L 2 P 40/96

Land
Saarland
Sozialgericht
LSG für das Saarland
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
L 2 P 40/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Beaufsichtigung ist dem Hilfebedarf auf dem Gebiet der Grundpflege zuzurechnen, wenn sie erforderlich ist bei einem Pflegebedürftigen, der sich aggresiv und/oder autoaggresiv verhält. Obwohl die Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen nicht zu den im Gesetz aufgeführten Katalogverrichtungen gehört, ist sie dennoch notwendig, daß die Katalogverrichtungen überhaupt sinnvoll und ungestört vorgenommen werden können.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. November 1996 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) zu gewähren hat.

Die am xxxxx geborene Klägerin bezog von der Krankenkasse der Beklagten bis einschließlich 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den damals geltenden §§ 53 bis 57 Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V a.F.). Für die Zeit ab 1. April 1995 gewährt die Beklagte der Klägerin Leistungen gem. den Vorschriften des SGB XI wegen Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) in Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 45 des Pflegeversicherungsgesetzes.

Die Klägerin machte mit einem am 20. Januar 1995 bei der Beklagten eingegangenen Antrag Leistungen nach der Pflegestufe III geltend. Die Beklagte veranlaßte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung im S. (MDK). In ihrem Gutachten vom 29. Mai 1995 stellte die Ärztin K. zur pflegebegründenden Vorgeschichte fest, die Klägerin trage seit 1986 eine Totalendoprothese der rechten Hüfte; seit Krankenhausentlassung trete eine zunehmende Verwirrtheit und gelegentliche Aggressivität auf; sie leide an Morbus Parkinson, einer coronaren Herzkrankheit mit dekompensierter Herzinsuffizienz, vor Jahren einmalig an einer Angina pectoris; Anfang April 1995 sei ein Umzug in ein anderes Zimmer im Haus wegen Renovierungsarbeiten erfolgt; seither sei die Klägerin örtlich desorientiert; im Vergleich zu einer im August 1991 vorgenommenen Untersuchung sei zu bemerken, daß die Klägerin jetzt nicht mehr an Krücken gehe, sondern im Rollstuhl sitze. An pflegebegründenden Diagnosen stellte sie eine cerebrovaskuläre Insuffizienz mit hirnorganischem Psychosyndrom, einen Morbus Parkinson und eine Gehbehinderung infolge Coxarthrose fest. Den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege schätzte sie wie folgt ein:

Waschen: 20 Minuten,

Duschen/Baden:
(Ganzkörperwäsche 25 Minuten,

kleine Wäsche abends 10 Minuten,

einmal Baden pro Woche 5 Minuten =) 40 Minuten,

Zahnpflege: 5 Minuten,

Kämmen: 5 Minuten,

Darm-/Blasenentleerung:
(Säubern, Kleiderrichten: 30 Minuten,

Pampers nachts: 5 Minuten =) 35 Minuten,

Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung: 10 Minuten,

Nahrungsaufnahme:
(selbständig, aber Aufsicht notwendig:
20 + 30 + 20 Minuten =) 70 Minuten,

Aufstehen/Zu-Bett-Gehen: 10 Minuten,

An-/Auskleiden: 20 Minuten,

Stehen (kein Hilfebedarf),

Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung (nicht notwendig),

Gehen (selbständig mit Rollstuhl),

Treppensteigen (in der Wohnung nicht notwendig).

Darüber hinaus hat die Gutachterin umfangreichen Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung festgestellt.

Da im Bereich der Grundpflege somit nur ein Hilfebedarf von 215 Minuten vorliege, lehnte die Beklagte das Begehren der Klägerin mit Bescheid vom 11. Juli 1995 ab.

Auf den Widerspruch der Klägerin hin erfolgte für den MDK eine gutachtliche Stellungnahme durch Dr. D. vom 30. August 1995, wo ohne erneute Untersuchung ausgeführt wird, der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege liege bei ca. 3 1/2 Stunden täglich; reine Beaufsichtigung zähle nicht zu den definierten Verrichtungen, die auf den Pflegebedarf angerechnet werden könnten; da 4 Stunden pro Tag für die Grundpflege nicht erreicht würden, lägen die Voraussetzungen für Schwerstpflegebedürftigkeit nicht vor. In einem von der Klägerin hergereichten Entlassungsbericht der S. Heilstätten GmbH, Kliniken S., vom 27. Oktober 1995 wird berichtet, daß die Klägerin zeitweilig, vor allen Dingen nachts, unruhig, dabei dann völlig verwirrt gewesen sei und ihre Eltern gesucht habe; während des gesamten Aufenthaltes sei sie harninkontinent gewesen und habe mit einem Inkontinenzsystem versorgt werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1996 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) eine Begutachtung durch den Internisten Dr. H., O., veranlaßt. In seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 27. Juni 1996 hat der Sachverständige, bezogen auf die einzelnen Verrichtungen des täglichen Lebens, folgenden Hilfebedarf festgestellt:

Waschen
(4 x wöchentlich Ganzkörperwäsche à 20 Minuten,

7 x wöchentlich Teilwaschung
abends à 15 Minuten =) 27 Minuten,

Duschen/Baden
(4 x wöchentlich à 30 Minuten =) 17 Minuten,

Zahnpflege
(2 x täglich jeweils 3 Minuten - Prothese =) 6 Minuten,

Kämmen
(1 x täglich 1 Minute - Kurzhaarfrisur) 1 Minute,

Darm-/Blasenentleerung
(5 x täglich Begleitung zur Toilette und Wechsel der Höschenwindeln, dabei 3 x unkomplexer Windelwechsel mit jeweils 10 Minuten,

2 x komplexerer Windelwechsel mit ca. 15 Minuten =) 45 Minuten,

Mundgerechte Zubereitung der Nahrung
(4 Mahlzeiten täglich werden mundgerecht zubereitet; hierfür ist ein Aufwand von ca. durchschnittlich jeweils 4 Minuten zu rechnen; 6 x jeweils 1 Minute zum Getränkerichten =) 22 Minuten,

Nahrungsaufnahme
(Überwachung beim Geben des Frühstücks und des Abendessens jeweils 15 Minuten, beim Mittagessen ca. 25 Minuten, eine Zwischenmahlzeit à ca. 10 Minuten =) 65 Minuten,

Aufstehen/Zu-Bett-Gehen
(8 x täglich Transfer vom Bett in den Rollstuhl bzw. in den Sessel und zurück =) ca. 15 Minuten.

Für das An- und Auskleiden hat der Sachverständige zweimal täglich Hilfebedarf angegeben, ohne dies in Zeitangaben auszudrücken.

Für das Stehen und Gehen hat der Sachverständige keinen gesonderten Hilfebedarf angegeben, da der insoweit anfallende Hilfebedarf unter den Grundhygieneverrichtungen zeitlich bereits mitberücksichtigt sei.

Treppensteigen sowie Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sind nach Auffassung des Sachverständigen aus grundpflegerischer Sicht nicht notwendig, so daß der grundpflegerische Hilfebedarf mit insgesamt 198 Minuten festgestellt worden ist. Hinzu kommt ein Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, den der Sachverständige "laut Richtlinien" mit täglich 60 Minuten angenommen hat.

Darüber hinaus hat der Sachverständige ausgeführt, daß seine Feststellungen im wesentlichen übereinstimmten mit den Feststellungen der MDK-Gutachterin K.; ganz im Vordergrund der pflegerelevanten Diagnosen stehe das hirnorganische Psychosyndrom mit teilweiser Aggressivität und Nichteinsichtigkeit in pflegerische Notwendigkeiten; eine solche ausgeprägte Aggressivität, wie sie von den Angehörigen beschrieben worden sei, habe zwar bei der Begutachtung nicht festgestellt werden können; allerdings sei aufgrund der geistigen Einbrüche und der typischen Beschreibung diese durchaus regelmäßig anzunehmen; insofern müsse hier entsprechend bei dem Hilfebedarf dieser Tatsache Rechnung getragen werden; allerdings sei nicht zu übersehen, daß bei der Klägerin noch Restfähigkeiten vorhanden seien, welche Teile der selbständigen Alltagsstruktur noch zulassen (oftmaliges Einnehmen des Essens); die Beaufsichtigungsbedürftigkeit der Klägerin - Grundlage hierfür sind die anamnestischen Angaben der Angehörigen, daß die Klägerin ungezielt mit dem Rollstuhl umherfahre, sich aus dem Rollstuhl zu erheben versuche und auch nachts unruhig sei und aufzustehen versuche, wobei sie zu stürzen drohe - sei generell kein Kriterium, welches zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit nach den Vorschriften des SGB XI zu werten sei. Ausdrücklich hat der Sachverständige zuletzt noch ausgeführt, daß in unregelmäßigen Abständen nachts Pflegebedarf (Windelwechsel, Führen zur Toilette) anfalle, so daß jederzeit eine Pflegeperson unmittelbar erreichbar sein müsse.

Das SG hat der Klage durch Urteil vom 11. November 1996 stattgegeben. Hierbei ist es zunächst von dem vom Sachverständigen Dr. H. ermittelten Pflegebedarf von 198 Minuten ausgegangen. Darüber hinaus hat es für das An- und Auskleiden - wie auch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 1996 - einen Hilfebedarf von 20 Minuten angesetzt, nachdem der Sachverständige insoweit genaue Angaben unterlassen hat. Weiterhin hat das SG pauschal für das Gehen einen Hilfebedarf von 10 Minuten angesetzt, die nach seiner Auffassung regelmäßig bei einem Gang zur Einkaufsstätte anfallen, wobei dieser Hilfebedarf nicht der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern der Grundpflege zuzurechnen sei. Schließlich hat das SG die Zeitansätze für die Nahrungsaufnahme erhöht und für das Mittag- und Abendessen jeweils 30 Minuten, für das Frühstück mindestens 20 Minuten angesetzt (statt 25 + 25 + 15 Minuten), da bei Behinderten, älteren Menschen und Kleinkindern die Nahrungsaufnahme nicht von Eile geprägt sei und der Zeitaufwand großzügig eingeschätzt werden müsse, wenn eine Mahlzeit nicht zu einem Mästvorgang verkommen solle. Insoweit hat es dem von Dr. Harrer festgestellten Hilfebedarf also weitere 15 Minuten zugeschlagen, so daß es insgesamt zu einem Hilfebedarf auf dem Bereich der Grundpflege von 243 Minuten kam. Den Hilfebedarf auf dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung hat es mit 90 Minuten angesetzt und somit insgesamt die Voraussetzungen der Zuordnung zur Pflegestufe III angesichts bei der für die Klägerin notwendigen Rund-um-die-Uhr-Betreuung bejaht.

Gegen dieses ihr am 22. November 1996 zugegangene Urteil hat die Beklagte mit einem am 10. Dezember 1996 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, daß ein etwaiger Hilfebedarf beim Gehen, soweit Einkäufe zu besorgen sind, der hauswirtschaftlichen Versorgung, nicht der Grundpflege zuzurechnen sei. Außerdem greift sie die Ausführungen des SG zum Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme an, da der Sachverständige insoweit detaillierte Beobachtungen gemacht habe, während das SG keine Feststellungen zu individuellen Besonderheiten getroffen habe, die einen höheren Zeitansatz rechtfertigen würden. Schließlich hat die Beklagte beanstandet, daß Dr. H. Überschneidungen bei den Verrichtungen des Waschens einerseits und des Duschens bzw. Badens andererseits nicht berücksichtigt habe. Bei vier Ganzkörperwäschen pro Woche und viermaligem Baden pro Woche müsse der Hilfebedarf täglich um mindestens 5 Minuten reduziert werden.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. November 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens und des sonstigen Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Es wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lagen dem Senat auszugsweise in Ablichtung vor; insoweit waren sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, bezüglich deren Zulässigkeit sich keine Bedenken ergeben, ist unbegründet. Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Die Klägerin ist der Pflegestufe III zuzuordnen, da die Klägerin - unstreitig - einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung bedarf, da - mindestens - ein Hilfebedarf von 60 Minuten für die hauswirtschaftliche Versorgung vorliegt und da nach Auffassung des Senats auf dem Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von mindestens 4 Stunden gegeben ist, so daß insgesamt die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 SGB XI vorliegen.

Bei der Feststellung des Hilfebedarfs auf dem Bereich der Grundpflege konnte ausgegangen werden von den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H., denen die Parteien im wesentlichen gefolgt sind und die im wesentlichen auch keinen Bedenken begegnen. Zu dem dort festgestellten Hilfebedarf von 198 Minuten ist jedenfalls ein Hilfebedarf von 20 Minuten hinzuzurechnen, der für das An- und Auskleiden anfällt und worüber ebenfalls nicht gestritten wird. Ob von dem somit ermittelten Gesamtaufwand von 218 Minuten - wie die Beklagte meint - 5 Minuten abzusetzen sind wegen Überschneidungen im Bereich des Waschens einerseits und des Duschens und Badens andererseits, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob diesem Hilfebedarf täglich 15 Minuten hinzuzurechnen sind wegen eines höheren Zeitansatzes bei Einnahme der Mahlzeiten und weitere 10 Minuten wegen eines Hilfebedarfs beim Gehen zur Besorgung von Einkäufen.

Im vorliegenden Fall ist nämlich zu berücksichtigen, worüber nicht gestritten wird und was sich im übrigen auch aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. ergibt, daß die Klägerin nicht aus dem Auge gelassen werden kann, sondern Tag und Nacht beaufsichtigt werden muß, da sie verwirrt ist und sich, obwohl sie nicht richtig gehen und stehen kann, aus dem Rollstuhl zu erheben versucht und nachts gelegentlich das Bett verläßt, wobei sie zu stürzen droht und wegen ihrer Desorientiertheit in erheblichem Maße gefährdet ist. Der hierbei anfallende Hilfebedarf ist nach Auffassung des Senats, der er bereits in mehreren Urteilen (u.a. L 2 P 20/96; noch nicht rechtskräftig wegen ausdrücklich zugelassener Revision) Ausdruck gegeben hat, der Grundpflege zuzurechnen.

Zwar gehört die Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen nicht zu den im Gesetz aufgezählten Katalogverrichtungen. Sie ist aber - ebenso wie bestimmte lebensnotwendige Verrichtungen auf dem Gebiet der Behandlungspflege - notwendige Grundlage dafür, daß die Katalogverrichtungen überhaupt sinnvoll und ungestört vorgenommen werden können. Dementsprechend wird in der Literatur (Udsching, Rechtsfragen bei der Bemessung des Pflegebedarfs, VSSR 1996, S. 271 ff.) ausdrücklich gefordert, daß der Zeitaufwand als Pflegebedarf anzurechnen ist, der erforderlich ist, um einen Pflegebedürftigen, der sich aggressiv und/oder auto-aggressiv verhält, zu beaufsichtigen. Dort wird zunächst hervorgehoben, daß die Materialien zum SGB XI, bezogen auf § 12 Abs. 3 des Entwurfs einerseits und § 13 des Entwurfs andererseits widersprüchlich sind, da einerseits der Aufsichtsbedarf, der bei einer fortgeschrittenen Abbauerkrankung des Gehirns besteht, als Beispiel für einen umfassenden Pflegebedarf rund um die Uhr genannt, andererseits die Einschränkung gegeben wird, bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer Pflegestufe komme es nur auf die erforderliche Anleitung und Beaufsichtigung an, die für die Katalogverrichtungen benötigt werde. Zu Recht wird dort aber maßgeblich darauf abgehoben, daß die durch das 1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14. Juni 1996 gegebene Neufassung des § 43 Abs. 3 SGB XI deutlich macht, daß ein umfassender Aufsichtsbedarf unabhängig von einer Zuordnung zu einzelnen Verrichtungen zu berücksichtigen ist; denn dort wird beispielhaft die schwere Demenz für die Erforderlichkeit eines außergewöhnlich hohen und intensiven Pflegeaufwandes genannt, der die Einstufung als Härtefall begründen kann, zumal gerade bei schwerer Demenz der häufig ununterbrochen bestehende Hilfebedarf nur zum Teil einzelnen Verrichtungen zugeordnet werden kann. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Der insoweit anfallende Hilfebedarf überschreitet nach Auffassung des Senats mit Sicherheit und bei weitem die zeitliche Differenz, die anfällt, wenn man von den oben ermittelten 218 Minuten noch täglich 5 Minuten wegen etwaiger Überschneidungen beim Waschen bzw. Duschen und Baden absetzt, bezogen auf den im Gesetz normierten Mindestbedarf von 240 Minuten. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung und bedarf nach Meinung des Senats keiner weiteren Ermittlungen, daß ein solcher Aufsichtsbedarf mindestens 27 Minuten beträgt, so daß insgesamt auf dem Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von mindestens 240 Minuten vorliegt. Da die sonstigen Voraussetzungen zur Zuordnung zur Pflegestufe III unstreitig vorliegen, hat das SG der Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben, ohne daß es der Klärung bedarf, ob seinen von der Beklagten angegriffenen Auffassungen in jedem Punkt zu folgen ist. Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war zuzulassen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob der Aufsichtsbedarf bei aggressiven bzw. auto-aggressiven Pflegebedürftigen bei Berechnung des Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege zu berücksichtigen ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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