L 3 U 2547/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3241/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2547/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die behördliche Feststellung einer Berufskrankheit (BK).

Der am 11.03.1959 geborene, in Frankreich wohnhafte Kläger war – nach Berufstätigkeiten in Frankreich – vom 04.05.1981 bis zum 31.07.2009 bei der E. GmbH in T. in Deutschland als Schweißer beschäftigt und insoweit bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Seit dem 10.10.2012 ist er bei der B. in R., einem Unternehmen der Zeitarbeit, beschäftigt und insoweit bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) unfallversichert.

Mit Schreiben vom 24.02.2012, bei der Beklagten eingegangen am 02.03.2012, zeigte der Kläger den Verdacht einer BK an. Er sei während seiner Berufstätigkeit bei E. regelmäßig metallischen Dämpfen, unter anderem Chrom-Nickel, ausgesetzt gewesen. Bei ihm habe sich ein Nierenkarzinom entwickelt, eine Niere sei entfernt worden.

Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. A. teilte in dem Fragebogen vom 15.04.2012 mit, der Kläger habe sich mit Schmerzen in der linken Nierengegend im November 2011 vorgestellt, bildgebend sei ein Nierentumor mit einem Durchmesser von 50 mm festgestellt worden, am 27.12.2011 sei die linke Niere entfernt worden, es habe sich ein Karzinom aus chromophoben Zellen Grad III nach Fuhrmann im Stadium pT1b ergeben. Der Kardiologe Dr. B. hatte in seinem Schreiben vom 14.12.2011 darauf hingewiesen, dass der Kläger etwa 40 Pack Zigaretten im Jahr rauche und 2006 ein akutes Koronarsyndrom erlitten habe. Der histologische Befundbericht der Hopitaux Civils de Colmar, Dr. C., vom 30.12.2011 bestätigte die Einordnung des Tumors.

Die E. teilte in dem Fragebogen vom 18.04.2012 mit, der Kläger sei durchgängig mit Schweißarbeiten betraut gewesen, es seien Absauganlagen vorhanden gewesen, er habe mit Trennmitteln für Schweißteile, flüssigem Sauerstoff, verdichtetem Sauerstoff, Schweißspray, Maschinenreinigern und Lösemitteln sowie Schweißrauche und Schweißgasen gearbeitet. Die B. gab in dem Fragebogen vom 10.07.2012 an, der Kläger übe Schweißtätigkeiten im Stahlbereich aus; Angaben zu Einwirkungen machte die B. nicht.

Der Präventionsdienst der VBG führte am 08.09.2012 eine arbeitstechnische Untersuchung bei der B. durch. In der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 15.08.2012 führte er aus, der Kläger sei von der B. aus auf einer Arbeitsstelle in Frankreich eingesetzt worden. Er schweiße dort unbehandelten Baustahl. Er arbeite unter Argon-Atmosphäre. Bei diesem Verfahren entständen relativ wenig gesundheitsbeeinträchtigende Stoffe. Ein Kontakt zu Lösemitteln bestehe nicht. Die entstehenden Schweißrauche würden abgesaugt. Es gebe keine epidemiologischen Erkenntnisse, dass Emissionen aus diesem Schweißverfahren Nierentumore auslösen könnten. Chrom-VI-Verbindungen entständen lediglich beim Schweißen von Metallen mit chromhaltigen Anstrichen. Bei der Übersendung dieses Berichts an die Beklagte stellte sich die VBG auf den Standpunkt, bei dem Beschäftigungsverhältnis bei der B. handle es sich nicht um eine gefährdende Tätigkeit im Sinne von § 2 der VbgBK (Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten).

