L 11 R 4441/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4441/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 11 R 3637/13 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

Mit Bescheid vom 29.10.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.01.2005 Regelaltersrente. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigte sie die Zeiten vom 30.09.1957 bis 05.06.1958, 11.08.1958 bis 30.01.1959 und 18.02.1959 bis 30.09.1960 als beitragsgeminderte Zeit. Die Zeit vom 03.11.1990 bis 31.12.2004 vermerkte sie als Zeit der "Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug, keine Anrechnung". Die Zeit der Ausbildung vom 01.09.1953 bis 19.09.1956 wurde nicht als Beschäftigungszeit anerkannt. Auch die Zeit vom 23.04.1974 bis 25.04.1975 wurde nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt. Die Regelaltersrente des Klägers wurde mit Bescheiden vom 27.01.2010 und 02.11.2011 neu berechnet.

Am 21.08.2012 beantragte der Kläger die Gewährung einer höheren Altersrente. Er machte geltend, die Beklagte müsse zusätzlich seine Ausbildung in den Jahren 1953 bis 1956 berücksichtigen. Zu Unrecht habe die Beklagte zudem die Zeit zwischen dem 30.09.1957 und dem 30.09.1960 als beitragsgeminderte Zeit gewertet. Nicht berücksichtigt sei auch das Jahr der Fortbildung zum Abschluss der Meisterprüfung 1974/1975.

Mit Bescheid vom 01.11.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht erfüllt. Bei der Berechnung der Regelaltersrente seien alle nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Ersatzzeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden. Hiergegen legte der Kläger am 05.11.2012 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2013 zurückwies.

Mit der am 05.02.2013 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat der Kläger seinen Antrag weiter verfolgt. In der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2013 hat die Beklagte die streitige Zeit vom 23.04.1974 bis 25.04.1975 als Anrechnungszeit anerkannt. Der Kläger hat das Teil-Anerkenntnis zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits angenommen. Die Beklagte hat das Anerkenntnis mit Bescheid vom 17.10.2013 umgesetzt. Mit Urteil vom 12.08.2013 hat das SG die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 15.08.2013 zugestellt worden.

Am 23.08.2013 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat am 30.04.2014 den Antrag gestellt, den Richter am Sozialgericht Dr. S. wegen Befangenheit abzulehnen. Mit Beschluss vom 02.06.2014 ist das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter am LSG K. und gegen den Richter am Sozialgericht Dr. S. gestellt. Mit Urteil vom 22.07.2014 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen. Der Senat hat sich durch das in der mündlichen Verhandlung gestellte Ablehnungsgesuch gegen den VRLSG K. und den RSG Dr. S. nicht gehindert gesehen, über die Berufung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden, da das Ablehnungsgesuch als unzulässig anzusehen und jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich sei. Das Urteil ist dem Kläger am 04.08.2014 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 01.08.2014 (Eingang beim LSG am 04.08.2014) hat der Kläger beantragt, das Urteil für nichtig zu erklären, da das Gericht nicht vorschriftmäßig gemäß § 579 Abs 1 Nr 1 Zivilprozessordnung (ZPO) besetzt gewesen sei. Der Senat hat dieses Schreiben an das Bundessozialgericht (BSG) weitergeleitet. Gegenüber dem BSG hat der Kläger auf Nachfrage mit Schreiben vom 20.10.2014 erklärt: "Mit der am 01.08.2014 erhobenen Nichtigkeitsklage wird die Wiederaufnahme des Verfahrens beabsichtigt, wobei §§ 583, 584 ZPO zu beachten ist." Das BSG hat die Unterlagen daraufhin dem LSG zur Erledigung in eigener Zuständigkeit zurückgesandt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.01.2015 hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass der Senat nicht in dieser Besetzung über die Wiederaufnahmeklage entscheiden könne. Die Richter seien vielmehr nach § 41 Nr 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) von einer Tätigkeit im Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen. Ferner hat er erklärt, seinen Antrag, eine Anrechnungszeit ab dem 03.11.1999 zu berücksichtigen, halte er nicht mehr aufrecht.

Der Kläger beantragt,

das Verfahren L 11 R 3637/13 vor dem Landessozialgericht wieder aufzunehmen und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2012 zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 29.10.2004 in Gestalt des Rentenbescheids vom 17.10.2013 abzuändern und seine Regelaltersrente ab dem 01.01.2005 neu zu berechnen, unter Berücksichtigung 1. einer Ausbildungszeit vom 01.09.1953 bis 19.09.1956, 2. von Pflichtbeitragszeiten (statt beitragsgeminderten Zeiten) vom 30.09.1957 bis 05.06.1958, 11.08.1958 bis 30.01.1959 und 18.02.1959 bis 30.09.1960.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.

Wiederaufnahmegründe lägen nicht vor. Im Übrigen habe der Senat in der Sache mit Urteil vom 22.07.2014 fehlerfrei entschieden. Insofern sei auch kein anderer Ausgang des Wiederaufnahmeverfahrens denkbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten des Senats und des SG sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens - L 11 R 3637/13 - ist unzulässig.

Der Senat kann in der vorliegenden Besetzung entscheiden. Die bereits im Ausgangsverfahren tätig gewordenen Richter sind nicht gemäß § 60 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 41 Nr 6 ZPO gesetzlich von einer Tätigkeit im Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen (hM; vgl Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl, § 41 Rn 8; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 60 Rn 4e).

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 179 Abs 1 SGG nur nach den Vorschriften des Vierten Buches des ZPO wiederaufgenommen werden. Dies erfolgt durch Nichtigkeitsklage oder durch Restitutionsklage (§ 578 Abs 1 ZPO). Für die Wiederaufnahmeklage ist das LSG funktionell zuständig, da der Senat über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12.08.2013 im Berufungsverfahren L 11 R 3637/13 in der Sache entschieden hat (§ 179 Abs 1 SGG iVm § 584 Abs 1 ZPO). Das Urteil des Senats vom 22.07.2014 ist rechtskräftig, da der Kläger das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde nicht eingelegt hat. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage setzt jedoch die schlüssige Behauptung eines Nichtigkeits- bzw Restitutionsgrundes voraus (BSG 10.09.1997, 9 RV 2/96, BSGE 81, 46 = SozR 3-1500 § 179 Nr 1; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, 2014, § 179 Rn 7 mwN). Fehlt es daran, ist die Wiederaufnahmeklage durch Prozessurteil als unzulässig zu verwerfen.

Die Nichtigkeitsklage findet gemäß § 579 Abs 1 ZPO statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr 1), wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht wird (Nr 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt oder das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr 4).

Der Kläger legt keinen der in § 579 Abs 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe schlüssig dar. Er macht geltend, dass der Senat bei seiner Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung am 24.07.2014 deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, weil er den Senat wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe. Die Mitwirkung von Richtern, die wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sind, ist nur dann ein Wiederaufnahmegrund, wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt worden ist (§ 579 Abs 1 Nr 3 ZPO). Dies war nicht der Fall und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Der Kläger hat auch keinen Restitutionsgrund gemäß § 580 ZPO schlüssig behauptet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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