L 2 U 484/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 57/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 484/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 26/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Unterlassen einer gefährdenden Tätigkeit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Zur Nichtberücksichtigung einer Arbeitgeberabfindung wegen Beendigung der Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen bei der Berechnung einer Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 15. September 2011 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 16. Februar 2009, 29. Juli 2009, 3. Februar 2010 und 5. März 2010 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 die Übergangsleistungen für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. Januar 2010 ohne Anrechnung der Abfindung aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vom 21. Juli 2008 zu zahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung einer Arbeitgeberabfindung bei der Berechnung seiner Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1959 geborene Kläger war vom 7. April 1983 bis 31. Juli 2008 als Maschinenarbeiter, Sichtprüfer, Vergießer und Automatenbetreuer bei der Firma C. (nachfolgend Arbeitgeber) beschäftigt. Im April 2007 wurde wegen einer Atemwegserkrankung der Verdacht auf eine Berufskrankheit angezeigt. Mit Bescheid vom 14. August 2008 erkannte die Beklagte die Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 der BKV (BK 4302) an. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalles nahm die Beklagte den 26. März 2007 an, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurde versucht, den Kläger auf einem nicht gefährdenden Arbeitsplatz beruflich wiedereinzugliedern, was leider nicht gelang. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe zuletzt etwa vier Stunden täglich in der Telefonzentrale gearbeitet. Aufgrund innerbetrieblicher Umstrukturierungen sei die Telefonzentrale jedoch in die Pforte integriert worden. Diese Tätigkeit habe er nicht mehr bewältigen können. Die Beklagte gewährt dem Kläger eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 stellte die Beklagte darüber hinaus fest, dass der Kläger einen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV habe, solange durch den Arbeitsplatzwechsel ein Minderverdienst entstehe. Die Übergangsleistung werde für höchstens fünf Jahre gewährt und sei als Höchstbetrag auf die Vollrente begrenzt. Sie betrage im 1. Jahr nach der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit den Unterschiedsbetrag zwischen dem Nettoverdienst am alten Arbeitsplatz und dem neuen Verdienst/Ein- kommen, im 2. Jahr 4/5 dieses Unterschiedsbetrages, im 3. Jahr 3/5, im 4. Jahr 2/5 und im 5. Jahr 1/5 dieses Unterschiedsbetrages. Von März 2007 bis August 2008 wurde der Minderverdienst mit 5.339,97 Euro berechnet und ausgezahlt.

Am 21. Juli 2008 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine Aufhebungsvereinbarung. Dort ist im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: "Der ... Arbeitsvertrag wird im gegenseitigen Einvernehmen aus gesundheitlichen Gründen zum 31.07.2008 beendet ... Herr A. enthält für den Verlust des Arbeitsplatzes mit der Gehaltszahlung im August 2008 eine Abfindung in Höhe von 38.000 Euro brutto ... Mit vorstehender Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung - gleich aus welchem Grund - erledigt." Darüber hinaus existiert eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 28. Juli 2008, wonach der Kläger aufgrund einer von der Unfallversicherung anerkannten Berufskrankheit sein Arbeitsverhältnis beende.

Nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bezog der Kläger zunächst wegen einer Sperrzeit keine Leistungen von der Agentur für Arbeit, anschließend erhielt er vom
9. November 2008 bis 8. November 2009 Arbeitslosengeld. Im Dezember 2009 wurde rückwirkend ab 1. Januar 2009 ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt. Eine Beschäftigung hat der Kläger jedenfalls bis einschließlich März 2012 nicht wieder aufgenommen.

Nachdem die Beklagte wohl im November 2008 von der Zahlung der Abfindung erfahren hatte, rechnete sie deren Nettobetrag in Höhe von 32.465,47 Euro in voller Höhe auf die Übergangsleistungen an, so dass sich für den Zeitraum von September 2008 bis Februar 2009 statt eines Ausgleichsbetrages von 6.011,32 Euro kein Auszahlungsbetrag ergab. Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 teilte sie dem Kläger diese Berechnung mit und wies darauf hin, dass der Minderverdienstausgleich so lange ruhe, bis der Betrag der Abfindung aufgebraucht sei.

Mit dieser Anrechnung war der Kläger nicht einverstanden. Sein damaliger Bevollmächtigter bat daher mit Schreiben vom 23. Februar 2009 um eine Überprüfung. Die Beklagte erläuterte daraufhin mit Schreiben vom 3. März 2009 ausführlich, warum die Berücksichtigung der Abfindung gerechtfertigt sei. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Zahlung der Abfindung und der Berufskrankheit hätte lediglich dann verneint werden können, wenn bereits vorher im Betrieb des Klägers Absprachen oder Regelungen (wie z.B. im Falle eines allgemeinen Personalabbaus) bestanden hätten, wobei dem Versicherten wie auch sonstigen, einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmern unabhängig vom Grund des Ausscheidens eine angemessene Abfindung unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit gezahlt werden sollte. Ein solcher oder ähnlicher Sachverhalt sei jedoch vorliegend nicht gegeben. Vielmehr hebe die Vereinbarung vom 21. Juli 2008 die gesundheitlichen Gründe hervor. Die Berufskrankheit stelle damit die wesentliche Ursache für die Zahlung der Abfindung dar.

