Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2678/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 715/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls der am 15. Oktober 2008 verstorbenen Ehefrau des Klägers streitig.
Der 1950 geborene und mittlerweile berentete Kläger, der allein beim LSG seit 2002 über 60 Berufungen und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreibt, nahm nach dem Abitur im Jahr 1970 das Studium an der Universität H. auf, wo er zunächst Psychologie studierte, anschließend ab 1977 Medizin, von 1979 bis 1986 Soziologie, von 1991 bis 2000 Rechtswissenschaften und seit dem Jahr 2001 Zahnmedizin (vgl. Urteil des LSG vom 16. April 2013 - L 9 U 868/09).
Die 1962 geborene Ehefrau des Klägers, die bis zu ihrem Tode mit dem Kläger, der sie auch allein beerbte (Erbschein, Bl. 707 V-Akte Bd. 4), in einem gemeinsamen Haushalt lebte, war ab Januar 1988 bei der Firma M. K. als Chemielaborantin versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Im April 2007 diagnostizierte das Universitätsklinikum H. bei ihr ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (pulmonales Adenokarzinom), das in der Folgezeit zu Tochtergeschwülsten in den Halslymphknoten, der Brustwirbelsäule, der linken Niere und der rechten Nebenniere führte. Unmittelbare Ursache des am 15. Oktober 2008 eingetretenen Todes war eine Lungenembolie als Folge des Tumorleidens (Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Freiburg, Bl. 435 V-Akte Bd 3).
Am 18. Januar 2007 stellte sich die Ehefrau des Klägers wegen einer nicht als akut, sondern seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich ("Herzstiche") und einer Augenlidschwellung bei Verdacht auf Angina Pectoris in der Ambulanz des werksärztlichen Dienstes vor (Patientenakte, Bl. 661 V-Akte Bd. 4); einen Arbeitsunfall meldete sie selbst nicht. Am 19. Januar 2007 zeigte der Kläger das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die damaligen Bevollmächtigten der Ehefrau des Klägers teilten im Rahmen eines bei der Beklagten seinerzeit laufenden Verfahrens zur Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaub – BK 4104 – paralleles Berufungsverfahren L 6 U 716/12) mit, die Ehefrau des Klägers habe im Januar 2007 durch ausströmendes Gas am Arbeitsplatz ein Unwohlsein mit der Folge erlitten, dass der Blutdruck nach mehrmaligen Messungen nicht auf einen Wert unter 200 zu 110 gefallen sei (Schriftsatz vom 22. November 2007, Bl. 126 V-Akte Bd. 1). Am 3. Dezember 2007 erklärte die Ehefrau des Klägers handschriftlich, sie habe sich an dem Tag unwohl gefühlt und das linke Augenlid sowie die Sehstärke seien beeinträchtigt gewesen; Herzstiche und Thoraxbeschwerden aber nicht aufgetreten. Obwohl ihr die Werksärztin Dr. K. mehrere Hübe Nitrospray gegeben habe, sei ihr Blutdruck bei ca. 190 zu 100 geblieben (Bl. 133 V-Akte Bd. 1).
Der Leitende Werksarzt Dr. M. gab u. a. am 26. Mai 2010, 21. Februar 2008 und 15. August 2007 an, die Ehefrau des Klägers, die bereits bei ihrer Einstellungsuntersuchung 1987 und zuletzt bei der Vorsorgeuntersuchung 2005 über einen Nikotinkonsum von 30 Zigaretten pro Tag berichtet habe, habe sich am 18. Januar 2007 wegen einer nicht als akut, sondern seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich ("Herzstiche") und einer Augenlidschwellung auf Insistieren der zufällig anwesenden Putzfrau in der Ambulanz des werksärztlichen Dienstes vorgestellt, nachdem sie am Arbeitsplatz ohne äußere Einwirkung "zusammengesunken" sei. Bei der orientierenden klinischen Untersuchung habe ein akuter Herzinfarkt ausgeschlossen werden können, es sei aber ein deutlich erhöhter Blutdruck (210/110 mm Hg) aufgefallen. Daraufhin sei ihr die Überstellung in das städtische Krankenhaus zur umgehenden diagnostischen Abklärung empfohlen worden, was sie jedoch abgelehnt habe. Am 26. Januar 2007 habe sie sich wegen derselben Symptomatik erneut vorgestellt. Auch dabei sei sie zu einer weiterführenden fachärztlichen Diagnostik nicht bereit gewesen. Anhaltspunkte für einen Unfall ergäben sich weder aus den Unterlagen der Abteilung für Arbeitssicherheit noch aus den werksärztlichen Unterlagen; ein Unfall oder ein ähnliches Ereignis sei auch dem Laborleiter nicht bekannt.
Die zwischenzeitlich bei der Firma M. K. ausgeschiedene Werksärztin Dr. K. teilte am 8. April 2008 mit, sie habe keinen Zugang mehr zu ihren Aufzeichnungen in der Ambulanzakte, könne allerdings bestätigen, dass sie die Versicherte wegen einer akuten Erkrankung in den Räumen der werksärztlichen Ambulanz gesehen habe. Zu den Umständen einer Gefahrstoffexposition könne sie keine Aussage treffen, da sie keinen Einsatz am Arbeitsplatz der Versicherten gehabt habe und ihr das Ereignis auch nicht im Zusammenhang mit einer Gefahrstoffexposition erinnerlich sei (vgl. auch Aktenvermerk 2010, Bl. 135 V-Akte Bd. 1).
Mit Bescheid vom 12. Juni 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Feststellung eines von der Versicherten am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls sowie die Gewährung von Leistungen ab.
Der dagegen von der Versicherten erhobene Widerspruch wurde nach einer Arbeitsplatzbesichtigung durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten vom 25. Mai 2010, der keine weiteren Erkenntnisse erbracht hatte (vgl. Bl. 136 V-Akte Bd. 1) mit an den Kläger als Rechtsnachfolger gerichteten Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass die durchgeführten Ermittlungen nicht den Nachweis eines am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls hätten erbringen können.
Hiergegen hat der Kläger am 23. Juli 2010 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, mit der er geltend macht, seiner Ehefrau sei es am Morgen des 18. Januar 2007 nach der Arbeit mit toxischen Stoffen schwindelig geworden. Die behandelnde Ärztin habe keine Laboruntersuchung durchgeführt und seiner Frau eine seit mindestens 2005 bestehende arbeitsbedingte Lungenkrankheit verschwiegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2012, dem Kläger zugestellt am 18. Januar 2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Klagebegehren sei sachdienlich so auszulegen, dass es zulässigerweise nur um die Feststellung eines Arbeitsunfalls gehe, nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen insgesamt mit der Begründung abgelehnt habe, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Der Kläger könne aber nicht im Vollbeweis nachweisen, dass es am 18. Januar 2007 zu einem Unfallereignis gekommen sei. Bereits dem anwaltlichen Sachvortrag vom 22. Januar 2007 lasse sich dies nicht entnehmen. Auch in ihrem eigenen Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 habe die Ehefrau des Klägers nicht von ausströmendem Gas, sondern nur davon berichtet, dass sie sich unwohl gefühlt habe und das rechte Augenlid sowie die Sehschärfe beeinträchtigt gewesen seien. Anhaltspunkte für ein solches Ereignis ergäben sich auch nicht aus den übrigen Umständen, insbesondere den werksärztlichen Unterlagen, den Unterlagen der Abteilung für Arbeitssicherheit, der Erinnerung der die Versicherte seinerzeit untersuchenden und behandelnden Werksärztin und der Äußerung des Laborleiters. In Ansehung dessen bestehe auch kein objektiver Anhalt für einen vom Kläger im Klageverfahren lediglich vermuteten Arbeitsunfall durch Umgang seiner Ehefrau mit toxischen Stoffen am Morgen des 18. Januar 2007. Ein Arbeitsunfall ergebe sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Untersuchung und Behandlung der Versicherten durch die Werksärztin. Soweit der Kläger meine, die Ärztin habe keine ausreichende Diagnostik und Aufklärung seiner Ehefrau durchgeführt, liege schon kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, also kein Unfallereignis, vor.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Februar 2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, seine verstorbene Ehefrau sei durch Mitarbeiter der Firma M. im Jahr 2000 ff. vergiftet worden bzw. habe sich selbst vergiftet. Er sei anfangs von einem Unfall am 18. Januar 2007 im Labor der Firma M. ausgegangen. Die Ermittlung der Krankheitsgeschichte habe sich lange hingezogen, da die behandelnde Ärztin Dr. K. seine verstorbene Frau nicht über das bestehende Lungenemphysem bzw. die obstruktive Lungenerkrankung aufgeklärt, ihr fälschlicherweise mehrere Hübe Nitrospray verabreicht und sie hierdurch grob fahrlässig an Leib und Leben geschädigt sowie einen Arzt ihrer Wahl verwehrt habe. Mit an "Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit" hätte sich bei rechtzeitiger fachgerechter ärztlicher Behandlung das Leben seiner Ehefrau verlängert und wären ihre Schmerzen gelindert worden. Bereits im Dezember 2006 hätten das berufsbedingte Augenleiden und die pathologischen medizinischen Parameter seiner Ehefrau erkannt werden müssen. Spätestens am 18. Januar 2007 habe ein eindeutiger Hinweis auf die Krebserkrankung bestanden. Sie sei definitiv an den Folgen eines Mesothelioms verstorben, welches berufsbedingt sei, da sie nie geraucht habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2010 aufzuheben und festzustellen, dass seine verstorbene Ehefrau am 18. Januar 2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat, hilfsweise Dr. med. K. zum Beweis der Tatsache zu hören, dass seine verstorbene Ehefrau am 17., 18. und 19. Januar 2007 mit toxischen Stoffen gearbeitet habe sowie ein Gutachten von Amts wegen, hilfsweise nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung, die durch ihre analytische Klarheit imponiere und weder formale noch materiell-rechtliche Fehler erkennen lasse, für zutreffend. Die Begründung des Klägers, seine Frau sei durch die Mitarbeiter der Firma M. im Jahr 2000 ff. vergiftet worden, lasse einen hinreichend klaren Bezug zum Streitgegenstand "Arbeitsunfall vom 18. Januar 2007" vermissen. Aus dem jetzigen Sachvortrag sei zu entnehmen, dass der Kläger selbst aktuell nicht von einem Arbeitsunfall ausgehe, wozu passe, dass seine Frau einen derartigen Unfall nicht gemeldet habe. Stattdessen trage der Kläger vor, dass die Werksärztin seine Frau am 18. Januar 2007 falsch behandelt habe. Unabhängig davon, ob diese Behauptung zutreffe oder nicht, erwecke auch diese Darstellung Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls, denn ohne vorherigen Nachweis eines solchen dürfte auch die Behandlung durch einen Arzt, selbst wenn er Werksarzt sei, nicht zwangsläufig der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sein. Außerdem sei völlig unklar, worin ein Gesundheitserstschaden liegen könne. Die vom Kläger aufgeworfene spekulative Kausalitätsfrage (haftungsausfüllende Kausalität zwischen Erstschaden und Todeseintritt) gehöre nicht zum Begriff des Arbeitsunfalls und bedürfe daher keiner Erörterung mehr.
Der Kläger hat die pathologisch-anatomischen Befundberichte des Universitätsklinikums F. vom 4. Februar und 23. Oktober 2008 vorgelegt, wonach es sich bei dem Tumor ebenso wie bei der Metastase des epitheal differenzierenden Tumors am ehesten um ein Mesotheliom (Bindegewebstumore im Bereich des Mesothels, vor allem der Pleura) handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls seiner verstorbenen Ehefrau vom 18. Januar 2007.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein ein (behaupteter) Arbeitsunfall vom 18. Januar 2007, nicht hingegen vom 17. oder 19. Januar 2007, denn hierüber fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten, bzw. eine anhaltende Vergiftung am Arbeitsplatz, denn diese kann bestenfalls Gegenstand eines Berufskrankheitenverfahrens sein.
Der Kläger begehrt in zulässiger Weise die Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2010 sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles am 18. Januar 2007 (§ 54 Abs. 1 SGG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage des Sonderrechtsnachfolgers nicht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegen, denn dem Kläger können aus der begehrten Feststellung Ansprüche auf Geldleistungen erwachsen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr. 6).
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 9/13 R - Juris).
Der Begriff des Unfalls ist bei der Prüfung eines Arbeitsunfalls in drei Schritte zu unterteilen. Es ist zu prüfen, ob
1. ein Ereignis, als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen hat (äußeres/einwirkendes Ereignis), 2. ein Gesundheitserstschaden (zeitnah) eingetreten ist und 3. dieser Erstschaden durch das einwirkende Ereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung wesentlich verursacht worden ist (haftungsbegründende Kausalität).
Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 7/08 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Nachweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit festgestellt werden, d.h. es wird keine Überzeugung des Gerichts vorausgesetzt, die jede nur denkbare Möglichkeit ausschließt (vgl. bereits BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287). Vielmehr genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 -SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Ansehung dieser Gegebenheiten hat das SG die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen, weswegen der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, denen er sich nach eigener Würdigung in vollem Umfang anschließt. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren auszuführen, dass, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, der Kläger, der als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) den Feststellungsanspruch in zulässiger Weise geltend machen kann (vgl. zur Abgrenzung BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr. 6), selbst nicht mehr vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausgeht.
Dessen ungeachtet spricht der gesamte Akteninhalt gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalls vom 18. Januar 2007. Die Ehefrau des Klägers selbst hat einen solchen nicht bei der Beklagten gemeldet, vielmehr sich lediglich an diesem Tag in werksärztliche Behandlung begeben, ohne von einem Arbeitsunfall zu berichten, was der Senat insbesondere den Angaben des Leitenden Werksarztes Dr. M. wie denen der Werksärztin Dr. K. entnimmt. Danach war Anlass der Behandlung eine seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich und eine Augenlidschwellung, die zunächst die Vermutung eines akuten Herzinfarkts, also gerade keines Arbeitsunfalls, begründete und schließlich Anlass zur Empfehlung einer umgehenden diagnostischen Abklärung gab. Das entspricht dem Vortrag der verstorbenen Versicherten vom 3. Dezember 2007 zu ihren gesundheitlichen Beschwerden.
Dass Gas am Arbeitsplatz ausgewichen ist, wie dies mit Schriftsatz vom 22. November 2007 vorgetragen wurde, ist ebenfalls nicht im Vollbeweis gesichert, was der Senat auch der Arbeitsplatzbesichtigung durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten entnimmt. Folglich fehlt es auch zur Überzeugung des Senats am erforderlichen Nachweis eines Unfallereignisses im Vollbeweis.
Der Senat hat deswegen die weiteren Beweisanträge des Klägers abgelehnt, da medizinische Ermittlungen im Hinblick darauf, dass es bereits am ersten Glied zur Feststellung eines Arbeitsunfalls fehlt, entbehrlich sind. Insoweit ist auch das Begehren des Klägers, mittels der Auswertung der Laborjournale aufzuklären, mit welchen Stoffen die Versicherte an dem 18. Januar 2007 gearbeitet hat, nicht zielführend, denn solange noch nicht einmal feststeht, dass sich ein Unfall ereignet hat, ist es müßig zu ermitteln, wie dieser sich zugetragen haben könnte. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine wiederholte Befragung der damals tätigen Werksärztin. Nachdem Dr. K. bereits von der Beklagten befragt wurde, hat er nicht deutlich gemacht, welcher neue Erkenntnisgewinn von der bereits ausgeschiedenen Mitarbeiterin zu erwarten ist. Diese hat nämlich dargelegt, dass sie zu der möglichen Exposition der Versicherten nichts beitragen könne, da sie – was zutrifft – keinen Einsatz an deren Arbeitsplatz hatte. Im Übrigen entspricht es dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Beweisantrag beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 - Juris; Urteil des Senats vom 27. März 2014 - L 6 U 4001/13 - Juris).
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls der am 15. Oktober 2008 verstorbenen Ehefrau des Klägers streitig.
Der 1950 geborene und mittlerweile berentete Kläger, der allein beim LSG seit 2002 über 60 Berufungen und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreibt, nahm nach dem Abitur im Jahr 1970 das Studium an der Universität H. auf, wo er zunächst Psychologie studierte, anschließend ab 1977 Medizin, von 1979 bis 1986 Soziologie, von 1991 bis 2000 Rechtswissenschaften und seit dem Jahr 2001 Zahnmedizin (vgl. Urteil des LSG vom 16. April 2013 - L 9 U 868/09).
Die 1962 geborene Ehefrau des Klägers, die bis zu ihrem Tode mit dem Kläger, der sie auch allein beerbte (Erbschein, Bl. 707 V-Akte Bd. 4), in einem gemeinsamen Haushalt lebte, war ab Januar 1988 bei der Firma M. K. als Chemielaborantin versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Im April 2007 diagnostizierte das Universitätsklinikum H. bei ihr ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (pulmonales Adenokarzinom), das in der Folgezeit zu Tochtergeschwülsten in den Halslymphknoten, der Brustwirbelsäule, der linken Niere und der rechten Nebenniere führte. Unmittelbare Ursache des am 15. Oktober 2008 eingetretenen Todes war eine Lungenembolie als Folge des Tumorleidens (Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Freiburg, Bl. 435 V-Akte Bd 3).
Am 18. Januar 2007 stellte sich die Ehefrau des Klägers wegen einer nicht als akut, sondern seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich ("Herzstiche") und einer Augenlidschwellung bei Verdacht auf Angina Pectoris in der Ambulanz des werksärztlichen Dienstes vor (Patientenakte, Bl. 661 V-Akte Bd. 4); einen Arbeitsunfall meldete sie selbst nicht. Am 19. Januar 2007 zeigte der Kläger das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die damaligen Bevollmächtigten der Ehefrau des Klägers teilten im Rahmen eines bei der Beklagten seinerzeit laufenden Verfahrens zur Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaub – BK 4104 – paralleles Berufungsverfahren L 6 U 716/12) mit, die Ehefrau des Klägers habe im Januar 2007 durch ausströmendes Gas am Arbeitsplatz ein Unwohlsein mit der Folge erlitten, dass der Blutdruck nach mehrmaligen Messungen nicht auf einen Wert unter 200 zu 110 gefallen sei (Schriftsatz vom 22. November 2007, Bl. 126 V-Akte Bd. 1). Am 3. Dezember 2007 erklärte die Ehefrau des Klägers handschriftlich, sie habe sich an dem Tag unwohl gefühlt und das linke Augenlid sowie die Sehstärke seien beeinträchtigt gewesen; Herzstiche und Thoraxbeschwerden aber nicht aufgetreten. Obwohl ihr die Werksärztin Dr. K. mehrere Hübe Nitrospray gegeben habe, sei ihr Blutdruck bei ca. 190 zu 100 geblieben (Bl. 133 V-Akte Bd. 1).
Der Leitende Werksarzt Dr. M. gab u. a. am 26. Mai 2010, 21. Februar 2008 und 15. August 2007 an, die Ehefrau des Klägers, die bereits bei ihrer Einstellungsuntersuchung 1987 und zuletzt bei der Vorsorgeuntersuchung 2005 über einen Nikotinkonsum von 30 Zigaretten pro Tag berichtet habe, habe sich am 18. Januar 2007 wegen einer nicht als akut, sondern seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich ("Herzstiche") und einer Augenlidschwellung auf Insistieren der zufällig anwesenden Putzfrau in der Ambulanz des werksärztlichen Dienstes vorgestellt, nachdem sie am Arbeitsplatz ohne äußere Einwirkung "zusammengesunken" sei. Bei der orientierenden klinischen Untersuchung habe ein akuter Herzinfarkt ausgeschlossen werden können, es sei aber ein deutlich erhöhter Blutdruck (210/110 mm Hg) aufgefallen. Daraufhin sei ihr die Überstellung in das städtische Krankenhaus zur umgehenden diagnostischen Abklärung empfohlen worden, was sie jedoch abgelehnt habe. Am 26. Januar 2007 habe sie sich wegen derselben Symptomatik erneut vorgestellt. Auch dabei sei sie zu einer weiterführenden fachärztlichen Diagnostik nicht bereit gewesen. Anhaltspunkte für einen Unfall ergäben sich weder aus den Unterlagen der Abteilung für Arbeitssicherheit noch aus den werksärztlichen Unterlagen; ein Unfall oder ein ähnliches Ereignis sei auch dem Laborleiter nicht bekannt.
Die zwischenzeitlich bei der Firma M. K. ausgeschiedene Werksärztin Dr. K. teilte am 8. April 2008 mit, sie habe keinen Zugang mehr zu ihren Aufzeichnungen in der Ambulanzakte, könne allerdings bestätigen, dass sie die Versicherte wegen einer akuten Erkrankung in den Räumen der werksärztlichen Ambulanz gesehen habe. Zu den Umständen einer Gefahrstoffexposition könne sie keine Aussage treffen, da sie keinen Einsatz am Arbeitsplatz der Versicherten gehabt habe und ihr das Ereignis auch nicht im Zusammenhang mit einer Gefahrstoffexposition erinnerlich sei (vgl. auch Aktenvermerk 2010, Bl. 135 V-Akte Bd. 1).
Mit Bescheid vom 12. Juni 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Feststellung eines von der Versicherten am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls sowie die Gewährung von Leistungen ab.
Der dagegen von der Versicherten erhobene Widerspruch wurde nach einer Arbeitsplatzbesichtigung durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten vom 25. Mai 2010, der keine weiteren Erkenntnisse erbracht hatte (vgl. Bl. 136 V-Akte Bd. 1) mit an den Kläger als Rechtsnachfolger gerichteten Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass die durchgeführten Ermittlungen nicht den Nachweis eines am 18. Januar 2007 erlittenen Arbeitsunfalls hätten erbringen können.
Hiergegen hat der Kläger am 23. Juli 2010 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, mit der er geltend macht, seiner Ehefrau sei es am Morgen des 18. Januar 2007 nach der Arbeit mit toxischen Stoffen schwindelig geworden. Die behandelnde Ärztin habe keine Laboruntersuchung durchgeführt und seiner Frau eine seit mindestens 2005 bestehende arbeitsbedingte Lungenkrankheit verschwiegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2012, dem Kläger zugestellt am 18. Januar 2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Klagebegehren sei sachdienlich so auszulegen, dass es zulässigerweise nur um die Feststellung eines Arbeitsunfalls gehe, nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen insgesamt mit der Begründung abgelehnt habe, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Der Kläger könne aber nicht im Vollbeweis nachweisen, dass es am 18. Januar 2007 zu einem Unfallereignis gekommen sei. Bereits dem anwaltlichen Sachvortrag vom 22. Januar 2007 lasse sich dies nicht entnehmen. Auch in ihrem eigenen Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 habe die Ehefrau des Klägers nicht von ausströmendem Gas, sondern nur davon berichtet, dass sie sich unwohl gefühlt habe und das rechte Augenlid sowie die Sehschärfe beeinträchtigt gewesen seien. Anhaltspunkte für ein solches Ereignis ergäben sich auch nicht aus den übrigen Umständen, insbesondere den werksärztlichen Unterlagen, den Unterlagen der Abteilung für Arbeitssicherheit, der Erinnerung der die Versicherte seinerzeit untersuchenden und behandelnden Werksärztin und der Äußerung des Laborleiters. In Ansehung dessen bestehe auch kein objektiver Anhalt für einen vom Kläger im Klageverfahren lediglich vermuteten Arbeitsunfall durch Umgang seiner Ehefrau mit toxischen Stoffen am Morgen des 18. Januar 2007. Ein Arbeitsunfall ergebe sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Untersuchung und Behandlung der Versicherten durch die Werksärztin. Soweit der Kläger meine, die Ärztin habe keine ausreichende Diagnostik und Aufklärung seiner Ehefrau durchgeführt, liege schon kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, also kein Unfallereignis, vor.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Februar 2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, seine verstorbene Ehefrau sei durch Mitarbeiter der Firma M. im Jahr 2000 ff. vergiftet worden bzw. habe sich selbst vergiftet. Er sei anfangs von einem Unfall am 18. Januar 2007 im Labor der Firma M. ausgegangen. Die Ermittlung der Krankheitsgeschichte habe sich lange hingezogen, da die behandelnde Ärztin Dr. K. seine verstorbene Frau nicht über das bestehende Lungenemphysem bzw. die obstruktive Lungenerkrankung aufgeklärt, ihr fälschlicherweise mehrere Hübe Nitrospray verabreicht und sie hierdurch grob fahrlässig an Leib und Leben geschädigt sowie einen Arzt ihrer Wahl verwehrt habe. Mit an "Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit" hätte sich bei rechtzeitiger fachgerechter ärztlicher Behandlung das Leben seiner Ehefrau verlängert und wären ihre Schmerzen gelindert worden. Bereits im Dezember 2006 hätten das berufsbedingte Augenleiden und die pathologischen medizinischen Parameter seiner Ehefrau erkannt werden müssen. Spätestens am 18. Januar 2007 habe ein eindeutiger Hinweis auf die Krebserkrankung bestanden. Sie sei definitiv an den Folgen eines Mesothelioms verstorben, welches berufsbedingt sei, da sie nie geraucht habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2010 aufzuheben und festzustellen, dass seine verstorbene Ehefrau am 18. Januar 2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat, hilfsweise Dr. med. K. zum Beweis der Tatsache zu hören, dass seine verstorbene Ehefrau am 17., 18. und 19. Januar 2007 mit toxischen Stoffen gearbeitet habe sowie ein Gutachten von Amts wegen, hilfsweise nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung, die durch ihre analytische Klarheit imponiere und weder formale noch materiell-rechtliche Fehler erkennen lasse, für zutreffend. Die Begründung des Klägers, seine Frau sei durch die Mitarbeiter der Firma M. im Jahr 2000 ff. vergiftet worden, lasse einen hinreichend klaren Bezug zum Streitgegenstand "Arbeitsunfall vom 18. Januar 2007" vermissen. Aus dem jetzigen Sachvortrag sei zu entnehmen, dass der Kläger selbst aktuell nicht von einem Arbeitsunfall ausgehe, wozu passe, dass seine Frau einen derartigen Unfall nicht gemeldet habe. Stattdessen trage der Kläger vor, dass die Werksärztin seine Frau am 18. Januar 2007 falsch behandelt habe. Unabhängig davon, ob diese Behauptung zutreffe oder nicht, erwecke auch diese Darstellung Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls, denn ohne vorherigen Nachweis eines solchen dürfte auch die Behandlung durch einen Arzt, selbst wenn er Werksarzt sei, nicht zwangsläufig der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sein. Außerdem sei völlig unklar, worin ein Gesundheitserstschaden liegen könne. Die vom Kläger aufgeworfene spekulative Kausalitätsfrage (haftungsausfüllende Kausalität zwischen Erstschaden und Todeseintritt) gehöre nicht zum Begriff des Arbeitsunfalls und bedürfe daher keiner Erörterung mehr.
Der Kläger hat die pathologisch-anatomischen Befundberichte des Universitätsklinikums F. vom 4. Februar und 23. Oktober 2008 vorgelegt, wonach es sich bei dem Tumor ebenso wie bei der Metastase des epitheal differenzierenden Tumors am ehesten um ein Mesotheliom (Bindegewebstumore im Bereich des Mesothels, vor allem der Pleura) handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls seiner verstorbenen Ehefrau vom 18. Januar 2007.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein ein (behaupteter) Arbeitsunfall vom 18. Januar 2007, nicht hingegen vom 17. oder 19. Januar 2007, denn hierüber fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten, bzw. eine anhaltende Vergiftung am Arbeitsplatz, denn diese kann bestenfalls Gegenstand eines Berufskrankheitenverfahrens sein.
Der Kläger begehrt in zulässiger Weise die Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2010 sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles am 18. Januar 2007 (§ 54 Abs. 1 SGG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage des Sonderrechtsnachfolgers nicht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegen, denn dem Kläger können aus der begehrten Feststellung Ansprüche auf Geldleistungen erwachsen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr. 6).
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 9/13 R - Juris).
Der Begriff des Unfalls ist bei der Prüfung eines Arbeitsunfalls in drei Schritte zu unterteilen. Es ist zu prüfen, ob
1. ein Ereignis, als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen hat (äußeres/einwirkendes Ereignis), 2. ein Gesundheitserstschaden (zeitnah) eingetreten ist und 3. dieser Erstschaden durch das einwirkende Ereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung wesentlich verursacht worden ist (haftungsbegründende Kausalität).
Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 7/08 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Nachweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit festgestellt werden, d.h. es wird keine Überzeugung des Gerichts vorausgesetzt, die jede nur denkbare Möglichkeit ausschließt (vgl. bereits BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287). Vielmehr genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 -SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Ansehung dieser Gegebenheiten hat das SG die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen, weswegen der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, denen er sich nach eigener Würdigung in vollem Umfang anschließt. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren auszuführen, dass, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, der Kläger, der als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) den Feststellungsanspruch in zulässiger Weise geltend machen kann (vgl. zur Abgrenzung BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr. 6), selbst nicht mehr vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausgeht.
Dessen ungeachtet spricht der gesamte Akteninhalt gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalls vom 18. Januar 2007. Die Ehefrau des Klägers selbst hat einen solchen nicht bei der Beklagten gemeldet, vielmehr sich lediglich an diesem Tag in werksärztliche Behandlung begeben, ohne von einem Arbeitsunfall zu berichten, was der Senat insbesondere den Angaben des Leitenden Werksarztes Dr. M. wie denen der Werksärztin Dr. K. entnimmt. Danach war Anlass der Behandlung eine seit mehreren Monaten rezidivierend beschriebenen Schmerzsymptomatik im Thorakalbereich und eine Augenlidschwellung, die zunächst die Vermutung eines akuten Herzinfarkts, also gerade keines Arbeitsunfalls, begründete und schließlich Anlass zur Empfehlung einer umgehenden diagnostischen Abklärung gab. Das entspricht dem Vortrag der verstorbenen Versicherten vom 3. Dezember 2007 zu ihren gesundheitlichen Beschwerden.
Dass Gas am Arbeitsplatz ausgewichen ist, wie dies mit Schriftsatz vom 22. November 2007 vorgetragen wurde, ist ebenfalls nicht im Vollbeweis gesichert, was der Senat auch der Arbeitsplatzbesichtigung durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten entnimmt. Folglich fehlt es auch zur Überzeugung des Senats am erforderlichen Nachweis eines Unfallereignisses im Vollbeweis.
Der Senat hat deswegen die weiteren Beweisanträge des Klägers abgelehnt, da medizinische Ermittlungen im Hinblick darauf, dass es bereits am ersten Glied zur Feststellung eines Arbeitsunfalls fehlt, entbehrlich sind. Insoweit ist auch das Begehren des Klägers, mittels der Auswertung der Laborjournale aufzuklären, mit welchen Stoffen die Versicherte an dem 18. Januar 2007 gearbeitet hat, nicht zielführend, denn solange noch nicht einmal feststeht, dass sich ein Unfall ereignet hat, ist es müßig zu ermitteln, wie dieser sich zugetragen haben könnte. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine wiederholte Befragung der damals tätigen Werksärztin. Nachdem Dr. K. bereits von der Beklagten befragt wurde, hat er nicht deutlich gemacht, welcher neue Erkenntnisgewinn von der bereits ausgeschiedenen Mitarbeiterin zu erwarten ist. Diese hat nämlich dargelegt, dass sie zu der möglichen Exposition der Versicherten nichts beitragen könne, da sie – was zutrifft – keinen Einsatz an deren Arbeitsplatz hatte. Im Übrigen entspricht es dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Beweisantrag beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 - Juris; Urteil des Senats vom 27. März 2014 - L 6 U 4001/13 - Juris).
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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