Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 2908/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 3376/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente des Klägers zutreffend berechnet hat und insbesondere ob sie hierbei Rentenabschläge in Abzug bringen durfte.
Der 1956 geborene Kläger bezieht seit 1. Februar 2005 (Bescheid vom 17. Oktober 2007) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dabei wurden von der Beklagten ein verminderter Zugangsfaktor von 0,892 wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zugrunde gelegt. Hiergegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2007 wegen des verminderten Zugangsfaktors Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 zurück.
Am 1. Juli 2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bewilligungsbescheides gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Mit Bescheid vom 10. Juli 2008 wies die Beklagte den Antrag auf Überprüfung zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Minderung des Zugangsfaktors für eine vor Erreichen des 60. Lebensjahres in Anspruch genommene Erwerbsminderungsrente sei gesetzlich vorgesehen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 15. August 2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2009 zurück.
Am 3. März 2009 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Die Klage wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 4 R 1082/09 geführt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Verordnung des Rates der Europäischen Kommission 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in Europa ein Verstoß gegen Art. 14 EMRK vorliege.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Nach Antrag der Beteiligten ist der Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. April 2009 ruhend gestellt worden. Auf einen weiteren Überprüfungsantrag des Klägers vom 7. Juli 2009 (betreffend den Bescheid vom 17. Oktober 2007) wegen der Zuerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2009 in Form des Bescheides vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 weitere rentenrechtliche Zeiten (Kindererziehungszeiten) zuerkannt und rückwirkend zum 1. Februar 2005 die Rente neu festgestellt.
Am 11. Juni 2012 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Mit Verfügung vom 18. März 2014 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die auf abschlagsfreie Rentengewährung gerichtete Klage missbräuchlich sein dürfte und im Fall der Fortführung Kosten von mindestens 225,00 EUR auferlegt werden können. Mit Verfügung vom 22. April 2014 hat das SG den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger Kosten von 225,00 EUR auferlegt. Das SG ist hierbei der Auffassung gewesen, dass Streitgegenstand der Bescheid über die Gewährung einer vollen Erwerbsminderung vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 in Form des Überprüfungsbescheides vom 10. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 in Gestalt der weiteren Bescheide vom 11. August 2009 und vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 rechtmäßig seien und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zugangsfaktor ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte sei und seine Höhe in § 77 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) näher geregelt sei. Die Erwerbsminderungsrentner müssten eine Absenkung des Zugangsfaktors auch dann hinnehmen, wenn sie bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Die Kürzung des Zugangsfaktors verstoße - auch im Falle des Klägers - nicht gegen das Grundgesetz (GG). Es handele sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber, die auch im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG zulässig sei. Die Auswirkung der Regelung werde dadurch gemildert, dass der Abschlag der Höhe nach auf 10,8% begrenzt sei und die Betroffenen zusätzliche Entgeltpunkte für erhöhte Zurechnungszeiten nach § 59 SGBVI erhielten. Des Weiteren gewährleiste eine Übergangsregelung Vertrauensschutz, sodass die Abschlagsregelung verfassungskonform sei (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Entscheidungen vom 11. Januar 2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 -, veröffentlicht in Juris). Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. nach Art. 4 der Verordnung des Rates der Europäischen Kommission 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in Europa komme nicht in Betracht. Die Regelung über den verminerten Zugangsfaktor bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente gelte unterschiedslos für alle Rentenbezieher in Deutschland. Aus dem Gesichtspunkt der Inländerdiskriminierung könne der Kläger deshalb ebenfalls keinen höheren Rentenanspruch herleiten.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 11. August 2014 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg schriftlich Berufung eingelegt und zur Begründung auf seinen Schriftsatz zur Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG gegen eine Entscheidung des 13. Senates des Landessozialgerichts zur gleichen Problematik (Geltendmachung eines Verstoßes gegen europäisches Recht) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 in Form der Bescheide vom 11. August 2009 und 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 zu verurteilen, die ihm ab 1. Februar 2005 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen und die Differenz zur bisherigen Rentenzahlung nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2014 zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 26. August 2014 und 15. September 2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG (SGG) entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI.