Im weiteren Verlauf teilte die Beklagte dem Kläger in regelmäßigen Abständen ihre jeweiligen Berechnungen der Übergangsleistungen mit. Wegen der Anrechnung der Abfindung ergaben sich jeweils keine Auszahlungsbeträge:
- Abrechnungsschreiben vom 29. Juli 2009 betreffend den Minderverdienstausgleich für den Zeitraum von März bis Juli 2009 (3.205,84 Euro)
- Abrechnungsschreiben vom 3. Februar 2010 betreffend den Minderverdienstausgleich für den Zeitraum von August 2009 bis Januar 2010 (5.832,54 Euro)
- Abrechnungsschreiben vom 5. März 2010 betreffend die Neuberechnung des Minderverdienstausgleichs für den Zeitraum von August 2009 bis Januar 2010 (4.267,93 Euro)
- Abrechnungsschreiben vom 25. August 2010 betreffend den Minderverdienstausgleich für den Zeitraum von Februar bis August 2010 (4.579,83 Euro)
- Abrechnungsschreiben vom 2. März 2011 betreffend den Minderverdienstausgleich für den Zeitraum von September 2010 bis Februar 2011 (3.486,54 Euro)

Bereits am 19. Juli 2010 zeigte der jetzige Bevollmächtigte die Vertretung des Klägers an und beantragte die Auszahlung der Übergangsleistungen ohne Anrechnung der Abfindung. Zur Begründung verwies er darauf, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers während der gesamten Dauer von über 25 Jahren unbeanstandet und belastungsfrei bestanden habe. Die gesetzliche Kündigungsfrist habe sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB). Die gesundheitliche Verfassung des Klägers sei allein und ausschließlich der Grund dafür gewesen, das Arbeitsverhältnis erstens überhaupt zu beenden und zweitens es mit einer Frist von lediglich zehn Tagen zum 31. Juli 2008 zu beenden. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sei dann eine Abfindung in Höhe von 38.000 Euro brutto vereinbart worden. Damit hätten sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung - gleich aus welchem Grund - erledigt werden sollen. Die gesundheitliche Situation habe daher weder für den Anfall noch für die Höhe der vereinbarten Abfindung eine Rolle gespielt. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 habe der Arbeitgeber bestätigt, " ... dass die Abfindung ... für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden ist. Der Aufhebungsvertrag kam im gegenseitigen Einvernehmen aus gesundheitlichen Gründen zustande ...".

Die Beklagte wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Mit Bescheid vom 5. August 2010 lehnte sie den Antrag ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ein innerer Zusammenhang eines wirtschaftlichen Vorteils mit der berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe, wenn der wirtschaftliche Vorteil auf derselben Ursache beruhe. Die Frage, aus welchem Grund die Zahlung einer Abfindung versprochen worden sei, könne nur durch Feststellung des übereinstimmenden Willens der Vertragspartner im Wege der Auslegung des Vertrages ermittelt werden. Aus der Vereinbarung vom 31. Juli 2008 ergebe sich, dass das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen beendet worden sei. Diese berufskrankheitsbedingten Gründe stünden vorliegend im Vordergrund und seien der wesentliche Grund für die Zahlung der Abfindung.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch. Zunächst zog er die formale Behandlung seines Schreibens vom 19. Juli 2010 als Überprüfungsantrag in Zweifel. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 29. Oktober 2008 sei ausschließlich begünstigend gewesen und sei vom Kläger nicht angefochten worden. Die Anrechnung der Abfindung sei erstmals mit Schreiben vom 16. Februar 2009 festgestellt worden. Dieses Schreiben habe keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Dennoch habe der seinerzeitige Bevollmächtigte dagegen Einwände erhoben, welche ohne Weiteres als Widerspruch gewertet werden könnten. Mit Schreiben vom 3. März 2009 habe die Beklagte lediglich auf diese Einwände erwidert - erneut ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Materiell-rechtlich verkenne die Beklagte das Urteil des BSG vom 4. Mai 1999 (B 2 U 9/98 R). Überdies habe der Arbeitgeber mit weiterem Schreiben vom 7. September 2010 bekräftigt, " ... dass sich die Höhe der Abfindung ... überwiegend aus den Dienstjahren bemisst und mit dem Krankheitsbild in keinem Zusammenhang steht." Danach sei die Abfindung gezahlt worden wegen der langen Dauer des unbelasteten Arbeitsverhältnisses, dem Verzicht auf die Kündigungsfrist und den damit einhergehenden Lohnansprüchen (hier: 21.350 Euro brutto) sowie der umfassenden Abgeltungsklausel.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Vorliegend stehe außer Zweifel, dass es sich bei den gesundheitlichen Gründen, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, um die Berufskrankheit handele. Die in dem genannten Urteil des BSG zugrunde liegende Fallkonstellation eines allgemeinen betrieblichen Personalabbaus sei vorliegend nicht gegeben. Maßgeblich seien nicht die Modalitäten, nach denen sich die Abfindung errechne, sondern der Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses. Die formalen Rechtmäßigkeitsbedenken könnten nicht geteilt werden. Das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten vom 23. Februar 2009 stelle eindeutig eine Auskunftsanfrage dar. Es sei nicht als Widerspruch bezeichnet worden.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG). Nach entsprechenden Hinweisen des Gerichts zur formellen Rechtslage trug er ergänzend vor, dass er mit Schreiben vom 30. März 2011 gegen sämtliche ergangenen "Bescheide" vom 29. Oktober 2008, vom 16. Februar 2009, vom 3. März 2009, vom 29. Juli 2009, vom 3. Februar 2010, vom 5. März 2010, vom 25. August 2010 und vom 2. März 2011 vorsorglich Widerspruch erhoben habe.

