Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2151/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4405/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine stationär durchgeführte Liposuktion der Arme und Beine iHv 16.445,91 EUR.
Die Klägerin ist am 03.06.1969 geboren und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Anfang November 2013 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion im Bereich der Arme und Beine. Sie legte ein Attest des Facharztes für Dermatologie Prof. Dr. C. vom 31.10.2013 vor. Danach liege bei der Klägerin eine krankhafte Einlagerung von Fettgewebe im Bereich der Arme und Beine. Eine Liposuktion könne ambulant durchgeführt werden, der Gesamtbetrag zuzüglich Anästhesiekosten würde ca 14.000 EUR betragen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. Sch. führte unter dem 25.11.2013 aus, dass es sich bei der beantragten Fettabsaugung (Liposuktion) um ein Verfahren der plastischen Chirurgie handle, die auch nach den Leitlinien der Gesellschaft für ästhetische Chirurgie nicht zur Behandlung von Adipositas oder großflächigen Fettansammlungen geeignet sei. Es handle sich um eine außervertragliche Leistung, die bislang keinen Eingang in den Leistungskatalog der GKV gefunden habe. Die Behandlung bringe erhebliche Risiken mit sich. Eine Kostenübernahme für eine Liposuktion der Arme und Beine der Klägerin könne der Krankenkasse nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 02.12.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Die Liposuktion wurde ab dem 04.12.2013 in mehreren Behandlungsschritten durchgeführt, nicht ambulant wie beantragt, sondern stationär (Bl 19 ff SG-Akte).
Gegen den Bescheid vom 02.12.2013 erhob die Klägerin am 30.12.2013 Widerspruch ohne mitzuteilen, dass die Liposuktion bereits durchgeführt wurde. Sie führte zur Begründung des Widerspruchs aus, das bei ihr vorliegende Lipödem führe zu äußerst starken Schmerzen mit Druckempfindlichkeit an Armen und Beinen. Die Lebensqualität habe sich stark vermindert. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse bei Patientinnen, die mittels konservativer Therapie behandelt worden seien, hätten nur einen kurzzeitigen Erfolg gezeigt. Sie selbst könne eine tägliche Lymphdrainage nicht mit dem Berufsalltag vereinbaren. Bei ihr seien langfristige gesundheitliche Schäden vorprogrammiert, wenn die Liposuktion nicht durchgeführt werde. Es drohe auch die Entwicklung eines Lymphödems. Die Effizienz der Methode der lymphologischen Liposuktion sei in vielfältigen Untersuchungen belegt. Der so genannte "Nikolaus-Beschluss" sei auf ihren Fall anwendbar, da eine nicht fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Notwendig sei allerdings eine stationäre Liposuktion. Diesbezüglich seien auch nach § 137 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend ausgestaltet, dass neue Behandlungstherapien keiner besonderen Zulassung bedürften und nur dann ausgeschlossen seien, wenn der GBA eine negative Stellungnahme abgegeben habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Die Beklagte holte zwei weitere Gutachten vom MDK ein. Dr. F. führte unter dem 27.02.2014 aus (Bl 20 Verwaltungsakte), dass eine behandlungsbedürftige Krankheit der Klägerin nicht eindeutig nachvollziehbar sei. Eine funktionelle Beeinträchtigung liege nicht vor. An den Oberschenkeln könne eine Kompressionsbehandlung sinnvoll sein. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung sei nicht ersichtlich. Für die beantragte Methode liege ein Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nicht vor. Die Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014 als unbegründet zurück. Sie nahm auf die Gutachten des MDK Bezug. Die Liposuktion als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode könne der Klägerin nicht als Sachleistung erbracht werden. Eine entsprechende Empfehlung des GBA liege nicht vor. Sinnvoll könne an den Oberschenkeln eine Kompressionsbehandlung sein. Nach erfolgreicher Entstauung könnten Kompressionsstrümpfe angepasst werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.06.2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, dass die Liposuktion ab dem 04.12.2013 in mehreren Behandlungsschritten durchgeführt worden sei (Bl 19 ff SG-Akte). Die Gesamtkosten hätten sich auf 16.455,91 EUR belaufen. Sie hat entsprechende Rechnungen vorgelegt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nicht. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Durchführung einer ambulanten Liposuktion zu Lasten der Beklagten noch auf Durchführung einer stationären Liposuktion. Die Liposuktion entspreche grundlegend nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 08.10.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 23.10.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt, sich auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 - L 1 KR 391/12 - Bezug genommen. Für den stationären Bereich seien nur solche Behandlungsmethoden ausgeschlossen, bezüglich derer eine negative Stellungnahme des GBA vorliege. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.10.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte stationäre Liposuktion iHv 16.455,91 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründung der angefochtenen Bescheide sowie die Ausführungen des SG Bezug.
