S 17 R 770/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 770/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Liegen die Voraussetzungen einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach §§ 6, 231 SGB VI für eine nachfolgende Beschäftigung objektiv nicht vor, so ändert ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer beschränkt wirkenden Befreiung für ein früheres Arbeitsverhältnis nichts an der Rentenversicherungspflicht der Tätigkeit.
Entsprechende Vertrauensgesichtspunkte sind ggf. jedoch bei der Erhebung einer Beitragsnachzahlung, der Erhebung etwaiger Säumniszuschläge und dem etwaigen Erlass der Forderung zu prüfen und zu berücksichtigen.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2014 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger antragsgemäß für seine ab 01.01.2013 ausgeübte Tätigkeit als Diplom-Ingenieur von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI).

Der am 1971 geborene Kläger stellte unter Verweis auf seine ab 01.07.1995 bestehende Mitgliedschaft bei der Bayerischen Ingenieurversorgung Bau erstmalig am 27.06.1995 für seine für das Ingenieurbüro L. , M., zum 01.07.1995 begonnene ausgeübte Beschäftigung Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Bescheid vom 19.09.1995 gab die damalige Bundesversicherungsanstalt für Ange-stellte (BfA) dem Antrag zum 01.07.1995 statt. Erläuternd wurde im Bescheid ausgeführt, dass die Befreiung für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mitglied-schaft in der jeweiligen Berufskammer gelte, soweit dort Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet würden. Die Befreiung sei grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstrecke sich auch auf andere versicherungs-pflichtige Tätigkeiten, soweit diese nach ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt seien. Da die BfA bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu widerrufen habe, bestehe die Verpflichtung, der BfA die Umstände anzu-zeigen, welche zum Wegfall der Voraussetzungen der Befreiung führen.

Am 13.03.2013 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sein Arbeitgeber, die D. Industrial GmbH zum 31.12.2012 auf die D. Automobil GmbH übergehe. Die kläger-seits auszuübende Tätigkeit habe sich nicht verändert. Er sei bisher von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und wolle wissen, ob er wegen des Betriebsübergangs erneut eine Befreiung beantragen müsse.

Auf entsprechende Anfrage der Beklagten bestätigte die D. Automobil GmbH mit Schreiben vom 26.04.2013, dass der Kläger seit 01.12.2002 in der Firma D. als Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik beschäftigt sei und sich seine Tätigkeit seitdem und auch durch den internen Betriebsübergang zum 31.12.2012 nicht verändert habe.

Weiter bestätigte die Bayerische Ingenieurkammer Bau durch Schreiben vom 28.05.2013, dass der Kläger seit 1995 als freiwilliges Mitglied der Bayerischen Ingenieurkammer Bau eingetragen sei.
Gemäß aktenkundigem Schreiben vom 24.05.2013 bestätigte außerdem die Bayerische Versorgungskammer - Bayerische Ingenieurversorgung-Bau -, eine seit 01.07.1995 bestehende Mitgliedschaft als Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Bayerischen Ingenieurversorgung - Bau.

Mit Bescheid vom 09.01.2014 lehnte die Beklagte den klägerischen Antrag vom 13.03.2013 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenver-sicherung ab. Die Tätigkeiten bei der D. Industrial GmbH (ab 01.12.2002) bzw. bei der D. Automobil (ab 01.01.2013) würden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht erfüllen. Diese hätten sich für den Kläger durch das SGB-VI-ÄndG zum 01.01.1996 geändert, so dass nunmehr Befreiungsvoraussetzung neben der Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständigen Versorgungswerk mit Entrichtung einkommensbezogener Beiträge auch eine Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer erforderlich sei.

Der Kläger sei jedoch nur freiwilliges Mitglied der Bayerischen Ingenieurkammer - Bau.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.1996 gültigen Fassung setze eine Befreiung jedoch eine gesetzliche Versicherungspflicht in einer berufsständischen Kammer und eine gesetzliche Versicherungspflicht der Mitgliedschaft in einer berufs-ständischen Versorgungseinrichtung voraus.

Über die Übergangsregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI bliebe nur das damals befreite Beschäftigungsverhältnis in der ausgesprochenen Befreiung von der Rentenversiche-rungspflicht befreit. Eine nach dem 31.12.1995 neu aufgenommene Beschäftigung werde von der Übergangsregelung nicht erfasst.

Hiergegen erhob die Klägerbevollmächtigte am 29.01.2014 Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger seit 01.12.2002 unverändert beim selben Arbeitgeber tätig gewesen sei (D. Automobil GmbH, anschließend D. Industrial Service).