In der mündlichen Verhandlung am 31. August 2011 schlossen die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen unter Berücksichtigung von lediglich 18.300 Euro brutto der Abfindung aus dem Aufhebungsvertrag bewilligt und entgegenstehende Bescheide abändert oder aufhebt. Nachdem der Kläger diesen Vergleich widerrufen hatte, gab das SG der Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. September 2011 (S 8 U 57/11) teilweise statt. Unter Abänderung der Bescheide vom 16. Februar 2009, vom 3. März 2009, vom 29. Juli 2009, vom 3. Februar 2010, vom 5. März 2010, vom 5. August 2010 und vom 25. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2011 verpflichtete es die Beklagte, dem Kläger im Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. August 2010 die Übergangsleistungen unter Anrechnung von nur 18.300 Euro brutto der Abfindung aus dem Auflösungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber vom 21. Juli 2008 zu bewilligen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung hat es im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Soweit sich die Klage auf das Abrechnungsschreiben vom 2. März 2011 beziehe, sei sie unzulässig. Denn der Bescheid sei nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2011 ergangen und stelle weder eine Änderung noch Ersetzung eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne der §§ 86 oder 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Hinsichtlich der übrigen Abrechnungsschreiben der Beklagten sei die Klage zulässig. Es handele sich insoweit um Verwaltungsakte, gegen die rechtzeitig Widerspruch eingelegt worden sei. Dass die Beklagte allein eine Entscheidung bezüglich einer Überprüfung getroffen habe, sei unschädlich.

Soweit die Klage zulässig sei, habe sie im tenorierten Umfang Erfolg. Ausgehend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG sei die Abfindung (nur) bis zur Höhe von 18.300,00 EUR auf die Übergangsleistungen anzurechnen. Der Kläger habe seine frühere Tätigkeit infolge der anerkannten Berufskrankheit aufgegeben und der Erhalt der Abfindung stehe in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dieser Erkrankung. Denn das Arbeitsverhältnis sei alleine aus gesundheitlichen Gründen (vorzeitig) beendet worden. Das Gleiche gelte dem Grunde nach für die Zahlung der Abfindung. Die Abfindung sei daher dem Grunde nach von den Übergangsleistungen abzuziehen. In einem zweiten Schritt sei zu prüfen, in welchen Umfang ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Höhe der Abfindung und der berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe bestehe. Entscheidend sei, ob für die Bemessung der Höhe der Abfindung nur die berufskrankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe maßgeblich gewesen sei oder noch andere Faktoren eine Rolle gespielt hätten, die mit der Erkrankung nichts zu tun hatten. Vorliegend sei für die Bemessung der Höhe der Abfindung zum einen maßgeblich gewesen, dass die Tätigkeit berufskrankheitsbedingt beendet worden sei, und zum anderen die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Zur Bestimmung der Höhe der Abfindung, bis zu der ein wesentlicher Zusammenhang mit der berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe bestehe, biete sich eine Orientierung an der Höhe einer Abfindung nach § 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) an. Es sei nämlich anzunehmen, dass insofern die Abfindung überwiegend der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldet sei. Um allerdings zu berücksichtigen, dass die Abfindung auch insofern noch andere Zwecke verfolge, und zur Vereinfachung der Handhabung der Angemessenheitsklausel sei es angezeigt, im Regelfall den Betrag, der sich bei der Berechnung ergebe, zu halbieren. Beim Kläger ergebe sich demnach bei einem Bruttomonatsgehalt von rund 3.050,00 EUR, einer Betriebszugehörigkeit von über 25 Jahren und einem Alter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von unter 50 Jahren ein Betrag von brutto 36.600 Euro / 2 = 18.300 Euro.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. September 2011 und der Beklagten am 21. September 2011 zugestellt. Beide Beteiligte haben dagegen Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers ist am 13. Oktober 2011, die Berufung der Beklagten am 21. Oktober 2011 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat die Berufung damit begründet, dass das SG die Bestätigung des Arbeitgebers, wonach die Abfindung mit dem Krankheitsbild des Klägers in keinem Zusammenhang gestanden habe, nicht zutreffend gewürdigt habe. Zumindest erscheine die vom SG vorgenommene Ermittlung des anrechenbaren Betrages nicht nachvollziehbar und mithin willkürlich. So sei die vorliegende Situation mit der Prozesssituation der §§ 9, 10 KSchG nicht vergleichbar. Hätte das SG die Regelung des Weiteren konsequent angewandt, wäre die Abfindung in Höhe von 36.600 Euro anrechnungsfrei geblieben. Der 50%-ige Abschlag sei nicht nachvollziehbar begründet. Zudem sei das SG nicht auf § 1a Abs. 2 KSchG eingegangen. Die dortige Regelung stehe dem streitgegenständlichen Sachverhalt wesentlich näher und würde zu einem weitaus sachgerechteren Ergebnis führen. Danach errechne sich vorliegend - nicht nur zufällig - ein Abfindungsbetrag von 38.125 Euro. Schließlich widerspreche das Ergebnis der Entscheidung den eigenen Überlegungen des SG, wonach der überwiegende Anteil der Abfindung nicht berufskrankheitskausal gewesen sein soll.

Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 5. August 2010 sowie im Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2011 Bezug genommen. Ergänzend hat sie auf die ständige Rechtsprechung des BSG verwiesen, insbesondere die Urteile vom 29. Mai 1963 (2 RU 269/59) und vom 2. Februar 1999 (B 2 U 4/98 R). Vorliegend ergebe sich bereits aus der Abfindungsvereinbarung eindeutig, dass die gesundheitliche Verfassung des Klägers der alleinige und ausschließliche Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. Der Versuch einer Trennung in einen berufskrankheitsbedingten und einen berufskrankheitsunabhängigen Anteil der Abfindung sei rein spekulativ und widerspreche dem eindeutigen Wortlaut und Inhalt der Abfindungsvereinbarung. Jede andere Auslegung würde im Übrigen zu dem Ergebnis führen, dass Abfindungen im Falle einer eindeutig und unstreitig berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe niemals im Rahmen des Minderverdienstausgleichs nach § 3 Abs. 2 BKV zu berücksichtigen wären. Dies würde zu einer Überversorgung der Betroffenen zu Lasten der Solidargemeinschaft führen und stoße auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Der Senat hat ergänzende Auskünfte des Arbeitgebers des Klägers eingeholt. Darin führt der Arbeitgeber zunächst aus, dass gesundheitliche Gründe maßgeblich dafür gewesen seien, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen. Für die Höhe der Abfindung sei zum damaligen Zeitpunkt eine betriebsweit einheitliche Berechnung durchgeführt worden. Auf eine weitere Nachfrage hat der Arbeitgeber ergänzt, dass die Fragen des Gerichts nur nach Aktenlage beantwortet werden könnten. Die Nennung der gesundheitlichen Gründe erkläre sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 21. Juli 2008. Es handele sich um den Grund, aus dem das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, nicht denjenigen, aus dem eine Abfindung gezahlt worden sei. Es gebe keinen besonderen Automatismus, wonach nur oder insbesondere bei gesundheitlichen Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt werde. Damals habe eine betriebsweit einheitliche Berechnung für die Höhe einer Abfindung existiert (Jahre der Betriebszugehörigkeit x 1/2 Monatsbruttoentgelt). Eine Abfindung sei gezahlt worden, wenn ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 26. November 2014 haben die Beteiligten einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass die Bescheide vom 25. August 2010 und vom 2. März 2011 nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, die Widersprüche gegen diese Bescheide entsprechend dem Ergebnis dieses Rechtsstreites zu verbescheiden.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 15. September 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 16. Februar 2009, 29. Juli 2009, 3. Februar 2010 und 5. März 2010 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 die Übergangsleistungen für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. Januar 2010 ohne Anrechnung der Abfindung aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vom 21. Juli 2008 zu zahlen.
Ferner beantragt er,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagtenvertreter beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 15. September 2011 in Ziffer I und III aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Ferner beantragt er,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere wurden sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG). Die Berufungen bedürfen gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Denn das SG hat zu Unrecht entschieden, dass die Abfindung teilweise auf die Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV anzurechnen ist. Die Berufung der Beklagten ist hingegen unbegründet.

Nach Abschluss des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2014 sind Gegenstand des Verfahrens noch die Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 16. Februar 2009, vom 29. Juli 2009, vom 3. Februar 2010 und vom 5. März 2010. Nicht mehr streitgegenständlich sind die Schreiben vom 25. August 2010 und vom
2. März 2011.

