L 2 P 28/97

Land
Saarland
Sozialgericht
LSG für das Saarland
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
L 2 P 28/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Beaufsichtigung ist dem Hilfebedarf auf dem Gebiet der Grundpflege zuzurechnen, wenn sie erforderlich ist bei einem Pflegebedürftigen, der sich aggresiv und/oder autoaggresiv verhält. Obwohl die Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen nicht zu den im Gesetz aufgeführten Katalogverrichtungen gehört, ist sie dennoch notwendig, daß die Katalogverrichtungen überhaupt sinnvoll und ungestört vorgenommen werden können.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 17. März 1997 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) wegen Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) zu gewähren hat.

Die am xx geborene Klägerin steht unter der Betreuung ihrer Schwester.Sie ist hilflos infolge Debilität bei Morbus Down. Diese Krankheit äußert sich bei ihr insbesondere in sehr unruhigem, auffälligem Verhalten, auch nachts.

Bis 31. März 1995 erhielt sie Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den bis dahin geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Seit 01. April 1995 bezieht sie Leistungen nach den Vorschriften des SGB XI wegen Schwerpflegebedürftigkeit, da sie gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 45 des Pflegeversicherungsgesetzes der Pflegestufe II zugeordnet wurde.

Mit einem am 10. Januar 1995 unterzeichneten Antrag machte sie Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) geltend. In einem daraufhin von der Beklagten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen im Saarland (MDK) von der Ärztin K. am 05. April 1995 erstatteten Gutachten wurde ausgeführt, bei der Klägerin bestünden eine Oligophrenie, ein ängstliches Verhalten (Angst vor Ärzten), ein zeitweise aggressives Verhalten und eine nächtliche Unruhe; die Klägerin sei sehr unruhig; sie gehe ständig immer wieder im Zimmer auf und ab und gebe bellende Laute von sich; sie habe Hilfebedarf beim Waschen, beim Duschen und Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, bei der Darm- und Blasenentleerung, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, bei der Nahrungsaufnahme, beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, beim An- und Auskleiden und vollständig im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Im Bereich der Grundpflege wurde der Hilfebedarf mit insgesamt 180 Minuten veranschlagt. Abschließend wurde bemerkt, die Versicherte sei infolge Debilität bei Morbus Down hilflos; es bestünden nächtliche Unruhezustände; sie sei uneinsichtig in pflegerische Maßnahmen; alle Maßnahmen der Grundpflege und des hauswirtschaftlichen Bereiches seien durch die Wohnstätte der Lebenshilfe sichergestellt; Heil- und Hilfsmittel könnten den Zustand nicht wesentlich verbessern; es bestehe Tag und Nacht Aufenthalt in der Lebenshilfe; alle 14 Tage sei die Klägerin für 1/2 bis 1 Tag zu Hause. In einem an den Vater der Klägerin gerichteten Bescheid vom 08. Mai 1995 lehnte die Beklagte eine Zuordnung der Klägerin in die Pflegestufe III ab, da der festgestellte Hilfebedarf täglich durchschnittlich nur drei Stunden betrage.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch wurde geltend gemacht, daß die Klägerin in nahezu allen Verrichtungen des täglichen Lebens der Hilfe bedürfe. Betont wurde, daß die Klägerin praktisch nicht alleine gelassen werden könne; sie sei motorisch sehr unruhig, schreie häufig laut, zeige etliche Zwangshandlungen und Stereotypien und sei nur schwer steuerbar; ihre psychische Verfassung sei phasenweise unterschiedlich, habe sich in den letzten Jahren tendenziell jedoch verschlechtert; sie könne auch nicht für kurze Zeit unbeaufsichtigt gelassen werden, da sonst die Gefahr von Selbstverletzungen im Zusammenhang mit Zwängen bestehe; so habe sie innerhalb des letzten Jahres zu Hause dreimal Glasscheiben an Türen mit der Handfläche eingeschlagen; glücklicherweise seien diese Vorfälle immer noch recht glimpflich mit kleineren Schnittverletzungen verlaufen, da sie sich nicht verbinden lasse; ständige Aufsicht sei auch deshalb notwendig, weil sie alle möglichen Flüssigkeiten, die sie finde, trinke; in diesem Zusammenhang sei es in der Vergangenheit schon zu Vergiftungen und zu einer schweren Verbrühung gekommen; auch nachts sei sie häufig unruhig; phasenweise schlafe sie nachts nur stundenweise oder auch gar nicht. In einer von dem Arzt S. am 10. November 1995 für den MDK verfaßten gutachtlichen Stellungnahme wurde ausgeführt, daß der im Widerspruchsschreiben geschilderte Hilfebedarf fast vollständig im Erstgutachten wiedergegeben werde; lediglich die zweifelsohne notwendige Begleitung beim Gehen außerhalb des Hauses werde im Erstgutachten nicht erwähnt; hierbei seien in der Regel aber nur Arztbesuche anrechenbar, die zeitlich kaum ins Gewicht fallen würden; der für die anrechenbare Hilfeleistung in der Grundpflege notwendige Zeitbedarf erfülle nicht die Kriterien der Pflegestufe III; zudem sei auch dem Widerspruchsschreiben zu entnehmen, daß zwar nachts gelegentliche grundpflegerische Hilfen anfallen würden, welche aber nicht den Kriterien der Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Anleitung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit genügten. Der Widerspruch wurde alsdann durch Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1996 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) eine fachärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen P., S., vom 16. Februar 1996 verwertet, wo u.a. ausgeführt worden ist, der Verfasser sei immer wieder in den vergangenen Jahren auch notfallmäßig gerufen worden, wenn die Klägerin z.B. ununterbrochen geschrien habe, nicht zu beruhigen gewesen sei, zum Teil Kaffee in der Gegend ausgeschüttet, damit andere Mitbewohner bedroht habe, zum Teil nur unter Gewaltanwendung dazu zu bewegen gewesen sei, stundenlanges Mundharmonikaspiel und andere Formen sthenischer Tätigkeiten zu unterlassen; bei Urlauben zu Hause sei es zu weiteren Zuspitzungen dieser aggressiven unkontrollierten Verhaltensauffälligkeiten gekommen, auch dazu, daß sie sehr plötzlich eine Scheibe eingeschlagen, sich selbst und andere gefährdet habe. Das SG hat weiterhin ein sozialmedizinisches Gutachten bei der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. B., S., vom 19. August 1996 eingeholt. Die Sachverständige hat dort zusammenfassend im Bereich der Grundpflege einen Hilfebedarf von täglich 124 Minuten, im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtung von 60 Minuten festgestellt und ausgeführt, neben dem beschriebenen Pflegebedarf bestehe ein fast ununterbrochener allgemeiner Beaufsichtigungsbedarf angesichts der erheblichen Verhaltensstörung, die bei der Klägerin vorliege und zu der sie nähere beschreibende Ausführungen gemacht hat.