Vorgelegt wurde außerdem ein Hinweisblatt der Versorgungskammer für Ingenieur-versorgung - Bau mit Psychotherapeutenversorgung vom Februar 2014. Darin wird unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.10.2012, Az:
B 12 R 8/10R, B 12 R 3/11 R und B 12 R 5/10 R ausgeführt, dass eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der bis 31.12.1995 geltenden Fassung ausgesprochene Befreiung nur für die konkrete Beschäftigung bei dem Arbeitgeber gelte, für die die Befreiung seinerzeit erteilt wurde. Angestellte Ingenieure, die ihre Tätigkeit vor dem 31.10.2012 aufgenommen hätten und nicht über eine Weitergeltungsbestätigung einer früheren Befreiung für diese konkrete Tätigkeit verfügten, benötigten erneut eine Befreiung für ihre aktuell ausgeübte Tätigkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2014 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Ingenieurkammer - Bau als Voraussetzung für eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht sei nicht nachgewiesen, vielmehr sei lediglich eine freiwillige Mitgliedschaft bestätigt worden.

Die ehemals für die Tätigkeit im Ingenieurbüro L. ausgesprochene Befreiung, gelte nicht für die neuen Beschäftigungsverhältnisse bei der D. fort und entfalte insoweit keine weitergehende Wirkung.

Hiergegen erhob die Klägerbevollmächtigte am 23.07.2014 Klage.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger ausschließlich im Beruf des Ingenieurs für Versorgungstechnik gearbeitet habe. Die Sachbearbeiterin habe im Verwaltungsverfahren bereits telefonisch bestätigt, dass die bereitgestellten Unterlagen ausreichend seien, nur noch die Bestätigung fehle, dass sich ansonsten nichts geändert habe.
Aufgrund dieser Bestätigung habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht weiterhin Bestand habe.

Jedenfalls aber verletze die Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Versicherungs-pflicht schützenswertes Vertrauen des Klägers. So habe im Jahr 2008 eine Kontenprüfung stattgefunden, welche mit der Bescheidsfeststellung vom 03.04.2008 geendet habe. Im Rahmen der Kontenklärung habe der Kläger auch eine Aufstellung über die geleisteten Beiträge zur Bayerischen Versorgungskammer vorzulegen gehabt. Die Tatsache der Anstellung bei verschiedenen Arbeitgebern sei von der Beklagten ohne Weiteres durch die verschiedenen Betriebsnummern bei den als geklärt bezeichneten Lücken im Ver-sicherungsverlauf zu erkennen gewesen.
Schließlich sei auch eine Betriebsprüfung im August 2011 ohne Beanstandung durch-geführt worden. In diesem Rahmen habe der Kläger der Beklagten handschriftlich bestätigt, dass sich seine Tätigkeit seit seiner Befreiung nicht geändert habe, was den Tatsachen entspreche.
Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass ein über die Übergangsregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI hinausgehender Vertrauensschutz nicht durch die erfolgte Kontenklärung oder die Betriebsprüfung entstehen könne.

Klägerseits wurde zuletzt sinngemäß beantragt,

den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2014 ab dem 01.01.2013 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagtenvertreterin beantragte

die Abweisung der Klage.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, § 54 Sozialgerichts-gesetz (SGG). Das neben der Aufhebung der ergangenen Bescheide bestehende Klagebegehren ist nicht als Feststellungsbegehren, sondern als Verpflichtungsbegehren zu verstehen, da über die beantragte Befreiung durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist.

Aus der Bezugnahme des Klägers im Verwaltungsverfahren auf die Information durch die Bayerische Versorgungskammer für Beschäftigungsaufnahme vor dem 31.12.2012 ergibt sich dabei, dass bei einer fehlenden bestehenden Befreiung für die nach Betriebsüber-gang zum 01.01.2013 ausgeübte Beschäftigung diese Befreiung beantragt werden sollte.

Dem auch von der Beklagten als Befreiungsantrag verstandenen und behandelten Antrag lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Befreiungsantrag auch für die Zeit vor dem 01.01.2013 gestellt werden sollte. Nachdem über eine Befreiung nach § 6 Abs. 2 SGB VI nur auf Antrag entschieden wird, ist die Regelungswirkung der Bescheide vom 09.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2014 trotz der Erwähnung der frühe-ren Beschäftigungszeit seit 01.12.2002 auf die Tätigkeit als Ingenieur Versorgungstechnik bei der D. Automobil GmbH beschränkt, so dass auch lediglich eine Befreiung für die Zeit ab 01.01.2013 streitgegenständlich ist.