1. In diesem Umfang ist die Klage zulässig.

a) Bei den Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 16. Februar 2009, vom 29. Juli 2009, vom 3. Februar 2010 und vom 5. März 2010 handelt es sich nicht um bloße Mitteilungen an den Kläger, sondern um Verwaltungsakte nach § 31 Satz 1 SGB X. Denn die Schreiben treffen eine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Kläger gerichtet ist. Sie regeln die konkrete Berechnung und Auszahlung bzw. Nichtauszahlung der mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 dem Grunde nach bewilligten Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV.

b) Der Kläger hat gegen die Bescheide rechtzeitig Widerspruch erhoben.

Bezüglich des Bescheides vom 16. Februar 2009 ist das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Februar 2009 als Widerspruch auszulegen. In dem Schreiben wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gewährte Abfindung nicht in einem wesentlichen inneren Zusammenhang mit der berufskrankheitsbedingten Aufgabe des Arbeitsverhältnisses stehe und um eine Überprüfung der Angelegenheit gebeten. Die Beklagte hat hierauf lediglich mit ihrem Hinweisschreiben vom 3. März 2009 reagiert. Dieses Schreiben stellt keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X dar. Es beinhaltet keine Einzelfallregelung mit unmittelbarer Rechtswirkung gegenüber dem Kläger. Vielmehr erläutert das Schreiben lediglich die Rechtsansicht der Beklagten. Insbesondere kann es nicht als Widerspruchsbescheid bezogen auf die mit Schreiben vom 23. Februar 2009 erhobenen Einwände ausgelegt werden. Ein Wille der Beklagten, über einen Widerspruch zu entscheiden, kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Dagegen spricht bereits, dass das Schreiben vom 3. März 2009 offensichtlich nicht durch den zuständigen Widerspruchsausschuss erlassen worden ist. Da es sich bei dem Schreiben vom 3. März 2009 nicht um einen Verwaltungsakt handelt, ist es im Übrigen auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Bezüglich der Bescheide vom 29. Juli 2009, vom 3. Februar 2010 und vom 5. März 2010 hat der jetzige Bevollmächtigte des Klägers am 19. Juli 2010 rechtzeitig Widerspruch erhoben. Da die Bescheide - wie bereits der Bescheid vom 16. Februar 2009 - keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hatte, konnte der Widerspruch nach § 66 Abs. 2 SGG innerhalb eines Jahres ab Zustellung, Eröffnung oder Verkündung der Bescheide erhoben werden.

c) Das erforderliche Widerspruchsverfahren wurde, unbeschadet der Heranziehung des § 44 SGB X durch die Beklagte, durchgeführt.

2. Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht die Abfindung auf die Übergangsleistungen angerechnet.

a) Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung von Übergangsleistungen.

aa) Nach § 3 Abs. 2 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV) fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht zu berücksichtigen.

Sind alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R -, BSGE 108, 28 ff und juris Rn. 16 ff. m.w.N.) erfüllt, hat der Versicherte nach der neueren Rechtsprechung des BSG einen Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung des Unfallversicherungsträgers sowohl über das "Ob" als auch ggf. die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistungen (BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R -, BSGE 108, 28 ff und juris Rn. 21; anders noch BSG, Urteile vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 18 m.w.N. und vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 18 m.w.N., jeweils zur vergleichbaren Vorgängerregelung in § 3 Abs. 2 BKVO).

bb) Der Senat hat vorliegend nicht zu prüfen, ob dem Kläger dem Grunde nach Übergangsleistungen zustehen. Zu prüfen ist allein, ob die Anrechnung der Arbeitgeberabfindung rechtmäßig ist oder nicht.

Die Beklagte hat ihr Ermessen nach § 3 Abs. 2 BKV mit ihrem Bescheid vom 29. Oktober 2008 bereits umfassend ausgeübt. Sie hat erstens festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsleistungen hat, und zweitens über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistungen entschieden. Damit hat sie den Anspruch auf Übergangsleistungen bereits konkretisiert und endgültig bewilligt (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 18 ff.). Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Denn der Kläger hat den Bescheid vom 29. Oktober 2008 nicht angegriffen. Der Kläger wendet sich ausschließlich dagegen, dass die Beklagte den Nettobetrag der Arbeitgeberabfindung auf die Übergangsleistungen anrechnet. Diese Anrechnung erfolgte erstmals mit dem Abrechnungsbescheid vom 16. Februar 2009.

b) Auf die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Übergangsleistungen ist die ihm von seinem Arbeitgeber aufgrund der Vereinbarung vom 21. Juli 2008 gezahlte Abfindung nicht anzurechnen. Die Frage, ob die Anrechnung zulässig ist, ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 21 zur vergleichbaren Vorgängerregelung in § 3 Abs. 2 BKVO; ebenso auch BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 21 m.w.N.).

aa) Für die Beantwortung der Frage, ob die Abfindung anzurechnen ist oder nicht, ist die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Vorteile bei der Berechnung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV maßgeblich. Dabei spielt es für den vorliegenden Fall keine entscheidende Rolle, dass das BSG seine Rechtsansicht, wonach es sich bei dem Anspruch auf Übergangsleistungen um einen echten Schadensersatzanspruch handeln soll (z.B. BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 19 m.w.N. und BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 19 m.w.N.), mittlerweile ausdrücklich aufgegeben hat und stattdessen den allein spezialpräventiven Charakter der Übergangsleistungen betont (BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R -, BSGE 108, 28 ff und juris Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 22).

Denn trotz dieser Änderung hält das BSG im Übrigen an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach die Übergangsleistungen aus der Differenz zwischen früher erzielten und aktuellen Einkünften in der Art eines Vorteilsausgleichs berechnet werden. Bei der Ermittlung des Betrags sind grundsätzlich auch solche Vorteile zu berücksichtigen, die dem Versicherten durch die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entstehen. Danach sind insbesondere Entgeltersatzleistungen aus den sozialen Sicherungssystemen, die als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes oder als Ausgleich für das dort früher erzielte Entgelt geleistet werden, als Einkommen des Betroffenen zu berücksichtigen. Leistungen mit Entgeltersatzfunktion, wie z.B. Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld sind anzurechnen (BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 23 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 22).

Allerdings werden bei der Berechnung des Minderverdienstes und sonstiger Nachteile nur solche Vorteile berücksichtigt, bei denen ein sachlicher (bzw. innerer) Zusammenhang zwischen der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit und dem Erzielen des Vorteils besteht (BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 26). Dabei beschränkt sich die Berücksichtigung wirtschaftlicher Vorteile nicht auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern erfasst grundsätzlich alle Vorteile unabhängig von ihrem Zustandekommen (BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 20 m.w.N. und BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 20 m.w.N.). Die Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Vorteils bei der Berechnung des durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstandenen Minderverdienstes im Wege der Vorteilsausgleichung ist indes nur dann gerechtfertigt, wenn er durch dieses Verhalten des Versicherten erlangt ist, also dieselbe Ursache hat (BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 - B 2 U 4/98 R -, juris Rn. 23 und BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 22). Dies ist der Fall, wenn der Vorteil im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung auf der Berufskrankheit beruht, derentwegen der Versicherte zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit gezwungen worden ist (BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 22 m.w.N.).

Zur konkreten Frage der Anrechnung von Arbeitgeberabfindungen hat es das BSG bislang offen gelassen, ob und ggf. wie vom Arbeitgeber wegen einer berufskrankheitsbedingten Arbeitsaufgabe gewährte Abfindungen bei einer Übergangsleistung zu berücksichtigen sind. Denn jedenfalls in den bislang zu entscheidenden Fällen fehlte es bereits an dem für die Berücksichtigung eines Vermögensvorteils erforderlichen wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis (BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R -, juris Rn. 23 m.w.N. und BSG, Urteil vom 10. März 1994 - 2 RU 27/93 -, juris; vgl. auch BSG, Beschluss vom 27. Juni 2000 - B 2 U 107/00 B -, juris Rn 7 ff.).

Maßgeblich ist insbesondere das Urteil vom 4. Mai 1999 (a.a.O., juris Rn. 24). Dort hat das BSG darauf hingewiesen, dass sich der Anspruch auf Zahlung der strittigen Abfindung noch nicht aus der berufsbedingten Erkrankung, sondern erst aus dem zwischen dem Versicherten und dem damaligen Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrag ergeben habe. Aus welchem Grunde darin die Zahlung einer Abfindung versprochen worden sei, könne nur durch Feststellung des übereinstimmenden Willens der Vertragspartner im Wege der Auslegung des Vertrages ermittelt werden.

In dem konkret zu entscheidenden Fall hatte das BSG die vom LSG getroffene Feststellung, aus Wortlaut, Sinn und Zweck des Aufhebungsvertrages sei zu schließen, dass nicht die Erkrankung wesentlicher Grund für die Zahlung einer Abfindung gewesen sei, sondern die Tatsache, dass der Arbeitgeber damals einen Personalabbau angestrebt und daher dem Kläger wie auch sonstigen einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmern unabhängig vom Grund für das Ausscheiden eine angemessene Abfindung unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit habe zuwenden wollen, revisionsrechtlich nicht beanstandet. Dass der Kläger wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr habe weiterarbeiten können, trete deutlich hinter diese Absicht zurück. Eine Anrechnung der Abfindung als Arbeitsentgelt scheide auch bereits deshalb aus, weil dem Kläger nach dem Willen der Vertragsparteien durch die Abfindung ein Ausgleich für die Nachteile habe verschafft werden sollen, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt in Zukunft verbunden gewesen seien. Eine solche Abfindung wegen Beendigung der Beschäftigung stelle - anders als Abfindungen wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis - kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) dar.

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Anrechnung der Arbeitgeberabfindung vorliegend nicht in Betracht. Die Zahlung der Abfindung an den Kläger steht nicht in einem wesentlichen sachlichen Zusammenhang mit der berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe. Denn Abfindung und Tätigkeitsaufgabe beruhen nicht auf derselben Ursache. Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat durch Auslegung der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vom 21. Juli 2008. Danach kann nicht festgestellt werden, dass es dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entsprochen hat, dem Kläger die Abfindung wegen der berufskrankheitsbedingten Aufgabe seiner Tätigkeit zu zahlen.