Gegenstand des Verfahrens sind der Überprüfungsbescheid gemäß § 44 SGB X vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 betreffend den Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 17. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008, diese in der Gestalt des weiteren Überprüfungsbescheides vom 11. August 2009 in Form des Bescheides vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. Mai 2010.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für das hier allein im Streit stehende Überprüfungsverfahren hinsichtlich des Zugangsfaktors ist § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die hier zur Überprüfung gestellten Ausgangsbescheide, nämlich der Bescheid über die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 (in Form der Bescheide vom 11. August 2009 und 9. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010) sind rechtmäßig, weshalb der Beklagte zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 abgelehnt hat.
Denn bei der Erwerbsminderungsrente des Klägers ist der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu Recht gekürzt worden. Diese Regelung bestimmt, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 ist, begrenzt allerdings ab 36 Monate. Auch Erwerbsminderungsrentner, die wie der Kläger bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, unterliegen diesen Rentenabschlägen (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 14. August 2008 - B 5 R 32/07 R und Beschluss vom 26. Juni 2008 - B 13 R 9/08 S und Urteil vom 25. Februar 2010 - B 10 LW 3/09 R -, veröffentlicht in Juris).
Die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist auch verfassungsgemäß. Das BVerfG hat nach den Beschlüssen vom 11. Januar 2011 (1 BvR 3588/08 und 1 BvR 55/09, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 1 BvR 1262/10 -, veröffentlicht in Juris) eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht feststellen können. Die Regelung zu den Rentenabschlägen bei vorzeitigem Rentenbeginn diene dem Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten. Die notwendige Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen trage somit letztlich sogar zu einer Verbesserung für dieses System bei. Hierbei handele es sich um legitime Ziele. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden und sieht sie zugleich als überzeugend an.
Dem Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzt, ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch merklich - wenn auch nicht vollständig - durch zusätzliche Zurechnungszeiten nach § 59 SGB VI kompensiert werden.
Dementsprechend ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 10. Juli 2014 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente des Klägers zutreffend berechnet hat und insbesondere ob sie hierbei Rentenabschläge in Abzug bringen durfte.
Der 1956 geborene Kläger bezieht seit 1. Februar 2005 (Bescheid vom 17. Oktober 2007) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dabei wurden von der Beklagten ein verminderter Zugangsfaktor von 0,892 wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zugrunde gelegt. Hiergegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2007 wegen des verminderten Zugangsfaktors Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 zurück.
Am 1. Juli 2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bewilligungsbescheides gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Mit Bescheid vom 10. Juli 2008 wies die Beklagte den Antrag auf Überprüfung zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Minderung des Zugangsfaktors für eine vor Erreichen des 60. Lebensjahres in Anspruch genommene Erwerbsminderungsrente sei gesetzlich vorgesehen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 15. August 2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2009 zurück.
Am 3. März 2009 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Die Klage wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 4 R 1082/09 geführt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Verordnung des Rates der Europäischen Kommission 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in Europa ein Verstoß gegen Art. 14 EMRK vorliege.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Nach Antrag der Beteiligten ist der Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. April 2009 ruhend gestellt worden. Auf einen weiteren Überprüfungsantrag des Klägers vom 7. Juli 2009 (betreffend den Bescheid vom 17. Oktober 2007) wegen der Zuerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2009 in Form des Bescheides vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 weitere rentenrechtliche Zeiten (Kindererziehungszeiten) zuerkannt und rückwirkend zum 1. Februar 2005 die Rente neu festgestellt.
Am 11. Juni 2012 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Mit Verfügung vom 18. März 2014 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die auf abschlagsfreie Rentengewährung gerichtete Klage missbräuchlich sein dürfte und im Fall der Fortführung Kosten von mindestens 225,00 EUR auferlegt werden können. Mit Verfügung vom 22. April 2014 hat das SG den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger Kosten von 225,00 EUR auferlegt. Das SG ist hierbei der Auffassung gewesen, dass Streitgegenstand der Bescheid über die Gewährung einer vollen Erwerbsminderung vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 in Form des Überprüfungsbescheides vom 10. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 in Gestalt der weiteren Bescheide vom 11. August 2009 und vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 rechtmäßig seien und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zugangsfaktor ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte sei und seine Höhe in § 77 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) näher geregelt sei. Die Erwerbsminderungsrentner müssten eine Absenkung des Zugangsfaktors auch dann hinnehmen, wenn sie bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Die Kürzung des Zugangsfaktors verstoße - auch im Falle des Klägers - nicht gegen das Grundgesetz (GG). Es handele sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber, die auch im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG zulässig sei. Die Auswirkung der Regelung werde dadurch gemildert, dass der Abschlag der Höhe nach auf 10,8% begrenzt sei und die Betroffenen zusätzliche Entgeltpunkte für erhöhte Zurechnungszeiten nach § 59 SGBVI erhielten. Des Weiteren gewährleiste eine Übergangsregelung Vertrauensschutz, sodass die Abschlagsregelung verfassungskonform sei (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Entscheidungen vom 11. Januar 2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 -, veröffentlicht in Juris). Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. nach Art. 4 der Verordnung des Rates der Europäischen Kommission 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in Europa komme nicht in Betracht. Die Regelung über den verminerten Zugangsfaktor bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente gelte unterschiedslos für alle Rentenbezieher in Deutschland. Aus dem Gesichtspunkt der Inländerdiskriminierung könne der Kläger deshalb ebenfalls keinen höheren Rentenanspruch herleiten.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 11. August 2014 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg schriftlich Berufung eingelegt und zur Begründung auf seinen Schriftsatz zur Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG gegen eine Entscheidung des 13. Senates des Landessozialgerichts zur gleichen Problematik (Geltendmachung eines Verstoßes gegen europäisches Recht) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 in Form der Bescheide vom 11. August 2009 und 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 zu verurteilen, die ihm ab 1. Februar 2005 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen und die Differenz zur bisherigen Rentenzahlung nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2014 zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 26. August 2014 und 15. September 2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG (SGG) entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI.
Gegenstand des Verfahrens sind der Überprüfungsbescheid gemäß § 44 SGB X vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 betreffend den Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 17. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008, diese in der Gestalt des weiteren Überprüfungsbescheides vom 11. August 2009 in Form des Bescheides vom 9. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. Mai 2010.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für das hier allein im Streit stehende Überprüfungsverfahren hinsichtlich des Zugangsfaktors ist § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die hier zur Überprüfung gestellten Ausgangsbescheide, nämlich der Bescheid über die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 (in Form der Bescheide vom 11. August 2009 und 9. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010) sind rechtmäßig, weshalb der Beklagte zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 abgelehnt hat.
Denn bei der Erwerbsminderungsrente des Klägers ist der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu Recht gekürzt worden. Diese Regelung bestimmt, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 ist, begrenzt allerdings ab 36 Monate. Auch Erwerbsminderungsrentner, die wie der Kläger bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, unterliegen diesen Rentenabschlägen (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 14. August 2008 - B 5 R 32/07 R und Beschluss vom 26. Juni 2008 - B 13 R 9/08 S und Urteil vom 25. Februar 2010 - B 10 LW 3/09 R -, veröffentlicht in Juris).
Die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist auch verfassungsgemäß. Das BVerfG hat nach den Beschlüssen vom 11. Januar 2011 (1 BvR 3588/08 und 1 BvR 55/09, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 1 BvR 1262/10 -, veröffentlicht in Juris) eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht feststellen können. Die Regelung zu den Rentenabschlägen bei vorzeitigem Rentenbeginn diene dem Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten. Die notwendige Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen trage somit letztlich sogar zu einer Verbesserung für dieses System bei. Hierbei handele es sich um legitime Ziele. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden und sieht sie zugleich als überzeugend an.
Dem Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzt, ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch merklich - wenn auch nicht vollständig - durch zusätzliche Zurechnungszeiten nach § 59 SGB VI kompensiert werden.
Dementsprechend ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 10. Juli 2014 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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