L 11 KR 3392/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1438/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3392/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Ruhestandsbeamten, der in der GKV freiwillig
krankenversichert ist, gilt für die Bemessung der Beiträge aus den
Versorgungsbezügen der allgemeine und nicht der ermäßigte
Beitragssatz.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Höhe des Beitragssatzes, nach dem die Beklagte Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus einer Beamtenpension bemisst.

Der 1944 geborene Kläger war bereits als aktiver Beamter des Landes Baden-Württemberg bei der beklagten Krankenkasse freiwillig krankenversichert. Seit 01.08.2008 erhält er vom Land Baden-Württemberg als Ruhestandsbeamter Versorgungsbezüge. Bis zu seiner Pensionierung wurden die nach seinem Gehalt bemessenen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach dem ermäßigten Beitragssatz (zuletzt 14,3 %) erhoben. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg teilte der Beklagten erstmals im November 2008 (und danach bei jeder Änderung der Bezüge) mit, dass und in welcher Höhe (ab 01.10.2008 waren es monatlich 3.720,97 EUR) der Kläger einen Versorgungsbezug erhält. Die Beklagte berechnete die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus den Pensionsbezügen des Klägers zunächst weiterhin nach dem jeweils geltenden ermäßigten Beitragssatz des § 243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Bescheid vom 10.12.2008 setzte die Beklagte den Beitrag für die Krankenversicherung ab 01.01.2009 auf monatlich 547,58 EUR (Beitragssatz 14,9%) und mit Bescheid vom 15.06.2009 auf 525,53 EUR ab 01.07.2009 (Beitragssatz 14,3%) fest.

Erstmals mit Bescheid vom 27.07.2010 entschied die Beklagte, dass der Kläger Beiträge aus dem Versorgungsbezug nach dem (höheren) allgemeinen Beitragssatz (§ 241 SGB V) zu zahlen hat. Die Beklagte führte zur Begründung aus, sie habe die Versicherung des Klägers überprüft. Da er ab 01.10.2008 Versorgungsbezüge erhalte, habe sie seine Versicherung umgestellt und die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung ab 01.10.2008 nach dem allgemeinen Beitragssatz berechnet. Der monatliche Beitrag betrage ab 01.01.2010 558,75 EUR. Für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 30.06.2010 bestehe ein Beitragsrückstand in Höhe von 507,60 EUR. Diesen Beitragsrückstand werde sie zusammen mit dem Monatsbeitrag für August 2010 vom Konto des Klägers abrufen. Mit Schreiben vom 29.07.2010 übersandte die Beklagte dem Kläger noch die von ihm erbetenen Informationen über die rechtlichen Grundlagen der Beitragserhebung.

Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2010 teilweise ab. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung der Beitragseinstufung lägen nicht vor. Sie berechne die Beiträge erst ab 01.08.2010 nach dem allgemeinen Beitragssatz. Bis zum 31.07.2010 verbleibe es bei der Beitragsberechnung nach dem ermäßigten Satz, da gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine rückwirkende Neuberechnung der Beiträge nur bei Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Mitglieds erfolgen könne. Da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei, hebe sie den Beitragsbescheid vom 10.12.2008 mit Wirkung ab 01.08.2010 auf. Für die Monate Oktober 2008 bis Juli 2010 bestehe somit ein Beitragsguthaben in Höhe von 530,10 EUR. Dieses Guthaben werde sie dem Kläger auf dessen Konto überweisen.

Im Übrigen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 als unbegründet zurück. In der Begründung stützte sie ihre Entscheidung in verfahrensrechtlicher Hinsicht auf § 45 SGB X und wie darauf hin, dass die zeitnahe Rücknahme der fehlerhaften Entscheidungen bei der vorzunehmenden Abwägung (Rücknahmeermessen im Sinne des § 45 SGB X) ausschlaggebend sei. Da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei, würden die Beiträge erst mit Wirkung ab 01.08.2010 neu berechnet. Für die Monate von Oktober 2008 bis Juli 2010 bestehe somit ein Guthaben iHv 530,10 EUR. Der Verwaltungsakte lässt sich nicht entnehmen, wann der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben worden ist.