Schließlich hat das SG die Leiterin des Wohnheimes der Lebenshilfe, wo sich die Klägerin die Woche über aufhält, als Zeugin gehört. Die Zeugin G. hat bekundet, daß die Klägerin ständig widerspenstig sei; sie verhalte sich höchst unterschiedlich; manchmal sei sie eine Woche lang brav, dann wieder zwei Wochen lang unartig; eine der schlimmsten Auswirkungen zeige ihr Verhalten mit Lebensmitteln, hauptsächlich mit Getränken; sie kippe alle Getränke um oder werfe sie manchmal zu Boden; deshalb könne sie beim Essen niemals unbeaufsichtigt bleiben; sie sei auch häufig ungeduldig und renne weg; deshalb sei insbesondere die Körperpflege sehr aufwendig, weil die Klägerin nicht am Waschbecken stehenbleibe; in ihrer Widerspenstigkeit sträube sie sich oft gegen alles, was man mit ihr vorhabe, z.B. beim Ankleiden und Kämmen; eine große Gefahr entstehe auch dadurch, daß sie häufig gegen Fensterscheiben schlage; damit gefährde sie nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen Behinderten; auch bei heißen Getränken bestehe eine erhebliche Gefahr der Verbrühung, wenn sie diese umkippe; die Nahrungsaufnahme erfolge selbständig; sie esse allerdings sehr hastig; es sitze aber immer eine Aufsichtsperson dabei; im Dezember 1996 habe sie eine Scheibe aus Sicherheitsglas zertrümmert; sie nässe nicht immer ein; wenn sie aber eingenäßt oder eingekotet habe, sei anschließend eine Ganzkörperwäsche erforderlich; nachts werde die Klägerin von der Nachtwache vorsichtshalber immer einmal zur Toilette gebracht.

