L 1 KR 395/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 463/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 395/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 6/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
BSG: NZB unzulässig
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beiträge zu ihrer Kranken- und Pflegeversicherung. Sie ist seit 1. April 2002 als Rentnerin in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei de Beklagten zu 1) (nachfolgend nur noch: "die Beklagte") krankenversichert.

Diese teilte ihr mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 mit, dass die monatliche Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 2012 auf 3.825,00 EUR steigen werde. Sie setzte Beiträge ab Januar 2012 in Höhe von 303,47 EUR monatlich für die Krankenversicherung sowie 38,18 EUR -insoweit für die Beklagte zu 2)- für die Pflegeversicherung fest.

Bei den Beiträgen handelte und handelt es sich jeweils um die von der Klägerin selbst abzuführenden Beiträge. Die Deutschen Rentenversicherung führt für die Beiträge aus der gesetzlichen Rente direkt ab.

Die Klägerin verfügte im Zeitraum 1. Januar 2012 – 30. Juni 2012 über Einnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.867,16 EUR und aus Versorgungsbezügen der kirchlichen Zusatz-versorgungskasse D in Höhe von 3.298,20 EUR. Vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 betrug die Rentenhöhe monatlich 1.907,94 EUR und die Versorgungsbezüge 3.331,18 EUR.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Es sei Wucher, die Beiträge um 6% zu erhöhen, obgleich ihre Versorgungsbezüge lediglich um 1% gestiegen seien. Der Krankenversicherungsbeitrag sei bei der Berechnung der Zusatzrente überhaupt nicht abzusehen gewesen bzw. sei vereinbart gewesen, denn bei der Berechnung der Zusatzrente selbst sei ein pauschaler Beitrag für die Krankenkasse abgezogen worden. Insoweit liege hier eine Täuschung durch den Gesetzgeber vor. Die Beklagte solle sich gegen diese Ungerechtigkeit für ihre Mitglieder zur Wehr setzen. Das Versicherungsprinzip könne und dürfe durch den Gesetzgeber nicht einseitig übermäßig und ohne sachliche Begründung ausgelegt werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, beitragspflichtige Einnahmen seien gemäß § 223 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bis zum einem Betrag von 1/360 der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Dies gelte entsprechend auch für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI]).

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Die von hier zu leistende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien unverhältnismäßig hoch bemessen. Die Versorgungsbezüge hätten sich zwischen 2002 und 2011 jährlich lediglich um 1% erhöht, während im selben Zeitraum die auf diese Versorgungsbezüge entfallenden Beiträge zur Krankenversicherung um 166,19% und zur Pflegeversicherung um 30,05% gestiegen seien. Dies lege daran, dass seit dem 1. Januar 2004 auf Versorgungsbezüge Beiträge zur Krankenversicherung unzulässig nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben würden. Zudem dürfte die Beitragsbemessungsgrenze nicht an die Jahresarbeitsentgeltgrenze anknüpfen sondern an die Entwicklung der Versorgungsbezüge. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde ihres Erachtens schwerwiegend verletzt.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 hat die Beklagte (auch für die Beklagte zu 2) die Beiträge zur Krankenversicherung ab 1. Juli 2012 auf 294,14 EUR monatlich und für die Pflegeversicherung auf 37,38 EUR festgesetzt.

Mit weiterem Bescheid vom 30. November 2012 haben die Beklagten aufgrund einer erneuten Anhebung der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze sowie Anstieg des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung den monatlichen Beitrag für die Krankenversicherung auf 314,58 EUR sowie für die Pflegeversicherung auf 41,61 EUR monatlich ab 1. Januar 2013 festgesetzt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2014 abgewiesen. Die Beitragsbescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe die Beiträge zur Krankenversicherung zutreffend nach Maßgabe der §§ 237, 223 Abs. 3, 6 Abs. 7, 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der Sozialversicherungsrechengrößenverordnung 2012 bestimmt. Es hat auf die Begründung des Widerspruchbescheides verwiesen. Soweit die Klägerin sinngemäß rüge, dass nach § 248 Satz 1 SGB V auf Versorgungsbezüge Beiträge zur KVdR nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben würden und dies unverhältnismäßig sei, sowie die gesetzliche Koppelung der Beitragsbemessungsgrenze auch für Rentner an die Jahresarbeitsentgeltgrenze kritisiere, teile das SG die Bedenken nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe bereits entschieden, dass § 248 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung, die den Großteil der Zusatzbelastung für die Klägerin ausmache, verfassungsgemäß sei. Dies sei ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung und für die betroffenen Rentner zumutbar, wenn die Versorgungsbezüge – wie im vorliegenden Fall – einen wesentlichen Teil der Einnahmen ausmachten (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 1 BvR 2137/06 – juris, Rdnr. 36 ff.). Darin liege keine unverhältnismäßige oder ungleiche Belastung ohne sachlichen Grund. Dies gelte schon deshalb, weil die Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die von den Rentnern in Anspruch genommenen Leistungen die eigenen Beiträge der Rentner bei Weitem überstiegen. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen berechtigt, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 39).

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 19. Dezember 2013.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2013 haben die Beklagten aufgrund Anstieges der Versorgungsbezüge ab Juli 2013 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf 313,84 EUR sowie für die Pflegeversicherung auf 41,51 EUR festgesetzt. Die Beklagten haben weiter mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 aufgrund Anstieges der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze den Beitrag für die Krankenversicherung auf 331,28 EUR sowie für die Pflegeversicherung auf 43,81 EUR ab 1. Januar 2014 festgesetzt.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2014 haben die Beklagten aufgrund Erhöhung der Versorgungsbezüge den monatlichen Beitrag zur Krankenkasse auf 326,33 EUR sowie für die Pflegeversicherung auf 43,16 EUR festgesetzt ab 1. Juli 2014. Dieser Bescheid ist durch den Bescheid vom 3. September 2014 ersetzt worden, der ab 1. Juli 2014 monatliche Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 321,89 EUR und monatliche Beiträge zur Pflegeversicherung von 42,57 EUR festsetzt.

Die Klägerin trägt vor, sie sehe sich nach wie vor diskriminiert und in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Es sei für sie nicht bewiesen, dass die Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die von den Rentnern in Anspruch genommenen Leistungen die eigenen Beiträge der Rentner bei Weitem überstiegen. Jedenfalls für ihre Person möge dies die Beklagte nachweisen.

Sie beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2013 sowie die Bescheide vom 16. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29. Februar 2012, vom 8. Juni 2012, vom 12. Juni 2013, vom 12. Dezember 2013, vom 10. Juni 2014 und vom 3. September 2014 aufzuheben und die Beiträge für die KVdR nicht auf Grundlage der Jahresarbeitsentgeltgrenze als Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage und die Berufung richten auch auf gegen die Beklagte zu 2) (Pflegekasse). Die Beklagte hat alle Bescheide auch in ihrem Namen erlassen. Die Klägerin hat von Anfang an Aufhebung der die Beiträge erhöhenden Bescheide insgesamt begehrt.

Der Berufung und Klage muss jedoch Erfolg versagt bleiben

Die angefochtenen Bescheide haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 223, § 229 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 237 und § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Hiernach sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge zu zahlen (§ 223 Abs. 1 SGB V). Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs. 2 SGB V). Für als Rentner versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen sind nach § 237 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) auch die der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragsbemessung zur Kranken- und Pflegeversicherung zugrunde zu legen.

Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften hat das SG im angegriffenen Gerichtsbescheid bereits ausführlich Stellung genommen. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der vom SG angeführten Entscheidung auch bereits mit den von der Klägerin vorgebrachten Verstößen gegen Artikel 3 Abs. 1 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG auseinandergesetzt. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, sie bezweifle, dass sie persönlich in der Kranken- und Pflegeversicherung einen höheren Aufwand als Rentnerin als jüngere Krankenversicherte verursache, kann sie damit nicht gehört werden. Es ist gerade Ausdruck des Versicherungsprinzips, dass die Beiträge auch aufgebracht werden müssen, wenn keine Leistungen im gleichen Umfange in Anspruch genommen werden. Die Krankenversicherung ist eine Versicherung, die nur bei Bedarf leisten soll. Gleiches gilt für die Pflegeversicherung. Das Risiko, Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, steigt mit dem Alter an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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