Der Präventionsdienst der Beklagten führte in seinem Bericht vom 02.10.2012 nach einer Untersuchung des ehemaligen Arbeitsplatzes bei der E. aus, der Kläger sei bis 1989 nur selten mit dem Schweißen von Rotoren aus Baustahl bzw. ab 1990 zunehmend aus Edelstahl betraut gewesen. Von 1990 bis 1994 habe er etwa 11 % seiner Arbeitszeit, von 1995 bis 2009 etwa 22 % seiner Arbeitszeit mit dieser Tätigkeit verbracht. Eine Absaugung sei ab 1992 durchgeführt worden, wobei der Kläger selbst angegeben habe, die Absaugeinrichtung nicht optimal eingesetzt zu haben. Vor dem Schweißen sei das Material – zumindest der Baustahl – mit dem Trennmittel "Noperlyn" eingesprüht worden. Die Reinigung und Entfettung der Werkstücke vor dem Schweißen, bei der u.U. Lösemittel benutzt worden seien, hätten andere Mitarbeiter durchgeführt. Seine Schweißausrüstung habe der Kläger selbst gereinigt, dabei werde eine Seifenlauge ohne Lösungsmittel verwendet. Beim Schweißen bestehe generell eine Exposition gegenüber Schweißrauchen und beim Wechseln der Filter in den Absauganlagen auch gegenüber Stäuben. Nach den arbeitstechnischen Unterlagen über Arbeitsplätze wie jenen des Klägers sei davon auszugehen, dass der Kläger bis zum Einbau der Absauganlage 1992 Einwirkungen durch Chrom-VI-Verbindungen zehnfach über dem damaligen Grenzwert (0,5 mg/m³ statt 0,05 mg/m³), durch Nickel und seine Verbindungen dreifach (1,5 mg/m³ statt 0,5 mg/m³) und durch Mangan und seine Verbindungen sechsfach (3,0 mg/m³ statt 0,05 mg/m³) über dem damaligen Grenzwert ausgesetzt gewesen sei. Ab 1992 sei davon auszugehen, dass die Grenzwerte wegen der Absauganlage deutlich (Luftkonzentration jeweils ( 0,01 mg/m³) unterschritten worden seien. Eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen (im Folgenden: HKW) sei nicht bekannt oder anzunehmen. Beim Wechseln der Filter der Absauganlagen, woran der Kläger bis etwa 2002 einige Male beteiligt gewesen sei, hätten hohe, nicht genau quantifizierbare Expositionen durch Stäube bestanden.

Der Staatliche Gewerbearzt beim Regierungspräsidium Stuttgart schlug unter dem 27.09.2012 die BK Nr. 1103 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht zur Anerkennung vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Ein Nierenkrebs sei nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine typische und eindeutige Folgeerkrankung einer Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbin¬dungen.

Mit Bescheid vom 15.01.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen), 1302 (Erkrankungen durch HKW) und Nr. 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen) der Anlage 1 zur BKV, die Anerkennung der Nierenerkrankung des Klägers wie eine BK sowie die Gewährung von Leistungen ab. Der Kläger habe zwar Kontakt zu VI-wertigem Chrom gehabt. Jedoch sei dieser Arbeitsstoff nicht geeignet, ein Nierenzellkarzinom zu verursachen. Zielorgan sei nach gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnissen die Lunge, nicht die Niere. Kontakte zu HKW oder zu Trichloräthylen, die ein Nierenzellkarzinom verursachen könnten, habe bei der Berufstätigkeit des Klägers in Deutschland nicht bestanden. Auch hinsichtlich der Nickelverbindungen, zu denen der Kläger Kontakt gehabt habe, gebe es keine Erkenntnisse, dass hierdurch Nierenzellkarzinome verursacht werden könnten. Ebenso könne die Erkrankung nicht wie eine BK anerkannt werden, nachdem es keine gesicherten Erkenntnisse als herrschende Auffassung der medizinischen Fachwissenschaftler gebe, wonach Chrom, Nickel, Mangan und Schweißrauch, zu denen der Kläger Kontakt gehabt habe, Nierenzellkarzinome auslösen könnten.

Die Beklagte übersandte eine Ausfertigung ihres Bescheids dem französischen Unfallversicherungsträger, der CPAM (Caisse Primaire d Assurance Maladie) Sélestat.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er trug vor, insbesondere Schweißrauche hätten anerkanntermaßen eine hohe karzinogene Wirkung. Die Niere sei durch ihre Konzentrations- und Ausscheidungsfunktion mehr als andere Organe toxischen Konzentrationen von Chemikalien ausgesetzt. So werde die chronische Nephritis fast ausschließlich durch Schwermetalle verursacht. Er legte in Kopie den Aufsatz von Brüning/Lehnert/Pesch/Weiß: "Weldox – Metallbelastungen beim Schweißen und deren gesundheitliche Auswirkungen", IPA-Journal 02/2011, S. 12 ff., vor.

Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04.09.2013. Sie führte – zusammengefasst – aus, es fehlten wissenschaftliche Erkenntnisse, dass jene Stoffe, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, insbesondere Chrom, Nierenzellkarzinome auslösen könnten. Die "Weldox-Studie", die der vorgelegte Aufsatz behandelt habe, sei eine der umfangreichsten Studien über die Folgen der Expositionen von Schweißern. Hiernach seien zwar Schweißrauche, Mangan, Chrom und Nickel schädliche Arbeitsstoffe, über einen Zusammenhang mit Karzinomen der Niere treffe jedoch auch sie keine Aussagen.

