Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 146/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3972/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1957 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Von 1973 bis 1985 übte er verschiedene Tätigkeiten als Hilfsarbeiter aus. Eine Erwerbstätigkeit hat der Kläger seither nicht mehr aufgenommen. Bis zur Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 1999 war er Hausmann. Seit Januar 2005 lebt er von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Im Juni 2010 beantragte der Kläger wegen "diversen orthopädischen Leiden" erstmals die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Grundlage der hierauf ergangenen ablehnenden Entscheidung der Beklagten war das Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Z. unter Berücksichtigung des neurologischen Zusatzgutachtens des Facharztes für Neurologie Dr. W. , die den Kläger im Oktober 2010 untersuchten und folgende Diagnosen stellten: Leichte LWS-/BWS-Einschränkungen ohne Wurzelreizzeichen, Schmerzen im Bereich der LWS und Beckenfuge beidseits bei röntgenologisch degenerativen Veränderungen und Skoliose, HWS-Syndrom mit muskulärer Dysbalance ohne Wurzelreizzeichen mit leichten funktionellen Einschränkungen bei röntgenologisch leichten degenerativen Veränderungen, Impingement beider Schultern mit leichten funktionellen Einschränkungen beidseits, leichte Hüftgelenksfunktionseinschränkungen ohne höhergradige degenerative Veränderungen, chronifizierte Schmerzstörung der Wirbelsäule mit somatoformen Anteilen, chronifizierte Anpassungsstörung mit depressiven Zuflüssen, Medianusreizung rechtes Handgelenk mit angegebenen Sensibilitätsstörungen D2/D3 ohne motorische Funktionseinbußen, Psoriasis mit zur Zeit leichten residualen Hautveränderungen an der rechten Hohlhand und beiden Ellbogen (ohne entzündliche Gelenksreizungen), atypischer Gesichtsschmerz mit Minuten andauernden Schmerzattacken ohne funktionelles neurologisches Defizit, wiederkehrende Hyperventilationstetanien mit dissoziativen Anteilen sowie Tinnitus. Die Gutachterin sah den Kläger hierdurch dahingehend eingeschränkt, dass Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige Überkopftätigkeiten, länger dauerndes Hocken, häufiges Bücken, Tätigkeiten in länger dauernder Armvorhalte, häufiges Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder anderen Gefahrenpotenzialen, Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen und Dauerbelastbarkeit, Nachtschicht sowie Arbeiten unter Zeitdruck zu vermeiden seien, bei Berücksichtigung dessen leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung von Gehen, Stehen und Sitzen jedoch zumindest sechs Stunden täglich möglich seien.
Im Juli 2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er nunmehr mit Wirbelsäulen-, Schulter-, Knie- und Hüftproblemen, Gallensteinen, Sensibilitätsstörungen, psychischen Störungen sowie Allergien. Nach Beiziehung aktueller Arztbriefe, die keine Verschlimmerung der gesundheitlichen Situation seit Oktober 2010 dokumentierten, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 21.09.2011 und Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 und der Begründung ab, der Kläger könne trotz der bestehenden Erkrankungen noch zumindest sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei nicht erwerbsgemindert.
Am 09.01.2012 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er sei aufgrund seiner Einschränkungen von orthopädischer und psychischer Seite nicht mehr in der Lage, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten.