Allerdings geht der Senat davon aus, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit als Maschinenarbeiter, Sichtprüfer, Vergießer und Automatenbetreuer aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Bei diesen gesundheitlichen Gründen handelte es sich zudem um die als BK 4302 anerkannte Atemwegserkrankung. Dies ergibt sich bereits aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 29. Oktober 2008, mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Übergangsleistungen ausgesprochen und nach Art und Umfang konkretisiert hat. Im Übrigen ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen der Beklagten, insbesondere den ausführlichen Vermerken über die intensiven Versuche einer beruflichen Wiedereingliederung des Klägers bei seinem Arbeitgeber sowie dem Gutachten von Dr. E. vom 27. März 2008, keine Anhaltspunkte für andere gesundheitliche Gründe. Dass der Kläger seine Tätigkeit berufskrankheitsbedingt aufgegeben hat, wird zudem von ihm selbst eingeräumt.

Dass die berufliche Tätigkeit berufskrankheitsbedingt aufgegeben wurde, bedeutet jedoch nicht zugleich, dass die Berufskrankheit auch ursächlich im Sinne der wesentlichen Bedingung für die Zahlung der Abfindung gewesen wäre. Denn mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht nicht zwangsläufig auch die Zahlung einer Abfindung einher. Der Arbeitgeber hätte vorliegend durchaus die Möglichkeit gehabt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften personenbedingt zu kündigen. Zur Zahlung einer Abfindung wäre es in diesem Fall grundsätzlich nicht gekommen. Ist der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung gehindert, dürfte insbesondere kein Fall der §§ 9, 10 KSchG vorliegen und erst recht kein Fall des § 1a KSchG, so dass die Zahlung einer Abfindung nach diesen Vorschriften nicht in Betracht käme. Auch die betriebsweit einheitliche Regelung wäre nicht zur Anwendung gekommen.

Die als BK 4302 anerkannte Erkrankung des Klägers war zwar für diesen der Anlass und das Motiv, sein Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie war jedoch nicht der (wesentliche) Grund dafür, dass zwischen ihm und dem Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung vereinbart worden ist. Die Zahlung einer Abfindung ist vorliegend vielmehr deshalb erfolgt, weil es zu einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen ist. Beide Parteien waren vorliegend bestrebt, Auseinandersetzungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Dabei musste der Kläger insbesondere berücksichtigen, dass er Arbeitslosengeld erst nach Ablauf einer Sperrzeit würde beziehen können (vgl. § 159 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III). Für den Arbeitgeber spielte es keine Rolle, ob der Kläger berufskrankheitsbedingt oder aus anderen Gründen ausscheidet. Vielmehr existierte zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers eine betriebsweit einheitliche Regelung (Jahre der Betriebszugehörigkeit x 1/2 Monatsbruttoentgelt), nach der die Höhe einer Abfindung berechnet wurde. Zur Zahlung einer Abfindung kam es grundsätzlich immer dann, wenn das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wurde. Ein solches Vorgehen hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er sich hierdurch die Einhaltung der Kündigungsfrist sowie das Risiko eines zeit- und kostenaufwändigen Kündigungsschutzprozesses erspart. Zudem waren vorliegend laut der Vereinbarung vom 21. Juli 2008 sämtliche weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung - gleich aus welchem Grund - erledigt. Die Abfindung wurde dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt. Dies ergibt sich aus der Vereinbarung vom 21. Juli 2008 und dem Schreiben des Arbeitgebers vom 21. Mai 2010. Mit Schreiben vom 7. September hat der Arbeitgeber ausdrücklich bestätigt, dass die Höhe der Abfindung in keinem Zusammenhang mit dem Krankheitsbild gestanden hat. Sie hat sich überwiegend nach den Dienstjahren bemessen. Tatsächlich überstieg die gezahlte Abfindung vorliegend nicht den Betrag, der dem Kläger nach der einheitlichen Berechnung anhand von Betriebszugehörigkeit und Monatsbruttoentgelt zustand. Das Arbeitsentgelt des Klägers im Jahr vor der berufskrankheitsbedingten Beendigung seiner Tätigkeit (d.h. vom 1. März 2006 bis 28. Februar 2007) belief sich nach Angaben des Arbeitsgebers einschließlich aller Sonderzahlungen auf 36.569,50 Euro brutto.

Ob der Arbeitgeber vorliegend - wie in den bisher vom BSG zu entscheidenden Fällen - einen allgemeinen Personalabbau angestrebt hatte oder nicht, kann letztlich dahinstehen. Maßgeblich ist, dass damals im Unternehmen eine allgemeine Regelung existierte, einvernehmlich ausscheidenden Arbeitnehmern eine Abfindung nach festen Berechnungsmodalitäten zu zahlen. Nur am Rande sei bemerkt, dass umgekehrt, wenn die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich oder zumindest überwiegend deshalb erfolgt, weil der Arbeitgeber Personal abbauen will, Zweifel aufkommen können am Kausalzusammenhang zwischen einer (drohenden oder bereits eingetretenen) Berufskrankheit und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit.