Der Senat hat auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.12.2013 (B 1 KR 70/12 R) hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gem §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte stationäre Liposuktion iHv 16.455,91 EUR. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht [BSG] 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechen-der Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).
Die streitgegenständliche Liposuktion gehört sowohl als ambulante als auch als stationäre Behandlung nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erbringenden Leistungen.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung ua auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs 2 SGB V). Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190, SozR 4-2500 § 27 Nr 12). Die ambulante Liposuktion ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie nicht als abrechenbare Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßmaßstab enthalten ist. Eine positive Empfehlung des GBA liegt nicht vor, weshalb ein Anspruch auf diese Leistung nicht besteht.
Auch ein Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion steht der Klägerin nicht zu. Allein der Umstand, dass eine Liposuktion im ambulanten Bereich nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, genügt nicht, um diese nunmehr stationär zu erbringen. Es ist in jedem Falle zu prüfen, ob Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht (vgl BSG vom 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 19). Der Senat entnimmt der Bescheinigung des Prof. Dr. C. vom 31.10.2013, dass die Liposuktion ambulant durchgeführt werden kann und deshalb aus medizinischen Gründen keine Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen ist.
Unabhängig davon, besteht ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung auch deshalb nicht, weil nach der neueren Rechtsprechung des BSG bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch in stationären Bereich eine positive Empfehlung des GBA erforderlich ist und es nicht mehr ausreicht, dass kein negatives Votum vorliegt (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 4 Rn 17 f; 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6 Rn 24). § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht.
Die Liposuktion als eine nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode kann im Krankenhaus auch dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn der GBA kein Negativvotum zu ihr abgegeben hat (vgl BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus (vgl zur stationären Liposuktion aufgrund eines Lipödems eingehend LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris). Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drs 11/2237, S 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar. Außerhalb klinischer Studien muss es zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R, BSGE 107, 261, SozR 4-2500 § 35 Nr 5; 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R, SozR 4-2500 § 139 Nr 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zB BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 1 Rn 7 mwN). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl zur Arzneimitteltherapie BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R aaO). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris).
Die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems ist derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion und es sind weitere randomisierte Studien erforderlich, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 KR 689/13; ebenso LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris). Der Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V vom 20.03.2014 auf Bewertung der Liposuktion erstreckt sich daher folgerichtig auch auf die Behandlung im Krankenhaus (§ 137c SGB V); der GBA hat das diesbezügliche Beratungsverfahren eingeleitet (Beschluss des GBA vom 22.05.2014). § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6).
Eine davon abweichende Betrachtung gebietet der konkrete Fall der Klägerin nicht. Trotz bislang nicht hinreichend erwiesener Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen ist der Klägerin eine Behandlung mittels Liposuktion nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu gewähren. Der Senat stützt sich hierbei auf die Gutachten Dr. Sch.s und Dr. F.s vom MDK vom 25.11.2013 und vom 27.02.2014. Die Gutachter haben einerseits auf erhebliche Risiken (Blutergüsse, anaphylaktische Reaktionen auf das Lokalanästhetikum, kardiale Nebenwirkungen durch die toxische Wirkung des Lokalanästhetikums, Auftreten von Schwellungen, Infektionen und Konturunregelmäßigkeiten der Haut) und in der Literatur genannte mögliche Komplikationen (ischämische Optikusneuropathie, nekrotisierende Faszitis, Schocksyndrom, Lundenödem, Fettembolie, postoperatives Lymphödem der Beine) der Behandlung hingewiesen. Sie haben überdies dargelegt, dass im Falle der Klägerin eine konservative Behandlung (Kompressionsbehandlung an den Oberschenkeln) angezeigt gewesen wäre.
Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels (so für die Liposuktion Senatsurteile vom 30.09.2014, L 11 KR 689/13 und vom 24.03.2009, L 11 KR 4438/06; ebenso LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3517/11 sowie LSG Rheinland-Pfalz 07.02.2013, L 5 KR 9/12; Thüringer LSG 29.08.2012, L 6 KR 49/12 B; Hessisches LSG 25.08.2011, L 1 KR 250/10). Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R - in juris). Auf Antrag der Patientenvertretung vom März 2014 hat der GBA mit Beschluss vom Mai 2014 das Bewertungsverfahren begonnen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass dieses Bewertungsverfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wird.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V, eingefügt durch Art 1 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983), mit Wirkung vom 01.01.2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98 aaO) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (zB BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R - alle in juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, aaO).
Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist. Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen ua nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreicht die Erkrankung der Klägerin nicht, wie sich aus dem Attest des Prof. Dr. C. vom 31.10.2013 ergibt und wie Dr. F. in seinem Gutachten vom 27.02.2014 überzeugend dargelegt hat. Auch nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbare Krankheit bei schmerzhaften Lipödemen regelmäßig nicht vor (BSG 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R aaO; ebenso Thüringer LSG 06.08.2014, L 6 KR 645/14 B, juris). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben und stehen.
Offenbleiben kann bei dieser Sachlage, ob die Klägerin die Beklagte überhaupt rechtzeitig mit ihrem Anliegen befasst hat, indem sie erst nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens mitgeteilt hat, dass nicht die ursprünglich begehrte Leistung (ambulante Liposuktion), sondern eine stationäre Liposuktion durchgeführt worden ist. Denn im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung - abgesehen von Notfällen - nur zu erstatten, wenn er die konkrete Leistung vor der Beschaffung bei der Krankenkasse beantragt und diese die Gewährung zu Unrecht abgelehnt hatte (vgl BSG 20.05.2003, B 1 KR 9/03 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine stationär durchgeführte Liposuktion der Arme und Beine iHv 16.445,91 EUR.
Die Klägerin ist am 03.06.1969 geboren und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Anfang November 2013 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion im Bereich der Arme und Beine. Sie legte ein Attest des Facharztes für Dermatologie Prof. Dr. C. vom 31.10.2013 vor. Danach liege bei der Klägerin eine krankhafte Einlagerung von Fettgewebe im Bereich der Arme und Beine. Eine Liposuktion könne ambulant durchgeführt werden, der Gesamtbetrag zuzüglich Anästhesiekosten würde ca 14.000 EUR betragen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. Sch. führte unter dem 25.11.2013 aus, dass es sich bei der beantragten Fettabsaugung (Liposuktion) um ein Verfahren der plastischen Chirurgie handle, die auch nach den Leitlinien der Gesellschaft für ästhetische Chirurgie nicht zur Behandlung von Adipositas oder großflächigen Fettansammlungen geeignet sei. Es handle sich um eine außervertragliche Leistung, die bislang keinen Eingang in den Leistungskatalog der GKV gefunden habe. Die Behandlung bringe erhebliche Risiken mit sich. Eine Kostenübernahme für eine Liposuktion der Arme und Beine der Klägerin könne der Krankenkasse nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 02.12.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Die Liposuktion wurde ab dem 04.12.2013 in mehreren Behandlungsschritten durchgeführt, nicht ambulant wie beantragt, sondern stationär (Bl 19 ff SG-Akte).