Das SG hat den Facharzt für Orthopädie Dr. C. und die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. In seiner im September 2012 erteilten Auskunft hat Dr. C. von Vorstellungen des Klägers zwischen Januar und Oktober 2011 insbesondere wegen Wirbelsäulen-, Knie-, Schulter- und Hüftbeschwerden berichtet, wobei Akupunkturbehandlungen durchgeführt worden seien. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers hat er sich wegen des länger zurückliegenden Behandlungszeitraums nur eingeschränkt in der Lage gesehen, aufgrund der dokumentierten Befunde leichte Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich jedoch für möglich erachtet. Dr. H. hat im November 2012 von Vorstellungen des Klägers bis September 2011 berichtet, wobei er im Wesentlichen über Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates der oberen Extremitäten geklagt habe; zuletzt habe die psychische Situation mit schizoider Persönlichkeitsveränderung und starken depressiven Phasen im Vordergrund gestanden. Aufgrund der erhobenen Befunde hat Dr. H. den Kläger für in der Lage erachtet, einer leichten, nervlich wenig belastenden Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich nachzugehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2013 hat das SG die Klage im Wesentlichen gestützt auf die Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Z. und des Neurologen Dr. W. sowie die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. C. und Dr. H. abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Leistungsvermögen des Klägers sei aufgrund seiner Gesundheitsstörungen zwar qualitativ eingeschränkt, für eine leichte nervlich wenig belastende Tätigkeit bestehe jedoch ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen, weshalb weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 12.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.09.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe seine Beweisanträge (u.a. Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens) zu Unrecht übergangen. Seine psychischen Beeinträchtigungen ergäben sich eindrücklich aus dem psychologischen Gutachten der Agentur für Arbeit Rastatt vom 11.07.2011, das er vorgelegt hat. Unter weiterer Berücksichtigung seiner physischen Beeinträchtigungen liege sein Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung seit Antragsstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Fortnagel, bei dem der Kläger seit Februar 2014 in Behandlung steht, schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat von einer linksseitigen lumbalen Radikulopathie aufgrund eines Bandscheibenvorfalls L4/5 berichtet; durch die erfolgten periradikulären Infiltrationen sei subjektiv keine Besserung eingetreten. Eine Einschränkung der Fähigkeit für die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten hat Dr. F. von orthopädischer Seite nicht gesehen. Der Senat hat sodann das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W. eingeholt, der den Kläger im Mai 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat einen unauffälligen klinisch-neurologischen Befund erhoben und eine depressiv getönte Anpassungsstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (ohne Arbeiten unter Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen, in Leitungsfunktion oder mit überdurchschnittlich hohem Publikumsverkehr) hat er leichte und teilweise mittelschwere körperliche Männerarbeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er nach den weiterhin zutreffenden Leistungsbeurteilungen der Fachärztin für Chirurgie Z. und des Dr. W. leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen (ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige Überkopfarbeiten, länger dauerndes Hocken, häufiges Bücken, Tätigkeiten in länger dauernder Armvorhalte, häufiges Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder sonstige gefährdende Tätigkeiten) noch zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, wobei die von SG aufgeführten qualitativen Einschränkungen - entsprechend der am Gutachten von Dr. W. orientierten Auflistung im Gutachten der Fachärztin für Chirurgin Z. - im Hinblick auf zu vermeidende vermehrte Anforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen, Dauerbelastbarkeit und Zeitdruck (insbesondere Schichtarbeit) zu ergänzen sind.
Ebenso wie das SG ist der Senat davon überzeugt, dass die Fachärztin für Chirurgie Z. und der Neurologe Dr. W. in ihren für die Beklagte im ersten Rentenverfahren erstatteten Gutachten aus den von ihnen erhobenen Befunden bei Berücksichtigung der o.g. qualitativen Einschränkungen zu Recht ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen abgeleitet haben. Die vom SG durchgeführten weiteren Ermittlungen haben die Richtigkeit dieser Einschätzung bestätigt. Dabei haben insbesondere die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. C. und Dr. H. keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass sich die Befundsituation beim Kläger anders darstellt, als diese von der Fachärztin für Chirurgie Z. und Dr. W. zugrunde gelegt wurde, oder dass seit deren gutachtlichen Untersuchungen im Oktober 2010 eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist und deren Beurteilung nicht mehr dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Klägers Rechnung trägt. Gegen eine dauerhafte wesentliche Verschlimmerung von orthopädischer Seite spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass Vorstellungen des Klägers bei Dr. C. zunächst lediglich im Januar 2011 und erneut erst wieder zwischen Juli und Oktober 2011 erfolgten, im weiteren Verlauf bis September 2012 dann aber offenbar nicht mehr erforderlich gewesen sind. Schließlich hat Dr. C. aufgrund der von ihm dokumentierten Befunde auch keine Einschränkung im Hinblick auf die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich gesehen. In diesem Sinne hat sich auch die behandelnde Ärztin Dr. H. geäußert, die bei im Wesentlichen gleichbleibendem Gesundheitszustand die orthopädischen Gesundheitsstörungen und die depressive Symptomatik nicht als so schwerwiegend bewertet hat, dass sie der Ausübung leichter und nervlich wenig belastender Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich entgegen stehen würden. Damit haben die behandelnden Ärzte die Leistungsbeurteilung in den von der Beklagten eingeholten Gutachten bestätigt.