Am 12.03.2012 (Montag) hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat zunächst darauf hingewiesen, dass er den Widerspruchsbescheid am 11.02.2012 erhalten habe. In der Sache hat er vorgetragen, als freiwillig versicherter Beamter habe er Beiträge für seine freiwillige Versicherung nach dem ermäßigten Beitragssatz gezahlt. Seit er Pensionär sei, müsse er Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz entrichten, obwohl seine Pension geringer sei als es sein Gehalt gewesen sei. Die Erhöhung des Beitragssatzes in der freiwilligen Krankenversicherung allein aufgrund des am 01.10.2008 erfolgten Statuswechsels vom aktiven Beamten auf Lebenszeit (ermäßigter Beitragssatz) zum Ruhestandsbeamten (allgemeiner Beitragssatz) sei weder begründet noch sonst gerechtfertigt. Es verstoße gegen Treu und Glauben und stelle außerdem eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar, wenn er bei um ca 30% geringeren Versorgungsbezügen einen höheren Beitragssatz zu leisten habe als während seiner aktiven Dienstzeit.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat dargelegt, bei der Pension, die der Kläger erhalte, handele es sich um laufende Versorgungsbezüge iSd § 229 SGB V. Für diese gelte nach § 240 Abs 2 Satz 5 iVm § 248 SGB V der allgemeine Beitragssatz.

Mit Urteil vom 09.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Durch den Eintritt in den Ruhestand sei es in den tatsächlichen Verhältnissen zu einer wesentlichen Änderung gekommen mit der Folge, dass der Kläger nunmehr den Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz zu entrichten habe. Ein freiwillig versichertes Mitglied der Krankenkasse dürfe nicht besser gestellt werden als ein versicherungspflichtiges Mitglied. Die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes auf die Pension des Klägers ergebe sich aus § 240 Abs 2 Satz 5 iVm § 248 SGB V. Soweit der Kläger geltend mache, dass dadurch aktive Beamte und Ruhestandsbeamte ungleich behandelt würden, übersehe er, dass es ohne Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes zu einer ungleichen Behandlung von Versorgungsbezügen bei pflichtversicherten Rentnern einerseits und freiwillig Versicherten andererseits kommen würde. Das Urteil ist dem Kläger am 09.07.2014 zugestellt worden.

Mit einem beim Amtsgericht Stuttgart am 11.08.2014 (Montag) und beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 12.08.2014 eingegangenen Schreiben hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass sein Krankenversicherungsbeitrag weiterhin nach dem ermäßigten Beitragssatz bemessen werden müsse. Alle wesentlichen, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis eines Beamten regelnden gesetzlichen Bestimmungen gälten für aktive Beamte wie auch für Ruhestandsbeamte. Auch der Leistungsumfang seiner freiwilligen Krankenversicherung sei nach wie vor der gleiche. Er bestreite daher die Auffassung des SG, wonach es durch seinen Eintritt in den Ruhestand zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnisse gekommen sei. Pflichtversicherte Rentner und freiwillig versicherte Ruhestandsbeamte seien derart unterschiedliche Fallgruppen, so dass schon deshalb nichts gegen eine unterschiedliche Behandlung spreche. Auch die wiederholten Verweise auf Urteile des BVerfG und des BSG machten die Sache nicht besser. Dort sei es nämlich primär stets um die auf seinen Fall nicht zutreffende Streitfrage "halber oder voller Beitragssatz" bei Klägern mit Mehrfacheinkünften gegangen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.04.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.04.2014 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten folgenden Teilvergleich geschlossen: Die Beklagte verpflichtet sich, nach dem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits alle Beitragsbescheide, die nach dem 01.08.2010 ergangen sind, zu überprüfen und die Beitragsbescheide zu ändern, soweit der Kläger unter Zugrundelegung der im vorliegenden Rechtsstreit als zutreffend erkannten Rechtsauffassung geringere Beiträge schuldet. Eine Änderung der Beitragsbescheide nach den allgemeinen Rechtsvorschriften bleibt hiervon unberührt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 144 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie wurde gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Das Berufungsschreiben des Klägers ging zwar zunächst beim Amtsgericht Stuttgart ein. Dieses Gericht ist aber im selben Gebäude wie das Landessozialgericht Stuttgart untergebracht. Da das Schreiben des Klägers an das Landessozialgericht Baden-Württemberg adressiert war und nicht durch ein Versandunternehmen transportiert wurde, geht der Senat davon aus, dass das Schreiben nur versehentlich zunächst beim Amtsgericht abgestempelt wurde und dem Kläger daher (vorsorglich) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren ist.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2012, soweit darin entschieden wurde, dass die Beiträge des Klägers ab dem 01.08.2010 nach dem allgemeinen Beitragssatz zu erheben sind. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist § 45 SGB X Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid. Denn mit diesem Bescheid wurde die mit dem früheren Bescheid vom 10.12.2008 vorgenommene Beitragsbemessung nach dem ermäßigten Beitragssatz, die für den Kläger günstig war, zurückgenommen und durch eine dem Kläger weniger günstige Regelung – Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes – ersetzt. Die den Kläger begünstigende Regelung war jedoch rechtswidrig, weil in seinem Fall Beiträge ab dem 01.10.2008 nach dem allgemeinen Beitragssatz hätten erhoben werden müssen. Der Eintritt des Klägers in den Ruhestand mit der Folge, dass er ab dem 01.10.2008 Versorgungsbezüge erhält, ist eine wesentliche Änderung der Sachlage, die nach § 48 SGB X eine Abänderung der früheren Beitragseinstufung bereits ab dem 01.10.2008 erfordert hätte.

Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den im Gesetz genannten Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs 3 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 10.12.2008 sind erfüllt. Sie erlauben der Beklagten eine Änderung der Beitragsbemessung für die Zukunft, dh ab 01.08.2010. Ob auch die wesentlich strengeren Voraussetzungen für eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit, dh eine Beitragseinstufung bereits ab dem 01.08.2008, vorliegen bedarf keiner Entscheidung. Denn die Beklagte hat die mit Bescheid vom 10.12.2008 vorgenommene Beitragsfestsetzung nur mit Wirkung für die Zukunft geändert.

Die den Kläger begünstigende Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge ab dem 01.08.2008 nach dem ermäßigten Beitragssatz war rechtswidrig. Die Versorgungsbezüge, die der Kläger als Ruhestandsbeamter vom Land Baden-Württemberg erhält, sind auch Versorgungsbezüge iSv § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V. Diese Bezüge sind bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtige Einnahmen. Für die Bemessung der Beiträge aus diesen Einnahmen gilt nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 240 Abs 2 Satz 5 SGB V iVm § 248 Satz 1 SGB V der allgemeine und nicht der ermäßigte Beitragssatz.

Die Regelung in § 248 Satz 1 SGBV ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Dieser enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (stRspr). Der allgemeine Gleichheitssatz ist insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (zum Ganzen BVerfG 28.05.2008, 1 BvR 2257/06, SozR 4-2500 § 240 Nr 11 mwN). Eine Ungleichbehandlung der freiwillig versicherten Versorgungsempfänger besteht in wirtschaftlicher Hinsicht (nur) gegenüber solchen freiwillig Versicherten, welche erwerbstätig sind oder eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Freiwillig krankenversicherte Arbeitnehmer haben unter den Voraussetzungen des § 257 Abs 1 SGB V Anspruch auf einen Beitragszuschuss durch den Arbeitgeber und freiwillig krankenversicherte Rentner erhalten vom Rentenversicherungsträger gemäß § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) einen Zuschuss, so dass diese Gruppen wie die pflichtversicherten Arbeitnehmer wirtschaftlich nicht mit dem vollen Beitrag belastet sind. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt, weil der gesetzliche Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung den eigentumsrelevanten Eigenleistungen des Versicherten zuzurechnen ist und auch der Zuschuss des Rentenversicherungsträgers zur Krankenversicherung letztlich auf Eigenleistungen des Versicherten in Form erbrachter Rentenversicherungsbeiträge beruht (vgl BVerfG, 28.02.2008, 1 BvR 2137/06, SozR 4-2500 § 248 Nr 3). Dies trifft für die freiwillig versicherten Beamten nicht zu.

Die vom Kläger geltend gemachte Ungleichbehandlung zwischen Ruhestandsbeamten mit Versorgungsbezügen und aktiven Beamten mit Gehaltszahlungen ist verfassungsrechtlich ohne Bedeutung, da hier nicht Gleiches, sondern Ungleiches seiner Eigenart nach verschieden behandelt wird. Der Kläger war in seiner Zeit als aktiver Beamter dadurch privilegiert, dass er auf einen Krankengeldanspruch gar nicht angewiesen war, weil er aufgrund der beamtenrechtlichen Regelungen einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung auch im Krankheitsfalle hatte, aber dennoch nur den ermäßigten Beitragssatz leisten musste. Der Wegfall des ermäßigten Beitragssatzes beim Bezug von Versorgungsbezügen bei Eintritt in den Ruhestand führt daher zu keiner rechtlich relevanten Benachteiligung im Vergleich zu anderen Beziehern von Versorgungsbezügen.

