S 6 AS 612/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 612/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur gerichtlichen Ermessenskontrolle einer Bewilligung von Einstiegsgeld nach dem SGB II für einen Zeitraum von zwei Monaten.
Der Bescheid vom 15.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 24.07.2012 zurückzunehmen und den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Einstiegsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsantrags über die Gewährung der Dauer und der Höhe von Einstiegsgeld.

Der 1968 geborene Kläger befindet sich seit August 2010 wieder beim Beklagten im SGB II-Leistungsbezug.

Zuvor stand der Kläger vom 01.01.2005 bis Mai 2006 im SGB II-Leistungsbezug. Der Kläger hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Wing Tsun Kampfkunstschule in L-Stadt, die in der Zeit vom 08.03.2004 bis 31.12.2004 einen Verlust in Höhe von 13.712,50 EUR erzielte (Bl. 83 Verwaltungsakte). Die Wohnung des Klägers wurde im Mai 2006 geräumt. Nachträglich wurde bekannt, dass der Kläger inhaftiert worden war.

Die Verwaltungsvorgänge über den neuen Leistungsbezug des Klägers beginnen bereits im Februar 2010. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme in der JVA C-Stadt. Endstrafe sei am 15.08.2010 (Bl. 2 Verwaltungsakte).

Im Rahmen eines Gesprächs am 13.08.2010 gab der Kläger an, schwerbehindert zu sein (Bl. 3 Verwaltungsakte). Er verfüge über kein Girokonto und kein Vermögen.

Anlässlich einer Vorsprache bei der Arbeitsvermittlerin im Juni 2011 (Bl. 43 Leistungsakte) teilte der Kläger mit, dass er erneut eine Wing Tsun Schule eröffnen wolle. Er habe einen Trainerschein mit dem Zusatz "Trainer für Frauen" erworben und strebe auch einen Kinderschein an.

Am 05.09.2011 fand ein erstes Gespräch des Klägers mit Herrn D. vom Arbeitgeberservice des Beklagten statt. Der Kläger habe ein sehr einfaches Geschäftskonzept zur Gründung einer eigenständigen Existenz vorgelegt. Geplant sei die Gründung einer Selbstverteidigungsschule Wing Tsun. Der Kläger sei um Überarbeitung seines Konzeptes gebeten worden (Bl. 1 Verwaltungsakte). Aus dem diesem Vermerk beigefügten Konzept geht u.a. hervor, dass der Kläger über kein Startkapital verfügte, einen Schufa-Eintrag und Schulden hatte. Er plane eine Wing Tsun-Schule für Kinder, Frauen und Männer und benötige Geld zur Anschaffung diverser im Konzept genannter Gegenstände bzw. um Werbung machen zu können (Bl. 3 Verwaltungsakte).

Aus einer Übersicht zu den Schulden kann entnommen werden, dass der Kläger insgesamt 37.500 EUR Schulden hatte (Bl. 15 Verwaltungsakte).

Aus einer weiteren Übersicht zu den geschätzten Startausgaben geht hervor, dass diese vom Kläger mit 41.256 EUR angesetzt wurden (Bl. 20 Verwaltungsakte). Die monatlichen Ausgaben für das Gewerbe wurden mit 1.917 EUR angegeben (Bl. 27, 28 Verwaltungsakte). Das prognostizierte Einkommen in den ersten fünf Monaten lag zunächst bei 274 EUR und sollte im fünften Monat auf 602 EUR steigen (Bl. 30 Verwaltungsakte).

Aus einem Lebenslauf des Klägers geht hervor, dass dieser zuletzt als Elektriker gearbeitet hatte. Davor war er u.a. als Anlagenbediener, Techniker, Elektromechaniker und Lagerarbeiter tätig (Bl. 34 Verwaltungsakte).

