L 10 R 5190/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3853/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5190/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Die am 1955 geborene, aus der T. stammende Klägerin, zwischenzeitlich deutsche Staatsangehörige, besuchte keine Schule und absolvierte keine Ausbildung. Im Februar 1973 siedelte sie in die Bundesrepublik über und nahm im Folgejahr eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Zuletzt war die Klägerin bis 1998 als Montagearbeiterin beschäftigt. Seither ist sie ohne Beschäftigung und war zeitweise arbeitslos gemeldet. Ab 1999 entrichtete sie freiwillige Beiträge.

Nachdem ein erster im Juni 2001 gestellter Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfolglos geblieben war, beantragte die Klägerin im Oktober 2005 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dieser mit Venenleiden, Anfallsleiden, hirnorganisches Psychosyndrom begründete Antrag blieb wiederum erfolglos (Bescheid vom 21.11.2005 und Widerspruchsbescheid vom 13.02.2006). Das anschließende Klageverfahren S 10 R 938/06 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) endete im November 2007, wobei die Klägerin die Klage zurücknahm, nachdem der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. in seinem Gutachten unter dem Einfluss nicht authentischer, aggravatorischer Beschwerdeäußerungen im Rahmen eines Rentenbegehrens lediglich leichte psychische Störungen beschrieben hatte.

Im Januar 2010 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag begründete sie mit Epilepsie, Rückenschmerzen, chronische Knieschmerzen beidseits, Depression, Asthma, Schilddrüsenunterfunktion und "weitere wie neurologische Beschwerden". Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Ärztin für Innere Medizin Dr. D. auf Grund einer im März 2010 erfolgten Untersuchung ein Gutachten über die Klägerin, in dem sie diagnostisch von einer Somatisierungsstörung (chronisches Schmerzsyndrom), einem chronisch rezidivierenden degenerativen Wirbelsäulensyndrom, insbesondere Cervicobrachialsyndrom rechts betont (zum Teil Lumboischialgie rechts betont ohne neurologische Ausfälle), wechselnden Gonalgien rechts mehr als links (bei Retropatellararthrose und beginnender Gonarthrose), einer leichtgradigen chronischen depressiven Störung und einer Adipositas sowie einem möglichen epileptischen (nächtlichen ) Anfallsleiden (DD: dissoziative Anfälle) ausging. Sie sah im Vergleich zu den im Zusammenhang mit den früheren Rentenverfahren erhobenen Befunden insgesamt keine wesentliche Änderung. Bei wechselndem Deutschverständnis sei die Untersuchung durch ein deutlich demonstratives bis unkooperatives Verhalten erschwert gewesen. Die Gutachterin erachtete die Klägerin weiterhin für fähig, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhte Stressbelastung bzw. Zeitdruck, ohne anhaltende Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Arbeiten auf Leitern- und Gerüsten sowie ohne erhöhte Unfallgefährdung sechs Stunden und mehr auszuüben.

Mit Bescheid vom 06.04.2010 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, diese könne noch zumindest sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sei und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.09.2010).

Am 28.10.2010 hat die Klägerin dagegen beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, auf Grund der bei ihr bestehenden Multimorbidität seien lediglich noch Tätigkeiten von weniger als drei Stunden täglich möglich.

Das SG hat den Facharzt für Orthopädie Dr. S. , den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie R. , Leitender Arzt der Fachambulanz in der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I im Psychiatrischen Zentrum N. , die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. sowie den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. S. hat von Vorstellungen der Klägerin seit 2009 (zuvor letztmals 2002) wegen Beschwerden in den Knien, der rechten Schulter, dem rechten Oberarm und der LWS berichtet. Die Kniegelenksbeschwerden beruhten auf einer erheblichen Retropatellararthrose, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe. Im Bereich der rechten Schulter habe er bei röntgenologisch altersentsprechendem Befund eine endgradig schmerzhafte Beweglichkeit gefunden. Hinsichtlich der LWS-Beschwerden sei eine eindeutige radikuläre Symptomatik klinisch nie nachweisbar gewesen. Leichte berufliche Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich hat er für zumutbar erachtet, wobei diese überwiegend im Sitzen, teilweise im Stehen und Gehen, unter Ausschluss von Zwangshaltungen, von vermehrtem Bücken und Treppensteigen sowie unter Witterungsschutz erfolgen sollten. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie R. hat von fünf Vorstellungen zwischen März und Juni 2008 berichtet, wobei eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert worden sei. Dr. H. hat von zwei Vorstellungen im Januar und April 2010 berichtet, anlässlich derer die Klägerin neben einem nächtlichen Grand Mal-Anfall einen reduziertem Antrieb, Nervosität und Gereiztheit, diffuse Körperbeschwerden, einschließlich Kopfschmerzen beklagt habe. Eine berufliche Tätigkeit hat sie wegen der Einengung des Denkens, der fehlenden Fähigkeiten Impulse von außen aufzunehmen und umzusetzen, der psychischen Erstarrung in einem permanenten Schmerzerleben mit chronifiziertem Vermeidungsverhalten, extremer Antriebsstörung mit allgemeiner Verlangsamung wenigstens sechs Stunden täglich nicht mehr für möglich erachtet. Dr. N. hat über eine chronische depressive Störung mit Somatisierung, Angst, Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Cephalgien, chronischen Schmerzen in der HWS, BWS und LWS, den Beinen und Knien sowie dem Schulter-Arm-Bereich, abdominelle Beschwerden sowie ein Anfallsleiden berichtet und im Hinblick auf die berufliche Leistungsfähigkeit ausgeführt, die Klägerin fühle sich auf Grund der chronischen Dauerbeschwerden nicht in der Lage, täglich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Das SG hat sodann das Gutachten, nebst ergänzender Stellungnahme der Dr. H. , Ärztin für Psychiatrie am Psychiatrischen Zentrum N. , auf Grund zweier Untersuchungen im Dezember 2011 eingeholt. Die Sachverständige ist diagnostisch von einer Dysthymia sowie einer chronisch rezidivierenden depressiven Störung mit Episoden leichten bis mittelschweren Ausmaßes, einer komorbiden, undifferenzierten Somatisierungsstörung und einer psychogenen Ausgestaltung von möglichen Grand Mal-Anfällen in der Nacht ausgegangen, wobei differenzialdiagnostisch auch dissoziative Krampfanfälle zu erwägen seien. Die Klägerin hat sie hierdurch lediglich noch für in der Lage erachtet, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Hiergegen hat sich die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnehme des Dr. N. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, gewandt, der angesichts des dokumentierten leichtgradigen psychopathologischen Befundes eine quantitative Leistungsminderung verneint hat.

Mit Urteil vom 23.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen bei der Klägerin trotz des ausführlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. H. mit der gebotenen Gewissheit eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht festzustellen sei.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 12.11.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.12.2012 beim SG Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.10.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2010 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. auf Grund Untersuchung der Klägerin im Juli 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat eine chronifizierte rezidivierende depressive Störung mittelschweren Ausmaßes sowie eine Somatisierungsstörung (anhaltende Schmerzstörung) diagnostiziert und die Klägerin für leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen drei bis weniger als sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Hiergegen hat sich wiederum Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte gewandt. Der Senat hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eingeholt, der die Klägerin im Juli 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat auf seinem Fachgebiet vielschichtige und deutliche Persönlichkeitsakzentuierungen, einhergehend mit nur geringer Konfliktfähigkeit, geringer Frustrationstoleranz, gleichzeitig aber auch ausgesprochen akzentuiertem Krankheitsverhalten, eine anklingende psychogene Essstörung, eine Adipositas, eine (angegebene) Epilepsie und (berichtete) Panikattacken beschrieben, jedoch keine psychisch begründete Störung diagnostiziert, die für sich eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnte. Zu berücksichtigen seien qualitative Leistungseinschränkungen, wobei die Tätigkeiten zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne Zeitdruck, ohne regelmäßige nervöse Anstrengung, ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, ohne andere Stressfaktoren, wie Nacht- oder Wechselschicht, und ohne besondere Anforderungen an die Konfliktfähigkeit erfolgen sollten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtzüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der von ihr begehrten Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht. Denn sie ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht voll - und im Übrigen auch nicht teilweise - erwerbsgemindert.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Dies hat das SG zutreffend entschieden und dies ebenso zutreffend damit begründet, dass nicht festzustellen ist, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin so weit herabgesunken ist, dass sie selbst leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nicht zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, das die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen von nervenärztlicher und orthopädischer Seite beeinträchtigt gesehen hat, von orthopädischer Seite im Hinblick auf die Auskunft des behandelnden Orthopäden Dr. S. als sachverständiger Zeuge schwerwiegenden Erkrankungen mit Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen jedoch verneint hat. Denn dieser hat ausgehend von den seit 2009 geklagten Beschwerden (rechte Schulter und Oberarms, LWS, Kniegelenke) sowie den insoweit erhobenen Befunden (Schulter: altersentsprechender Befund bei endgradiger Bewegungseinschränkung, LWS: ohne klinisch eindeutige radikuläre Symptomatik, Knie beidseits: im Wesentlichen unauffällige Beweglichkeit bei Retropattelararthrose) ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt, dass leichte berufliche Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich zumutbar seien, wenn qualitative Einschränkungen (überwiegend sitzend, ohne Zwangshaltungen, ohne vermehrtes Bücken und Treppensteigen) berücksichtigt werden. Auch aus der Auskunft des Dr. N. ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn dieser hat im Hinblick auf die von der Klägerin geklagten Dauerbeschwerden im Wesentlichen auf die fachärztlichen Befunde verwiesen, über die Selbsteinschätzung der Klägerin berichtet, wonach sie nicht mehr in der Lage sei, leichte berufliche Tätigkeiten zu verrichten, und die Einholung eines orthopädisch-psychiatrischen Gutachtens angeregt, falls die fachärztlichen Befunde nicht ausreichten.

Soweit sich das SG ausgehend hiervon auf der Grundlage des sodann eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. H. , die neben einer undifferenzierten Somatisierungsstörung eine chronisch rezidivierende depressive Störung mit Episoden leichten bis mittelschweren Ausmaßes diagnostiziert hat, nicht von einem schwerwiegenden psychiatrischen Krankheitsbild mit rentenrelevanten Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin hat überzeugen können, teilt der Senat die Bedenken des SG. Diese werden gestützt durch die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. N. , der überzeugend darauf hingewiesen hat, dass die Sachverständige im Rahmen ihres Gutachtens keine Befundsituation beschrieben hat, die wesentlich abweicht von den Befunden, die Dr. M. im August 2007 erhob - danach resultierten hieraus lediglich leichte psychische Störungen - weshalb insbesondere nicht davon ausgegangen werden kann, dass seither eine deutliche Verschlechterung hin zu einem nun schwerwiegenden Krankheitsbild eingetreten ist. zudem beschreibt Dr. H. - so zutreffend Dr. N. - neurotische Verhaltensweisen (Vermeidung von Tätigkeiten, die keine Freude machen bei Erhalt der sozialen Kontakte sowie der Steuerungs- und Kontrollfunktion im Haushalt) im Sinne von "Persönlichkeitsdefiziten", die in das Erwachsenenleben und damit auch in das Erwerbsleben eingebracht sind, was darauf hinweist, dass diese mit zumutbarer Willensanspannung überwindbar sind, nachdem die Klägerin mit dieser Persönlichkeitsstruktur auch über Jahre hinweg beruflich tätig war. Hinsichtlich der vom SG aufgeführten weiteren Gesichtspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. H. begründen, verweist Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf den entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Aus den im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen ergibt sich keine für die Klägerin günstigere Beurteilung. Zwar hat der gemäß § 109 SGG auf Antrag der Klägerin hinzugezogene Sachverständige Dr. P. , ausgehend von den Diagnosen einer chronifizierten, rezidivierenden depressiven Störung mittelgradigen Ausmaßes und einer Somatisierungsstörung ebenso wie zuvor die Sachverständige Dr. H. ein Leistungsvermögen von drei bis weniger als sechs Stunden täglich beschrieben, jedoch überzeugt auch dessen Einschätzung, die er mit einem bestehenden Erschöpfungssyndrom auf Grund der depressiven Störung mit Verminderung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens begründet hat, nicht. Insoweit hat Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte zutreffend dargelegt, dass der Sachverständige seine Leistungsbeurteilung offensichtlich auf die Beschwerdeschilderungen der Klägerin gestützt hat, ohne eine Konsistenzprüfung vorzunehmen. Denn bereits der vom Sachverständigen dokumentierte Tagesablauf der Klägerin mit nachmittäglichen Treffen mit den Nachbarn bzw. anderen Frauen aus der türkischen Gemeinschaft zeigt eine soziale Integration der Klägerin auf, die nicht auf Interaktionsstörungen und damit auf eine zumindest mittelgradige depressive Störung und eine erhebliche Verminderung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens hinweist. Die von Dr. N. gegen sein Gutachten insoweit erhobenen Bedenken hat Dr. P. im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme schließlich auch nicht ausräumen können. Denn er hat sich dabei im Wesentlichen darauf beschränkt, die von ihm diagnostizierten Erkrankungen anhand der Diagnosekriterien nach der ICD-10 nachvollziehbar zu machen, ohne sich ausführlich und systematisch mit den bemängelten Inkonsistenzen auseinander zu setzen.

Schließlich hat das vom Senat eingeholte Gutachten des Sachverständige Dr. B. die von Dr. P. angenommene rentenrelevante Verminderung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens auch nicht bestätigt. Eine solche Symptomatik hat der Sachverständige Dr. B. gerade nicht beschrieben. Vielmehr ist seinem Gutachten zu entnehmen, dass die Klägerin während der gesamten Untersuchung, die um 8:00 Uhr begonnen hat, konzentriert und auch bei dessen Ende um 13:35 Uhr keineswegs erschöpft gewesen ist. Dieser von Dr. B. beschriebene Befund in einer für jeden Versicherten anstrengenden Untersuchungssituation spricht gegen eine entsprechende rentenrelevante Leistungseinschränkung. Eine Verminderung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens, die lediglich noch eine "halbschichtige" Leistungsfähigkeit - so die Auffassung des Dr. P. - bedinge, ist damit nicht festzustellen. Schließlich weisen auch die im Gutachten des Sachverständigen Dr. B. dargelegten Alltagsaktivitäten der Klägerin nicht auf erhebliche Beschwerden mit rentenrelevanten Funktionsstörungen und Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen hin. So hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen von ihren Aktivitäten mit der Enkelin berichtet, dass sie mit den Kindern zusammen essen gehe, ihren Haushalt im Wesentlichen versorge, einkaufen gehe, spazieren gehe und sich mit Nachbarinnen treffe. An weiteren Aktivitäten, die sie gerne unternehmen würde, wenn dies für sie bezahlbar wäre, hat sie regelmäßige Fahrten zur Mutter nach Hannover aufgeführt, einen Lese- bzw. Schreibkurs machen zu wollen oder auch gerne öfter zum Schwimmen, ins Café oder in ein Lokal gehen zu wollen. Der Umstand, dass sich die Klägerin hieran gerade durch das Fehlen der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel gehindert sieht, weist darauf hin, dass die Klägerin sich bei entsprechender finanzieller Ausstattung auch zu weiteren Alltagsaktivitäten in der Lage sieht, wodurch sich die Zweifel am Vorliegen einer quantitativen Leistungsminderung weiter erhärten.

Vor dem Hintergrund dessen ist auch die Einschätzung der behandelnden Ärztin Dr. H. , die die Klägerin als massiv depressiv klagend beschrieben hat und leichte berufliche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich u.a. wegen einem permanenten Schmerzerleben mit chronischem Vermeidungsverhalten und extremer Antriebsstörung nicht mehr für möglich erachtet hat, widerlegt. Soweit der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie R. im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft über das Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet hat, betraf dies den Behandlungszeitraum März bis Juni 2008, so dass hieraus für den vorliegend relevanten Zeitraum ab Januar 2010 nichts hergeleitet werden kann.

Eine rentenrelevante Leistungseinschränkung lässt sich schließlich auch nicht aus den von der Klägerin angegebenen Anfällen herleiten. Selbst nach den Darstellungen der Klägerin treten diese nur selten, nämlich fünf bis sechsmal im Jahr auf und dazu fast ausschließlich nachts, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit hieraus eine auf Dauer bestehende quantitative Leistungseinschränkung abgeleitet werden könnte. Vor diesem Hintergrund kann die diagnostische Zuordnung dieser von der Klägerin angegebenen Anfälle, die im Wesentlichen aufträten, wenn sie alleine sei, offen bleiben. Auch ist nicht weiter darauf einzugehen, dass sich die Diagnosestellung bereits deshalb als schwierig erweist, als sich die Klägerin bei keinem Sachverständigen in der Lage gesehen hat, diese Anfälle detailliert zu beschreiben und sich stattdessen auch auf entsprechende Fragen lediglich kurz und unwillig hierzu geäußert hat.

Nach alledem vermag der Senat ebenso wenig wie zuvor schon das SG festzustellen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in einem rentenrelevanten Ausmaß eingeschränkt ist. Damit kann auch die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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