Das SG hat der Klage durch Urteil vom 17. März 1997 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß bei der Klägerin von einem Schwachsinn ohne jegliche Eigensteuerungsfähigkeit ausgegangen werden müsse, wodurch eine ständige Fremd- und Selbstgefährdung bestehe; angesichts gerade der von der Zeugin G. geschilderten Verhaltensweisen wären Zeitansätze für einzelne Verrichtungen des täglichen Lebens mehr oder weniger willkürlich, weil die Klägerin sich häufig gegen Hilfeleistungen sträube und sogar wegrenne; teilweise überschneide sich auch der Hilfebedarf, so daß es unangebracht sei, den Hilfebedarf in einzelne zeitliche Abschnitte aufzuteilen; der bei der Klägerin im Vordergrund stehende Aufsichtsbedarf wegen Eigen- und Fremdgefährdung sei - im Gegensatz zu einem allgemeinen Aufsichtsbedarf - beachtlich, da bei psychisch kranken und geistig verwirrten Menschen die Fähigkeit beeinträchtigt sei, die Verrichtungen des täglichen Lebens generell gesteuert und zweckgerichtet vorzunehmen; nach der Gesetzesbegründung sei dann eine Pflege rund um die Uhr erforderlich; angesichts dieses umfassenden Hilfebedarfs, der auch den hauswirtschaftlichen Bereich einschließe, seien die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt.

Gegen dieses ihr am 26. März 1997 zugegangene Urteil hat die Beklagte mit einem am 14. April 1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt.

Sie meint, daß von dem von der Sachverständigen Dr. B. festgestellten Hilfebedarf auszugehen sei; ein weitergehender Aufsichtsbedarf müsse außer acht bleiben; das SG führe selbst aus, daß ein allgemeiner Aufsichtsbedarf unbeachtlich sei; nichts anderes ergebe sich aber bei einem Aufsichtsbedarf, der wegen Eigen- oder Fremdgefährdung erforderlich sei; ein solcher Aufsichtsbedarf könne nur eine Rolle spielen, wenn er in Bezug stehe zu den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Katalogverrichtungen; auch soweit in Ziffer 3.5.3 der Pflegebedürftigkeitsrichtlinien von Beaufsichtigung und Anleitung die Rede sei, die sich darauf richteten, körperliche, psychische und geistige Fähigkeiten zu fördern und zu erhalten, Eigen- und Fremdgefährdung zu vermeiden und Ängste, Reizbarkeit oder Aggressionen abzubauen, müsse unter Beachtung der nunmehr verabschiedeten Begutachtungsrichtlinien ein Zusammenhang mit den Katalogverrichtungen bestehen; das angefochtene Urteil leide darunter, daß zwischen einem allgemeinen Aufsichtsbedarf und einem Aufsichtsbedarf, der in Bezug zu den Katalogverrichtungen stehe, nicht unterschieden werde; entgegen der Auffassung des SG müsse auch der Hilfebedarf für jede einzelne Katalogverrichtung ermittelt werden, um die im SGB XI vorgesehenen Zeitgrenzen anwenden zu können.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 17. März 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens und des sonstigen Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Es wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten; die Akte lag dem Senat auszugsweise in Ablichtung vor; insoweit war sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, bezüglich deren Zulässigkeit sich keine Bedenken ergeben, ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

Der Klägerin stehen Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit zu, da sie gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 SGB XI der Pflegestufe III zuzuordnen ist. Nach diesen Bestimmungen sind Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Dabei muß der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müßten auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.

Daß die Klägerin mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt und daß diese Hilfen durchschnittlich pro Tag mindestens eine Stunde in Anspruch nehmen, ergibt sich ohne weiteres aus ihrem Behinderungsbild und ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, daß der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege im Tagesdurchschnitt mindestens vier Stunden beträgt und eine nächtliche Pflege einschließt. Dies ergibt sich aus der zutreffenden Beweiswürdigung des SG, der der Senat beitritt, und daraus, daß der Hilfebedarf auch den für die Beaufsichtigung der Klägerin erforderlichen Zeitraum umfaßt. Nach den Ausführungen aller in dieser Sache gehörten Sachverständigen und nach den Angaben der Zeugin G. muß die Klägerin, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, rund um die Uhr beaufsichtigt werden, damit sie nicht sich oder andere schädigt angesichts ihrer ausgeprägt aggressiven und auto-aggressiven Verhaltensweisen, die sich u.a. darin äußern, daß sie auch nachts ziellos umherirrt, Flüssigkeiten aller Art wahllos zu sich nimmt und mit der flachen Hand auf alle möglichen Gegenstände einschlägt, auch auf Glasscheiben, wobei sie sich bereits verletzt hat.

Hierzu hat der Senat bereits in mehreren - bei ausdrücklich zugelassener Revision bisher nicht rechtskräftigen - Urteilen die Auffassung vertreten, daß eine Beaufsichtigung, wie sie etwa auch im vorliegenden Fall erforderlich ist, dem Hilfebedarf auf dem Gebiet der Grundpflege zuzurechnen ist, und zwar unabhängig davon, daß der Aufsichtsbedarf - worauf weiter unten noch eingegangen wird - in engem Zusammenhang mit einer Katalogverrichtung steht.

Zwar gehört die Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen nicht zu den im Gesetz aufgezählten Katalogverrichtungen. Sie ist aber - ebenso wie bestimmte lebensnotwendige Verrichtungen auf dem Gebiet der Behandlungspflege - notwendige Grundlage dafür, daß die Katalogverrichtungen überhaupt sinnvoll und ungestört vorgenommen werden können. Dementsprechend wird in der Literatur (Udsching, Rechtsfragen bei der Bemessung des Pflegebedarfs, VSSR 1996, S. 271 ff.) ausdrücklich gefordert, daß der Zeitaufwand als Pflegebedarf anzurechnen ist, der erforderlich ist, um einen Pflegebedürftigen, der sich aggressiv und/oder auto-aggressiv verhält, zu beaufsichtigen. Dort wird herausgestellt, daß die Materialien zum SGB XI, bezogen auf § 12 Abs. 3 des Entwurfs einerseits und § 13 des Entwurfs andererseits widersprüchlich sind, da einerseits der Aufsichtsbedarf, der bei einer fortgeschrittenen Abbauerkrankung des Gehirns besteht, als Beispiel für einen umfassenden Pflegebedarf rund um die Uhr genannt, andererseits die Einschränkung gegeben wird, bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer Pflegestufe komme es nur auf die erforderliche Anleitung und Beaufsichtigung an, die für die Katalogverrichtungen benötigt werde. Zu Recht wird aber darauf abgehoben, daß die durch das 1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14. Juni 1996 gegebene Neufassung des § 43 Abs. 3 SGB XI deutlich macht, daß ein umfassender Aufsichtsbedarf unabhängig von einer Zuordnung zu einzelnen Verrichtungen zu berücksichtigen ist; denn dort wird beispielhaft die schwere Demenz für die Erforderlichkeit eines außergewöhnlich hohen und intensiven Pflegeaufwandes genannt, der die Einstufung als Härtefall begründen kann, zumal gerade bei schwerer Demenz der häufig ununterbrochen bestehende Hilfebedarf nur zum Teil einzelnen Verrichtungen zugeordnet werden kann. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an, so daß schon alleine deshalb ein Hilfebedarf rund um die Uhr festzustellen ist. Im übrigen wird auf dem Gebiet der Grundpflege auch nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. B. schon ein Hilfebedarf von 124 Minuten erreicht, der den gesamten Hilfebedarf mitprägt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich im vorliegenden Fall auch dann nicht, wenn man die §§ 14, 15 SGB XI enger auslegt und nur die ausdrücklich genannten Katalogverrichtungen unter den Schutz der sozialen Pflegeversicherung stellt. Denn auch diese Rechtsmeinung (Wilde/Pilz, Behandlungspflege und Beaufsichtigung in der Pflegeversicherung - Zur Bedeutung des Verrichtungskatalogs in § 14 Abs. 4 SGB XI -, SGb 1997, S. 409 ff.) zählt die Beaufsichtigung dann zum Hilfebedarf, wenn etwa - wie im vorliegenden Fall - nächtliches Umherirren verhindert werden soll, da dies - nach Meinung des erkennenden Senats konstruiert, aber vertretbar - den Verrichtungen "Gehen", "Treppensteigen", "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" zuzuordnen sei, insbesondere auch dem "Zu-Bett-Gehen", da darunter auch die ungestörte und gefahrlose Aufrechterhaltung der Bettruhe zu verstehen sei.

Lediglich dann wäre umfassender, der Pflegestufe III entsprechender Hilfebedarf zu verneinen, wenn man den hier vorliegenden Aufsichtsbedarf einer Katalogverrichtung nicht zuordnen und ihn (unabhängig von einer Katalogverrichtung) bei Anwendung der §§ 14, 15 SGB XI außer Betracht lassen wollte. Dieser Auffassung kann sich der Senat aber aus den oben dargelegten Gründen nicht anschließen.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die höchstrichterlich bisher nicht behandelte Frage, ob Hilfebedarf bei der Beaufsichtigung eines aggressiven und auto-aggressiven Pflegebedürftigen bei der Berechnung des Pflegebedarfs nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI anzurechnen ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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