Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 3235/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 733/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen der Klägerin für die schweizerische Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der am 2010 verstorbene und bis dahin in der Schweiz als schweizerischer Staatsbürger wohnhafte Ehemann der Klägerin bezog seit dem 01.08.1992 von der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) eine Regelaltersrente. Auf Antrag der gleichfalls in der Schweiz wohnhaften und die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzenden Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2011 dieser ab 01.01.2011 eine Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung des Ehemannes, zuletzt neu festgestellt mit Rentenbescheid vom 23.05.2012.
Unter dem 26.01.2012 (Eingang bei der Beklagten am 30.01.2012) machte die Klägerin geltend, einen Beitragszuschuss zu ihrer Krankenversicherung bereits mit dem Antrag auf Witwenrente "beantragt haben zu wollen"; sie beantrage jedenfalls jetzt nochmals einen entsprechenden Zuschuss. Sie legte hierzu die Versicherungspolice ihres schweizerischen Krankenversicherers vor. Danach bestehen für die Klägerin eine obligatorische schweizerische Krankenpflegeversicherung (OKPV) nach dem schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG) bei der V. sowie zwei Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bei der V. Versicherungen AG. Mit Bescheid vom 27.02.2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin unterliege der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach schweizerischem Recht. Deswegen sei ein Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung ausgeschlossen; dies gelte auch für eine eventuell bestehende freiwillige bzw. private Zusatzkrankenversicherung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2012 zurück.
Am 06.09.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, ihr ab Antragstellung einen Beitragszuschuss zu gewähren. Die OKPV stelle keine Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung dar, was durch Urteile deutscher Sozialgerichte und Landessozialgerichte auch bestätigt worden sei. Auch fehle es am Kriterium der Gleichzeitigkeit. Der Beitragszuschuss sei nach § 106 Abs. 1 S. 2 SGB VI nur dann ausgeschlossen, wenn zeitgleich mit dem Versicherungsverhältnis, für das der Zuschuss begehrt wird, eine weitere Versicherung in einer gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Sie sei jedoch nur ein Versicherungsverhältnis mit der V. , bestehend aus einer obligatorischen Krankenversicherung und ergänzenden Zusatzversicherungen, eingegangen. Die Beklagte hat insbesondere vorgetragen, dass ein Beitragszuschuss nach § 106 SGB VI ausschließlich für eine freiwillige oder private Krankenversicherung in Betracht komme. Die Gewährung eines Beitragszuschusses für die schweizerische Pflichtkrankenversicherung sei ausgeschlossen. Mit Urteil vom 17.01.2013 hat das Sozialgericht Karlsruhe die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Klägerin für die Krankenversicherung "unter Berücksichtigung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung" ab 30.01.2012 zu zahlen. Insbesondere stehe der Umstand, dass die Krankenversicherung der Klägerin der schweizerischen Versicherungsaufsicht unterliege und die Klägerin selbst ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland habe, auf Grund der gebotenen europarechtskonformen Auslegung einem Anspruch nicht entgegen. Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgeschlossen. Die OKPV sei nicht als Pflichtversicherung anzusehen. Auch würden nach der Auslegung der Beklagten im Ausland lebende Rentner schlechter gestellt, als Inlandsrentner, denen eine Beitragsbeteiligung des Rentenversicherungsträgers entweder über § 249a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oder über § 106 SGB VI garantiert sei. Eine derartige Ungleichbehandlung wäre europarechtlich nicht zulässig.
Gegen das der Beklagten am 05.02.2013 zugestellte Urteil hat diese am 20.02.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zu deren Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe bezogen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend, ob der Klägerin ab Januar 2012 ein Zuschuss zu deren Aufwendungen für die Krankenversicherung zusteht. Die Klägerin beschränkte den begehrten Beitragszuschuss dabei bei Antragstellung nicht auf die in der Versicherungspolice der V. ausgewiesenen Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG, sondern bezog die OKPV mit ein. Die Beklagte lehnte demgemäß mit Bescheid vom 27.02.2012 nicht nur einen Zuschuss für eine "eventuell bestehende freiwillige/private Zusatzkrankenversicherung", sondern einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung insgesamt ab. Im Klageantrag hat die Klägerin dann nochmals klargestellt, dass weiterhin ein Zuschuss "unter Berücksichtigung der Kosten der obligatorischen und freiwilligen Krankenversicherung" begehrt wird. Demgemäß ist - wie vom Sozialgericht zutreffend auch angenommen - ein Betragszuschuss sowohl für die obligatorische wie auch für die freiwillige Krankenversicherung vom Klagebegehren umfasst.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2012 ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Karlsruhe rechtmäßig. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für ihre (obligatorische wie freiwillige) Krankenversicherung gemäß § 106 Abs. 1 SGB VI zu.
Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Die Klägerin zählt zum berechtigten Personenkreis im Sinne der Vorschrift, weil sie seit dem 01.01.2011 eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Ehemannes bezieht. Dabei liegen mehrere Krankenversicherungsverhältnisse nach schweizerischem Recht mit unterschiedlichen Leistungserbringern vor. So besteht zwischen der Klägerin und der V. eine OKPV (obligatorische Krankenpflegeversicherung nach dem schweizerischen KVG). Zusätzlich bestehen zwischen der Klägerin und der V. Versicherungen AG Vereinbarungen über zwei (freiwillige) Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG.
Die von der Klägerin bei der V. abgeschlossene OKPV unterfällt bereits nicht dem Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Mit dem Abschluss dieses Versicherungsvertrages nach dem KVG genügte die Klägerin lediglich der in der Schweiz bestehenden Versicherungspflicht nach Artikel 3 Abs. 1 KVG, der sie auf Grund ihres Wohnsitzes in der Schweiz gemäß Artikel 3 Abs. 1 KVG unterliegt. Dabei handelt es sich - wie nachfolgend noch unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundessozialgericht darzulegen ist - um eine Pflichtversicherung i.S. § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Dies - die Qualifizierung als Pflichtversicherung - schließt bereits den Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aus.
In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 27.05.2014 (B 5 RE 6/14 R in juris) zu der vor dem 01.05.2007 geltenden Gesetzeslage dargelegt, dass der insoweit nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich gegebene Anspruch des Versicherten schon nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu dieser früheren Gesetzeslage durch den Gleichheitsgrundsatz begrenzt war (BSG, a.a.O. m.w.N.). Danach ist einem Auslandsrentner, der die Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses erfüllt, dieser gleichwohl zu versagen, wenn er von einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtmitglied erfasst wird, soweit diese wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist, was bejaht wurde, wenn sich das ausländische Versicherungssystem im Kern als Vollver¬sicherung darstellt. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, einem Auslandsrentner nur dann einen Beitragszuschuss zu gewähren, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre. Da aber die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung des Beitragszuschusses ausschließt, muss die Einbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankensystem, welches wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (was vom BSG a.a.O. in Bezug auf die OKPV bejaht worden ist, s. hierzu später), dieselbe Wirkung haben. Insoweit - so die vom BSG (a.a.O.) dargelegte Konsequenz - zieht der Gleichheitssatz dem an sich nach dem Gesetzeswortlaut gegebenen Anspruch eine Grenze. Da sich insoweit ab dem 01.05.2007 keine Änderung ergeben hat, unterfällt die OKPV im Ergebnis nicht der Regelung des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Der Senat gibt insoweit seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 14.04.2011, L 10 R 5221/07) auf.
Soweit die Klägerin zusätzlich mit der V. Versicherungen AG (freiwillige) Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG abschloss, bestehen Bedenken, ob darin eine Krankenversicherung von nennenswerter Bedeutung zu sehen ist, wie sie im Interesse zumindest einer gewissen Vergleichbarkeit mit der ebenfalls zuschusspflichtigen freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Vollversicherung ist, zu verlangen ist (BSG, Urteile vom 27.05.2014, B 5 RE 8/14 R sowie B 5 RE 6/14 R, jeweils in juris). Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage aber dahinstehen. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI insoweit vorliegen sollten, bestünde kein Anspruch der Klägerin, weil nämlich der Ausschlussgrund des § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in der ab dem 01.05.2007 geltenden Fassung verwirklicht ist.
Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in der mit Wirkung vom 01.05.2007 geltenden Fassung erhalten Rentenbezieher keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Bei der OKPV handelt es sich um eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung, die die Klägerin als Pflichtmitglied erfasst. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des schweizerischen KVG im Vergleich mit den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Merkmalen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Die OKPV ist zunächst eine gesetzliche Krankenversicherung (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden BSG a. a. O.): Gemäß Art. 1a Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a KVG handelt es sich bei der OKPV um eine "Versicherung" gegen das Risiko der "Krankheit" die bei Eintritt eines Versicherungsfalls Kosten für Leistungen (vgl. hierzu insbesondere Art. 24, 25 und 31 KVG) erbringt, an denen sich die Versicherten beteiligen müssen (Art. 64 KVG) und für die Beiträge von den Versicherten erhoben werden (Art. 61 KVG). Die OKPV ist auch eine "gesetzliche" Krankenversicherung: Sie ist - wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - bis in Einzelheiten gesetzlich geregelt. So enthält das KVG Vorschriften über die Versicherungspflicht (2. Titel, 1. Kapitel), die Organisation (2. Titel, 2. Kapitel), die Leistungen (2. Titel, 3. Kapitel), die Leistungserbringer (2. Titel, 4. Kapitel) und die Finanzierung (2. Titel, 5. Kapitel). Die OKPV ist schließlich auch eine soziale Krankenversicherung (Art. 1a Abs. 1 KVG).
Die OKPV ist zudem eine Pflichtversicherung im Sinne des § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Das Bundessozialgericht hat in der genannten Entscheidung vom 27.05.2014 (B 5 RE 6/14 R, a.a.O.) hierzu u.a. wie folgt ausgeführt:
"Bei der Beurteilung von Ansprüchen der Auslandsrentner hat die Rechtsprechung wiederholt u.a. hinsichtlich der Prüfung einer gesetzlichen Pflichtversicherung den möglicherweise anders gelagerten Verhältnissen im Ausland Rechnung getragen. Insoweit wird lediglich vorausgesetzt, dass die ausländische gesetzliche Krankenversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr. 22 S. 56; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr. 30).
Dies trifft auf die schweizerische OKPV unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung zu. Zwar beginnt die Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes mit der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, während in der Schweiz Versicherungspflicht besteht, aufgrund derer sich alle Personen mit dortigem Wohnsitz versichern müssen (Art. 3 Abs. 1 KVG), was den Abschluss eines Versicherungsvertrages erfordert.
Dieser Unterschied ist allerdings unwesentlich und steht einer Bewertung der OKPV als einer mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbaren Versicherung nicht entgegen.
Sowohl Pflichtversicherung als auch Versicherungspflicht bewirken, dass die von ihnen erfassten Personen verbindlich einer Versicherung zugeführt werden. Dass der Versicherungspflicht nach dem KVG auch tatsächlich nachgekommen wird, wird nicht dem freiwilligen Entschluss der Betroffenen überlassen, sondern durch Rechtszwang sichergestellt (Johannes W. Pichler in ders., Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 2001, S. 1, 15). Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, werden von den zuständigen kantonalen Behörden einem Versicherer zugewiesen (Art. 6 Abs. 2 KVG)
Die OKPV ist schließlich nicht mit der Versicherung nach § 193 Abs. 3 des deutschen VVG vergleichbar. Ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist die OKPV eine vorrangige Versicherung, die - mit geringfügigen Ausnahmen - die gesamte Wohnbevölkerung erfasst (vgl Maurer/Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 284 Rdnr. 2). Demgegenüber stellt sich die Versicherung nach § 193 Abs. 3 VVG als Auffangversicherung dar, die lediglich den Teil der Wohnbevölkerung betrifft, der keine andere Absicherung im Krankheitsfall hat (Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 193 Rdnr. 23); dieser Teil beläuft sich auf unter 10 %. Die Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 VVG gilt u.a. nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind (§ 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VVG). Allein die gesetzliche Krankenversicherung schützt aber über 90 % der Wohnbevölkerung (Peters, a.a.O., § 1 SGB V Rdnr. 4, Stand: Juni 2007).
Aus der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. BVerfGE 75, 223, 237; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 23 Rdnr. 27; Streinz in ders., EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rdnr. 33, jeweils mwN) ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Die unionsrechtskonforme Auslegung unterliegt den gleichen Grenzen wie die verfassungskonforme Auslegung (BAGE 105, 32, 48 f.; Jarass, a.a.O.). Diese darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz keinen entgegengesetzten Sinn verleihen oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen (BVerfGE 71, 81, 105; 90, 263, 275; 109, 279, 316 f.). Mit diesen Grenzen zulässiger Auslegung wäre es nicht vereinbar, die eindeutig getrennten Anwendungsbereiche des § 106 Abs. 1 SGB VI einerseits und des § 249a SGB V andererseits miteinander zu vermengen.