Auch die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen des Senats haben keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Ausmaß ergeben. So hat insbesondere Dr. Fortnagel, der den Kläger wegen einer linksseitigen lumbalen Radikulopathie behandelt hat, keine Einschränkung im Hinblick auf die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich gesehen. Dr. F. hat hierbei gerade auch das Ergebnis der von ihm veranlassten Magnetresonanztomographie der LWS berücksichtigt, mit der am 21.03.2014 u.a. ein Bandscheibenprolaps im Bereich von L4/5 objektiviert worden ist. Eine rentenrelevante Leistungseinschränkung lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers aus diesem Befund damit nicht ableiten. Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten des Dr. W. , der von neurologischer Seite keine leistungseinschränkenden Befunde objektiviert und insoweit vielmehr einen unauffälligen klinischen Befund erhoben hat. Soweit er von psychiatrischer Seite eine depressiv getönte Anpassungsstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat, steht auch diese Erkrankung der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit nicht entgegen. Denn den hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen kann ausreichend durch die Berücksichtigung der von Dr. W. aufgeführten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass über die oben dargelegten qualitativen Einschränkungen hinaus für den Kläger auch Arbeiten in Leitungsfunktion und Tätigkeiten mit überdurchschnittlich hohem Publikumsverkehr nicht mehr leidensgerecht sind. Angesichts des somit von Dr. W. bestätigten, quantitativ nicht eingeschränkten Leistungsvermögens sind die in dem vom Kläger vorgelegten psychologischen Gutachten geäußerten Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit wiederlegt.
Soweit der Kläger gegen das Gutachten von Dr. W. einwendet, die dort aufgeführten Befunde seien nicht nachvollziehbar, hat er dies lediglich dahingehend konkretisiert, dass die von Dr. W. im Rahmen der Prüfung der Koordination getroffene Feststellung, der Einbein-Stand sei ohne Probleme, unzutreffend sein soll. Dabei hat der Kläger nicht dargelegt, welche - von Dr. W. dann nicht erkannten - Probleme aufgetreten sein sollen. Angesichts des Umstandes, dass dem Kläger ohnehin keine Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder mit sonstigen Gefährdungen zugemutet werden, kommt der Beherrschung des Einbein-Standes keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, so dass diesem Aspekt nicht weiter nachzugehen ist.
Eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Ausmaß lässt sich nach alledem nicht feststellen, so dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1957 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Von 1973 bis 1985 übte er verschiedene Tätigkeiten als Hilfsarbeiter aus. Eine Erwerbstätigkeit hat der Kläger seither nicht mehr aufgenommen. Bis zur Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 1999 war er Hausmann. Seit Januar 2005 lebt er von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Im Juni 2010 beantragte der Kläger wegen "diversen orthopädischen Leiden" erstmals die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Grundlage der hierauf ergangenen ablehnenden Entscheidung der Beklagten war das Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Z. unter Berücksichtigung des neurologischen Zusatzgutachtens des Facharztes für Neurologie Dr. W. , die den Kläger im Oktober 2010 untersuchten und folgende Diagnosen stellten: Leichte LWS-/BWS-Einschränkungen ohne Wurzelreizzeichen, Schmerzen im Bereich der LWS und Beckenfuge beidseits bei röntgenologisch degenerativen Veränderungen und Skoliose, HWS-Syndrom mit muskulärer Dysbalance ohne Wurzelreizzeichen mit leichten funktionellen Einschränkungen bei röntgenologisch leichten degenerativen Veränderungen, Impingement beider Schultern mit leichten funktionellen Einschränkungen beidseits, leichte Hüftgelenksfunktionseinschränkungen ohne höhergradige degenerative Veränderungen, chronifizierte Schmerzstörung der Wirbelsäule mit somatoformen Anteilen, chronifizierte Anpassungsstörung mit depressiven Zuflüssen, Medianusreizung rechtes Handgelenk mit angegebenen Sensibilitätsstörungen D2/D3 ohne motorische Funktionseinbußen, Psoriasis mit zur Zeit leichten residualen Hautveränderungen an der rechten Hohlhand und beiden Ellbogen (ohne entzündliche Gelenksreizungen), atypischer Gesichtsschmerz mit Minuten andauernden Schmerzattacken ohne funktionelles neurologisches Defizit, wiederkehrende Hyperventilationstetanien mit dissoziativen Anteilen sowie Tinnitus. Die Gutachterin sah den Kläger hierdurch dahingehend eingeschränkt, dass Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige Überkopftätigkeiten, länger dauerndes Hocken, häufiges Bücken, Tätigkeiten in länger dauernder Armvorhalte, häufiges Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder anderen Gefahrenpotenzialen, Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen und Dauerbelastbarkeit, Nachtschicht sowie Arbeiten unter Zeitdruck zu vermeiden seien, bei Berücksichtigung dessen leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung von Gehen, Stehen und Sitzen jedoch zumindest sechs Stunden täglich möglich seien.
Im Juli 2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er nunmehr mit Wirbelsäulen-, Schulter-, Knie- und Hüftproblemen, Gallensteinen, Sensibilitätsstörungen, psychischen Störungen sowie Allergien. Nach Beiziehung aktueller Arztbriefe, die keine Verschlimmerung der gesundheitlichen Situation seit Oktober 2010 dokumentierten, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 21.09.2011 und Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 und der Begründung ab, der Kläger könne trotz der bestehenden Erkrankungen noch zumindest sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei nicht erwerbsgemindert.
Am 09.01.2012 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er sei aufgrund seiner Einschränkungen von orthopädischer und psychischer Seite nicht mehr in der Lage, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten.
Das SG hat den Facharzt für Orthopädie Dr. C. und die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. In seiner im September 2012 erteilten Auskunft hat Dr. C. von Vorstellungen des Klägers zwischen Januar und Oktober 2011 insbesondere wegen Wirbelsäulen-, Knie-, Schulter- und Hüftbeschwerden berichtet, wobei Akupunkturbehandlungen durchgeführt worden seien. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers hat er sich wegen des länger zurückliegenden Behandlungszeitraums nur eingeschränkt in der Lage gesehen, aufgrund der dokumentierten Befunde leichte Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich jedoch für möglich erachtet. Dr. H. hat im November 2012 von Vorstellungen des Klägers bis September 2011 berichtet, wobei er im Wesentlichen über Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates der oberen Extremitäten geklagt habe; zuletzt habe die psychische Situation mit schizoider Persönlichkeitsveränderung und starken depressiven Phasen im Vordergrund gestanden. Aufgrund der erhobenen Befunde hat Dr. H. den Kläger für in der Lage erachtet, einer leichten, nervlich wenig belastenden Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich nachzugehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2013 hat das SG die Klage im Wesentlichen gestützt auf die Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Z. und des Neurologen Dr. W. sowie die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. C. und Dr. H. abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Leistungsvermögen des Klägers sei aufgrund seiner Gesundheitsstörungen zwar qualitativ eingeschränkt, für eine leichte nervlich wenig belastende Tätigkeit bestehe jedoch ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen, weshalb weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 12.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.09.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe seine Beweisanträge (u.a. Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens) zu Unrecht übergangen. Seine psychischen Beeinträchtigungen ergäben sich eindrücklich aus dem psychologischen Gutachten der Agentur für Arbeit Rastatt vom 11.07.2011, das er vorgelegt hat. Unter weiterer Berücksichtigung seiner physischen Beeinträchtigungen liege sein Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung seit Antragsstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Fortnagel, bei dem der Kläger seit Februar 2014 in Behandlung steht, schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat von einer linksseitigen lumbalen Radikulopathie aufgrund eines Bandscheibenvorfalls L4/5 berichtet; durch die erfolgten periradikulären Infiltrationen sei subjektiv keine Besserung eingetreten. Eine Einschränkung der Fähigkeit für die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten hat Dr. F. von orthopädischer Seite nicht gesehen. Der Senat hat sodann das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W. eingeholt, der den Kläger im Mai 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat einen unauffälligen klinisch-neurologischen Befund erhoben und eine depressiv getönte Anpassungsstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (ohne Arbeiten unter Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen, in Leitungsfunktion oder mit überdurchschnittlich hohem Publikumsverkehr) hat er leichte und teilweise mittelschwere körperliche Männerarbeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er nach den weiterhin zutreffenden Leistungsbeurteilungen der Fachärztin für Chirurgie Z. und des Dr. W. leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen (ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige Überkopfarbeiten, länger dauerndes Hocken, häufiges Bücken, Tätigkeiten in länger dauernder Armvorhalte, häufiges Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder sonstige gefährdende Tätigkeiten) noch zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, wobei die von SG aufgeführten qualitativen Einschränkungen - entsprechend der am Gutachten von Dr. W. orientierten Auflistung im Gutachten der Fachärztin für Chirurgin Z. - im Hinblick auf zu vermeidende vermehrte Anforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen, Dauerbelastbarkeit und Zeitdruck (insbesondere Schichtarbeit) zu ergänzen sind.
Ebenso wie das SG ist der Senat davon überzeugt, dass die Fachärztin für Chirurgie Z. und der Neurologe Dr. W. in ihren für die Beklagte im ersten Rentenverfahren erstatteten Gutachten aus den von ihnen erhobenen Befunden bei Berücksichtigung der o.g. qualitativen Einschränkungen zu Recht ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen abgeleitet haben. Die vom SG durchgeführten weiteren Ermittlungen haben die Richtigkeit dieser Einschätzung bestätigt. Dabei haben insbesondere die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. C. und Dr. H. keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass sich die Befundsituation beim Kläger anders darstellt, als diese von der Fachärztin für Chirurgie Z. und Dr. W. zugrunde gelegt wurde, oder dass seit deren gutachtlichen Untersuchungen im Oktober 2010 eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist und deren Beurteilung nicht mehr dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Klägers Rechnung trägt. Gegen eine dauerhafte wesentliche Verschlimmerung von orthopädischer Seite spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass Vorstellungen des Klägers bei Dr. C. zunächst lediglich im Januar 2011 und erneut erst wieder zwischen Juli und Oktober 2011 erfolgten, im weiteren Verlauf bis September 2012 dann aber offenbar nicht mehr erforderlich gewesen sind. Schließlich hat Dr. C. aufgrund der von ihm dokumentierten Befunde auch keine Einschränkung im Hinblick auf die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich gesehen. In diesem Sinne hat sich auch die behandelnde Ärztin Dr. H. geäußert, die bei im Wesentlichen gleichbleibendem Gesundheitszustand die orthopädischen Gesundheitsstörungen und die depressive Symptomatik nicht als so schwerwiegend bewertet hat, dass sie der Ausübung leichter und nervlich wenig belastender Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich entgegen stehen würden. Damit haben die behandelnden Ärzte die Leistungsbeurteilung in den von der Beklagten eingeholten Gutachten bestätigt.
Auch die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen des Senats haben keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Ausmaß ergeben. So hat insbesondere Dr. Fortnagel, der den Kläger wegen einer linksseitigen lumbalen Radikulopathie behandelt hat, keine Einschränkung im Hinblick auf die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich gesehen. Dr. F. hat hierbei gerade auch das Ergebnis der von ihm veranlassten Magnetresonanztomographie der LWS berücksichtigt, mit der am 21.03.2014 u.a. ein Bandscheibenprolaps im Bereich von L4/5 objektiviert worden ist. Eine rentenrelevante Leistungseinschränkung lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers aus diesem Befund damit nicht ableiten. Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten des Dr. W. , der von neurologischer Seite keine leistungseinschränkenden Befunde objektiviert und insoweit vielmehr einen unauffälligen klinischen Befund erhoben hat. Soweit er von psychiatrischer Seite eine depressiv getönte Anpassungsstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat, steht auch diese Erkrankung der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit nicht entgegen. Denn den hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen kann ausreichend durch die Berücksichtigung der von Dr. W. aufgeführten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass über die oben dargelegten qualitativen Einschränkungen hinaus für den Kläger auch Arbeiten in Leitungsfunktion und Tätigkeiten mit überdurchschnittlich hohem Publikumsverkehr nicht mehr leidensgerecht sind. Angesichts des somit von Dr. W. bestätigten, quantitativ nicht eingeschränkten Leistungsvermögens sind die in dem vom Kläger vorgelegten psychologischen Gutachten geäußerten Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit wiederlegt.
Soweit der Kläger gegen das Gutachten von Dr. W. einwendet, die dort aufgeführten Befunde seien nicht nachvollziehbar, hat er dies lediglich dahingehend konkretisiert, dass die von Dr. W. im Rahmen der Prüfung der Koordination getroffene Feststellung, der Einbein-Stand sei ohne Probleme, unzutreffend sein soll. Dabei hat der Kläger nicht dargelegt, welche - von Dr. W. dann nicht erkannten - Probleme aufgetreten sein sollen. Angesichts des Umstandes, dass dem Kläger ohnehin keine Tätigkeiten mit Absturzgefahr oder mit sonstigen Gefährdungen zugemutet werden, kommt der Beherrschung des Einbein-Standes keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, so dass diesem Aspekt nicht weiter nachzugehen ist.
Eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Ausmaß lässt sich nach alledem nicht feststellen, so dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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