Aus einer Teilnahmebescheinigung der "Wing Tsun Kampfschule von Frauen für Kinder und Mädchen" aus A-Stadt geht hervor, dass der Kläger dort im Mai 2011 eine Schulung erfolgreich absolviert hatte (Bl. 38 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 20.01.2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Förderung einer eigenständigen Existenz ab. Der Kläger habe in einer überarbeiteten Fassung seines Konzeptes einen Kapitalbedarf in Höhe von ca. 20.000 EUR geltend gemacht, um die Wing Tsun-Schule gründen zu können. Nach Wertung der Gesamtangelegenheit müsse der Antrag abgelehnt werden. Das Vorhaben sei dem Beklagten bekannt. Man unterstelle, dass der Kläger über ausreichende Qualifikationen verfüge, um dieses Vorhaben qualitativ angemessen anbieten und umsetzen zu können. Die Höhe der notwendigen Investitionen sei realistisch, wäre aber bei einer Förderung ausschließlich über den Beklagten als unwirtschaftlich anzusehen. Dabei bewerte man die derzeitigen laufenden Leistungen, die erbracht würden, mit den beantragten Investitionen und den weiteren laufenden Zahlungen in eine ungewisse Zukunft als Unternehmer. Aufwand, Ertrag und Risiko würden betriebswirtschaftlich in keinem Verhältnis stehen. Als problematisch werde das vermutete Kundenaufkommen angesehen. Es erschließe sich dem Beklagten nicht, dass der Kläger perspektivisch über ausreichend Kundinnen und Kunden verfüge, sämtliche Kosten und hierbei auch diejenigen des Lebensunterhalts abzudecken. Weiterhin habe der Kläger Schulden in nicht genau dargelegter Höhe. Unklar sei die Frage der Abzahlung. Im Falle einer Betriebsprüfung bestehe die Gefahr der Kassen- und Taschenpfändungen, aber auch der Pfändung von Kapital, welches zur Betriebsgründung zur Verfügung gestellt werde. Dieses Risiko könne von der Allgemeinheit nicht getragen werden. Dem Kläger sei auch im Hinblick auf andere Vorhaben eine Regelung der Schuldenproblematik anzuraten. Die Entscheidung beruhe auf § 16c SGB II (Bl. 41 Verwaltungsakte).

Der Kläger reduzierte seine erforderlichen Startausgaben sodann auf 4972 EUR (Bl. 46 Verwaltungsakte) und ging von voraussichtlichen monatlichen Kosten in Höhe von 672 EUR aus (Bl. 47 Verwaltungsakte). Aus einer überarbeiteten Aufstellung über die prognostizierten Einnahmen gehen Einnahmen im ersten Monat in Höhe von 379 EUR, im zweiten Monat in Höhe von 536 EUR, im dritten Monat in Höhe von 691 EUR, im vierten Monat in Höhe von 774 EUR und im fünften Monat in Höhe von 1197 EUR durch Mitgliedsbeiträge hervor, wobei der monatliche Mitgliedsbeitrag zwischen 25 und 39 EUR liegen werde (Bl. 48 f. Verwaltungsakte).

Am 04.05.2012 führte Herr D. beim Kläger einen Besuch des Ladenlokals durch. Das Lokal erscheine geeignet. Eventuell finanziere der Vermieter einen geeigneten Fußboden (Bl. 51 Verwaltungsakte).

Aus einem Vermerk des Beklagten durch Herrn D. vom 19.06.2012 (Bl. 55 Verwaltungsakte) kann entnommen werden, dass der Kläger eine Finanzplanung zur Gründung der angestrebten beruflichen Existenz vorgelegt habe. Er beantrage ein Darlehen in Höhe von 5000 EUR zur Finanzierung des Vorhabens und für die finanzielle Begleitung in der Startphase. Er gehe davon aus, dass er in A-Stadt eine feste Einrichtung vorhalte und in G-Stadt, M-Stadt und Z-Stadt ein mobiles Angebot erfülle. Dies ermögliche bei geeigneter Werbung ein Leben innerhalb von drei Monaten unabhängig von Transferleistungen. Das Konzept sei bekannt. Die persönliche Eignung liege vor. Dem Konzept werde hiermit zugestimmt. Es werde ein Darlehen in Höhe von 5000 EUR vergeben.

In der Eingliederungsvereinbarung vom 19.06.2012 verpflichtete der Beklagte sich, dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 5000 EUR zu gewähren und ihm bis zum 31.10.2012 "Transferleistungen" zu gewähren (Bl. 56 Verwaltungsakte).

Am 19.06.2012 schlossen der Kläger und der Beklagte einen entsprechenden Vertrag über ein zinsloses Darlehen in Höhe von 5000 EUR. Die Tilgung des Darlehens erfolge ab 01.06.2013 in monatlichen Raten von 100 EUR (Bl. 58 Verwaltungsakte).

Am 09.07.2012 wandte sich der Kläger persönlich an Herrn D. und stellte einen Antrag auf Einstiegsgeld. Aus dem Vermerk von Herrn D. kann entnommen werden, dass dieses für die Zeit vom 01.08.2012 bis 30.09.2012 begehrt werde, da der Kläger bis dahin die Mietzahlungen an den Vermieter für das Ladenlokal nicht vollständig aufbringen könne. In den Investitionen seien diese Kosten nicht enthalten. Herr D. teilte dem Kläger mit, dass er einverstanden sei. Das Einstiegsgeld werde in Höhe von 50 % der Regelleistung für die beantragtem Monate bewilligt (Bl. 65 Verwaltungsakte).

Diesem Vermerk war ein Schreiben des Klägers vom gleichen Tag beifügt, wobei der Kläger die Übernahme der Betriebskosten für ein halbes Jahr beantragt hatte (Bl. 66 Verwaltungsakte).

Im Antragsformular vom 09.07.2012 wurde jedoch ein Antrag zur Gewährung von Einstiegsgeld nur für die Zeit vom 01.08.2012 bis 30.09.2012 gestellt (Bl. 67 Verwaltungsakte). In dem Verfügungsformular zur "fachlichen Feststellung" stellte der Beklagte sodann fest, dass das Einstiegsgeld gewährt werden müsse, da der Kläger über ein zu geringes Einkommen in der Startphase verfüge (Bl. 69 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 24.07.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.08.2012 bis 30.09.2012 Einstiegsgeld in Höhe von monatlich 187 EUR. Die Entscheidung beruhe auf § 16b SGB II und der Einstiegsgeldverordnung. Beim Einstiegsgeld handele es sich um eine Ermessensleistung. Sie könne von dem Grundsicherungsträger nur erbracht werden, soweit sie für erforderlich gehalten werde, um die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Dabei seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Ausführungen zur Ermessensbetätigung hinsichtlich der Höhe und Dauer des Einstiegsgelds finden sich im Bescheid nicht (Bl. 53 Gerichtsakte S 10 AS 86/13 ER).

Am 06.11.2012 teilte der Kläger das prognostizierte Einkommen aus der Selbständigkeit für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 mit. Die Einnahmen würden voraussichtlich bei monatlich 43,50 EUR liegen, die Ausgaben hingegeben bei 1086 EUR, wobei der Beklagte ausführt, dass die Ausgaben um 204 EUR zu kürzen seien, da Eigenanteile an Fahrt- und Telefonkosten berücksichtigt werden müssten (Bl. 75 Verwaltungsakte).