Die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes bei freiwillig Versicherten Ruhestandsbeamten verstößt auch nicht gegen Art 2 Abs 1 GG. Die Heranziehung der Versorgungsbezüge nach dem allgemeinen Beitragssatz enthält die Auferlegung einer allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abgabepflicht und ist als solche an den Freiheitsrechten, insbesondere also am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu messen. Der Eingriff muss zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels geeignet und erforderlich sein und darf schließlich nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel sein. Diesen Vorgaben genügt § 248 SGB V in der hier geltenden Fassung. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen berechtigt, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Die Belastung mit dem allgemeinen Beitragssatz ist auch dort hinzunehmen, wo die Versorgungsbezüge ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachen (BVerfG aaO) oder - wie im Fall des Klägers - die einzigen Alterseinkünfte sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei den Empfängern von Versorgungsbezügen um Personen handelt, deren durchschnittliches Alterseinkommen mehr als doppelt so hoch liegt wie das derjenigen, die nur eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen (vgl BVerfG aaO). Davon ist hier auszugehen. Die Versorgungsbezüge des Klägers beliefen sich ab 01.04.2009 auf monatlich 3.871,78 EUR. Dies entnimmt der Senat der Mitteilung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 15.05.2009.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X dagegen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr 2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr 3).

Der Kläger kann sich zwar darauf berufen, dass er auf die Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes im Bescheid vom 10.12.2008 vertraut hat. Dieses Vertrauen ist aber nicht schutzwürdig. Ein Fall, in dem das Vertrauen nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X schutzwürdig ist, liegt ebenso wenig vor, wie ein solcher, in dem das Vertrauen nach Abs 2 Satz 3 der genannten Vorschrift nicht schutzwürdig ist. Weder hat der Kläger aufgrund der geringeren Belastung mit dem ermäßigten Beitragssatz eine Vermögensdisposition getroffen noch hat er gegenüber der Beklagten Mitwirkungspflichten oder sonstige Pflichten verletzt. Es kommt deshalb auf die von § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X geforderte Abwägungsentscheidung an. Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit allen Verwaltungshandelns erfordert es grundsätzlich, dass rechtswidrige Verwaltungsakte beseitigt werden. Dem steht der Grundsatz gegenüber, dass der Staatsbürger auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf. Um diesen Widerstreit zu lösen, hat im Einzelfall eine Interessenabwägung dahingehend zu erfolgen, welches Interesse überwiegt, das der Allgemeinheit auf Herstellung eines rechtmäßigen, dh gesetzmäßigen Zustandes, oder das des gutgläubigen Begünstigten auf Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes (so bereits BSG 14.06.1984, 10 RKg 5/83, SozR 1300 § 45 Nr 9). Nicht erforderlich ist, dass der Begünstigte sein Vertrauen "objektiv ins Werk gesetzt hat" (so aber Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl § 45 Rn 37 und Padé in jurisPK § 45 SGB X Rn 69). Es genügt, dass der Begünstigte subjektiv auf den Bestand des (rechtswidrigen) Verwaltungsakts vertraut hat, wobei für das Vorliegen von Vertrauen eine Vermutung spricht (vgl BSG 05.11.1997, 9 RV 20/96, BSGE 81, 156 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37; KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rn 45). Dafür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift vor allem die Tatsache, dass das Gesetz in § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X die Betätigung des Vertrauens durch den Begünstigten – Verbrauch von Leistungen, Vermögensdisposition – unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit des Vertrauens erfasst.

Zugunsten des Klägers spricht, dass die Beklagte den ermäßigten Beitragssatz nicht nur für die Festsetzung der Beiträge ab dem 01.01.2009 verwendet hat, sondern auch bei der Beitragsfestsetzung ab 01.07.2009. Auch ist die Korrektur durch die Beklagte erst kurz vor Ablauf der 2-jährigen Aufhebungsfrist erfolgt. Der Senat wertet dennoch das Interesse der Allgemeinheit an einer zutreffenden Beitragserhebung höher als das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der Begünstigung, weil es sich bei der Beitragsfestsetzung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl hierzu BSG 25.06.1986, 9a RVg 2/84, BSGE 60, 147 = SozR 1300 § 45 Nr 24).

Sind die Voraussetzungen für eine (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 10.12.2008 damit erfüllt, steht die Aufhebungsentscheidung im Ermessen der Beklagten. Die Beklagte hat dies erkannt und von dem ihr zustehenden Ermessen jedenfalls im Widerspruchsbescheid Gebrauch gemacht. Sie hat dabei zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass dieser seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist. Da der Kläger vor allem rechtliche Erwägungen vorgetragen und eine besondere persönliche Härte nicht geltend gemacht hat bzw auch nicht geltend machen konnte, ist die Entscheidung der Beklagten, die fehlerhafte Beitragseinstufung für die Zukunft zu korrigieren, ermessensfehlerfrei getroffen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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