L 3 AS 3722/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 3343/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3722/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2014 (S 22 AS 3343/11) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die gebührenfreie Auszahlung von Leistungen.

Der am 27.06.1958 geborene Kläger erhält vom Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 04.08.2010 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2010 bis zum 28.02.2011 in Höhe von monatlich 582,50 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2010 änderte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 28.02.2011 auf monatlich 541,70 EUR. Mit Bescheid vom 15.02.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.03.2011 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2011 bis zum 31.08.2011 in Höhe von monatlich 541,70 EUR. Mit den Bescheiden vom 26.03.2011 bewilligte der Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 15.12.2010 und 01.03.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.08.2011 in Höhe von monatlich 546,70 EUR. Ferner übersandte er dem Kläger einen Scheck über 12,90 EUR. Dieser Betrag ergab sich aus einem aufgrund des durch die erfolgte rückwirkende Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2011 entstandenen Nachzahlungsanspruch für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 in Höhe von insgesamt 15,00 EUR abzüglich Gebühren in Höhe von 2,10 EUR. Der Kläger gab diesen Scheck mit Schreiben vom 07.04.2011 an den Beklagten zurück und bat um eine Auszahlung ohne Auszahlungsentgelt beziehungsweise ohne zusätzliche Gebührenerhebung. Er führte aus, nachträgliche Zahlungen bei geänderter Leistungshöhe, falls sie nicht mit den monatlichen Leistungen ausgezahlt würden, müssten dem Begünstigten ohne zusätzliche Gebührenzahlung zugutekommen. Mit Schreiben vom 30.04.2011 wies der Kläger auf die bislang nicht erfolgte gebührenfreie Auszahlung der Leistungen hin und kündigte an, Klage zu erheben, wenn der nachzuzahlende Betrag nicht auf dem nächsten Scheck zur Auszahlung berücksichtigt werden würde.