Bereits am 29.10.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung des Einstiegsgeldes. Er müsse 650 EUR für den Trainingsraum bezahlen. Hinzu würden noch monatlich 180 EUR für "Gebiete" kommen, was das Gericht dahingehend interpretiert, dass der Kläger Lizenzgebühren zur Führung des "Labels" eines Wing Tsun-Verbandes zahlen muss. Diese Gelder würde er für einen Zeitraum von einem Jahr benötigen. Weiterhin benötige er Gelder für Flyer, Schaufensterwerbung und Spiegel für den Trainingsraum. Da er derzeit ohne Einkommen sei, habe er die Miete für September und Oktober 2012 nicht bezahlen können. Auch habe er nicht genügend Geld, um Werbung zu machen. Er habe daher nur zwei Verträge für die Wing Tsun Schule abschließen können. Außerdem benötige er zum weiteren Aufbau der Schule ein Handy, für welches er 250 EUR bezahlen müsse, sowie Steuerberaterkosten in Höhe von 300 EUR (Bl. 84 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 06.12.2012 (Bl. 90 Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte den Antrag auf zusätzliche Gewährung von Einstiegsgeld ab. Leistungen für die notwendigen Investitionen seien als Darlehen gewährt worden. Darüber hinaus habe man für die ersten zwei Monate der Geschäftsgründung, also für August und September 2012, Einstiegsgeld als zusätzliche Förderleistung gewährt. Nunmehr übe der Kläger diese selbständige Tätigkeit aus und die vom Kläger benötigten Leistungen seien laufende Geschäftskosten des Betriebs. Diese Geschäftskosten könnten mit Einstiegsgeld nicht abgegolten werden. Dafür biete § 16b SGB II keine Rechtsgrundlage. Hinzu komme, dass der Kläger nicht mehr vor der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit stehe, sondern diese bereits ausübe.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2012 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 06.12.2012 Widerspruch ein. Er sei schon mit drei Mieten im Rückstand (Bl. 92 Verwaltungsakte).

Einer Stellungnahme von Herrn D. vom Arbeitgeberservice vom 14.11.2012 (Bl. 93 Verwaltungsakte) kann entnommen werden, dass man auf Grund der prognostizierten Entwicklung der Einnahmen des Gewerbes eine Förderung in Höhe von zwei Monaten für ausreichend erachtet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (Bl. 94 Verwaltungsakte). Einstiegsgeld könne nur für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gewährt werden. Zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung habe der Kläger die Tätigkeit bereits ausgeübt.

Am 17.01.2013 hatte der Kläger gegen den Bescheid vom 06.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2013 Klage beim Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 10 AS 39/13 erhoben und am 03.04.2013 einen einstweiligen Rechtsschutzantrag unter dem Aktenzeichen S 10 AS 86/13 ER anhängig gemacht. Am 30.04.2013 führte das Gericht in beiden Verfahren einen Erörterungstermin durch, in dessen Rahmen der Kläger angab, sich nicht daran erinnern zu können, wie es dazu gekommen sei, dass in dem Antrag auf Einstiegsgeld vom 09.07.2012 der Antragszeitraum zeitlich beschränkt worden sei. Die Beteiligten schlossen sodann einen Vergleich dahingehend, dass der Beklagte den Bescheid vom 24.07.2012 mit der Maßgabe überprüfen werde, dass die Antragstellung nicht zeitlich beschränkt gewesen sei. Sodann erklärte der Kläger die Erledigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und des Klageverfahrens S 10 AS 39/13 (Bl. 70 Gerichtsakte S 10 AS 86/13 ER).

Mit Bescheid vom 15.05.2013 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Kläger habe angegeben, dass spätestens zwei Monate nach Gründung die laufenden Geschäftskosten durch die Betriebseinnahmen gedeckt seien. Von daher sei die Weitergewährung von Einstiegsgeld nicht gerechtfertigt. Man habe von dem in § 16b SGB II eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht (Bl. 114 Verwaltungsakte).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 24.05.2013 Widerspruch ein (Bl. 116 Verwaltungsakte) und begründete diesen dahingehend, dass er bereits im Januar 2012 eine Förderung beantragt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt habe das Konzept eine wesentlich höhere Fördersumme vorgesehen. Mit Datum vom 20.01.2012 sei die Förderung damals abgelehnt worden, da es als problematisch eingestuft worden sei, das vermutete Kundenaufkommen zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, warum der Beklagte ein viertel Jahr später davon ausgegangen sei, dass sich das Konzept nunmehr derart erfolgversprechend entwickeln werde, dass der Kläger lediglich das Einstiegsgeld für zwei Monate benötigen werde, wohingegen das Gesetz eine Förderung bis 24 Monate vorsehe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Förderdauer fehlerhaft gewesen sei (Bl. 126 Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2013 (Bl. 118 Verwaltungsakte) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei die Prognose zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit durchweg positiv gewesen. Nach der vom Kläger überreichten Gewinnerwartung sei es realistisch gewesen, dass er die Hilfebedürftigkeit innerhalb von zwei Monaten überwinden werde und ab dem dritten Monat nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein werde. Es sei nicht realitätsfern gewesen, dass er genug Einnahmen erwirtschaften werde. Inzwischen sei die Prognose widerlegt worden. Es sei auch absehbar, dass die Geschäftsentwicklung weiterhin negativ verlaufen werde. Daher komme eine Weitergewährung von Einstiegsgeld nicht in Betracht.

Am 13.08.2013 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 15.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2013 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben und die Klage mit Schriftsatz vom 31.10.2013 im Wesentlichen mit den im Widerspruchsverfahren geäußerten Argumenten begründet.

Das Gericht hat im Vorfeld des Termins eine Internetrecherche betrieben und dabei festgestellt, dass es in A-Stadt mindestens fünf weitere Möglichkeiten gibt, Wing Tsun zu erlernen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 15.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29.08.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 24.07.2012 zurückzunehmen und seinen Antrag auf Bewilligung von Einstiegsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass dem Kläger angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten des Gewerbes Einstiegsgeld niemals hätte gewährt werden dürfen. Selbst wenn die Förderungsdauer von zwei Monaten fehlerhaft gewesen sein sollte, komme eine weitere Förderung nicht in Betracht, da hierdurch das Unrecht der fehlerhaften Förderung noch vertieft würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakten S 10 AS 86/13 ER sowie S 6 AS 612/13 und hierbei insbesondere auf das Protokoll vom durchgeführten mündlichen Verhandlungstermin Bezug genommen, in dessen Rahmen die Kammer den Kläger zu seiner Behinderung und zur Dauer seines Gefängnisaufenthalts befragt hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

I. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 15.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2013, mit dem eine Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2012 und eine Neubescheidung abgelehnt worden waren.

II. Die Klage ist zulässig und in Form eines Bescheidungsurteils begründet.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 S.1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Bescheid vom 24.07.2012 ist nämlich rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb der Bescheid vom 15.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2013, mit dem eine Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2012 abgelehnt worden war, aufzuheben und der Beklagte zu einer Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2012 und zu einer Neubescheidung zu verurteilen war.

Die Gewährung des Einstiegsgelds für nur für zwei Monate in Höhe von 50 % des Regelbedarfs (monatlich 187 EUR) war nämlich rechtswidrig.

1. Der Beklagte hat den Bescheid vom 24.07.2012 zutreffend auf § 16b SGB II gestützt, dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind.

Zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit kann erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit nach § 16b Abs. 1 S.1 SGB II ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.

Das Einstiegsgeld kann gem. § 16b Abs. 1 S.2 SGB II auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt.

Das Einstiegsgeld wird gem. § 16b Abs. 2 S.1 SGB II, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht.

Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes sollen nach § 16b Abs. 2 S.2 SGB II die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in der die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte lebt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird gem. § 16b Abs. 3 S.1 SGB II ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie das Einstiegsgeld zu bemessen ist.

Bei der Bemessung ist nach § 16b Abs. 3 S.2 SGB II neben der Berücksichtigung der in Absatz 2 Satz 2 genannten Kriterien auch ein Bezug zu dem für die oder den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten jeweils maßgebenden Regelbedarf herzustellen.

Aus dem Wortlaut des § 16b Abs. 1 S.1 SGB II, wonach das Einstiegsgeld "zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit" zu dienen hat, ist zu schlussfolgern, dass die mit dem Einstiegsgeld geförderte Erwerbstätigkeit geeignet sein muss, die Hilfsbedürftigkeit des Leistungsberechtigten langfristig zu überwinden. Es sollen mithin keine Tätigkeiten gefördert werden, die in erster Linie der Persönlichkeitsentfaltung ("Liebhaberei") dienen. Eine Förderung ist ausgeschlossen, wenn die angestrebte Tätigkeit keinerlei berechtigte Chance und Hoffnung zulässt, die Hilfebedürftigkeit auf Dauer zu beenden (Landessozialgericht (LSG) Berlin Brandenburg, Urteil v. 08.06.2011 – L 25 AS 538/19; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.12.2008 – L 32 AS 499/07; Stölting in: Eicher, SGB II, 2013, § 16b Rn. 20). Der Leistungsträger hat mithin eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob durch die Aufnahme der abhängigen oder selbständigen Tätigkeit der Leistungsempfänger in absehbarer Zeit nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein wird. Es kommt mithin darauf an, ob auf der Grundlage der vorhandenen Informationen und hierbei insbesondere auf der Grundlage des vorzulegenden Konzeptes von einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Tätigkeit ausgegangen werden kann. Für eine positive Prognose ist es ausreichend, wenn die Überwindung der Hilfebedürftigkeit zumindest wahrscheinlich ist, wenn also mehr für als gegen einen Erfolg spricht (Hannes in: Gagel, SGB II, 55. EL 2014, beck-online, § 16b Rn. 54). Allein verbleibende Zweifel reichen mithin nicht aus, um eine positive Prognose zu verneinen (in diesem Sinne zur Prognoseentscheidung bei Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB VI: Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 83. EL 2014, § 10 SGB VI Rn. 14). Insbesondere bei Personen mit schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen dürfen an die Prognose keine übertriebenen Erwartungen gestellt werden (vgl. dazu auch: Luthe in Juris-Praxis-Kommentar SGB VI, Stand 01.07.2013, § 10 Rn. 64 ebenfalls zum Rehabilitationsrecht nach dem SGB VI). Bei der Prognoseentscheidung ist eine ex ante-Beurteilung vorzunehmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 06.06.2013 – L 7 AS 1884/12 – Rn. 40). Konnte zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung mithin eine positive Prognose getroffen werden, beseitigt ein später erkennbarer Misserfolg nicht rückwirkend die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung (Hannes in: Gagel, SGB II, 55. EL 2014, beck-online, § 16b Rn. 55). Hinsichtlich des für die Prognoseentscheidung zugrunde zu legenden Zeitraums wird vom LSG Nordrhein-Westfalen (ebd.) übereinstimmend mit Hannes (in: Gagel, SGB II, 55. EL 2014, beck-online, § 16b Rn. 56) in Anlehnung an § 16b Abs. 2 S.1 SGB II auf einen Zeitraum von 24 Monaten abgestellt, da Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit nach dem SGB II hinaus regelmäßig unter schwierigen Bedingungen erfolgten. Dem schließt sich die Kammer an.

Unter Zugrundelegung dieser Prämissen waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16b Abs. 1 SGB II vom Beklagten zutreffend bejaht worden. Der Kläger gehörte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewährung des Einstiegsgelds zum Kreis der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und war auch arbeitslos. Das Einstiegsgeld diente zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und war auch erforderlich, da der Kläger über keine finanziellen Ressourcen verfügte, um bereits zu Beginn seiner Selbständigkeit die laufenden Kosten der Wing Tsun-Schule zu tragen. Dem Kläger kann im Hinblick auf die zu treffende ex-ante Betrachtung auch nicht entgegengehalten werden, dass sich im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der positiven Prognoseentscheidung gezeigt hat. Es war auch nicht, wie der Beklagte inzwischen meint, von vornherein von einer negativen Prognose auszugehen. Der Kläger verfügte bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung des Einstiegsgeldes über einen Trainerschein und damit über die formalen und fachlichen Voraussetzungen, um eine Wing Tsun-Schule zu betreiben und hatte adäquate Räume angemietet. Zwar gibt es in A-Stadt bereits weitere Möglichkeiten Wing Tsun zu erlernen, angesichts der Größe der Stadt und ihres Einzugsbereichs und angesichts geplanter Kursangebote außerhalb von A-Stadt war aber zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung nicht bereits absehbar, dass dies nicht tragfähig sein würde. Auch angesichts der Schwierigkeit des Klägers, nach der Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe einen Arbeitsplatz zu erhalten, war die wohlwollende Prognoseentscheidung des Beklagten sachgerecht und rechtmäßig, wobei die ursprüngliche Annahme des Beklagten, die Wing Tsun-Schule werde bereits nach zwei Monaten tragfähig sein, bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung – worauf noch einzugehen sein wird – deutlich zu optimistisch gewesen war.

2. Die Klage ist jedoch wegen Fehlern der Entscheidung auf der Rechtsfolgeseite begründet. § 16b Abs. 1 SGB II sieht auf der Rechtsfolgeseite Ermessen vor. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist vorliegend nicht ersichtlich.

Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt (Keller in: Meyer-Ladewig u.a. (Hrsg.), SGG, 11. A. 2014, § 54 Rn. 25). Das Gericht darf hierbei dementsprechend nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft mithin entsprechend § 54 Abs. 2 S.2 SGG nur, ob die jeweilige Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. dazu: Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteil v. 02.10.2009, L 5 R 315/08, juris, Rn. 32; Keller in: Meyer-Ladewig u.a. (Hrsg.), ebd., § 54 Rn. 27, 28). Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen eines Ermessensfehlers rechtwidrig ist, darf das Gericht den Verwaltungsakt dementsprechend nur aufheben und die Behörde zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen (BSG, Urteil v. 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R – Rn. 16). Als Ermessensfehler kommen in Betracht ein Ermessensnichtgebrauch, eine Ermessensunterschreitung, eine Ermessensüberschreitung und ein vom Kläger gerügter Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt u.a. vor, wenn die Behörde die abzuwägenden Punkte fehlerhaft gewichtet hat oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG, Urteil v. 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R – Rn. 15).

Der Beklagte war vorliegend im Hinblick auf eine fehlerhafte Ermessensentscheidung bei der Ausübung des Auswahlermessens zur Rücknahme des Bescheids vom 24.07.2012 und zur Neubescheidung zu verurteilen.

a) Zunächst ist die Bewilligung des Einstiegsgelds für nur zwei Monate nämlich sachlich nicht nachvollziehbar und berücksichtigt zudem verschiedene Gesichtspunkte nicht, die für eine längere Bewilligungsdauer sprechen.

Der Gesetzgeber hat in § 16b Abs. 2 S.1 SGB II eine Förderhöchstdauer von 24 Monaten vorgesehen. Eine Mindestförderdauer ist vom Gesetz hingegen nicht vorgesehen. § 41 Abs. 1 S.4 SGB II ist nicht unmittelbar anwendbar. Die Förderdauer ist dementsprechend auf den Einzelfall zugeschnitten festzulegen (Hannes in: Gagel, SGB II, 55. EL 2014, beck-online, § 16b Rn. 71 f.). Bei selbständig Tätigkeiten ist zu beachten, dass diese eine Anlaufphase benötigen, da sich das Unternehmen auf dem Markt zunächst einmal etablieren muss. Dementsprechend geht das wissenschaftliche Schrifttum im Wesentlichen übereinstimmend von einer Regelförderdauer von zumindest sechs Monaten aus (vgl. Hannes in: Gagel, SGB II, 55. EL 2014, beck-online, § 16b Rn. 73; Leopold in: Juris-PK SGB II, Stand 04.04.2014, § 16b Rn. 75; Voelzke in: Hauck & Noftz, SGB II, Stand 11/2014, § 16b Rn. 110). Eine Unterschreitung der Anlaufphase von sechs Monaten kommt nur in atypischen Fällen in Betracht, weil eine nachhaltige Verbesserung der Situation bei einer zuvor angenommenen Erforderlichkeit zur Eingliederung auf der Tatbestandsebene in einem kürzeren Zeitraum im Regelfall nicht angenommen werden kann, selbst wenn der Leistungsberechtigte – was nicht selten vorkommen dürfte – eine optimistische Selbsteinschätzung abgibt.

