L 3 U 48/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 18 U 15/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 48/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 04. März 2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 1302 – Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe).

Am 29. Oktober 2009 ging bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine "Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" des Internisten Dr. S vom 22. Oktober 2009 ein, der zufolge die 1946 geborene Klägerin an einer Leberzirrhose litt. Die Klägerin sei während ihrer mehr als 20 Jahre währenden Beschäftigung gegen Kunstharze, Kleb-, Gieß- und Laminierharze sowie gegen Teer exponiert gewesen. Beigefügt war eine Epikrise der Abteilung Innere Medizin der I Klinik R vom 09. Oktober 2009, aus welcher sich die Diagnosen Leberzirrhose mit portaler Hypertension und Oesophagusvarizen ersten bis zweiten Grades sowie konsekutiver Splenomegalie und Thrombozytenie, Hypertensive Herzkrankheit, Verdacht auf chronisch obstruktive Lungenerkrankung bzw. pulmonale Hypertonie, Mitralklappeninsuffizienz ersten Grades, Trikuspidalklappeninsuffizienz ersten Grades und Diabetes mellitus Typ 2 ergaben. Die pyknische und adipöse Klägerin sei im Zementwerk R gegen die o.g. Schadstoffe exponiert gewesen.

Laut schriftlicher Auskunft der Klägerin vom 18. Januar 2010 wurden die Leberveränderungen im ersten Quartal 1999 radiologisch festgestellt. Laut eines von ihr ausgefüllten Beschäftigungsverzeichnisses durchlief sie zunächst von September 1962 bis Juli 1964 eine Ausbildung zur Werkstoffprüferin (Laborantin) und war sie anschließend bis September 1986 im VEB Zementwerke R als Werkstoffprüferin und Plastverarbeiterin für Kleb-, Gieß- und Laminierharze (KGL) und deren Lösungsmittel, ab Oktober 1986 bis Dezember 1991 als Sachbearbeiterin und zeitweise in der Plastwerkstatt (KGL-Technik) beschäftigt; von Januar 1992 bis März 2009 war sie in der Finanz- und Lohnbuchhaltung einer Steuerkanzlei beschäftigt. Laut Arbeitgeberauskunft vom 18. Januar 2010 war sie von 1964 bis 1967 als Werkstattprüferin im Labor und von 1967 bis 1990 als Plastverarbeiterin im Zementwerk beschäftigt gewesen. Ein weiteres Auskunftsersuchen der Beklagten beantwortete die Klägerin unter dem 05. Februar 2010 u.a. dahingehend, dass ihr keine Einstellungs- und Vorsorgeuntersuchungsunterlagen ihres ehemaligen Arbeitgebers vorlägen. Während ihrer Tätigkeit als Plastverarbeiterin habe sie an Hustenreiz und Atemgerüchen beim Ausatmen gelitten. Sie sei mit der Verarbeitung von Gieß-, Kleb- und Laminierharzen zur Herstellung von glasfaserverstärkten Plastwerkstoffen betraut gewesen. Klebharze seien z.B. Ein- und Zweikomponenten-Epoxidharze, lösemittelhaltige Klebstoffe und Acrylatharze gewesen. Gießharze seien z.B. Epoxidharze, Polyesterharze und Polyurethane gewesen. Laminierharze seien z.B. überwiegend Epoxidharze, Polyesterharze und deren Lösemittel, Styrol, Teerepoxidharze (Anstriche) gewesen. Lösungs- und Verdünnungsmittel bzw. Reinigungsmittel seien z.B. Dichloräthylen, Trichloräthylen, Tetrachlorkohlenstoff, Dichlormethan, Styrol, Xylol und Aceton gewesen.

Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beklagten - vgl. Bericht vom 23. März 2010 - ergaben, dass die Klägerin mit der Herstellung und Verstärkung von Kunststoffteilen sowie witterungsbeständigen Kunststoffschildern aus glasfaserverstärkten Polyesterharzen befasst war. Zwar habe es eine provisorische Absaugung gegeben, deren Wirksamkeit jedoch nie kontrolliert worden sei. Es sei davon auszugehen, dass es zu hohen Styrol- und Trichlorethylenkonzentrationen mit Grenzwertüberschreitungen in der Luft am Arbeitsplatz gekommen sei. Für beide Stoffe sei auch eine Aufnahme über die Haut zu unterstellen. Kritische Organe nach Resorption über die Atemwege oder die Haut bei Langzeitexposition seien z.B. das Nervensystem und die Leber. Die Klägerin "war in unserem Mitgliedsunternehmen insgesamt 24 Jahre Stoffen ausgesetzt, die zur Entstehung einer Berufskrankheit beigetragen haben können (BK 1302, 1303)."