Der Einwand der Beklagten, dass es bei einer solchen Auslegung keine Fälle geben dürfte, in denen eine Abfindung auf die Übergangsleistung angerechnet werden kann, führt nicht zu einer anderen Entscheidung. Zwar dürften Fälle, in denen eine Arbeitgeberabfindung Berücksichtigung finden kann, die Ausnahme darstellen. Jedoch ist dies in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. So hatte der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob eine Anrechnung in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen es in einem Unternehmen keine generelle Abfindungsregelung gibt.

Ansatzpunkte, die Abfindung nur teilweise anzurechnen, wie es das SG vorgeschlagen hat, sieht der Senat nicht. Insoweit greift der Einwand des Klägers durch, dass die Festlegung der Höhe des anzurechnenden Anteils nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Namentlich für die Halbierung des entsprechend §§ 9, 10 KSchG errechneten Betrages gibt es keine Grundlage. Auch andere Ansätze, die Abfindung teilweise anzurechnen, hat der Senat verworfen. So wird durch die Abfindung zwar u.a. auch das Arbeitsentgelt abgegolten, welches dem Kläger durch den Verzicht auf die siebenmonatige Kündigungsfrist entgeht, die Abfindung kann jedoch nicht in abgrenzbare, konkret berechenbare Einzelpositionen aufgespalten werden. Es stellt gerade den wesentlichen Sinn und Zweck einer Abfindung dar, dass die gegenseitig bestehenden Ansprüche nicht im Einzelnen festgestellt werden müssen.

Auch dass der Kläger vorliegend von einer privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, kann ihm im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV nicht grundsätzlich entgegen gehalten werden. Zum einen kann er diese Gestaltungsmöglichkeit nicht einseitig ohne Zustimmung seines Arbeitgebers nutzen, zum anderen diente die Zahlung der Abfindung nicht der Entlastung der Solidargemeinschaft der Mitglieder der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern sollte den Kläger umfassend für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen. Die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer solchen Gestaltung beurteilen sich nach den jeweiligen Regelungen der unterschiedlichen Sozialversicherungszweige. Die Auswirkungen können mithin in den verschiedenen Versicherungszeigen unterschiedlich sein. Während z.B. nach dem Arbeitsförderungsrecht die Möglichkeit besteht, bei Arbeitsaufgabe (unabhängig davon, ob eine Abfindung gezahlt worden ist oder nicht) eine Sperrzeit zu verhängen (wovon vorliegend Gebrauch gemacht worden ist), sanktionieren die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung die Art und Weise der Tätigkeitsaufgabe bei Vorliegen einer Berufskrankheit grundsätzlich nicht. Im Gegenteil stellt das Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit vielfach eine der Voraussetzungen dar, eine Erkrankung überhaupt als Berufskrankheit anzuerkennen. Ob finanzielle Vorteile, die für den Betroffenen aus der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entstehen, auf die Übergangsleistungen anzurechnen sind, bemisst sich ausschließlich nach den oben dargestellten Grundsätzen. Schließlich bieten diese Grundsätze keine Handhabe dafür, den Kläger während der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist so zu stellen, als habe er weiterhin Arbeitsentgelt bezogen. Für eine derartige hypothetische Betrachtung findet sich keine Grundlage. Überdies dürfte der Kläger vorliegend ohnehin keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt oder Entgeltfortzahlung gegen seinen Arbeitgeber mehr gehabt haben, nachdem bereits seit Frühjahr 2007 Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte und auch weiterhin bestand.

Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Senat nicht.

Lediglich ergänzend wird auf ein Urteil des BSG hingewiesen, wonach eine Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nicht als tatsächliches Einkommen auf die Übergangsleistungen anzurechnen ist. Dies soll selbst dann gelten, wenn die Rente aus der privaten Versicherung in einem wesentlichen sachlichen Zusammenhang mit der berufskrankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe steht. Denn es wäre systemwidrig, Leistungen, die ein Versicherter sich privatautonom und zusätzlich zu der bestehenden Sicherung aus einem Sozialversicherungsverhältnis verschafft hat, bei der Berechnung der Übergangsleistung zu berücksichtigen. Solchen zusätzlich zur unvollständigen Absicherung im Bereich der Sozialversicherung erworbenen Vermögenswerten komme nicht die Funktion zu, Sozialversicherungsträger von ihrer Leistungspflicht zu entlasten. Ein solche Rechtsauslegung und -anwendung sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 15/11 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6 und juris Rn. 25 ff. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Die Entscheidung beruht auf den Grundsätzen des Urteils des BSG vom 4. Mai 1999 (B 2 U 9/98 R).
Rechtskraft
Aus
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