Eine derartige Auslegung hat auch der EuGH im Urteil vom 06.07.2000 (C-73/99, Movrin - SozR 3-6050 Art. 10 Nr. 6) nicht vorgenommen. Statthafter Gegenstand einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Rechtssätze des Unionsrechts (vgl. Ehricke in Streinz, a.a.O., Art. 267 AEUV Rdnr. 13, 17). Fragen der Auslegung nationalen Rechts sind daher ausgenommen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 03.10.2000 - C-58/98, Corsten - Juris Rdnr. 24; EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - C-136/03, Dörr und Ünal - Juris Rdnr. 46)."
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.
Mit dem Bundessozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass § 106 Abs. 1 SGB VI weiterhin weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden ist. Inländischer Prüfungsmaßstab ist insoweit (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden) Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Pflichteinbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung hat. Nichts anderes gilt auch unter Berücksichtigung von Unionsrecht. Danach darf dem Auslandsrentner nicht versagt werden, worauf er als Inlandsrentner einen Anspruch hätte. Als Inlandsrentner und Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung stünde dem Versicherten aber ebenfalls kein Anspruch aus § 106 Abs. 1 SGB VI zu. Inwieweit § 249a SGB V mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, falls eine Beteiligung der Rentenversicherungsträger nach dieser Vorschrift an den Kosten einer ausländischen Pflichtkrankenversicherung ausscheiden sollte, die, wie die OKPV, Beiträge als Kopfprämien erhebt, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Denn streitgegenständlich ist allein ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu ihrer Krankenversicherung nach § 106 Abs. 1 SGB VI und nicht die anteilige Tragung ihrer Krankenversicherungsbeiträge nach § 249a SGB V.
Letztlich liegt auch die nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI zu fordernde Gleichzeitigkeit vor. Diese ist gegeben, wenn neben der privaten Krankenversicherung zeitgleich Versicherungspflicht in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung besteht (BSG a. a. O.). Die Klägerin unterliegt auf Grund ihrer Wohnsitznahme in der Schweiz der Versicherungspflicht in der OKPV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen der Klägerin für die schweizerische Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der am 2010 verstorbene und bis dahin in der Schweiz als schweizerischer Staatsbürger wohnhafte Ehemann der Klägerin bezog seit dem 01.08.1992 von der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) eine Regelaltersrente. Auf Antrag der gleichfalls in der Schweiz wohnhaften und die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzenden Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2011 dieser ab 01.01.2011 eine Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung des Ehemannes, zuletzt neu festgestellt mit Rentenbescheid vom 23.05.2012.
Unter dem 26.01.2012 (Eingang bei der Beklagten am 30.01.2012) machte die Klägerin geltend, einen Beitragszuschuss zu ihrer Krankenversicherung bereits mit dem Antrag auf Witwenrente "beantragt haben zu wollen"; sie beantrage jedenfalls jetzt nochmals einen entsprechenden Zuschuss. Sie legte hierzu die Versicherungspolice ihres schweizerischen Krankenversicherers vor. Danach bestehen für die Klägerin eine obligatorische schweizerische Krankenpflegeversicherung (OKPV) nach dem schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG) bei der V. sowie zwei Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bei der V. Versicherungen AG. Mit Bescheid vom 27.02.2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin unterliege der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach schweizerischem Recht. Deswegen sei ein Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung ausgeschlossen; dies gelte auch für eine eventuell bestehende freiwillige bzw. private Zusatzkrankenversicherung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2012 zurück.
