L 15 SO 311/14 KL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 311/14 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin vom 25. September 2014 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 35.802,10 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle nach § 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) des Landes Berlin vom 25. September 2014, mit dem diese die Sachkosten für den Zeitraum vom 31. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 auf 6,50 Euro sowie die Entgeltbestandteile "Ausfallwagnis" und "Unternehmergewinn" zusammengefasst und auf einen Wert von 4,7% Aufschlag auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten), jeweils für das betreute Einzelwohnen, festgesetzt hat ist zulässig, aber nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen nicht vor.

Das Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beurteilen. Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei dem Beschluss der Schiedsstelle handelt es sich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt, den die Schiedsstelle als Behörde im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erlassen hat, die Anfechtungsklage ist daher die zutreffende Klageart (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rdnr. 11 m.w N. = SozR 4-3500 § 77 Nr. 1 – vorgesehen -).

Die bereits erhobene Anfechtungsklage des Antragsgegners bzw. die Widerklage der Antragstellerin (Verfahren L 15 SO 308/14 KL des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg) gegen den Beschluss der Schiedsstelle hat gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet vorliegend, dass die bisherige Vergütung von 37,17 Euro zunächst fortzuzahlen ist. Soll die aufschiebende Wirkung ausgeschaltet werden, ist ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs beim Landessozialgericht - LSG – notwendig (Münder in LPK – SGB XII § 77 Rdnr. 16; Flint in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 5. Auflage, § 80 Rdnr. 26).

Ob die sofortige Vollziehung anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzuwägen ist. Dabei liegt hier die sozialhilferechtliche Besonderheit vor, dass die Klage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 5 SGG – und analog dieser Vorschrift auch der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung - gegen den anderen Beteiligten und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist (laut BSG im o.g. Urteil vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rdnr.12, eine "prozessual ungewöhnliche sozialhilferechtliche Konstellation sui generis"). Daraus ergeben sich auch Besonderheiten bezüglich des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da dieser normalerweise nur in Betracht kommt, wenn es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handelt. Auch die Grundsätze für die anderen beiden Alternativen des § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG, nämlich dass, je größer die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind, umso geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse (hier das Vollziehungsinteresse) des Antragstellers zu stellen sind, können hier nicht herangezogen werden, da sich allein aus den Erfolgsaussichten der Klage noch nicht beantworten lässt, welcher der Beteiligten sich – und ggfs. in welcher Höhe - letztendlich mit seinen Vergütungsvorstellungen durchsetzen wird, da die Klage lediglich auf Aufhebung des Beschlusses der Schiedsstelle gerichtet ist, nicht aber auf Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Zahlung einer bestimmten Vergütung. Die Schiedsstelle kann auch nicht auf Erlass eines anderen Schiedsspruches verpflichtet werden (BSG, Urteil vom 23. Juli 2014, aaO., Rdnr. 12).

Ob, wenn diese (im Einzelfall) eindeutig erkennbar wären, auch auf die Erfolgsaussichten im wiedereröffneten Schiedsverfahren abgestellt werden könnte, kann vorliegend dahinstehen, da eine solche eindeutige Erfolgsaussicht hier nicht gegeben ist. Der Begründung der Schiedsstelle in dem Beschluss vom 25. September 2014 lässt sich nicht entnehmen, auf welchen Annahmen ihre Entscheidung beruht. Ein Schiedsstellenspruch muss nach der Rechtsprechung des BSG jedoch auf Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der allgemeinen Beweisgrundsätze einschließlich der Denkgesetze überprüft werden können (vgl. Urteil des BSG vom 14. Dezember 2000, Az. B 3 P 19/00 R, juris Rdnr. 34 = SozR 3-3300 § 85 Nr. 1). Hohe Anforderungen können zwar an die Begründung der Abwägungsentscheidung grundsätzlich nicht gestellt werden, die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise erkennbar sein. Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde. Anderenfalls wäre eine Art. 19 Grundgesetz entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Beurteilungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich (vgl. Urteil des BSG vom 13. August 2014, Az. B 6 KA 6/14 R, juris Rdnr. 60). Da die Schiedsstelle nachvollziehbare Gründe für ihre Entscheidung nicht angegeben hat, dürfte zwar die Klage des Antragsgegners als auch die Widerklage der Antragstellerin Erfolgsaussichten haben, es ist jedoch nicht erkennbar, wie die Entscheidung der Schiedsstelle schließlich aussehen könnte oder aussehen wird.

Es ist daher hier allein darauf abzustellen, ob ein Aussetzungsinteresse sowie zumindest ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht, dem Betroffenen, hier der Antragstellerin, also das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann. Dabei ist, wie oben bereits erläutert, das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzuwägen.

An diesen Grundsätzen gemessen war die sofortige Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle nicht anzuordnen. Die Antragstellerin macht zur Begründung ihres Antrages in erster Linie geltend, dass sie bereits im Jahr 2012 defizitär im Bereich betreutes Einzelwohnen gearbeitet habe, es habe sich ein Jahresfehlbetrag von 27.000 Euro ergeben. Ihre weiterhin geäußerte Vermutung, dass sich dieses Defizit in den Folgejahren erhöht haben dürfte, dürfte auch zutreffend sein, da sich in den Akten des Antragsgegners eine Gewinn- und Verlustrechnung findet, die ein Defizit von 52.000 Euro für das Jahr 2013 ausweist. Trotzdem ergibt die Interessenabwägung kein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragstellerin, da nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners die Antragstellerin im Jahr 2012 einen Gesamtüberschuss von 657.000 Euro erzielte und über eine Gewinnrücklage von 16,2 Millionen Euro verfügte. Bei dieser Sachlage ist eine wirtschaftliche Gefährdung nicht ersichtlich, zumal, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, bei einer höheren Vergütungsfestsetzung ein Nachteil im Nachhinein ausgeglichen werden kann. Daran ändert auch der Hinweis der Antragstellerin nichts, dass sich die Frage stelle, ob die Leistungen des ambulanten Dienstes eingestellt würden, wenn er derart defizitär arbeite. Eine dahingehende Fragestellung allein reicht nicht aus, es müssten dann zumindest konkrete Pläne diesbezüglich geltend und glaubhaft gemacht werden.

Es ist, da schwerwiegende wirtschaftliche Gründe nicht geltend bzw. glaubhaft gemacht wurden, nicht ersichtlich, dass das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragsgegners, nicht mit Zahlungsverpflichtungen belastet zu werden, die sich als unzutreffend herausstellen könnten, überwiegt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle war daher nicht anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen. Dabei war zu berücksichtigen, dass mit dem Antrag die sofortige Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle begehrt wurde. Diese war in Beziehung zu setzen zu dem Zustand, der ohne die Anordnung der Vollziehung besteht, nämlich dass auf Grund der alten Vergütungsregelungen abzurechnen ist. Die alte Vergütung beträgt 37,17 Euro, die mit dem Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung begehrte 39,20 Euro. Es ergibt sich eine Differenz von 2,03 Euro, diese multipliziert mit 35.273 Leistungsstunden ergibt einen Betrag von 71.604,19 Euro. Dieser ist, da es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, um die Hälfte zu reduzieren (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 197 Rdnr. 7h, Stichwort "Einstweiliger Rechtsschutz", m.w.N.). Dies ergibt den Streitwert in Höhe von 35.802,10 Euro.

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG bzw. bezüglich der Festsetzung des Streitwertes § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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