Legt man diese Annahmen zugrunde, dann ist die vorliegende Bewilligung des Einstiegsgeldes für einen Zeitraum von nur zwei Monaten ermessensfehlerhaft. Es ist nicht ersichtlich, dass beim Kläger wegen besonders guter Eingliederungschancen eine Konstellation vorliegt, in welcher eine so weitgehende Unterschreitung der vom wissenschaftlichen Schrifttum angenommenen Regelförderdauer von mindestens sechs Monaten gerechtfertigt gewesen wäre. Im Gegenteil liegen verschiedene Gesichtspunkte vor, die bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung erkennbar waren und gegen eine solche kurzfristige Eingliederung sprachen und dementsprechend bei der Ermessensentscheidung hätten beachtet werden müssen.

Der Kläger hatte nämlich in den Jahren vor der Antragstellung eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt und war verschuldet. Der Kläger hatte zudem ursprünglich einen Aufwand zur Gründung der Kampfsportschule in Höhe von 40.000 EUR angegeben, was vom Beklagten als zu hoch abgelehnt worden war. Einen Förderbedarf in Höhe von 20.000 EUR hielt der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten im Februar 2012 für "realistisch" (Bl. 40 Verwaltungsakte), bewilligte dem Kläger sodann jedoch lediglich ein Darlehen in Höhe von 5.000 EUR. Das Vorhaben des Klägers war mithin unterfinanziert, was sich auf die Möglichkeit des Klägers auswirkte, Werbung zu machen. Weiterhin ist zu beachten, dass es in A-Stadt fünf weitere Anbieter und mithin eine nicht unerhebliche Konkurrenz gibt. Die Annahme, das Vorhaben des Klägers werde in nur zwei Monaten tragfähig sein, muss daher als lebensfremd angesehen werden. Der Kläger hatte einen Förderbedarf von sechs Monaten für erforderlich gehalten, was die Kammer bereits für deutlich zu optimistisch hält. Die Beschränkung des Einstiegsgeldes auf einen Zeitraum von nur zwei Monaten war dementsprechend ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

b) Auch die Höhe des bewilligten Einstiegsgeldes in Höhe von monatlich 187 EUR ist ermessensfehlerhaft. Es liegt ein Ermessensnichtgebrauch oder eine Ermessensunterschreitung vor, da der Beklagte die Ermessensgesichtspunkte, die er seiner Entscheidung hinsichtlich der Höhe des Einstiegsgeldes zugrunde gelegt hat, entgegen der Vorgaben des § 35 Abs. 1 S.2 SGB X, nicht begründet hat.

Das Gericht hat insbesondere den Eindruck, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung die Vorschrift des § 2 Einstiegsgeldverordnung übersehen hat. Nach § 2 Abs. 2 Einstiegsgeldverordnung kann sich das Einstiegsgeld für erwerbsfähige Leistungsberechtigte in den Fällen des § 2 Abs. 1 Einstiegsgeldverordnung auf bis zu 75 vom Hundert des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 S.1 SGB II belaufen. Anspruchsberechtigt ist der Kreis besonders zu fördernder Personengruppen, bei dem das Einstiegsgeld mithin die Grenze des § 1 Abs. 2 S.1 Einstiegsgeldverordnung in Höhe von 50 vom Hundert des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nach § 20 SGB II übersteigen darf.

Zur Interpretation der Vorschrift verweist Voelzke (in: Hauck & Noftz, SGB II, § 16b Rn 124) auf die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit und führt u.a. aus, dass zum Kreis der Personen mit einem besonderen Förderbedarf Haftentlasse und Leistungsberechtigte mit einer hohen Verschuldung gehören können. Beides trifft auf den Kläger zu. Da dem Bescheid vom 24.07.2012 zur Bestimmung der Höhe des Einstiegsgeldes keine Ausführungen zu entnehmen sind, was in den Bescheiden über die Ablehnung des Überprüfungsantrags nicht behoben wurde, war der Bescheid auch insoweit ermessensfehlerhaft.

Die Klage war daher im Umfang eines Bescheidungsurteils begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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