Die Klägerin entschied sich auf Vorschlag der Beklagten für eine Begutachtung durch den Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie mit hepatologischer Schwerpunktpraxis Prof. Dr. H, welcher aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 07. Juni 2010 unter dem 16. Juni 2010 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage erstellte. Prof. Dr. H stellte fest, dass die Leberveränderungen erstmals 1999 mit erhöhten Leberwerten festgestellt worden seien. Diabetes mellitus sei vor ca. zehn Jahren festgestellt worden. Die Klägerin sei bei 165 cm Körpergröße 93 kg schwer und damit stark übergewichtig. Prof. Dr. H diagnostizierte Leberzirrhose im Stadium Child A mit portaler Hypertension auf dem Boden einer nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis (NASH), Diabetes mellitus Typ 2, starkes Übergewicht, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Mitralklappeninsuffizienz ersten Grades. Die Lebererkrankung stehe nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der früheren beruflichen Schadstoffexposition. Es handele sich bei der NASH, die zur Entwicklung einer Zirrhose geführt habe, um eine endogene Stoffwechselstörung mit einem genetischen Hintergrund. Es bestehe nach den vorliegenden Befunden kein Zweifel daran, dass sich die Zirrhose erst nach mehr als zehn Jahren nach Beendigung der Schadstoffexposition entwickelt habe. Allein diese Tatsache lasse einen ursächlichen Zusammenhang mit der früheren Schadstoffexposition mit der vorhandenen Zirrhose ausschließen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Juli 2010 die Anerkennung einer BK 1302 unter Hinweis auf das von Prof. Dr. H erzielte Begutachtungsergebnis nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 05. Juli 2010 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 12. August 2010, mit welchem sie die Langjährigkeit ihrer Schadstoffexposition betonte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2011 als unbegründet zurück. Soweit Prof. Dr. H ausführe, dass zwischen dem Ende der Schadstoffexposition und der Diagnosestellung der Leberzirrhose etwa 17 Jahre lägen und kein Zweifel daran bestehe, dass sich die Leberzirrhose erst mehr als zehn Jahre nach Beendigung der Schadstoffexposition entwickelt habe, schließe dies einen ursächlichen Zusammenhang aus, zumal laut Prof. Dr. H Betroffene mit einer klinisch relevanten Schadstoffexposition erfahrungsgemäß früh ein Beschwerdebild in Form von Übelkeit, Erbrechen und Schwindelzuständen hätten, ohne dass sich solche Symptome bei der Klägerin nachweisen ließen.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 10. Februar 2011 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat ihr vorprozessuales Vorbringen vertieft und noch einmal darauf hingewiesen, dass Ende der 90er Jahre erste äußerlich erkennbaren Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Leberwerten aufgetreten seien. Eine Leberschädigung in Folge von Alkohol oder sonstigen Giftstoffen sei ausgeschlossen. Auch eine genetische Stoffwechselstörung liege nicht vor. Es seien auch andere Ursachen wie chronische Hepatitisvirusinfektion Typ B und Typ C, autoimmune Hepatitis, primäre biliäre Zirrhose, primäre sklerosierende Cholangitis, Eisenstoffwechselstörung etc. ausgeschlossen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 04. März 2013 abgewiesen. Es liege keine BK 1302 vor. Die bei der Klägerin bestehende Erkrankung der Leber könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Einwirkungen zurückgeführt werden. Der ursächliche Zusammenhang sei nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen. Vorliegend überwögen Faktoren, die gegen das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen und der Lebererkrankung der Klägerin sprächen. Hierfür sei auf das fachinternistische Gutachten von Prof. Dr. H zu verweisen. Hiernach spreche gegen eine berufliche Verursachung, dass sich eine Leberveränderung erstmals sonographisch im Jahr 1999 im Sinne einer Fettleber gezeigt habe. Anhaltspunkte für eine Leberfibrose oder eine Leberzirrhose hätten zum damaligen Zeitpunkt nicht bestanden. Die Leberzirrhose als solche habe sich erst 2009 diagnostizieren