Am 06.09.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, ihr ab Antragstellung einen Beitragszuschuss zu gewähren. Die OKPV stelle keine Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung dar, was durch Urteile deutscher Sozialgerichte und Landessozialgerichte auch bestätigt worden sei. Auch fehle es am Kriterium der Gleichzeitigkeit. Der Beitragszuschuss sei nach § 106 Abs. 1 S. 2 SGB VI nur dann ausgeschlossen, wenn zeitgleich mit dem Versicherungsverhältnis, für das der Zuschuss begehrt wird, eine weitere Versicherung in einer gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Sie sei jedoch nur ein Versicherungsverhältnis mit der V. , bestehend aus einer obligatorischen Krankenversicherung und ergänzenden Zusatzversicherungen, eingegangen. Die Beklagte hat insbesondere vorgetragen, dass ein Beitragszuschuss nach § 106 SGB VI ausschließlich für eine freiwillige oder private Krankenversicherung in Betracht komme. Die Gewährung eines Beitragszuschusses für die schweizerische Pflichtkrankenversicherung sei ausgeschlossen. Mit Urteil vom 17.01.2013 hat das Sozialgericht Karlsruhe die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Klägerin für die Krankenversicherung "unter Berücksichtigung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung" ab 30.01.2012 zu zahlen. Insbesondere stehe der Umstand, dass die Krankenversicherung der Klägerin der schweizerischen Versicherungsaufsicht unterliege und die Klägerin selbst ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland habe, auf Grund der gebotenen europarechtskonformen Auslegung einem Anspruch nicht entgegen. Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgeschlossen. Die OKPV sei nicht als Pflichtversicherung anzusehen. Auch würden nach der Auslegung der Beklagten im Ausland lebende Rentner schlechter gestellt, als Inlandsrentner, denen eine Beitragsbeteiligung des Rentenversicherungsträgers entweder über § 249a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oder über § 106 SGB VI garantiert sei. Eine derartige Ungleichbehandlung wäre europarechtlich nicht zulässig.
Gegen das der Beklagten am 05.02.2013 zugestellte Urteil hat diese am 20.02.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zu deren Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe bezogen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend, ob der Klägerin ab Januar 2012 ein Zuschuss zu deren Aufwendungen für die Krankenversicherung zusteht. Die Klägerin beschränkte den begehrten Beitragszuschuss dabei bei Antragstellung nicht auf die in der Versicherungspolice der V. ausgewiesenen Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG, sondern bezog die OKPV mit ein. Die Beklagte lehnte demgemäß mit Bescheid vom 27.02.2012 nicht nur einen Zuschuss für eine "eventuell bestehende freiwillige/private Zusatzkrankenversicherung", sondern einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung insgesamt ab. Im Klageantrag hat die Klägerin dann nochmals klargestellt, dass weiterhin ein Zuschuss "unter Berücksichtigung der Kosten der obligatorischen und freiwilligen Krankenversicherung" begehrt wird. Demgemäß ist - wie vom Sozialgericht zutreffend auch angenommen - ein Betragszuschuss sowohl für die obligatorische wie auch für die freiwillige Krankenversicherung vom Klagebegehren umfasst.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2012 ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Karlsruhe rechtmäßig. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für ihre (obligatorische wie freiwillige) Krankenversicherung gemäß § 106 Abs. 1 SGB VI zu.
Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Die Klägerin zählt zum berechtigten Personenkreis im Sinne der Vorschrift, weil sie seit dem 01.01.2011 eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Ehemannes bezieht. Dabei liegen mehrere Krankenversicherungsverhältnisse nach schweizerischem Recht mit unterschiedlichen Leistungserbringern vor. So besteht zwischen der Klägerin und der V. eine OKPV (obligatorische Krankenpflegeversicherung nach dem schweizerischen KVG). Zusätzlich bestehen zwischen der Klägerin und der V. Versicherungen AG Vereinbarungen über zwei (freiwillige) Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG.
Die von der Klägerin bei der V. abgeschlossene OKPV unterfällt bereits nicht dem Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Mit dem Abschluss dieses Versicherungsvertrages nach dem KVG genügte die Klägerin lediglich der in der Schweiz bestehenden Versicherungspflicht nach Artikel 3 Abs. 1 KVG, der sie auf Grund ihres Wohnsitzes in der Schweiz gemäß Artikel 3 Abs. 1 KVG unterliegt. Dabei handelt es sich - wie nachfolgend noch unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundessozialgericht darzulegen ist - um eine Pflichtversicherung i.S. § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Dies - die Qualifizierung als Pflichtversicherung - schließt bereits den Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aus.
In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 27.05.2014 (B 5 RE 6/14 R in juris) zu der vor dem 01.05.2007 geltenden Gesetzeslage dargelegt, dass der insoweit nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich gegebene Anspruch des Versicherten schon nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu dieser früheren Gesetzeslage durch den Gleichheitsgrundsatz begrenzt war (BSG, a.a.O. m.w.N.). Danach ist einem Auslandsrentner, der die Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses erfüllt, dieser gleichwohl zu versagen, wenn er von einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtmitglied erfasst wird, soweit diese wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist, was bejaht wurde, wenn sich das ausländische Versicherungssystem im Kern als Vollver¬sicherung darstellt. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, einem Auslandsrentner nur dann einen Beitragszuschuss zu gewähren, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre. Da aber die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung des Beitragszuschusses ausschließt, muss die Einbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankensystem, welches wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (was vom BSG a.a.O. in Bezug auf die OKPV bejaht worden ist, s. hierzu später), dieselbe Wirkung haben. Insoweit - so die vom BSG (a.a.O.) dargelegte Konsequenz - zieht der Gleichheitssatz dem an sich nach dem Gesetzeswortlaut gegebenen Anspruch eine Grenze. Da sich insoweit ab dem 01.05.2007 keine Änderung ergeben hat, unterfällt die OKPV im Ergebnis nicht der Regelung des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Der Senat gibt insoweit seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 14.04.2011, L 10 R 5221/07) auf.
Soweit die Klägerin zusätzlich mit der V. Versicherungen AG (freiwillige) Zusatzversicherungen nach dem schweizerischen VVG abschloss, bestehen Bedenken, ob darin eine Krankenversicherung von nennenswerter Bedeutung zu sehen ist, wie sie im Interesse zumindest einer gewissen Vergleichbarkeit mit der ebenfalls zuschusspflichtigen freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Vollversicherung ist, zu verlangen ist (BSG, Urteile vom 27.05.2014, B 5 RE 8/14 R sowie B 5 RE 6/14 R, jeweils in juris). Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage aber dahinstehen. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI insoweit vorliegen sollten, bestünde kein Anspruch der Klägerin, weil nämlich der Ausschlussgrund des § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in der ab dem 01.05.2007 geltenden Fassung verwirklicht ist.
Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in der mit Wirkung vom 01.05.2007 geltenden Fassung erhalten Rentenbezieher keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Bei der OKPV handelt es sich um eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung, die die Klägerin als Pflichtmitglied erfasst. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des schweizerischen KVG im Vergleich mit den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Merkmalen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Die OKPV ist zunächst eine gesetzliche Krankenversicherung (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden BSG a. a. O.): Gemäß Art. 1a Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a KVG handelt es sich bei der OKPV um eine "Versicherung" gegen das Risiko der "Krankheit" die bei Eintritt eines Versicherungsfalls Kosten für Leistungen (vgl. hierzu insbesondere Art. 24, 25 und 31 KVG) erbringt, an denen sich die Versicherten beteiligen müssen (Art. 64 KVG) und für die Beiträge von den Versicherten erhoben werden (Art. 61 KVG). Die OKPV ist auch eine "gesetzliche" Krankenversicherung: Sie ist - wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - bis in Einzelheiten gesetzlich geregelt. So enthält das KVG Vorschriften über die Versicherungspflicht (2. Titel, 1. Kapitel), die Organisation (2. Titel, 2. Kapitel), die Leistungen (2. Titel, 3. Kapitel), die Leistungserbringer (2. Titel, 4. Kapitel) und die Finanzierung (2. Titel, 5. Kapitel). Die OKPV ist schließlich auch eine soziale Krankenversicherung (Art. 1a Abs. 1 KVG).
Die OKPV ist zudem eine Pflichtversicherung im Sinne des § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Das Bundessozialgericht hat in der genannten Entscheidung vom 27.05.2014 (B 5 RE 6/14 R, a.a.O.) hierzu u.a. wie folgt ausgeführt:
"Bei der Beurteilung von Ansprüchen der Auslandsrentner hat die Rechtsprechung wiederholt u.a. hinsichtlich der Prüfung einer gesetzlichen Pflichtversicherung den möglicherweise anders gelagerten Verhältnissen im Ausland Rechnung getragen. Insoweit wird lediglich vorausgesetzt, dass die ausländische gesetzliche Krankenversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr. 22 S. 56; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr. 30).
Dies trifft auf die schweizerische OKPV unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung zu. Zwar beginnt die Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes mit der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, während in der Schweiz Versicherungspflicht besteht, aufgrund derer sich alle Personen mit dortigem Wohnsitz versichern müssen (Art. 3 Abs. 1 KVG), was den Abschluss eines Versicherungsvertrages erfordert.
Dieser Unterschied ist allerdings unwesentlich und steht einer Bewertung der OKPV als einer mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbaren Versicherung nicht entgegen.