Der Kläger hat am 18.09.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, das "Hauptzielorgan" bei Schweißrauchen sei – nur – nach bisherigen Erkenntnissen die Lunge. Im Hinblick auf die besondere Gefährdungsexposition der Niere – Chrom werde mit dem Urin ausgeschieden – könne eine karzinogene Wirkung auf die Niere nicht ausgeschlossen werden. Mit Schriftsatz vom 24.03.2014 hat der Kläger seine Klage auf die Anerkennung der BKen Nr. 1103 und (oder) 1302 sowie auf eine "Wie-BK" beschränkt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es werde nicht bestritten, dass der Kläger Kontakt zu Schweißrauchen und Chrom gehabt habe und dass diese Stoffe karzinogen wirkten. Sie beträfen jedoch nicht die Nieren, hierzu lägen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 abgewiesen. Eine BK Nr. 1103 scheide aus, weil weder die arbeitsmedizinisch-toxikologische Erfahrung noch theoretische Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbindungen im menschlichen Körper einen Zusammenhang mit Nierenkrebs auch nur annähernd möglich erscheinen ließen (Verweis auf Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urt. v. 22.02.2011, L 3 U 235/09, Juris). Selbst der Kläger gehe nur davon aus, dass ein solcher Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden könne, dies reiche für einen Ursachenzusammenhang aber nicht aus. Eine BK Nr. 1302 komme nicht in Betracht, da der Kläger keinen HKW ausgesetzt gewesen sei. Eine "Wie-BK" sei ebenfalls nicht anzuerkennen, denn es fehlten Nachweise dafür, dass Schweißer in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung auf Grund beruflicher Einwirkungen Nierenkrebs entwickelten.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.06.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Es sei ein Ursachenzusammenhang anzunehmen, zumindest müsse ein arbeitsmedizinisches Gutachten eingeholt werden, zumal konkurrierende Ursachen nicht erkennbar seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2013 zu verurteilen, die Nierenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach den Nrn. 1103 und 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sowie wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.

Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 24.11.2014, der Kläger unter dem 11.12.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

2. Die Berufung gegen den angegriffenen Gerichtsbescheid ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG) und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids und behördliche Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgewiesen.

a) Allerdings war bzw. ist die Klage zulässig.

Ob für die Klage des Klägers die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist und insoweit eine internationale Zuständigkeit besteht, also ein deutsches Gericht zuständig ist, ist auch noch in der Berufungsinstanz zu entscheiden. § 17 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), auch i.V.m. § 98 Satz 1 SGG, untersagt einem Rechtsmittelgericht nur zu überprüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet war und ob das Gericht erster Instanz örtlich zuständig war. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben, nachdem sich die Klage gegen einen Hoheitsträger deutschen Rechts richtet und eine im deutschen Recht verankerte Sozialleistung (hier in Form einer Feststellung) begehrt wird (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 26.01.1983, 1 S 2/82, Juris Rn. 22 m.w.N.). Die internationale Zuständigkeit der deutschen (Sozial-)gerichte ist unabhängig davon mangels ausdrücklicher Bestimmung in einem völkerrechtlichen Abkommen und im innerstaatlichen Sozial- oder Zivilprozessrecht aus der innerstaatlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit herzuleiten (BSG, a.a.O., Rn. 27). Sofern ein deutsches Gericht (der Sozialgerichtsbarkeit) örtlich zuständig ist, kann die internationale Zuständigkeit bejaht werden. Dies ist hier der Fall. Entweder war nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG das SG örtlich zuständig, denn der im Ausland wohnhafte Kläger verfügte über eine Beschäftigungsstelle in R. im Bezirk des SG (unabhängig davon, dass er – zeitweise – tatsächlich in einem Entleiherbetrieb im Ausland eingesetzt wurde, vgl. § 4 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Oder aber, wenn die Gesamtregelung des § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG durch § 57 Abs. 3 SGG verdrängt wird (vgl. Sächsisches LSG, Beschl. v. 06.03.2014, L 3 KG 2/13 B ER, Juris Rn. 19; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬therer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 57 Rn. 11a), dann bestand nach § 57 Abs. 3 SGG eine Zuständigkeit des Sozialgerichts Mainz, weil der Sitz der Beklagten in Mainz liegt (§ 1 Abs. 1 der Satzung der Bekl. i.d.F. des 4. Nachtrags vom 20./21.11.2013).

Ob das SG für die vorliegende Klage tatsächlich örtlich zuständig war, kann – wie ausgeführt – im Hinblick auf § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 5 GVG nicht entschieden werden. Gleichwohl war dies der Fall, wenn man – wie ausgeführt – den besonderen Gerichtsstand des Beschäftigungsorts nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG auch dann für gegeben hält, wenn kein Wohnsitz in Deutschland besteht, und daher § 57 Abs. 3 SGG nicht anwendet (so Keller, a.a.O.).