lassen und habe sich erst nach mehr als zehn Jahren nach dem Ende der Schadstoffexposition bilden können. Damit bestehe zwischen der beruflichen Exposition und der Erkrankung bereits kein zeitlicher Zusammenhang. Dies spreche unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der Klägerin seit mindestens zehn Jahren ein metabolischen Syndrom mit Übergewicht, Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie vorliege und ein Beschwerdebild unter der Exposition gegen Halogenkohlenwasserstoffe nicht vorgelegen habe, gegen einen Kausalzusammenhang. Vielmehr liege in Form einer NASH eine endogene Stoffwechselstörung mit einem genetischen Hintergrund vor.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. März 2013 zugestellte Urteil am 04. April 2013 Berufung eingelegt. Es sei zur Klärung der Zusammenhangsfrage ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Sie legt u.a. einen Sonographie- und CT-Befundbericht der Fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Neurochirurgie von Dres. S u.a. vom 12. Januar 1999 über eine am 07. Januar 1999 durchgeführte Untersuchung vor, wonach die nach Hinweisen auf erhöhte Blutzuckerwerte durchgeführte Sonographie eine Steatosis hepatis und die CT-Untersuchung gering geminderte Dichtewerte der Leber wie bei einer geringen Steatosis hepatis bei Hepatomegalie ergaben.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 04. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihr die Berufskrankheit Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung in Form einer Leberzirrhose vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat, nachdem die Klägerin sich im November 2013 einer Leberoperation und danach vom 23. Dezember 2013 bis zum 15. Januar 2014 einer Anschlussheilbehandlung in der Klinik am S hatte unterziehen müssen, das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Geriatrie, Umweltmedizin, Notfall- und Intensivmedizin und forensischen Toxikologen Dr. Dr. K vom 17. April 2014 eingeholt. Dieser hat u.a. nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten ausgeführt, dass bei ihr im Jahr 2000 ein erhöhter Blutdruck festgestellt worden sei, der seitdem medikamentös behandelt werde; 1999 seien bei einer Routineuntersuchung erhöhte Leberwerte aufgefallen, woraufhin sonographisch eine Fettleber festgestellt worden sei. Im Jahr 2000 sei zudem ein Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt worden. Dr. Dr. Khat u.a. folgende Diagnosen gestellt: - Leberzirrhose im Stadium Child A mit portaler Hypertension auf dem Boden einer NASH - Zustand nach Thermoablation von zwei fibrodysplastischen Leberherden 2013 - Arterieller Hypertonus und hypertensive Herzkrankheit - Verdacht auf chronisch obstruktive Lungenerkrankung, pulmonale Hypertonie - Mitralklappeninsuffizienz ersten Grades - Trikuspidalklappeninsuffizienz ersten Grades - Diabetes mellitus Typ 2 (insulinplichtig) - Beginnende diabetische Retinopathie - Metabolisches Syndrom

Bei der Klägerin habe eine Exposition gegen chlorierte aliphatische Kohlenwasserstoffe und Styrol während ihrer Tätigkeit im Zementwerk R von 1967 bis 1990 bestanden. Es sei nach den Ausführungen der Präventionsabteilung der Beklagten mangels hinreichender arbeitshygienischer Bedingungen zu Grenzwertüberschreitungen gekommen. Die Exposition habe überwiegend inhalativ stattgefunden, aber auch über die Haut. Von allen in Betracht zu ziehenden Substanzen und nach den von der Präventionsabteilung beschriebenen Expositionsszenarien sei es bei der Klägerin Trichlorethylen, welches am ehesten im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Fettleber diskutiert werden müsse. Bei der Exposition mit chlorierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen sei nicht nur die Leber, sondern seien auch das Herz und das Zentralnervensystem besondere Zielorgane der substanzklassenspezifischen Toxizität. Bei einer gefährdenden Exposition könne es zur Entwicklung einer Fettleber mit dem Gefühl der Abgeschlagenheit, Antriebsarmut und unspezifischer Leistungsminderung kommen. Laborchemisch finde sich in typischer Weise ein Anstieg der leberspezifischen Enzyme. Halte die gefährdende Exposition an, könne sich aus der Fettleber eine Leberzirrhose entwickeln. Eine Fettleber sei aber im Prinzip wenigstens in ihren Anfangsstadien komplett reversibel oder doch auch später wenigstens teilreversibel, wenn die ursächlichen Faktoren nicht mehr einwirkten. Ein Fortschreiten der Fettleber zu einer Leberzirrhose nach Beendigung der gefährdenden Exposition sei wenig wahrscheinlich. Dies gelte insbesondere, wenn wie bei der Klägerin das Fortschreiten erst Jahre nach der Beendigung der Exposition auftrete. Häufigste Ursache einer Fettleber sei der Alkoholmissbrauch, für welchen es bei der Klägerin allerdings keine Anhaltspunkte gebe. Es sei im Fall der Klägerin eine alimentär bzw. metabolisch bedingte Fettleber zu diskutieren. Von Prof. Dr. H sei gut nachvollziehbar die Diagnose einer Leberzirrhose auf dem Boden einer NASH gestellt worden, auch wenn das Fortschreiten einer Fettleber zu einer Leberzirrhose eher selten zu beobachten sei. Nach alldem sei es – mangels früherer objektiver Befunde - lediglich möglich, dass die Fettleber – auch weitgehend symptomlos - sehr viel früher bestanden habe, als sie letztlich erst 1999 diagnostiziert worden sei. Ursache der Lebererkrankung sei wahrscheinlich eine NASH. Angesichts der lange zurückliegenden Exposition mit Trichlorethylen sei es nicht wahrscheinlich, dass diese Exposition ursächlich oder teilursächlich für die Entwicklung einer Leberzirrhose aus der 1999 diagnostizierten Fettleber gewesen sei.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 03. und 06. Juni 2014 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die von der Klägerin zur Begutachtung von Dr. Dr. K mitgebrachten Unterlagen (Entlassungsbericht der Klinik am S vom 15. Januar 2014 etc.) verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2011 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Leberzirrhose als BK 1302.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die versicherten Tätigkeiten ergeben sich aus §§ 2, 4 und 6 SGB VII, wozu nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor allem die Beschäftigung gehört. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Die BK 1302 umfasst alle beruflich erworbenen Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe. Hiervon ausgehend lassen sich bei der BK 1302 folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).

Dies zugrunde gelegt mag zwar angesichts der gesicherten Diagnose einer auf einer Fettleberhepatitis beruhenden Leberzirrhose eine Erkrankung vorliegen, welche theoretisch auf eine Exposition gegen Halogenkohlenwasserstoffe zurückzuführen sein kann (vgl. etwa Abschnitt III des Merkblatts für die ärztliche Untersuchung, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 29. März 1985, BArbBl. 1985 H. 6 S. 55, abgedruckt etwa bei Mehrtens/ Brandenburg, BKV – Kommentar, Stand Juni 2014, M 1302; vgl. auch Mehrtens/ Brandenburg, a.a.O., Rn. 6). Vorliegend ist ein solcher Zusammenhang jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies ergab bereits das im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten von Prof. Dr. Hvom 16. Juni 2010. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hier zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG.

Auch das vom Senat eingeholte schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. Dr. K vom 17. April 2014 hat den Beweis einer hinreichenden Verursachungswahrscheinlichkeit nicht erbracht. Dr. Dr. K hat unter Berücksichtigung hinzugetretener Erkrankungen bzw. Verschlimmerungen im Gesundheitszustand der Klägerin im Wesentlichen die gleichen Ausgangsdiagnosen gestellt wie schon vor ihm Prof. Dr. H(Leberzirrhose im Stadium Child A mit portaler Hypertension auf dem Boden einer NASH, Zustand nach Thermoablation von zwei fibrodysplastischen Leberherden 2013, arterieller Hypertonus und hypertensive Herzkrankheit, Verdacht auf chronisch obstruktive Lungenerkrankung, pulmonale Hypertonie, Mitralklappeninsuffizienz ersten Grades, Trikuspidalklappeninsuffizienz ersten Grades, Diabetes mellitus Typ 2 (insulinpflichtig), beginnende diabetische Retinopathie, metabolisches Syndrom). Dr. Dr. K geht aufgrund der im Feststellungsverfahren der Beklagten gewonnenen arbeitstechnischen Erkenntnisse nachvollziehbar davon aus, dass bei der Klägerin eine Exposition gegen chlorierte aliphatische Kohlenwasserstoffe und Styrol während ihrer Tätigkeit im Zementwerk Rvon 1967 bis 1991 bestand. Er weist nachvollziehbar darauf hin, dass es nach den Ausführungen der Präventionsabteilung der Beklagten mangels hinreichender arbeitshygienscher Bedingungen zu Grenzwertüberschreitungen kam und die Exposition überwiegend inhalativ, aber auch über die Haut stattfand. Nachvollziehbar arbeitet Dr. Dr. K heraus, dass von allen in Betracht zu ziehenden Substanzen und nach den von der Präventionsabteilung beschriebenen Expositionsszenarien es bei der Klägerin Trichlorethylen war, welches am ehesten im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Fettleber diskutiert werden muss. Nach den weiteren Ausführungen von Dr. Dr. K ist der Senat auch von Folgendem überzeugt: Bei der Exposition mit chlorierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen ist es nicht nur die Leber, sondern sind auch das Herz und das Zentralnervensystem besondere Zielorgane der substanzklassenspezifischen Toxizität. Dies stimmt mit dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum überein (vgl. nochmals Merkblatt und Mehrtens/ Brandenburg, ebd.). Bei einer gefährdenden Exposition kann es zur Entwicklung einer Fettleber mit dem Gefühl der Abgeschlagenheit, Antriebsarmut und unspezifischer Leistungsminderung kommen. Laborchemisch findet sich in typischer Weise ein Anstieg der leberspezifischen Enzyme. Hält die gefährdende Exposition an, kann sich aus der Fettleber eine Leberzirrhose entwickeln. Eine Fettleber ist aber im Prinzip wenigstens in ihren Anfangsstadien komplett reversibel oder doch auch später wenigstens teilreversibel, wenn die ursächlichen Faktoren nicht mehr einwirken. Eben hieraus schließt Dr. Dr. Knachvollziehbar darauf, dass ein Fortschreiten der Fettleber zu einer Leberzirrhose nach Beendigung der gefährdenden Exposition wenig wahrscheinlich ist, was insbesondere gilt, wenn wie bei der Klägerin das Fortschreiten erst Jahre nach der Beendigung der Exposition auftritt. Zwar ist laut Dr. Dr. K häufigste Ursache einer Fettleber der Alkoholmissbrauch, für welchen es bei der Klägerin allerdings keine Anhaltspunkte gibt; jedoch ist im Fall der Klägerin eine alimentär bzw. metabolisch bedingte Fettleber zu diskutieren. Die Abgrenzung zwischen einer durch Halogenkohlenwasserstoffe bedingten zu einem alimentär erworbenen Leberschaden ist in der Tat schwierig (vgl. Mehrtens/ Brandenburg, a.a.O.). Dr. Dr. Kerachtet die von Prof. Dr. H vorgenommene die Diagnose einer Leberzirrhose auf dem Boden einer NASH indes für gut nachvollziehbar, auch wenn er das Fortschreiten einer Fettleber zu einer Leberzirrhose eher selten zu beobachten meint. Nach alldem ist es nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. Dr. K – mangels früherer objektiver Befunde - lediglich möglich, dass die Fettleber – auch weitgehend symptomlos - sehr viel früher bestand, als sie letztlich erst 1999 diagnostiziert wurde. Gerade die Annahme einer solchen Möglichkeit reicht jedoch für eine den BK-Tatbestand erfüllende, d.h. im Wesentlichen auf die berufliche Schadstoffexposition zurückzuführende Lebererkrankung nicht aus, zumal Dr. Dr. Kim Einklang mit Prof. Dr. Hangesichts des bei der Klägerin bestehenden metabolischen Syndroms als nahe liegende Ursache der Lebererkrankung vielmehr eine NASH sieht. Unterstrichen wird dies durch den Umstand, dass bei der 1999 durchgeführten Blutuntersuchung, die als Zufallsbefund die Fettleber erbrachte, bereits erhöhte Blutzuckerwerte festzustellen waren, wie sich aus dem Sonographie-Befund vom 12. Januar 1999 schließen lässt, d.h. eine unbehandelte Diabetes-Erkrankung vorlag. Demgegenüber erachten es Dr. Dr. K und Prof. Dr. H angesichts der lange zurückliegenden Exposition mit Trichlorethylen übereinstimmend und nachvollziehbar nicht für wahrscheinlich, dass diese Exposition ursächlich oder teilursächlich für die Entwicklung einer Leberzirrhose aus der 1999 diagnostizierten Fettleber war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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