Gegen den Bescheid vom 02.12.2013 erhob die Klägerin am 30.12.2013 Widerspruch ohne mitzuteilen, dass die Liposuktion bereits durchgeführt wurde. Sie führte zur Begründung des Widerspruchs aus, das bei ihr vorliegende Lipödem führe zu äußerst starken Schmerzen mit Druckempfindlichkeit an Armen und Beinen. Die Lebensqualität habe sich stark vermindert. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse bei Patientinnen, die mittels konservativer Therapie behandelt worden seien, hätten nur einen kurzzeitigen Erfolg gezeigt. Sie selbst könne eine tägliche Lymphdrainage nicht mit dem Berufsalltag vereinbaren. Bei ihr seien langfristige gesundheitliche Schäden vorprogrammiert, wenn die Liposuktion nicht durchgeführt werde. Es drohe auch die Entwicklung eines Lymphödems. Die Effizienz der Methode der lymphologischen Liposuktion sei in vielfältigen Untersuchungen belegt. Der so genannte "Nikolaus-Beschluss" sei auf ihren Fall anwendbar, da eine nicht fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Notwendig sei allerdings eine stationäre Liposuktion. Diesbezüglich seien auch nach § 137 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend ausgestaltet, dass neue Behandlungstherapien keiner besonderen Zulassung bedürften und nur dann ausgeschlossen seien, wenn der GBA eine negative Stellungnahme abgegeben habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Die Beklagte holte zwei weitere Gutachten vom MDK ein. Dr. F. führte unter dem 27.02.2014 aus (Bl 20 Verwaltungsakte), dass eine behandlungsbedürftige Krankheit der Klägerin nicht eindeutig nachvollziehbar sei. Eine funktionelle Beeinträchtigung liege nicht vor. An den Oberschenkeln könne eine Kompressionsbehandlung sinnvoll sein. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung sei nicht ersichtlich. Für die beantragte Methode liege ein Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nicht vor. Die Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014 als unbegründet zurück. Sie nahm auf die Gutachten des MDK Bezug. Die Liposuktion als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode könne der Klägerin nicht als Sachleistung erbracht werden. Eine entsprechende Empfehlung des GBA liege nicht vor. Sinnvoll könne an den Oberschenkeln eine Kompressionsbehandlung sein. Nach erfolgreicher Entstauung könnten Kompressionsstrümpfe angepasst werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.06.2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, dass die Liposuktion ab dem 04.12.2013 in mehreren Behandlungsschritten durchgeführt worden sei (Bl 19 ff SG-Akte). Die Gesamtkosten hätten sich auf 16.455,91 EUR belaufen. Sie hat entsprechende Rechnungen vorgelegt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nicht. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Durchführung einer ambulanten Liposuktion zu Lasten der Beklagten noch auf Durchführung einer stationären Liposuktion. Die Liposuktion entspreche grundlegend nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 08.10.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 23.10.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt, sich auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 - L 1 KR 391/12 - Bezug genommen. Für den stationären Bereich seien nur solche Behandlungsmethoden ausgeschlossen, bezüglich derer eine negative Stellungnahme des GBA vorliege. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.10.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte stationäre Liposuktion iHv 16.455,91 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründung der angefochtenen Bescheide sowie die Ausführungen des SG Bezug.
Der Senat hat auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.12.2013 (B 1 KR 70/12 R) hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gem §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte stationäre Liposuktion iHv 16.455,91 EUR. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht [BSG] 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechen-der Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).
Die streitgegenständliche Liposuktion gehört sowohl als ambulante als auch als stationäre Behandlung nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erbringenden Leistungen.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung ua auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs 2 SGB V). Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190, SozR 4-2500 § 27 Nr 12). Die ambulante Liposuktion ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie nicht als abrechenbare Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßmaßstab enthalten ist. Eine positive Empfehlung des GBA liegt nicht vor, weshalb ein Anspruch auf diese Leistung nicht besteht.
Auch ein Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion steht der Klägerin nicht zu. Allein der Umstand, dass eine Liposuktion im ambulanten Bereich nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, genügt nicht, um diese nunmehr stationär zu erbringen. Es ist in jedem Falle zu prüfen, ob Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht (vgl BSG vom 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 19). Der Senat entnimmt der Bescheinigung des Prof. Dr. C. vom 31.10.2013, dass die Liposuktion ambulant durchgeführt werden kann und deshalb aus medizinischen Gründen keine Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen ist.
Unabhängig davon, besteht ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung auch deshalb nicht, weil nach der neueren Rechtsprechung des BSG bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch in stationären Bereich eine positive Empfehlung des GBA erforderlich ist und es nicht mehr ausreicht, dass kein negatives Votum vorliegt (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 4 Rn 17 f; 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6 Rn 24). § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht.