Die auf diesen Streitgegenstand beschränkte Klage ist damit zulässig.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, da der Kläger in seiner abhängigen Beschäftigung als Bauingenieur ab 01.01.2013 gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen An-spruch auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht sind nicht erfüllt.

Die Befreiung setzt nach dem § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der anzuwendenden, ab 01.01.1996 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995 voraus, dass wegen einer auf Grund eines Gesetzes angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung der Kläger Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da der Kläger lediglich freiwilliges Mitglied der Bayerischen Ingenieurkammer - Bau ist.

Der Kläger ist in seiner ab 01.01.2013 ausgeübten Ingenieurstätigkeit auch nicht nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 2 SGB VI befreit. Nach dieser Bestimmung bleiben Personen, die aufgrund eines bis zum 31.12.1995 gestellten Antrags spätestens mit Wir-kung von diesem Zeitpunkt an nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit sind, in der jeweiligen Beschäf-tigung oder selbständigen Tätigkeit befreit. Zwar wurde der Kläger unstreitig mit Wirkung eines vor dem 31.12.1995 liegenden Zeitpunkts von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (in der damals geltenden Fassung) befreit. Er ist aber nicht mehr in dem dieser Befreiung zugrunde liegenden Beschäftigungsverhältnis bei dem Ingenieur-büro L. beschäftigt.

Dabei meint § 231 Abs. 2 SGB VI, welche als Übergangsvorschrift und Ausnahme-regelung eng auszulegen ist, als "jeweilige Beschäftigung" nicht jede inhaltlich artgleiche Tätigkeit, sondern nur das jeweilige Arbeitsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber, welches von der Rentenversicherungspflicht befreit wurde. Das Gericht schließt sich insoweit der höchstrichterlichen Auslegung durch das Bundessozialgericht (BSG vom 31.10.2012, B 12 R 5/10 R und B 12 R 3/11 R) an, welche von der Definition der Beschäftigung im § 7 des Sozialgesetzbuches, Viertes Buch (SGB IV), wonach "Be-schäftigung ... die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" ist, ausgeht. Dabei nennt das Gesetz in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV als Element des in diesem Sinne zu verstehenden Rechtsbegriffes die Eingliederung in die Arbeitsorganisation, weshalb der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses auf das jeweils konkrete Beschäf-tigungsverhältnis abstellt.

Die im Verwaltungsverfahren anklingende klägerische Vorstellung eines Fortgeltens der ehemals durch Bescheid vom 19.09.1995 durch die BfA als Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgesprochenen Befreiung für die sich anschließenden Beschäftigungsverhältnisse, findet daher im Gesetz keine Stütze. Mit der Vertrauensschutzregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI wollte der Gesetzgeber lediglich den für die am 31.12.1995 ausgeübte Tätigkeit bestehenden Versicherungsstatus festschreiben (vgl. SG Augsburg, Urteil vom 10.04.2014, S 1 R 1247/13 m.w. Nw.).

Dem Bescheid vom 19.09.1995 lässt sich auch keine anderweitige, weitergehende Rege-lung der Befreiung über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus entnehmen. Zwar ist in dem Bescheid nicht eindeutig die Reichweite der Befreiung des jeweiligen Beschäfti-gungsverhältnisses dargelegt, insbesondere fehlt eine nähere Erklärung, wie die Be-schränkung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit zu verstehen ist. Auch enthält der Bescheid keine abschließenden Hinweise darauf, wann es zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung kommen kann.

Doch musste der Empfänger des Bescheides nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennen, dass die Befreiung nicht unbegrenzt und unbeschränkt für die Dauer der Mitgliedschaft in Versorgungseinrichtung und Kammer ausgesprochen wurde.

Der objektive Regelungsgehalt des Bescheides umfasst daher nicht die Feststellung der Befreiung für inhaltsgleiche Tätigkeiten bei nachfolgenden Arbeitgebern und Beschäfti-gungsverhältnissen.

Hieraus folgt, dass unabhängig von der Frage schutzwürdigen Vertrauens in den Fort-bestand der früheren Befreiung, wie sie klägerseits in den Raum gestellt wird, objektiv keine Befreiung für die seit 01.01.2013 ausgeübte Tätigkeit vorliegt, so dass eine grundsätzlich versicherungspflichtige Tätigkeit gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI verrichtet wird, welche bei einem über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgelt auch nicht nach §§ 5 Abs. 2 SGB VI i.V.m. 8 SGB IV versicherungsfrei ist.

Ein Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI käme daher nur aus sonstigen Rechtsgründen in Betracht, nachdem die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt sind.