Sowohl Pflichtversicherung als auch Versicherungspflicht bewirken, dass die von ihnen erfassten Personen verbindlich einer Versicherung zugeführt werden. Dass der Versicherungspflicht nach dem KVG auch tatsächlich nachgekommen wird, wird nicht dem freiwilligen Entschluss der Betroffenen überlassen, sondern durch Rechtszwang sichergestellt (Johannes W. Pichler in ders., Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 2001, S. 1, 15). Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, werden von den zuständigen kantonalen Behörden einem Versicherer zugewiesen (Art. 6 Abs. 2 KVG)
Die OKPV ist schließlich nicht mit der Versicherung nach § 193 Abs. 3 des deutschen VVG vergleichbar. Ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist die OKPV eine vorrangige Versicherung, die - mit geringfügigen Ausnahmen - die gesamte Wohnbevölkerung erfasst (vgl Maurer/Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 284 Rdnr. 2). Demgegenüber stellt sich die Versicherung nach § 193 Abs. 3 VVG als Auffangversicherung dar, die lediglich den Teil der Wohnbevölkerung betrifft, der keine andere Absicherung im Krankheitsfall hat (Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 193 Rdnr. 23); dieser Teil beläuft sich auf unter 10 %. Die Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 VVG gilt u.a. nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind (§ 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VVG). Allein die gesetzliche Krankenversicherung schützt aber über 90 % der Wohnbevölkerung (Peters, a.a.O., § 1 SGB V Rdnr. 4, Stand: Juni 2007).
Aus der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. BVerfGE 75, 223, 237; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 23 Rdnr. 27; Streinz in ders., EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rdnr. 33, jeweils mwN) ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Die unionsrechtskonforme Auslegung unterliegt den gleichen Grenzen wie die verfassungskonforme Auslegung (BAGE 105, 32, 48 f.; Jarass, a.a.O.). Diese darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz keinen entgegengesetzten Sinn verleihen oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen (BVerfGE 71, 81, 105; 90, 263, 275; 109, 279, 316 f.). Mit diesen Grenzen zulässiger Auslegung wäre es nicht vereinbar, die eindeutig getrennten Anwendungsbereiche des § 106 Abs. 1 SGB VI einerseits und des § 249a SGB V andererseits miteinander zu vermengen.
Eine derartige Auslegung hat auch der EuGH im Urteil vom 06.07.2000 (C-73/99, Movrin - SozR 3-6050 Art. 10 Nr. 6) nicht vorgenommen. Statthafter Gegenstand einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Rechtssätze des Unionsrechts (vgl. Ehricke in Streinz, a.a.O., Art. 267 AEUV Rdnr. 13, 17). Fragen der Auslegung nationalen Rechts sind daher ausgenommen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 03.10.2000 - C-58/98, Corsten - Juris Rdnr. 24; EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - C-136/03, Dörr und Ünal - Juris Rdnr. 46)."
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.
Mit dem Bundessozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass § 106 Abs. 1 SGB VI weiterhin weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden ist. Inländischer Prüfungsmaßstab ist insoweit (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden) Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Pflichteinbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung hat. Nichts anderes gilt auch unter Berücksichtigung von Unionsrecht. Danach darf dem Auslandsrentner nicht versagt werden, worauf er als Inlandsrentner einen Anspruch hätte. Als Inlandsrentner und Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung stünde dem Versicherten aber ebenfalls kein Anspruch aus § 106 Abs. 1 SGB VI zu. Inwieweit § 249a SGB V mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, falls eine Beteiligung der Rentenversicherungsträger nach dieser Vorschrift an den Kosten einer ausländischen Pflichtkrankenversicherung ausscheiden sollte, die, wie die OKPV, Beiträge als Kopfprämien erhebt, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Denn streitgegenständlich ist allein ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu ihrer Krankenversicherung nach § 106 Abs. 1 SGB VI und nicht die anteilige Tragung ihrer Krankenversicherungsbeiträge nach § 249a SGB V.
Letztlich liegt auch die nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI zu fordernde Gleichzeitigkeit vor. Diese ist gegeben, wenn neben der privaten Krankenversicherung zeitgleich Versicherungspflicht in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung besteht (BSG a. a. O.). Die Klägerin unterliegt auf Grund ihrer Wohnsitznahme in der Schweiz der Versicherungspflicht in der OKPV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved