichtung voraus, sondern auch, dass diese sicherstellungsrelevant ist und ein signifikantes Ausmaß aufweist.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Bei ihm liegt aufgrund der ihm von den Zulassungsgremien gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V erteilten Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Gastroskopien eine Praxisbesonderheit im Sinne des § 8 Abs. 14 Satz 2 HVV vor. Die Erbringung solcher Leistungen ist für einen Angehörigen der Vergleichsgruppe des Klägers (Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin, Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte, Fachärzte für Innere Medizin, die dem hausärztlichen Versorgungsbereich angehören) untypisch. Denn die Gastroskopien gehören zu den Leistungen, die, weil sie dem fachärztlichen Versorgungsbereich vorbehalten sind, von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten (§ 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V) nicht abgerechnet werden dürfen (§ 73 Abs. 1a Satz 2 SGB V). Hausärztlich tätige Internisten – wie der Kläger – dürfen nur ausnahmsweise bei entsprechendem Versorgungsbedarf und mit Genehmigung der Zulassungsgremien auch fachärztlich tätig sein (§ 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V). Die daher beim Kläger in der Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Gastroskopien begründete Praxisbesonderheit führte allerdings in keinem der beiden hier streitigen Quartale zu einer Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Vergleichsgruppe um mindestens 30 %, sondern lediglich zu Überschreitungen um 20,59 % (Quartal I/2009) bzw. 23,78 % (Quartal II/2009). Somit waren die Voraussetzungen des § 8 Abs. 14 Satz 3 HVV nicht erfüllt. Gleichwohl war die Beklagte nach § 8 Abs. 14 Satz 4 HVV berechtigt, im Wege einer Einzelfallentscheidung das RLV des Klägers zu erhöhen, da bei ihm die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts bezogen auf den Fallwert mit über 20 % ein signifikantes Ausmaß aufweist.

Liegen somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung des RLV nach § 8 Abs. 14 HVV vor, hatte die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang eine Erhöhung des RLV vorzunehmen ist. Dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 14 HVV. Denn nach dessen Satz 1 "kann" bei Vorliegen der in den folgenden Sätzen niedergelegten tatbestandlichen Voraussetzungen der bei der RLV-Berechnung anzuwendende Fallwert abweichend von den allgemeinen Regelungen festgesetzt werden. Die Ermessenseinräumung entspricht nicht nur dem Normtext, sondern auch dem Normzweck des § 8 Abs. 14 HVV. Denn es handelt sich dabei um eine Ausnahmeregelung, die der Vermeidung von Härten dient, die bei atypischen Praxisumständen im Einzelfall mit den generellen Verteilungsregelungen verbunden sein können. § 8 Abs. 14 HVV begründet daher beim Vorliegen der darin geregelten Voraussetzungen lediglich ein subjektives Recht des betroffenen Arztes auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der KÄV über seinen Antrag auf Erhöhung des RLV (vgl. zu vergleichbaren Vorschriften BSG, Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - juris RdNr. 26 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 66; Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 80/03 R - juris RdNr. 44 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10; Urteil vom 16.05.2001 - B 6 KA 53/00 R - juris RdNr. 20 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 31).

Nichts anderes folgt daraus, dass es sich bei § 8 Abs. 14 HVV um eine Ausnahmeregelung zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten handelt. Die Beklagte ist nicht im Rahmen des § 8 Abs. 14 HVV in derselben Weise wie bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet, die von ihr anerkannten Praxisbesonderheiten betragsmäßig zu quantifizieren. Denn die Praxisbesonderheiten haben im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine grundlegend andere Funktion als im Rahmen der Honorarverteilung (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 80/03 R - juris RdNr. 47 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10). Die Praxisbesonderheiten in der Wirtschaftlichkeitsprüfung dienen dazu, im Einzelfall den mit Hilfe von Richtgrößen oder Durchschnittswerten begründeten Anscheinsbeweis einer in bestimmtem Umfang vorliegenden Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise des Vertragsarztes zu widerlegen, indem ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf der eigenen Patientenklientel sowie die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden. Demgegenüber haben die Praxisbesonderheiten im Rahmen der Honorarverteilung mit der Frage der Wirtschaftlichkeit nichts zu tun; sie sind hier Synonym für atypische Umstände, die eine ermessensgeleitete Härtefallentscheidung in Abweichung von den generellen Verteilungsregelungen auslösen. Diese Unterschiede verbieten es, die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Grundsätze zur Quantifizierung der Praxisbesonderheiten in den Bereich der Honorarverteilung zu übertragen. Die Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Härtefallentscheidung sind vielmehr durch den ihr innewohnenden Ermessensspielraum und damit letztlich durch die Maßstäbe in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorgegeben.

Die Beklagte hat ihr Ermessen in dem mit der Klage angefochtenen Bescheid dahingehend ausgeübt, dass sie dem Kläger nach Abzug eines Schwellenwerts von 10 % eine Steigerung des der RLV-Berechnung zugrunde zu legenden Fallwerts um den Betrag zuerkannt hat, den der individuelle Fallwert des Klägers den vergleichsgruppenspezifischen Fallwert überschritten hat. Daraus hat sich, da der Kläger im Quartal I/2009 den vergleichsgruppenspezifischen Fallwert um 20,59 % überschritten hat, für dieses Quartal folgerichtig eine Erhöhung des Fallwerts um 10,59 % ergeben. Dieselbe Erhöhung ist im angefochtenen Bescheid für das Quartal II/2009 vorgenommen worden, obwohl in diesem Quartal die Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts 23,78 % betragen hat. Diese mangelnde Folgerichtigkeit hat die Beklagte im Laufe des gerichtlichen Verfahrens beseitigt und dem Kläger in dem vor dem Senat geschlossenen Teilvergleich eine Erhöhung des Fallwerts für dieses Quartal II/2009 um 13,78 % zugesprochen.

Zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung, die Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts nach Abzug eines Schwellenwerts von 10 % anzuerkennen, hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt: Eine Erhöhung könne maximal um den Prozentsatz erfolgen, um den der Fallwert der Vergleichsgruppe überschritten werde. Da eine Erhöhung, die auf eine Vergütung der Leistungen außerhalb des RLV und ohne jegliche Abstaffelung hinausliefe, nicht in Betracht komme, werde der grundsätzlich (in § 8 Abs. 14 Satz 3 HVV) vorgegebene Schwellenwert von 30 % auf 10 % reduziert. Auch wenn in den Fallwert der Vergleichsgruppe keine Gastroskopien eingeflossen seien, müsse der Fallwert des Klägers nicht zwangsläufig darüber liegen, da er dies möglicherweise durch unterdurchschnittliche Leistungserbringung in anderen Bereichen kompensiere. Gründe der Sicherstellung geböten keine Berücksichtigung der Überschreitung ohne Schwellenwerte, zumal die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Gastroskopien zum 01.06.2009 auf maximal 100 je Quartal reduziert worden sei.

Diese Begründung lässt Ermessensfehler, die zur Rechtswidrigkeit der Härtefallentscheidung führen könnten, nicht erkennen. Die Beklagte hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ausnahmeregelung in § 8 Abs. 14 HVV ausgeübt. Die Funktion dieser Ausnahmeregelung besteht darin, im Falle von Praxisbesonderheiten mögliche unbillige Belastungen der generell gerechtfertigten Regelung über die RLV zu verhindern. Eine zweckentsprechende Umsetzung der Ausnahmeregelung darf deshalb nicht nur die Umstände im Blick haben, welche die Abweichung vom typischen Fall (hier: Erbringung von Gastroskopien) und die dadurch hervorgerufene Belastung (hier: Überschreitung des Fallwert- und Fallzahldurchschnitts) ausmachen. Vielmehr darf auch die generelle Rechtfertigung der Leistungssteuerung mit in die Ermessensentscheidung eingestellt werden. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte bei der Entscheidung davon ausgeht, dass eine Erhöhung in einem Umfang, der auf eine vollständige Verschonung von der Leistungssteuerung auf der Grundlage von RLV hinausläuft, grundsätzlich ausscheidet und sich vielmehr die Erhöhung in das Leistungssteuerungssystem des § 8 HVV einzupassen hat.

Ausgehend hiervon hat die Beklagte ihren Ermessensspielraum nicht dadurch überschritten, dass sie bei ihrer Entscheidung darüber, in welchem Umfang das RLV des Klägers aufgrund seiner Praxisbesonderheiten erhöht wird, § 8 Abs. 14 Satz 3 HVV den Gedanken entnommen hat, die arztindividuelle Überschreitung des vergleichsgruppenspezifischen Fallwerts erst nach Abzug eines prozentualen Schwellenwerts auszugleichen. Zwar regelt § 8 Abs. 14 Satz 3 HVV mit der "Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 %" unmittelbar nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer RLV-Erhöhung. Doch kann ein solcher Grenzwert für die Rechtsfolgen nicht ohne Bedeutung sein, da es sich schwerlich begründen lässt, warum eine 29 %-ige Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts überhaupt nicht, eine 30 %-ige Überschreitung dagegen voll ausgeglichen werden soll. Daher liegt es nahe, eine Fallwerterhöhung nur unter Abzug des Schwellenwertes vorzunehmen. Die Heranziehung dieses Gedankens kommt auch im Rahmen des § 8 Abs. 14 Satz 4 HVV in Betracht, der die Anerkennung von Praxisbesonderheiten bei Überschreitungen des vergleichsgruppenspezifischen Fallwertes von weniger als 30 % ermöglicht. Denn wie § 8 Abs. 14 Satz 3 HVV setzt auch § 8 Abs. 14 Satz 4 HVV eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts voraus. Diese Überschreitung muss zwar nicht 30 % betragen, aber doch – wie oben dargelegt wurde – ein signifikantes Ausmaß aufweisen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Abzug eines Schwellenwertes vorgenommen und diesen von 30 % auf 10 % abgesenkt hat.

Ebenso wenig ist es ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte dem Kläger keine Ausnahme von der Abstaffelung zuerkannt hat. Seinem Wortlaut nach sieht § 8 Abs. 14 Satz 1 HVV als Rechtsfolgen allein eine abweichende Festsetzung des Fallwerts und nicht auch der fallzahlabhängigen Abstaffelung vor. Allerdings weist die Abstaffelung einen Bezug zum Fallwert auf, da sie in einer vom Grad der Überschreitung des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe abhängigen Minderung des Fallwerts besteht (gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 HVV um 25 % für Fälle über 150 % bis 170 % des Fallzahldurchschnitts, um 50 % für Fälle über 170 % bis 200 % des Fallzahldurchschnitts und um 75 % für Fälle über 200 % des Fallzahldurchschnitts). Werden deshalb im Rahmen des § 8 Abs. 14 HVV Ausnahmen von der Abstaffelung für möglich gehalten, so erfordert dies jedoch, dass die Überschreitung des Fallzahldurchschnitts in einer abstaffelungsrelevanten Weise von Praxisbesonderheiten herrührt. Auch hier gilt, dass die Beklagte ihren Ermessensspielraum nicht überschreitet, wenn sie davon ausgeht, dass im Rahmen des § 8 Abs. 14 HVV eine Verschonung von jeglicher Leistungssteuerung auf der Grundlage von RLV – gleichgültig ob Fallwert oder Fallzahl betreffend – grundsätzlich ausscheidet. Ferner ist im Auge zu behalten, dass bereits die Abstaffelungsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 4 HVV atypischen Praxisausrichtungen Raum lässt, weil sie erst bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um mindestens 50 % greift. Schöpft daher ein Vertragsarzt – wie hier – dieses Fallzahlkontingent mit seinen vergleichsgruppentypischen Leistungen voll aus, kann er nicht erwarten, mit Blick auf seine weiteren Leistungen, die vergleichsgruppenuntypisch sind und eine Praxisbesonderheit begründen, von der Abstaffelung verschont zu werden.

Frei von Ermessenfehlern hat die Beklagte auch den Umstand gewürdigt, dass dem Kläger die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Gastroskopien aus Gründen der Sicherstellung erteilt worden war. Dieser Umstand ist bereits tatbestandliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Praxisbesonderheit nach § 8 Abs. 14 HVV. Er muss daher nicht zwingend nochmals im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden – vor allem nicht im Sinne einer vollständigen Verschonung von der Leistungssteuerung auf der Grundlage von RLV. Zudem hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die von ihr vergüteten Leistungen durchweg zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden und dennoch bis auf einzelne Ausnahmen nicht vom RLV ausgenommen sind. Im Übrigen hat der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 04.05.2009 die Genehmigung des Kläger ab dem unmittelbar auf den Streitzeitraum folgenden Quartal III/2009 von 300 auf 100 Gastroskopien reduziert, weil sich nach seinen Feststellungen die hinsichtlich dieser Leistungen bestehende Lücke im fachärztlichen Versorgungsangebot verkleinert hat.

Schließlich war die Beklagte weder dazu verpflichtet, den Kläger durch die RLV-Erhöhung faktisch mit den fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie gleichzustellen, noch hat sie ihren Ermessensspielraum dadurch überschritten, dass sie dies nicht getan hat. Die von den fachärztlichen Gastroenterologen erbrachten Gastroskopien unterlagen rechtlich in den streitigen Quartalen ebenfalls der Leistungssteuerung auf der Grundlage von RLV. Die fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie waren daher durch die Regelung in § 8 HVV nicht unmittelbar besser gestellt als hausärztliche Internisten mit der Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Gastroskopien. Die fachärztlichen Gastroenterologen waren infolge dieser Regelung sogar insoweit schlechter gestellt, als der vergleichsgruppenspezifische Fallwert bei ihnen 34,21 EUR betrug und nicht 38,25 EUR wie bei den hausärztlichen Internisten. Eine Schlechterstellung konnte sich für letztere sich lediglich mittelbar-faktisch aus den unterschiedlichen Möglichkeiten, die Vergütungsbeschränkungen durch die RLV zu kompensieren, ergeben. Es kann offen bleiben, ob und inwieweit die fachärztlichen Gastroenterologen die Beschränkungen durch die RLV bei den Gastroskopien mit der Erbringung von Koloskopien nicht nur theoretisch, sondern auch faktisch kompensieren konnten, insbesondere ob ihre Koloskopie-Fälle wirklich ungeachtet des § 8 Abs. 5 Satz 1 HVV bei der RLV-Berechnung zählten und, wenn ja, inwieweit die Relation von Koloskopien zu Gastroskopien tatsächlich eine Kompensation zuließ. Denn der Kläger kann eine faktische Gleichstellung mit den fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Gastroenterologie nicht beanspruchen. Rechtfertigender Grund für unterschiedliche Kompensationsmöglichkeiten ist die Entscheidung des Klägers, als Internist an der hausärztlichen und nicht an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und entspricht derjenigen für das erstinstanzliche Verfahren.

Kirchberg Dr. Wahl zugleich für den urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehinderten Richter Salomo
Rechtskraft
Aus
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