Der Kläger hat am 06.06.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er sei unverändert der Ansicht, dass auch die monatlichen Leistungen nach dem SGB II dem Begünstigten als Scheck in voller Höhe ohne Abzug von Post- oder Bankgebühren zukommen müssten, besonders dann, wenn Berechtigte ohne eigenes Verschulden kein Girokonto hätten. Die Gebühren für die Barauszahlung der geringen Zuwendungen aus dem SGB II seien im Vergleich zur Höhe der ausgezahlten Leistung unverhältnismäßig hoch. Die Zumutbarkeit sei nicht gewahrt. Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, nach § 42 SGB II seien die Geldleistungen nach dem SGB II auf ein inländisches Konto zu überweisen. Soweit ein Konto nicht vorhanden sei, seien bei Übermittlung der Geldleistung die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen. Soweit der Leistungsberechtigte kein Konto einrichte, erfolge die Übermittlung der Geldleistung in bar beziehungsweise durch Barscheck. Die hierfür anfallenden Kosten habe der Leistungsberechtigte zu tragen. Dies sei vorliegend beim Kläger der Fall. Der Kläger hat daraufhin ausgeführt, gerade bei Empfängern von Sozialleistungen stünden der Eröffnung und dem Unterhalt eines Girokontos Hindernisse entgegen. Aus eigener Erfahrung sei ihm bekannt, dass auch Vollstreckungsbeamte mit nicht selten zweifelhaften Vollstreckungstiteln Guthaben auf Girokonten pfändeten. Er werde daher bei der Postbank kein Girokonto eröffnen, wie es ihm bei vielen Vorsprachen zur Bareinlösung der monatlichen Schecks nahegelegt worden sei. Der Kläger hat beantragt, ihm den fälligen Nachzahlungsbetrag und künftige Änderungen des Auszahlungsbetrages gebührenfrei auszuzahlen, die Auszahlung kleiner Nachzahlungen mit der nächsten Regelleistung auszuzahlen sowie alle Barauszahlungen für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ohne Entgelt zu leisten. Der Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.07.2014 ein Teil-Anerkenntnis der Gestalt abgegeben, dem Kläger aufgrund des durch die im März 2011 erfolgte rückwirkende Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2011 entstandenen Nachzahlungsanspruchs für die Monate Januar 2011 bis März 2011 in Höhe von insgesamt 15,00 EUR diesen Betrag in Höhe von 15,00 EUR gebührenfrei bar beim Jobcenter Landkreis Esslingen, Standort Nürtingen, auszuzahlen und ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren zu tragen. Im Übrigen hat der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das SG hat mit Teil-Anerkenntnis- und Schluss-Urteil vom 29.07.2014 den Beklagten gemäß seines Anerkenntnisses vom 29.07.2014 verurteilt, dem Kläger aufgrund des durch die erfolgte rückwirkende Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2011 entstandenen Nachzahlungsanspruchs für die Monate Januar 2011 bis März 2011 in Höhe von 15,00 EUR diesen Betrag in Höhe von 15,00 EUR gebührenfrei in bar beim Jobcenter Landkreis Esslingen, Standort Nürtingen, auszuzahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ferner entschieden, dass der Beklagte von den außergerichtlichen Kosten des Klägers ein Zehntel zu tragen habe. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, soweit der Kläger mit der vorliegenden Klage die gebührenfreie Auszahlung des aufgrund der rückwirkenden Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2011 entstandenen Nachzahlungsanspruchs für die Monate Januar bis März 2011 begehre, sei der Beklagte entsprechend seines Teil-Anerkenntnisses verurteilt worden. Darüber hinaus habe die Klage keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf gebührenfreie Auszahlung gegebenenfalls entstehender künftiger Änderungen des Auszahlungsbetrages oder auf Auszahlung kleinerer Nachzahlungsbeträge mit der nächsten monatlichen Leistung und auch nicht auf gebührenfreie Auszahlung sämtlicher (Bar-)Auszahlungen (per Scheck) für ihn und sämtliche Bezieher von Leistungen nach dem SGB II. Nach § 42 Satz 1 SGB II würden Geldleistungen nach dem SGB II auf das im Antrag angegebene (in der bis zum 08.04.2013 geltenden Fassung) inländische Konto bei einem Geldinstitut überwiesen. Der Gesetzgeber habe sich damit für den Regelfall der Überweisung von Geldleistungen auf ein Konto des Leistungsempfängers entschieden. Hierfür würden dem Leistungsempfänger keine weiteren Kosten in Rechnung gestellt. Mithin erfolge die Übermittlung von Geldleistungen nach dem SGB II grundsätzlich kostenfrei. Die Kostenfreiheit in diesem Sinne bedeute allerdings nur, dass lediglich die bei dem Leistungsträger entstehenden Überweisungs- und Verwaltungskosten nicht auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden könnten. Hingegen habe der Leistungsempfänger eine etwaige Kontoführungsgebühr oder durch die Abhebung der Leistung anfallende Buchungsgebühr selbst zu tragen. Dem Leistungsempfänger stehe es daneben frei, auch eine andere Zahlungsweise zu beantragen. Hierdurch verwirke er nach der Systematik des § 42 SGB II jedoch zunächst einmal seinen Anspruch auf kostenfreie Auszahlung. Würden die Geldleistungen an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten übermittelt, seien nach § 42 Satz 2 SGB II die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen. Dies stelle eine spezialgesetzliche Abweichung von § 47 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dar. Der Gesetzgeber mache vom Abzug der zusätzlichen Kosten jedoch nach § 42 Satz 3 SGB II eine Ausnahme, wenn der Berechtigte nachweise, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich sei. Sofern diese Ausnahme greife, habe danach auch auf anderem Wege als durch Überweisung eine kostenfreie Auszahlung an den Leistungsempfänger zu erfolgen. Für die ihn nach § 42 Satz 3 SGB II begünstigenden Tatbestandsvoraussetzungen trage nach den allgemeinen Regeln der Leistungsberechtigte die materielle Beweislast. Vorliegend könne sich der Kläger jedoch nicht auf die Ausnahmeregelung des § 42 Satz 3 SGB II berufen, da er nicht nachgewiesen habe, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich gewesen sei. Die Unmöglichkeit der Kontoeröffnung habe der Kläger bereits nicht nachgewiesen. Er habe dies sogar gar nicht erst behauptet. Vielmehr habe er selbst ausgeführt, dass ihm die Postbank bei seinen vielen Vorsprachen zur Einlösung der monatlichen Schecks die Eröffnung eines Girokontos nahegelegt habe. Mithin habe der Kläger entsprechend § 42 Satz 2 SGB II die durch die Übermittlung der Geldleistungen veranlassten Kosten - und zwar sowohl im Hinblick auf die monatlichen Leistungen als auch im Hinblick auf zu gewährenden Nachzahlungen - selbst zu tragen. Denn einem Leistungsberechtigten könne in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abverlangt werden, sich so zu verhalten, dass beim Vollzug des Grundsicherungsrechts keine vermeidbaren zusätzlichen Kosten entstünden. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Auszahlung kleinerer Nachzahlungsbeträge mit der nächsten monatlichen Leistung, da es hierfür an einer Anspruchsgrundlage mangele. Auch habe er die kostenfreie Übermittlung von Nachzahlungsbeträgen durch Eröffnung eines Kontos beim Geldinstitut selbst in der Hand. Zudem würden die nachzuzahlenden Beträge durch einen gesonderten Bescheid ausgewiesen und der Leistungsberechtigte habe grundsätzlich das Recht, die nachzuzahlende Leistung schnellstmöglich zu bekommen. Soweit der Kläger die gebührenfreie Auszahlung sämtlicher (Bar-)Auszahlungen (per Scheck) für sämtliche Bezieher von Leistungen nach dem SGB II begehre, fehle es darüber hinaus bereits am Rechtschutzbedürfnis des Klägers.

Hiergegen hat der Kläger am 25.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat ausführlich dargelegt, welche Hindernisse gerade bei Empfängern von Sozialleistungen oft der Eröffnung sowie dem Unterhalt eines Girokontos entgegen stünden und warum er als unschuldig der Vollstreckung Ausgesetzter über viele Jahre kein Girokonto habe eröffnen können, um die monatlichen Regelleistungen bargeldlos entgegen nehmen zu können. Selbstverständlich stehe den Begünstigten die gebührenfreie Nachzahlung vom Beklagten zu Unrecht zurück behaltener (Teil-)Beträge zu. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass die Geldinstitute den Ärmsten der Armen in diesem Land regelmäßig Gebühren für die Führung des Girokontos zur bargeldlosen Entgegennahme der Regelleistungen in Rechnung stellten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm den fälligen Nachzahlungsbetrag und künftige Änderungen des Auszahlungsbetrages gebührenfrei auszuzahlen, ihm kleinere Nachzahlungen mit der nächsten Regelleistung auszuzahlen sowie alle Barauszahlungen für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ohne Entgelt zu leisten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Soweit mit der Berufung weiterhin die Verurteilung des Beklagten zur gebührenfreien Auszahlung des fälligen Nachzahlungsbetrages begehrt wird, fehlt es an einer Beschwer und damit einem Rechtsschutzbedürfnis (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, Vor § 143, Rz. 5 und 6) des Klägers hierfür, da das SG den Beklagten in dem angegriffenen Urteil genau hierzu verurteilt hat. Die Berufung ist deshalb insoweit bereits unzulässig. Offen bleiben kann daher, ob die insoweit erhobene Klage, da es an einem diesbezüglich durchgeführten Vorverfahren gefehlt hat, überhaupt zulässig gewesen ist.

Soweit mit der Berufung die Verurteilung des Beklagten, zur gebührenfreien Auszahlung in Bezug auf künftige Änderungen des Auszahlungsbetrages, zur Auszahlung kleinere Nachzahlungen mit der nächsten Regelleistung und zur Leistung aller Barauszahlungen für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ohne Entgelt begehrt wird, ist die Berufung unbegründet.

Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 29.07.2014 die unter dem Aktenzeichen S 22 AS 3343/11 geführte Klage insoweit abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte und unter dem Aktenzeichen L 3 AS 3722/14 geführte Berufung hat daher keinen Erfolg.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf gebührenfreie Auszahlung gegebenenfalls entstehender künftiger Änderungen des Auszahlungsbetrages oder kleinerer Nachzahlungsbeträge mit der nächsten monatlichen Leistung und auch nicht auf gebührenfreie Auszahlung sämtlicher (Bar-)Auszahlungen (per Scheck) für ihn und sämtliche Bezieher von Leistungen nach dem SGB II hat. Das SG hat dabei zutreffend die Regelung des § 42 SGB II herangezogen und zu Recht dargelegt, dass vom Abzug der zusätzlichen Kosten nur dann eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn der Berechtigte nachweist, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist, der Kläger aber vorliegend dies weder behauptet noch einen solchen Nachweis erbracht hat, so dass er grundsätzlich die durch die Übermittlung der Geldleistungen veranlassten Kosten selbst zu tragen hat. Das SG hat ferner überzeugend dargelegt, dass es für das Begehren des Klägers, ihm kleinere Nachzahlungsbeträge mit der nächsten monatlichen Leistung auzuzahlen, keine Anspruchsgrundlage gibt. Soweit der Kläger die gebührenfreie Auszahlung sämtlicher (Bar-)Auszahlungen (per Scheck) für sämtliche Bezieher von Leistungen nach dem SGB II begehrt, fehlt es nach den völlig richtigen Ausführungen des SG darüber hinaus bereits am Rechtschutzbedürfnis des Klägers.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG, mit denen sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung ersichtlich nicht auseinandergesetzt hat, nach eigener Prüfung gemäß § 153 Abs. 2 SGG unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
Saved