Letztlich besteht eine ausreichende Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 SGG). Ein Versicherter ist nicht darauf beschränkt, eine BK gerichtlich nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 SGG feststellen zu lassen. Er kann auch stattdessen eine Verurteilung zur behördlichen Feststellung verlangen. Insoweit besteht mit § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV eine Anspruchsgrundlage (BSG, Urt. v. 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, Juris Rn. 15).

b) Die Klage ist aber nicht begründet. Ein solcher Feststellungsanspruch besteht für keine der drei noch geltend gemachten BKen:

aa) Allerdings ist die Beklagte passivlegitimiert. Für den Anfechtungsteil der Klage gilt dies schon deshalb, weil sie die angegriffenen Bescheide erlassen hat. Aber auch für den Feststellungsanspruch ist sie der richtige Klagegegner. Nach der Grundregel in § 134 Satz 1 Hs. 1 SGB VII richtet sich die Zuständigkeit, wenn im Falle einer BK die gefährdende Tätigkeit für mehrere Unternehmen ausgeübt wurde, für die verschiedene Unfallversicherungsträger zuständig sind, nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde. Ergänzend hierzu (vgl. § 134 Satz 1 Hs. 2 SGB VII) bestimmt § 2 der bereits erwähnten VbgBK (i.d.F. v. 01.01.1997), dass als gefährdende Tätigkeit in diesem Sinne alle Arbeiten in einem Unternehmen unter Einwirkungen/Bedingungen gelten, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wobei diese Beurteilung nach objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgt. Die VBG hatte sich in ihrer Stellungnahme zu der Arbeitsplatzexposition bei der B. auf den Standpunkt gestellt, dort habe der Kläger keine gefährdende Tätigkeit ausgeübt. Dies anders zu beurteilen hat der Senat keinen Anlass, zumal die Beklagte dieser Einschätzung beigetreten ist und durch Erlass der hier angegriffenen Bescheide – konkludent – ihre Zuständigkeit bejaht hat.

bb) Eine "Listen-BK" nach § 9 Abs. 1 SGB VII besteht nicht.

(1) Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung bezeichnet solche Krankheiten als BKen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Bei einer solchen "Listen-BK" muss im Regelfall die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben, und diese Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben. Dass diese berufsbedingte Erkrankung ggfs. Ansprüche oder sonstige Leistungsfolgen auslöst, ist für die Anerkennung nicht vorausgesetzt (BSG, Urt. v. 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, Juris Rn. 12).

(2) Eine BK nach Nr. 1302 der Anl. 1 zur BKV scheidet aus.

Diese BK betrifft "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe". HKW kommen vor in Lösemitteln, Pestiziden, Kälte- und Trennmitteln, Feuerlöschmitteln, Syntheseausgangsstoffen und Zwischenprodukten der chemischen Industrie, Isoliermitteln sowie Narkose- und Desinfektionsmitteln (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 1302, Bek. des BMA [Bundesministerium für Arbeit] v. 29.03.1985, BArbBl. 6/1985).

Der Kläger war keinen Einwirkungen durch HKW ausgesetzt. Auf seiner Arbeitsstelle wurden Lösemittel verwendet, jedoch nur im Vorfeld des Schweißens, sodass der Kläger diesen Mitteln nicht ausgesetzt war. Das Trennmittel "Noperlyn" des Unternehmens Fuchs Lubritech, mit dem er selbst die Arbeitsstücke aus Stahl vor dem Schweißen eingesprüht hat, enthält keine HKW. Die Reinigung seiner Arbeitsmittel hat der Kläger mit Hilfe einer Seifenlauge durchgeführt. An diesen Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten zu zweifeln, hat der Senat keinen Anlass.

(3) Auch eine BK nach Nr. 1103 der Anl. 1 zur BKV kann nicht festgestellt werden.

Hierbei handelt es sich um Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen. Nach den vorliegenden wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnissen ("Chrom(VI)-Verbindungen bzw. Nickeloxide beim Schweißen und bei verwandten Verfahren - Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz", Informationsblatt Nr. 36 des Fachausschusses Metall- und Oberflächenbehandlung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ausgabe 11/2008, http://www.dguv.de/medien/fb-holzundmetall/publikationen/infoblaetter/infobl deutsch/036 crni schweissen.pdf, abgerufen am 13.01.2015) entstehen bei der schweißtechnischen Be- und Verarbeitung von Chrom-Nickel-Stählen, Chrom-Legierungen, Nickel und Nickelbasis-Legierungen Schweißrauche, die abhängig von eingesetzten Verfahren und Werkstoffen, neben anderen Komponenten Chrom-(VI)-/Chrom(III)-Verbindungen sowie Nickeloxide enthalten. Hiernach haben Chrom-(III)-Verbin-dungen eine sehr geringe Toxizität. Dagegen sind die Chrom(VI)-Verbindungen sowie die Nickeloxide von besonderer arbeitsmedizinischer Bedeutung, weil sie eine krebserzeugende Wirkung auf den Menschen haben können (Nr. 1 des Informationsblatts). Jedoch ist medizinisch-wissenschaftlich bislang nur eine karzinogene Wirkung auf die Atemorgane anzunehmen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S 1116 f., 1226 f.). Von den 1978 bis 2003 gemeldeten Anerkennungen dieser BK betrafen 203 die Bronchien, acht den Kehlkopf, sechs die oberen Atemwege und fünf die Nase; keine einzige eine andere Körperregion. Das Bayerische LSG hat in seinem Urteil vom 22.02.2011 (L 3 U 235/09, Juris), das auch das SG zitiert hat, im Anschluss an eine umfangreiche medizinische Beweisaufnahme (Anfrage bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und beim wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Einholung eines ärztlichen Gutachtens) ausgeführt, weder die arbeitsmedizinisch-toxikologische Erfahrung noch theoretische Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbindungen im menschlichen Körper könnten einen Zusammenhang zwischen chronischer Chrombelastung und Nierenkrebs auch nur annähernd möglich erscheinen lassen (a.a.O., Rn. 39). Diesen Feststellungen tritt der Senat bei. Es sind auch ihm keine Studien bekannt, die einen Zusammenhang zwischen Chromeinwirkungen und Nierenzellkarzinomen nahelegen. Dies hat auch nicht die vom Kläger vorgelegte "Weldox"-Studie aus dem Jahre 2011 ergeben. Bereits im Jahre 2008 hatten u.a. drei ihrer Autoren die Studie Pesch/Weiß/van Gelder/Brüning "Chrom und seine Verbindungen am Arbeitsplatz" veröffentlicht (BGFA-Info 3/2008, S. 20 ff.). Sie hatten dort ausgeführt, es beständen – durch Einatmen – Belastungen von Nasenschleimhaut und Lungen. Die Kohortenstudien auch an Schweißern, die in jenem Aufsatz ausgewertet wurden, hatten ein – leicht – erhöhtes Risiko für Lungenkrebs ergeben; andere Krebsarten waren nicht aufgefunden worden (S. 21 f.).

Vor diesem Hintergrund kann auch die Nierenkrebserkrankung des Klägers nicht auf seine – unstreitige – Belastung durch Chrom in seiner Berufstätigkeit für die E. zurückgeführt werden.

cc) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die Nierenkrebserkrankung des Klägers "wie" eine BK anzuerkennen.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII hat der zuständige Träger der Unfallversicherung eine Krankheit, die nicht in einer Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 1 SGB VII bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern zur Zeit dieser Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Es müssen also Nachweise, mindestens eine überwiegende Überzeugung unter medizinischen Fachleuten, vorliegen, wonach die fragliche Erkrankung durch besondere Einwirkungen verursacht ist, die bei bestimmten Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als bei der Allgemeinbevölkerung vorliegen.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Soweit der Kläger eine Verursachung durch Chrom geltend macht, ist der Nachweis hierfür innerhalb der Listen-BK nach Nr. 1103 der Anl. 1 zur BKV zu führen, nachdem diese BK ihrem Wortlaut gemäß alle durch Chrom verursachten Erkrankungen erfasst. Das Gleiche gilt für Einwirkungen durch Mangan oder seine Verbindungen, denen der Kläger während seiner Tätigkeit bei der E. ausgesetzt war. Solche Einwirkungen werden umfassend von der BK Nr. 1105 der Anl. 1 zur BKV erfasst, sodass ein Rückgriff auf § 9 Abs. 2 SGB VII ausgeschlossen ist. Raum für die Anerkennung einer "Wie-BK" besteht daher nur insoweit, wie der Kläger sein Nierenzellkarzinom auf Einwirkungen durch Nickel oder seine Verbindungen zurückführt. Aus den genannten Studien und aus dem Urteil des Bayerischen LSG ergibt sich aber, dass ein solcher Zusammenhang zu einer Einwirkung durch Nickel ebenfalls nirgendwo in der medizinischen Wissenschaft vertreten wird.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht dargetan oder ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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