L 9 KR 89/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 222/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 89/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine künstliche Befruchtung.

Die 1953 geborene Klägerin ist freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie beantragte am 20. Juni 1997 bei der Beklagten unter Vorlage einer Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Prof. Dr. K. die Kostenübernahme für eine In-Vitro-Fertilisation wegen primärer Sterilität. Sie gab in einem Telefongespräch mit Mitarbeitern der Beklagten an, die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit einem Lebenspartner in Anspruch nehmen zu wollen, mit dem sie nicht verheiratet sei.

Gestützt auf diese Tatsache lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 25. Juni 1997 ab. Dem widersprach die Klägerin und beantragte darüber hinaus auch die Kostenübernahme für eine Intracytoplasmatische Spermainjektion -ICSI-. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1998 mit der Begründung zurück, dass die Leistungen im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung allein dann Gegenstand einer Krankenbehandlung zu Lasten der Kasse sein könnten, wenn die künstliche Befruchtung innerhalb einer Ehe mit dem Samen des Ehemannes erfolge. Eine Kostenübernahme für die ICSI könne schon deshalb nicht erfolgen, weil es sich dabei um eine Methode der künstlichen Befruchtung handele, die nicht von der vertragsärztlichen Versorgung umfasst sei.

Die dagegen beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 9. Juli 1999).

Gegen das ihr am 14. August 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. August 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im Wesentlichen vorgetragen: Bei ihr seien am 3. Juli/5. Juli 1997, 21. Oktober/23. Oktober 1997, 25. Februar /27. Februar 1998 sowie am 30. August 1998 vier Versuche einer In-Vitro-Fertilisation durchgeführt worden und ihr hierfür Kosten in Höhe von insgesamt 6.442,48 DM entstanden. Diese müsse ihr die Beklagte erstatten. Denn die Kostenübernahmeverweigerung stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, wenn eine dauernde Partnerschaft anders behandelt werde als eine förmliche Ehe. Der Begriff der verheirateten Ehepartner in § 27 a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- meine daher nicht die Voraussetzung einer förmlichen Ehe, sondern die In-Vitro-Fertilisation im homologen System und innerhalb einer stabilen Partnerschaft. Außerdem dürfe die Beklagte die Ablehnung auf die fehlende Ehe nicht stützen, weil sie diese Tatsache unter Verstoß gegen § 67 b Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X- ermittelt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 1999 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, die ihr entstandenen Kosten einer künstlichen Befruchtung in Höhe von 6.442,48 DM zu erstatten, hilfsweise, die Beklagte insoweit zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und im Übrigen festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Kosten für die künstliche Befruchtung der Klägerin zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die den Antrag der Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der von der Klägerin im Hauptantrag geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch besteht gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 SGB V nicht, weil die Beklagte die von der Klägerin beantragten und inzwischen durchgeführten medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Gemäß § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind. Das setzt voraus, dass diese Personen miteinander die Ehe eingegangen sind. Dies ist bei der Klägerin und ihrem Lebensgefährten nicht der Fall, so dass die Beklagte die begehrten Leistungen zu Recht abgelehnt hat.

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Beschränkungen der Leistungen zur künstlichen Befruchtung auf Eheleute Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- verletze. Denn mit der ausschließlichen Forderung Leistungsgewährung an verheiratete Paare kommt der Gesetzgeber seiner staatlichen Pflicht zur Förderung von Ehe und Familie aus Artikel 6 Abs. 1 GG in ihrem Kernbereich nach; dies stellt einen sachlichen Grund der Differenzierung zwischen ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften dar und verletzt deshalb Artikel 3 Abs. 1 GG nicht. Deshalb kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG überhaupt einen Anspruch der Klägerin begründen könnte, obwohl der Gesetzgeber im Falle der Verfassungswidrigkeit der Beschränkung von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf verheiratete Lebenspartner nicht gehindert wäre, die Leistungen zur künstlichen Befruchtung auch für diesen Personenkreis abzuschaffen, um eine Gleichbehandlung mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften herzustellen. Auch wenn viele Kinder heute nicht mehr in einer auf einer (intakten) ehelichen Beziehung beruhenden Familie heranwachsen, sind weder die Krankenkassen noch die Sozialgerichte befugt, die in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V getroffene Wertentscheidung des Gesetzgebers unter Verstoß gegen Artikel 20 Abs. 3 GG, § 31 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch -SGB I- zu korrigieren, wie dies die Klägerin offenbar wünscht.

Soweit die Klägerin schließlich meint, die Beklagte habe die Tatsache der fehlenden Ehe zwischen ihr und ihrem Lebenspartner nicht berücksichtigen dürfen, verkennt sie, dass die Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen hat. Nach § 67 a Abs. 1 und Abs. 2 SGB X ist insbesondere das Erheben von Sozialdaten beim Betroffenen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Diese Vorschriften erlauben auch eine Nutzung der erhobenen Daten gemäß § 67 b Abs. 1 SGB X, so dass es auf die Einwilligung der Klägerin zur Erhebung und Nutzung dieser Daten gemäß § 67 b Abs. 2 SGB X nicht ankam.

Da der Hauptantrag unbegründet ist, konnten auch die Hilfsanträge keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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