Die Liposuktion als eine nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode kann im Krankenhaus auch dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn der GBA kein Negativvotum zu ihr abgegeben hat (vgl BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus (vgl zur stationären Liposuktion aufgrund eines Lipödems eingehend LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris). Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drs 11/2237, S 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar. Außerhalb klinischer Studien muss es zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R, BSGE 107, 261, SozR 4-2500 § 35 Nr 5; 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R, SozR 4-2500 § 139 Nr 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zB BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 1 Rn 7 mwN). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl zur Arzneimitteltherapie BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R aaO). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris).
Die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems ist derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion und es sind weitere randomisierte Studien erforderlich, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 KR 689/13; ebenso LSG Baden-Württemberg 27.04.2012, L 4 KR 595/11, in juris). Der Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V vom 20.03.2014 auf Bewertung der Liposuktion erstreckt sich daher folgerichtig auch auf die Behandlung im Krankenhaus (§ 137c SGB V); der GBA hat das diesbezügliche Beratungsverfahren eingeleitet (Beschluss des GBA vom 22.05.2014). § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, BSGE 113, 167, SozR 4-2500 § 137c Nr 6).
Eine davon abweichende Betrachtung gebietet der konkrete Fall der Klägerin nicht. Trotz bislang nicht hinreichend erwiesener Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen ist der Klägerin eine Behandlung mittels Liposuktion nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu gewähren. Der Senat stützt sich hierbei auf die Gutachten Dr. Sch.s und Dr. F.s vom MDK vom 25.11.2013 und vom 27.02.2014. Die Gutachter haben einerseits auf erhebliche Risiken (Blutergüsse, anaphylaktische Reaktionen auf das Lokalanästhetikum, kardiale Nebenwirkungen durch die toxische Wirkung des Lokalanästhetikums, Auftreten von Schwellungen, Infektionen und Konturunregelmäßigkeiten der Haut) und in der Literatur genannte mögliche Komplikationen (ischämische Optikusneuropathie, nekrotisierende Faszitis, Schocksyndrom, Lundenödem, Fettembolie, postoperatives Lymphödem der Beine) der Behandlung hingewiesen. Sie haben überdies dargelegt, dass im Falle der Klägerin eine konservative Behandlung (Kompressionsbehandlung an den Oberschenkeln) angezeigt gewesen wäre.
Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels (so für die Liposuktion Senatsurteile vom 30.09.2014, L 11 KR 689/13 und vom 24.03.2009, L 11 KR 4438/06; ebenso LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3517/11 sowie LSG Rheinland-Pfalz 07.02.2013, L 5 KR 9/12; Thüringer LSG 29.08.2012, L 6 KR 49/12 B; Hessisches LSG 25.08.2011, L 1 KR 250/10). Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R - in juris). Auf Antrag der Patientenvertretung vom März 2014 hat der GBA mit Beschluss vom Mai 2014 das Bewertungsverfahren begonnen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass dieses Bewertungsverfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wird.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V, eingefügt durch Art 1 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983), mit Wirkung vom 01.01.2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98 aaO) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (zB BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R - alle in juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, aaO).
Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist. Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen ua nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreicht die Erkrankung der Klägerin nicht, wie sich aus dem Attest des Prof. Dr. C. vom 31.10.2013 ergibt und wie Dr. F. in seinem Gutachten vom 27.02.2014 überzeugend dargelegt hat. Auch nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbare Krankheit bei schmerzhaften Lipödemen regelmäßig nicht vor (BSG 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R aaO; ebenso Thüringer LSG 06.08.2014, L 6 KR 645/14 B, juris). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben und stehen.
Offenbleiben kann bei dieser Sachlage, ob die Klägerin die Beklagte überhaupt rechtzeitig mit ihrem Anliegen befasst hat, indem sie erst nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens mitgeteilt hat, dass nicht die ursprünglich begehrte Leistung (ambulante Liposuktion), sondern eine stationäre Liposuktion durchgeführt worden ist. Denn im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung - abgesehen von Notfällen - nur zu erstatten, wenn er die konkrete Leistung vor der Beschaffung bei der Krankenkasse beantragt und diese die Gewährung zu Unrecht abgelehnt hatte (vgl BSG 20.05.2003, B 1 KR 9/03 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved