L 20 R 1009/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 1189/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 1009/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Rückforderung einer Halbwaisenrente.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 10.10.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Rückforderung einer überzahlten Halbwaisenrente in Höhe von 867,21 EUR.

Der am 1981 geborene Kläger beantragte am 31.07.2006 bei der Beklagten die Gewährung einer Halbwaisenrente aus der Versicherung seiner am 12.01.2005 verstorbenen Mutter M. A ...

Unter Vorlage eines Berufsausbildungsvertrages vom 16.05.2006 gab der Kläger an, ab 01.07.2006 eine Berufsausbildung zum Koch zu beginnen. Der Vertrag benennt als Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses den 01.07.2006 und als Ende der Ausbildung den 30.06.2009. Als Ausbildungsvergütung für das erste Jahr ist ein Betrag von 467,00 EUR angegeben.

Mit Bescheid vom 12.10.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Halbwaisenrente ab 01.07.2006 bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 96,57 EUR. Unter dem Punkt Mitteilungspflichten heißt es: "Die Waisenrente endet, wenn
- die Schulausbildung/Berufsausbildung ... unterbrochen oder beendet wird. Sie sind verpflichtet, uns jede Beendigung (z.B. Abbruch, Tag der Abschlussprüfung) oder Unterbrechung mitzuteilen. Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher sind Sie verpflichtet, uns den Bezug und jede Veränderung von Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen ... Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Den Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder den späteren Hinzutritt von Einkommen teilen Sie uns bitte immer mit."

Mit Schreiben vom 05.04.2007, 01.06.2007 und 29.06.2007 forderte die Beklagte den Kläger auf, das laufende Einkommen ab 01.07.2007 anzugeben. Eine Erledigung dieser Anfragen erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 17.07.2007 teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger mit, die Rente sei mit Ende 7/2007 eingestellt worden, da der Vordruck hinsichtlich der Überprüfung der Einkommensanrechnung zum 01.07.2007 nicht eingesandt worden sei.

Am 15.01.2010 bat der Kläger telefonisch die Beklagte um eine Bescheinigung über die Dauer der an ihn ab 01.07.2006 gezahlten Waisenrente; zudem benötige er eine Erklärung, ob und ggf. für welchen Zeitraum die Waisenrente überzahlt worden sei. Auf Nachfrage der Beklagten legte der Arbeitgeber am 04.02.2010 ein Kündigungsschreiben vom 16.10.2006 vor. Darin wurde dem Kläger "fristgerecht zum 23.10.2006 ordentlich innerhalb der Probezeit, die am 31.10.2006 endet" gekündigt.

Mit Schreiben vom 02.02.2010 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Halbwaisenrente und Rückforderung für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.07.2007 an.

Mit Bescheid vom 24.02.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 12.10.2006 nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ab 01.11.2006 auf. In den Verhältnissen, die beim Erlass des Bescheides vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten, da der Kläger seine Lehre zum 31.10.2006 abgebrochen habe. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X seien erfüllt. Für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.07.2007 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 867,21 EUR, die von dem Kläger nach § 50 SGB X zu erstatten sei.

Dagegen legte der Kläger am 08.03.2010 Widerspruch ein. Im Wesentlichen trug er vor, sein Vater habe bis zu seinem Ableben sämtlichen Schriftverkehr erledigt. Allerdings habe er wohl schon einige Zeit lang Briefe an den Kläger nicht an diesen weitergeleitet bzw. geöffnet. Darüber hinaus hätte der Beklagten zum 31.07.2007 schon bekannt sein müssen, dass die Ausbildung zum Oktober 2006 geendet habe. Einkünfte würden durch das maschinelle Benachrichtigungsverfahren weitergegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 4 SGB X lägen vor. Die Erkrankung des Vaters sei in diesem Punkt irrelevant, die Halbwaisenrente sei durch den Kläger beantragt worden, er sei Bescheidempfänger gewesen, eine Vollmacht für den Vater habe nicht vorgelegen. Ein atypischer Fall sei nicht gegeben. Der Arbeitgeber habe gegenüber der zahlenden Stelle der Halbwaisenrente keine Meldepflicht, so dass sich der Kläger darauf nicht berufen könne.

Dagegen hat der Kläger am 02.12.2010 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, die Aufhebung des Rentenbescheides vom 12.10.2006 nach § 48 SGB X sei rechtswidrig, da der Rentenbescheid sicherlich nach dem 16.10.2006 und damit nach der am 16.10.2006 erfolgten Kündigung des Ausbildungsverhältnisses ergangen sei. Demnach sei der Rentenbescheid bereits im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen, so dass der Bescheid nicht nach § 48 SGB X sondern nach § 45 SGB X hätte zurückgenommen werden müssen. Eine Umdeutung der Aufhebung des Rentenbescheides nach § 48 SGB X in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X sei jedoch wegen der fehlenden Ermessensausübung nicht mehr möglich. Im Übrigen treffe die Beklagte ein Mitverschulden an der entstandenen Überzahlung, da im Rahmen der Einkommensanrechnung das Einkommen übermittelt werde und demnach für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass ein Arbeitseinkommen nur bis 10/2006 erzielt worden sei.

Nach Anhörung hat das SG durch Gerichtsbescheid am 10.10.2012 die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat es dargelegt, § 48 SGB X sei anwendbar. Der Rentenbescheid sei nicht im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen. Aus dem Kündigungsschreiben vom 16.10.2006 habe sich eindeutig ergeben, dass die Kündigung zum 23.10.2006 erfolgt sei. Der Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses liege daher offensichtlich nach dem Erlasszeitpunkt des Rentenbescheides vom 12.10.2006. Mit Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses sei eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, und damit sei ab 01.11.2006 der Anspruch des Klägers auf Halbwaisenrente entfallen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X seien erfüllt. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles, der eine Ermessensentscheidung erforderlich machen würde, seien dem Gericht nicht ersichtlich. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung habe die Beklagte nicht erkennen können, ob der Kläger über 10/2006 hinaus Einkünfte aus dem Ausbildungsverhältnis bezogen habe, denn diese Einkünfte seien auf dem Versicherungskonto des Kläger zu berücksichtigen, es bestehe aber keine Meldepflicht des Ausbilders gegenüber der die Halbwaisenrente bearbeitenden Stelle. Die Fristen des § 48 SGB X seien gewahrt.

Dagegen hat der Kläger am 20.11.2012 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Eine Begründung hat er nicht vorgetragen.
Die Beklagte beruft sich auf die ihrer Ansicht nach richtigen Gründe des Urteils des SG.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 10.10.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 10.10.2012 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt der Kläger nicht in seinen Rechten.

Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

§ 48 SGB X ist anwendbar. Der die Waisenrente bewilligende Bescheid vom 12.10.2006 war im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig, der Kläger hatte gemäß § 48 Abs 1, 4 Nr 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Halbwaisenrente, denn er befand sich ab 01.07.2006 in einer Berufsausbildung. Mit der Kündigung des am 01.07.2006 begonnenen Berufsausbildungsverhältnisses zum 23.10.2006 entfiel ab 01.11.2006 der Anspruch des Klägers auf Halbwaisenrente (§ 48 Abs 1 und Abs 4 Nr 1 und 2 a SGB VI). Insoweit trat eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X ein.

Die Tatbestandsalternative des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X ist erfüllt. Der Bescheid enthielt die eindeutige Verpflichtung, jede Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mitzuteilen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht nachgekommen.
Daneben sind die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X erfüllt.
Der Bescheid vom 12.10.2006 enthielt den eindeutigen Hinweis, dass die Waisenrente endet, wenn die Schulausbildung beendet wird. Der Kläger hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, denn bei einfachem Durchlesen des Bescheides hätte er wissen müssen, dass sein Anspruch auf Waisenrente mit der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entfällt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles, der ausnahmsweise eine Ermessensentscheidung erforderlich machen würde, sind für den Senat nicht ersichtlich. Es obliegt dem Verantwortungsbereich des Klägers, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Sofern er diese Angelegenheiten einem Dritten (seinem Vater) überlassen hat, sind Versäumnisse nicht der Beklagten anzulasten.

Die Fristen des § 48 Abs 4 SGB X iVm § 45 Abs 3 Satz 3, Abs 4 Satz 2 SGB X sind gewahrt, da der begünstigende Bescheid vom 12.10.2006 innerhalb von zehn Jahren seit Änderung der Verhältnisse (23.10.2006) und innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen (04.02.2006) aufgehoben wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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