Dabei ist hinsichtlich der klägerseits geltend gemachten Vertrauensgesichtspunkte zu unterscheiden, ob diese bereits einen Anspruch auf Ausspruch der Befreiung begründen können, oder aber gegebenenfalls lediglich einer nicht streitgegenständlichen Beitrags-nachforderung entgegenstehen mögen.

Nachdem es sich bei der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht um eine Ermes-sensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, genügen Ver-trauensschutzgesichtspunkte nicht, um einen Befreiungsanspruch begründen zu können.

Etwas anderes ergebe sich allenfalls dann, wenn die Beklagte eine schriftliche Zusiche-rung im Sinne des § 34 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) für die Befreiung späterer Beschäftigungsverhältnisse gegeben hätte. Dies kann nicht festgestellt werden. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Empfänger des Bescheides vom 19.09.1995 bezüglich der Reichweite und Interpretation der ausgesprochenen Befreiung wohl keine optimale Aufklärung und Unterstützung erhalten hat. Es erscheint sogar unklar, ob die Beklagte selbst die unterschiedlich mögliche Interpretation ihrer ausgesprochenen Befreiung "auf die jeweilige Beschäftigung" erkannt und richtig angewandt hat.

Weder die ohne Beanstandung folgende Betriebsprüfung 2011, noch die durchgeführte Kontenklärung 2008, anlässlich derer die Beklagte möglicherweise hinreichende Gele-genheit gehabt hätte, die erfolgten Arbeitgeberwechsel und damit den Wegfall der ursprünglichen Befreiung festzustellen, können einer Zusicherung auf Fortdauer der Befreiung auch für künftige Arbeitsverhältnisse gleichgestellt werden.

Um weitergehende Bindungswirkung der ausgesprochenen Befreiung durch Bescheid vom 19.09.1995 zu erreichen, genügt es nicht, dass der Kläger möglicherweise unverschuldet auf die Richtigkeit seiner fehlenden Verbeitragung zur gesetzlichen Rentenversicherung vertraut hat. Ein dauerhafter Anspruch auf Befreiung auch künftiger Beschäftigungsverhältnisse infolge einer Zusicherung nach § 34 SGB X bestünde nur dann, wenn die Beklagte über eine entsprechende klägerische Anfrage positiv aus-drücklich entschieden hätte, dass jedwede inhaltsgleiche Beschäftigung als Ingenieur Versorgungstechnik, welche der befreiten Beschäftigung nachfolgt, ebenfalls befreit ist, soweit die übrigen Voraussetzungen (Mitgliedschaft in Kammer und Versorgung, ent-sprechende Beitragszahlung) erfüllt sind.

Aufgrund der beschränkten Befreiung auf das konkrete Arbeitsverhältnis musste diese ursprüngliche Befreiung auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit widerrufen werden, bevor in einer Beschäftigung Versicherungspflicht eintreten kann. Es gibt gegenüber den §§ 6 und 231 SGB VI keine höherrangige Rechtsvorschrift, die die Aufhebung der Befreiung durch die BfA bzw. ihren Rechtsnachfolger zur Voraussetzung für den Eintritt der Versicherungspflicht macht. Es ist auch aus Gründen der Rechts-sicherheit nicht geboten, den Eintritt von Versicherungspflicht in der Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) von der Aufhebung des Befreiungsbescheides abhängig zu machen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2013, L 1 KR 204/10).

Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R. Gesichtspunkte von Treu und Glauben geprüft hat, lag ein entscheidend anderer Sachverhalt vor, weil der Kläger in dem vom BSG entschiedenen Fall die Möglichkeit gehabt hätte, durch erneuten rechtzeitigen Befreiungsantrag wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit zu werden.

Auch nach dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat der Kläger hinsichtlich seines Befreiungsbegehrens keine weitergehenden Ansprüche. Wäre im Rahmen der Kontenprüfung 2008 oder der Betriebsprüfung 2011 von der Beklagten festgestellt worden, dass wegen des Wechsels der Beschäftigung keine wirksame Befreiung mehr vorliegt, so ergeben sich für den Kläger keine günstigeren Gestaltungs-möglichkeiten. Die ausgeübten Tätigkeiten wären weiterhin als pflichtversichert und nicht befreit zu beurteilen.

Unter der Berücksichtigung des Streitgegenstandes der Befreiung nach §§ 6, 231 SGB VI erübrigen sich weitere gerichtliche Ausführungen dazu, ob und inwieweit die Beklagte schutzwürdiges Vertrauen auf das Bestehen eines nicht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen einer etwaigen Beitragsnachforderung bei-spielsweise im Rahmen des § 76 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV zu berücksichtigen hätte.

Die Klage konnte keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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